Von Gottes barmherziger Strenge
Barmherzig bist du, Herzergründer.
Schlägst du, so heilst du den Sünder;
Denn träfen ihn nicht deine Pfeile,
Er käme nimmermehr zum Heil.
1. Gott folgt dem Menschen, der durch die Sünde ihn verlässt, überall nach, und seine Barmherzigkeit ist es, die ihm die Hindernisse in den Weg legt, die seine sündhafte Lust stören und verbittern. Denn verleiden will er ihm die Sünde und zur reinen und wahren Freude ihn zurückführen. Wären die falschen Freuden dieser Welt nicht von Dornen durchflochten, würde der Sünder, der ihnen nachjagt, nicht dabei verwundet und gepeinigt. Wären ihre Früchte nicht so bitter und brächte ihr Genuss nicht Ekel und Überdruss hervor, so wäre die Rückkehr zu Gott gleichsam unmöglich, weil der Leidenschaft eine Art unvermischter Glückseligkeit innewohnte.
2. Gott jedoch hat barmherzige Absichten mit dem Sünder. Er weckt ihm Hindernisse, Kummer, Verlegenheiten und Verdruss aller Art, damit er einsehen lerne, dass die Glückseligkeit nicht dort ist, wo er sie sucht, und von seinen Verirrungen zurückkehrt. Wäre der verlorene Sohn nicht nahe daran gewesen, vor Hunger und Elend zu verschmachten, er wäre weder in sich gegangen, noch in das väterliche Haus zurückgekehrt. Das gegenwärtige Elend weckt die Erinnerung an den früheren Wohlstand, sowie die Hoffnung, wieder dazu zu gelangen. Und dies ist es, was die meisten zurückführt. Ich war glücklich, spricht der Sünder, als ich unschuldig war, und war elend, als ich mich strafbar machte. So kehren wir denn zu Gott zurück.
3. Gottes Absicht ist keineswegs, uns alle Freuden zu entziehen, sondern uns zur Einsicht zu führen, dass die wahre Freude von einem reinen und frohen Gewissen ausgeht, das nur in seinem Dienst erlangt wird, und dass alles Vergnügen, das die Vernunft missbilligt und die Religion verdammt, immer mehr Bitterkeit als Süße in sich fasst. Davon auch überzeugt uns selbst unser innerstes Bewusstsein. Wie also können wir noch warten, zur Ordnung Gottes zurückzukehren, die der unversiegbare Quell einer reinen, heiteren, lieblichen Freude ist, da alle Leidenschaften der Vernunft, die Vernunft aber Gott unterworfen ist und ihn besitzt, einer Freude, die keinen Überdruss, keine Angst, keine Reue kennt? Psalm 32,11: "Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!"
https://www.marianisches.de/heilige-des-tages/