In der "Nachfolge Christi" des Thomas v. Kempen
lesen wir Hilfreiches über den Umgang mit Versuchungen:
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So lange wir in dieser Welt leben, können wir nicht ohne Trübsal und Versuchung sein;
daher steht auch geschrieben im Buche Hieb:
„Versuchung ist das menschliche Leben auf Erden."
Desalb sollte jeder seiner Versuchungen wegen sorgfältig sein
und im Gebete wachen , daß der Teufel nicht Raum fand» ihn zu überlisten,
der nimmermehr schlummert, sondern umhergeht, suchend wem er verschlinge.
Niemand ist so vollkommen, noch so heilig, der nicht zuweilen Versuchungen hätte;
und ganz können wir nicht ohne dieselben sein.
Indeß sind die Versuchungen dem Menschen oft überaus nützlich,
ob sie auch lästig und schwer sind,
weil der Mensch darin'gedemütigt, gereinigt und belehrt wird.
Alle Heiligen sind durch viele Trübsal« und Versuchungen hindurch gegangen
und haben dadurch zugenommen;
und die in den Versuchungen nicht aushalten konnten, sind verworfen worden
und abgefallen.
Nimmer ist irgend ein Orden so heilig, noch eine Stätte so geheim,
wo nicht Versuchungen oder Trübsale wären.
Nicht gänzlich sicher ist der Mensch vor Versuchungen so lange er lebt.
Denn in uns selbst liegt woher wir versucht werden,
seit wir in Begierlichkeit geboren wurden.
Weicht eine Versuchung oder Trübsal, so kommt eine andere über uns,
und immer werden wir etwas zu leiden haben;
denn das Gut unserer Glückseligkeit haben wir verloren.
Viele suchen die Versuchungen zu fliehen, und fallen schwerer in dieselben.
Durch die Flucht allein können wir nicht überwinden;
aber durch Geduld und wahre Demuth werden wir stärker als alle unsere Feinde.
Wer bloß äußerlich ausweicht, noch auch die Wurzel ausrottet,
der wird wenig ausrichten;
ja, die Versuchungen werden schneller zu ihm zurückkehren,
und ärger wird er sie fühlen.
Allmählig und durch Geduld und Langmut wirst du (mit Gottes Beistande),
besser überwinden als durch eigene Hartnäckigkeit und Ungestüm.
Nimm öfters Rath an in der Versuchung,
und begegne einem Versuchten ja nicht mit Harte,
sondern flöße ihm Trost ein, wie du wünschtest daß dir geschähe.
Der Anfang aller Versuchungen ist:
Unbeständigkeit des Gemütes
und geringes Vertrauen auf Gott.
Denn wie ein Schiff ohne Steuerruder von den Wellen hin und her geschleudert wird,
so wird ein lässiger und seinen Vorsatz verlassender Mensch
auf verschiedene Weise versucht.
Das Feuer prüft das Eisen,
und die Versuchung den gerechten Menschen.
Wir wissen oft nicht was wir vermogen;
aber die Versuchung deckt auf, was wir sind.
Wachen muß man indessen,
zumal im Anfang der Versuchungen;
weil der Feind dann leichter überwunden wird,
wenn nirgend ihm Einlaß in das Thor des Geistes gestattet,
sondern noch vor der Schwelle, sobald er anpocht, ihm begegnet wird. Weßhalb auch jener sagte:
„Widerstrebe mit Ernst im Beginn: zu spät ist die Heilung:
wenn durch langen Verzug machtlg das Übel schon ward".
Denn zuerst schwebt dem Gemüte ein einfacher Gedanke vor,
dann ein mächtiges Bild,
hierauf folgt Lust und böse Regung und Einwilligung.
Und also dringt der böse Feind allmählig ganz ein,
wenn im Anfang ihm nicht widerstanden wird.
Und je länger jemand zaudert zu widerstehen, je schwächlicher wird er täglich in sich selbst,
und je mächtiger der Feind gegen ihn.
Einige leiden im Anfang ihrer Bekehrung schwerere Versuchungen,
einige aber am Ende.
Andere haben es gleichsam durch ihr ganzes Leben übel.
Einige werden ziemlich gelinde angefochten,
je nach der Weisheit und Billigkeit der göttlichen Anordnung,
die den Stand und die Verdienste der Menschen erwägt,
und Alles zum Heil ihrer Auserwählten vorherbestimmt.
Daher müssen wir nicht verzagen,
wenn wir angefochten werden,
sondern um so inbrünstiger zu Gott flehen,
daß er in aller Trübsal seiner Hilfe uns für.
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Siehe dazu bitte auch
Die Schwelle zur Sünde
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