Der hl.v. Alfons v. Ligouri über die Notwendigkeit
des Begehrens nach Vollkommenheit :
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1.
Wenn du wahrhaft fromm und vollkommen werden willst, geliebter Christ,
so musst du vor allem ein aufrichtiges Verlagen nach Vollkommenheit haben.
Wie ein Jäger, welcher einen Vogel im Fluge schießen will,
immer weiter, als nach jenem Punkte zielen muss, wo er den Vogel sieht:
eben so muss man, um zur Vollkommenheit zu gelangen,
stets nach dem höchsten Grade der Heiligkeit,
welcher nur immer zu erreichen ist, mit seinen Begierden zielen.
David ruft aus:
"Wer wird mir Flügel, wie einer Taube geben, dass ich hinfliegen und ruhen könne?" (Psalm 34,7) Die heiligen Begierden sind ihm jene glücklichen Flügel,
womit sich heilige Seelen von der Erde erheben,
und auf den Berg der Vollkommenheit erschwingen,
wo sie jenen Frieden, jene Ruhe finden, die sie in der Welt vergebens suchen.
Wie bewirkt jedoch die heilige Begierde, dass sich die Seele zu Gott erhebt?
Dieses erklärt der heilige Laurentius, Patriarch von Venedig:
„Einerseits gibt die fromme Begierde Kräfte,
andererseits macht sie die Mühe und Arbeit geringer, den steilen Berg zu besteigen."
Wer keine Begierde nach Vollkommenheit hat
und an der Erreichung seines Zieles verzagt,
wird sich auch nie bemühen, sie zu erlangen.
Wer einen hohen Berg sieht, und nicht auf den Gipfel zu klettern verlangt,
wo er weiß, dass ein Schatz zu finden sei,
wird nicht einen Schritt tun, um hinauf zu steigen:
sondern wird gleichgültig und müßig unten stehen bleiben.
Also, wer keine heilige Begierde hat, den Schatz der Vollkommenheit zu finden,
weil er die hierzu nötige Mühe für allzu groß hält,
der wird in seiner Lauheit immer nachlässig bleiben,
ohne auf dem Wege Gottes beherzte Schritte zu wagen.
2.
Ja, wer auf dem Wege des Herrn nicht vorwärts zu gehen verlangt, wird,
wie alle Lehrmeister des christlichen Tugendlebens sagen,
und wie es die Erfahrung bestätigt, zurückgehen,
und sich großer Gefahr aussetzen, ewig verloren zu gehen.
Dasselbe sagt der weise Salomon:
Der Weg der Gerechtigen ist wie ein glänzendes Licht,
geht fort und wächst bis zum vollen Tag. (Sprichw. 4,18)
Der Weg der Sünde hingegen wird von Finsternissen immer mehr verdunkelt,
bis die Armseligen dahin kommen, wo sie nicht mehr wissen,
ob, wann, und wohin sie fallen.
Der heilige Augustinus sagt:
„Auf dem Wege des Geistes nicht vorwärts gehen heißt zurück schreiten."
Dieses erklärt auch schon der heilige Gregorius durch das Gleichnis eines Schiffers;
der Heilige sagt:
„Wer sich auf einem Flusse in einem Schifflein befindet
und dasselbe gegen den Strom zu treiben sich nicht bemüht,
sondern still halten wollte, ohne weder vorärts noch rückwärts zu fahren,
würde notwendig rückwärts schwimmen, weil ihn der Strom selbst fortreißen würde."
Der Mensch ist nach der Sünde Adams natürlicher Weise
von seiner Geburt an zum Bösen geneigt.
Der Sinn und die Gedanken des menschlichen Herzen
sind von Jugend auf zum Bösen geneigt. (Gen. 8.21)
Wer nicht vorwärts trachtet und sich Gewalt antut,
besser und frömmer zu werden, als er schon ist,
den wird der Strom der menschlichen Begierden rückwärts mit fortreißen.
Der heilige Bernardus fragt:
Seele, du willst im Geiste nicht zunehmen? so willst du also abnehmen.
— Du antwortest: Keineswegs!
— Was willst du denn sonst? fragt der heilige Abt von Clairvaux weiter.
— Du sagst: Ich will in dem Stande bleiben, in dem ich bin;
ich will weder besser noch schlimmer werden.
Du bist also etwas, antwortet der heilige Bernardus,
was unmöglich sein kann ;
denn auf dem Wege Gottes muss man entweder vorwärts gehen und in den Tugenden zunehmen,
oder rückwärts gehen, und sich in den Abgrund der Laster stürzen.
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Und über die Notwendigkeit des beharrlichen Gebetes im Kampf gegen die eigenen Fehler:
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Vor allem aber müssen wir, um unsere Fehler auszurotten,
unseren Kräften und unserem Bemühen misstrauen,
und alles Vertrauen auf Gott setzen,
indem wir mit David sprechen:
Auf meinen Bogen verlasse ich mich nicht, und mein Schwert kann mir nicht helfen (Psalm 43,7)
Wenn wir das Vertrauen nur auf unsere Vorsätze gründen;
so wird alle unsere Mühe verloren sein.
Daher ist es notwendig,
dass wir durch das Gebet den göttlichen Beistand zu erlangen suchen,
und unablässig wiederholen:
Barmherzigkeit, o Herr! Mein Gott steh' mir bei! Herr, eile mir zu helfen!
Gott hat verheißen,
dass Er dem geben werde, der Ihn bittet, und sich finden lassen werde von dem, der Ihn sucht: Bittet, so wird euch gegeben werden, suchet, so werdet ihr finden (Lukas 11,9).
Man muss aber, ich wiederhole es, allezeit bitten,
und nie zu bitten nachlassen:
Man muss allezeit beten, und nicht nachlassen (Luk. 18,1).
Zu dem Zeitpunkt, an dem wir zu bitten aufhören, werden wir überwunden werden.
Wenn wir aber zu bitten fortfahren,
und ein wahres Verlangen nach der Gnade haben, so wird der Sieg unser sein.
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Der hl. Franz v. Sales:
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"Die auf den Herrn
hoffen,
werden ihre Kraft umwandeln;
sie werden sich mit Adlerschwingen erheben
und einen hohen Flug beginnen,
der nimmermehr in die Tiefe sinken wird."
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Siehe dazu bitte auch:
Das beharrliche Gebet
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