Liebe Kristina im Herrn!
Wenn wir die Evangelien durchlesen, dann gibt es diese Risse und Spaltungen nicht erst seit ein paar Jahren. Das war immer schon da.
Da steht in den Evangelien ziemlich deutlich, wie sich die anderen Apostel über die Donnersöhne ärgerten, weil jene die besten Plätze im Himmel wollten.
Da wird über den Streit zwischen Petrus und Paulus berichtet, weil Paulus den Petrus wegen seiner Feigheit rügt.
Da lesen wir, dass Paulus und Barnabas sich trennen, weil sie offensichtlich auch unterschiedlicher Meinung sind.
In den Lesungen der letzten Zeit aus der Apostelgeschichte wird berichtet, wie auf Grund von Meinungsverschiedenheiten der Synagogenvorsteher Sosthenes verprügelt wird.
Auf Grund der unterschiedlichen Einschätzung der Notwendigkeit der Beschneidungen wird diskutiert und debattiert.
Petrus wurde in seiner etwas engstirnigen Einschätzung durch eine Vision vom Tuch mit allerlei unreinen Tieren die er essen sollte darauf hingewiesen, großherziger zu sein.
Wir lesen also auch in der Apostelgeschichte und in den Evangelien von Spaltungen und Quereleien. Aber all das soll uns nicht in Angst und Entsetzen jagen, als würden Glaube und Kirche untergehen wenn es solche Uneinigkeiten gibt.
Und wenn manche meinen das 2. vatikanische Konzil mit seinen Folgen wäre der Untergang des katholischen Glaubens, so sehe ich auch darin eine zu ängstliche Haltung. Wir dürfen in unserem Leben streng zu uns sein- fasten, beten, Buße und Sühne leisten. Aber wir fordern leider oft von anderen Umkehr, Sühne, Buße und ein heiliges Leben - sind uns selbst gegenüber aber nachsichtig bis zur Blindheit.
Daher halte ich für einen der wichtigsten Schritte im spirituellen Leben die ehrliche Selbstprüfung und ständige Bereitschaft, immer wieder umzukehren. Denn selbst wenn wir täglich die hl. Messe besuchen, 3 Rosenkränze beten und scheinbar fromm sind, kann es sein dass wir lau und verblendet sind.
Die häufige hl. Beichte könnte hier ja mitwirken, dass es da anders um uns wird. Aber selbst die Beichte könnte zur Gewohnheit werden. Man hat´s nicht leicht, wenn man den Glauben ernst nimmt, aber leicht hat´s einem.
Was nun die vielen charismatischen Bewegungen, Neuaufbrüche angeht ist es (gerade auch in Bezug auf deine Anspielung darauf, dass Stephanus noch jung im Glauben wäre) verständlich, dass auch bei diesen Anfängen gar manches in die Irre läuft. Auch Orden brauchen immer wieder Reformen, Reifung.
Da du den hl. Franz von Sales kennst - den ich sehr schätze- weißt du ja wie sehr dieser Heilige zur Geduld rät- sowohl mit sich selbst als auch mit anderen.
Und die Worte der Schrift "in Geduld werdet ihr eure Seele bewahren" sind auch auf die Kirche, ihre Bewegungen - ja auch auf Medjugorje anzuwenden. Wenn wir bei Fehlern die wir entdecken sofort von "teuflisch, dämonisch, verwerflich" schreien, dann ähneln wir jenen Jüngern, die im Übereifer Weizen und Unkraut ausrissen - und letztlich ist dann nichts mehr da.
Der hl. Franz von Sales meinte einmal, er möchte von Gott lieber darüber gerichtet werden, dass er zu barmherzig als zu streng war. Und das möchte ich für mich persönlich auch auf M. und anderes anwenden.
In Bezug auf die vielen Mißstände in Kirche und Welt dürfen wir nicht blind sein - aber unseren Glauben an GOTT und seine weise Vorsehung auch nicht durch Kleinglauben und Angst zunichte machen lassen.
Kaspar Buffalo glaube ich formulierte: "Es ist aussichtlos- aber Gott ist allmächtig."
Daher- es gibt auch in Bezug auf Kirche und den Glaubensverfall kein Problem, das von Gott nicht lösbar werde. Und je inniger wir Gott lieben, je ernsthafter wir um unsere eigenen Bekehrung besorgt sind, je mehr wir vom Geist der Buße, der Sühne und der Hingabe erfüllt sind- umso mehr kann Gottes Geist in uns und in Kirche und Welt wirken.
Ich bin daher dafür ohne zu große Sorgen und Ängste in tiefem Gottvertrauen voranzuschreiten- den denen die Gott lieben muss alles zum Guten gereichen.