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#121

RE: "Am Lagerfeuer" Allerlei menschliches...

in Diskussionsplattform 24.12.2018 12:28
von benedikt • 3.365 Beiträge



In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld. und hielten
Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn
zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürch-
teten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch
nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem gan-
zen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids
der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll
euch als Zeichen dienen. Ihr werdet ein Kind finden, das, in Win-
deln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem En-
gel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den
Menschen seiner Gnade.

https://youtu.be/qQw6v3eUyZw

FROHE WEIHNACHEN


Gott ist die Liebe,
und wer in der Liebe bleibt,
bleibt in Gott,
und Gott bleibt in ihm.

1. Joh 4,7 - 16

zuletzt bearbeitet 24.12.2018 12:30 | nach oben springen

#122

RE: "Am Lagerfeuer" Allerlei menschliches...

in Diskussionsplattform 29.12.2018 00:33
von Hemma • 589 Beiträge

Die zurückgeholte Ikone
eine Weihnachtsgeschichte



In seinem Buch „Du kommst nach Hause" bringt Pater Gerhard Hermes folgende Erzählung eines Mitgefangenen in einem russischen Lager:

Es war der Heiligabend 1941. Nie werde ich die Schreckensbilder jener Tage vergessen können – wer die damalige ‚Frontbegradigung’ bei TulaOrel mitgemacht hat, wird wissen, was ich meine. Die brennenden Dörfer, die verzweifelten Menschen, die innere und äußere Not der Kameraden, die einen wahnsinnigen Befehl ausführen mussten – all das lastete mir so auf der Seele, dass ich mir eine Kugel wünschte, allen Ernstes.
Ich konnte das Grauen nicht mehr ertragen. Damals übrigens haben wir den Krieg verloren, damals, als
wir die Seele des russischen Volkes herausgefordert haben.
Ich gehörte zur Aufklärungsabteilung 120, war Geschützführer im KG-Zug. Aber das hatte damals beim Rückzug keine Bedeutung, wir waren alle infanteristisch eingesetzt.
Heiligabend hatten wir uns in Gewaltmärschen vom Russen abgesetzt, wir sollten die Oka, die neue HKL
(Hauptkampflinie) erreichen. Es war eine Hundekälte – manchmal staken wir bis zur Hüfte im Schnee.
Im heraufdämmernden Morgen zeigte uns ein brennendes Dorf den Weg. Wir arbeiteten uns seitwärts
vorbei – wir konnten der Lage nicht trauen – und erreichten glücklich die „Hauptmarschstraße“ der Division.
Klingende Namen hatten sie ja damals für alles.

Der Morgen des Weihnachtstages war einzigartig schön, von einer geradezu schmerzhaften Schönheit.
Das makellose Weiß des Schnees, das märchenhafte Funkeln des Raureifs, der Baum und Strauch überspann, verzauberte mich, trotz allem. Wenn man je solche Herrlichkeit malen könnte, dachte ich bei mir. Aber ich wurde grausam aus den Träumen gerissen – vor uns lag wieder ein Dorf, wieder ein brennendes Dorf.
Es war hier jedenfalls zugegangen wie überall: Die nichtsahnenden Leutchen hatten den Landsern das Beste vorgesetzt, was sie noch hatten. Die Angst vor den anrückenden Bolschewiken stand ihnen in den Augen, manche weinten. Die Kameraden hatten Brot und Speck mit dem schlechtesten Gewissen von der Welt hinunter geschlungen – und fünf Minuten später das Zündholz unter das Strohdach gehalten.
Nun wirbelte das ganze Dorf hinauf in die gleißende Bläue, die schwarze Asche legte sich wie ein Höllenschnee über das unschuldige Weiß. Die entsetzten Dorfbewohner standen zusammengedrängt am
Rande einer Schlucht. Die Kinder weinten, die Frauen jammerten und beteten, die wenigen Männer ballten
die Fäuste in stummer Ohnmacht.
Meine Scham war entsetzlich, ich wäre am liebsten im Boden versunken. Aber wir mussten dicht an den verzweifelten Menschen vorbei spießrutenlaufen unter Blicken,die härter trafen als Peitschen oder
Stöcke.
Gerade als wir die Gruppe des Elends erreichten, sehe ich, wie ein riesenhafter Greis aus einem kümmerlichen Haufen geretteten Hausrats eine Ikone herauszieht. Eine Frau fällt ihm schreiend in die
Arme. Er entwindet sich ihr, reckt sich hoch auf und schleudert das Bild mit einem dröhnenden Fluch hinab
in die Schlucht.
Ich habe ein ziemliches Gedächtnis für Gesichter, und dieser Kopf war einer von denen, die man nicht vergisst, wenn man sie einmal gesehen hat. Der Alte hatte mit seiner heftigen Bewegung die Schapka abgestreift, und ich erkannte den kugelrunden, eisenharten Schädel wieder, der mir schon einmal aufgefallen war, im Oktober, bei unserm Vormarsch über die Oka.
Wie anders war damals die Szene gewesen! Wer 41 dabei war, hat bestimmt solche Bilder gesehen. Die
gequälten Menschen begrüßten uns als Befreier.
Und eben dieser Greis mit dem Eisenschädel stand damals vor seiner Hütte, barhäuptig, die Hände über der Brust gekreuzt, Psalmworte vor sich hinsingend. Tränen der Freude rollten ihm in den Bart.

Das stand nun blitzartig vor meiner Seele, als ich den Alten das Bild in die Schlucht hinab werfen sah. Ich
begriff, welche Tragödie des Vertrauens sich hier abgespielt hatte, und schämte mich noch tiefer für die,
welche den Glauben dieser einfachen Menschen zerbrachen.

Wir beeilten uns, weiterzukommen, weiter durch Rauch und Aschenregen. Mit einmal standen wir still – es war unverkennbar: Aus einer der brennenden Hütten drang das Schreien eines Kindes.
Wir sahen uns an – hier musste geholfen werden. Aber die Kate stand lichterloh in Flammen, und ich
hatte die Verantwortung für das Leben meiner Männer. Durch die Tür einzudringen war unmöglich; An dem hölzernen Windfang war das Feuer am weitesten vorgeschritten.
Während wir um das Haus rannten, um irgendeinen Eingang zu finden, hatte hinter mir einer ein Fenster
eingestoßen und sich, ehe ich es verhindern konnte, durch die Öffnung hindurch gezwängt.
Ich war entsetzt. Wir schrien, um ihm den Weg zurück anzuzeigen. Vielleicht aber haben wir dadurch eher das Finden des Kindes erschwert. Es dauerte wohl nur wenige Augenblicke, aber sie kamen uns unter dem Knattern und Zischen der Flammen wie eine Ewigkeit vor. Einer schleppte einen Stamm herbei – es gelang uns, die Lehmwand unter dem Fenster einzustoßen. Nun endlich tauchte Josef Kehl, so hieß er, aus einer Wolke von Qualm und Feuer auf; sein Gesicht war hochgerötet, Brauen und Bart versengt, seine Augen blickten wild und stechend, die Uniform glimmte an mehreren Stellen. Im Arm trug er ein Bündel, das Kind,
das er in seinen Mantel gewickelt hatte.
Wir wollten ihm seine Last abnehmen, aber er hielt das Kleine fest, das wieder zu schreien begann, als wir sein Gesicht frei machten.
Es war ein Mädchen, vielleicht vier Jahre alt.
In diesem Augenblick ertönte ein gellender Schrei, unten an der Schlucht. Eine Frauengestalt löste sich aus der Menschengruppe und rannte auf uns zu. Josef schritt ihr entgegen. Dann fiel oben am Waldrand der Schuss ...

Das ist nun drei Jahre her, und ich bin immer noch nicht fertig mit dem, was damals geschah.
An solchen Erlebnissen wird man entweder zum stumpfen Tier, oder zum inbrünstig Glaubenden.
In jenem Augenblick ist mir erst richtig aufgegangen, wie sehr ich den Jüngsten meiner Gruppe ins Herz geschlossen hatte.
Er war ein stiller und reiner Mensch, zuverlässig und hilfsbereit in jeder Lage, stammte von der Mittelmosel,
der Älteste von acht. Ich habe ihn oft beobachtet, wie er verstohlen ein Foto seiner Angehörigen betrachtete.
Bei den Kleinen hatte er Kindermädchen spielen müssen, da nach ihm zunächst nur Buben kamen.
Mir war es an jenem Weihnachtsmorgen, als hätte sich in der Gestalt dieses jungen Menschen ein Engel über das unsagbare Elend des Krieges empor geschwungen, ein leuchtendes Trotzdem, und nun trifft ihn diese blinde Kugel, und ein höhnisches Gesicht grinst über die zusammengesunkene Gestalt:
Was willst du, es ist alles sinnlos und grässlicher Zufall.
Nun, das wirklich zu denken, hatte ich keine Zeit – es traf mich alles auf einmal – wie ein Faustschlag ins Gesicht. Ich ließ das Maschinengewehr in Stellung bringen und ein paar Stöße zum Waldrand hinaufschicken – nichts regte sich mehr, und wir haben nie erfahren, aus wessen Gewehr
diese elende Kugel kam – war es ein Partisan, ein verbitterter Einwohner, ein russischer Spähtrupp?

Ich bemühte mich um den Zusammengebrochenen – der Einschuss befand sich unter dem Schulterblatt. Das Blut sickerte nur aus der Wunde, aber es war zu sehen, dass es mit Josef schnell zu Ende ging.

Die Frau hatte unter Schreien und heftigen Gebärden das Kind an sich gerissen, und im Nu waren wir umringt von den Dorfbewohnern, die in grenzenloser Verwirrung und mit ehrfürchtiger Scheu auf den
Sterbenden blickten. Indem tasteten seine Finger nach der Öffnung der Uniform auf der Brust, als suchten
sie etwas, und als ich nach half, entdeckte ich ein Kettchen und daran ein Medaillon, wie es die Katholiken
tragen. Es stellte die Mutter Jesu dar. Josef führte es mit letzter Anstrengung an die Lippen, dann sank seine
Hand schlaff in den Schnee.
Wie ich nun aufblicke, sehe ich zwei weit aufgerissene Augen über mir. Es ist der alte Mann, der sich über den Sterbenden beugt und das Medaillon berührt. In seinen Zügen arbeitet es ungeheuer. Er bricht in den Schnee, wie vom Blitz gefällt, erhebt sich aber gleich wieder und geht eiligen Schrittes hinunter zur Schlucht. Er lässt sich hinuntergleiten bis zur Sohle, wirft sich mit dem Angesicht zu Boden, bekreuzigt sich dreimal und richtet sich dann auf, die Ikone in den Händen. Mühsam arbeitet er sich nach oben und trägt das Bild, feierlich, als führte er eine Prozession an, zu uns herüber. Er legt die Ikone, die gleichfalls die Mutter mit
dem Kinde darstellt, dem Toten auf die Brust. Dann spricht er mit kräftiger Stimme Gebete, die ich nicht
verstehe, wohl in der altslawischen Kirchensprache, und die Menschen rundum bekreuzigen sich und beten
mit ihm, bis ich Josef Kehl die Augen zudrücke.
Den Leichnam haben wir neben das Maschinengewehr auf den Schlitten gelegt und später in dem splitterharten Erdreich am Ufer der Oka beerdigt.
Und an der Mosel, in der Stube des Winzerhauses, in dem er geboren wurde, hängt nun das russische Bild
der Madonna mit den wissend traurigen und doch so gütigen Augen. Und seine Mutter zündete jeden Samstag davor die Ampel an, so, wie es früher eine andere Mutter getan hat, dort, wo ihr Sohn begraben liegt.
Seht ihr, das waren meine Weihnachten 1941. Es war viel Dunkel darin. Überhaupt, wie viele Dinge, und wohl gerade die tiefsten, werden für uns Menschen Zeit unseres Lebens im Dunkel bleiben, eingebettet in eine undurchdringliche Schale! Aber wenn ich mir das Antlitz des Greises über dem Sterbenden vergegenwärtige, dieses zerbrochene und dann von einem ganz anderen Licht empor gerissene Antlitz, dann fühle und weiß ich: Es gibt noch eine Hoffnung für unsere Völker. Nur eine Hoffnung.


zuletzt bearbeitet 29.12.2018 00:40 | nach oben springen

#123

RE: "Am Lagerfeuer" Allerlei menschliches...

in Diskussionsplattform 29.12.2018 07:51
von benedikt • 3.365 Beiträge

Ja, wir haben eine Hoffnung! Im christlich-menschlichen Sinne!


Gott ist die Liebe,
und wer in der Liebe bleibt,
bleibt in Gott,
und Gott bleibt in ihm.

1. Joh 4,7 - 16
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#124

RE: "Am Lagerfeuer" Allerlei menschliches...

in Diskussionsplattform 06.02.2019 14:30
von benedikt • 3.365 Beiträge

Das Schöne an diesem Forum und seinen Mitgliedern ist,
daß wir hier neben unserem christlichen Glauben auch
noch Mensch sein dürfen.
MENSCH-SEIN mit unseren Schwächen (und Stärken)...
Gelobt sei Jesus Christus.
Denn, wenn wir alle Heilige wären, bedürfte es nicht mehr
des Bußsakramentes.


Gott ist die Liebe,
und wer in der Liebe bleibt,
bleibt in Gott,
und Gott bleibt in ihm.

1. Joh 4,7 - 16
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#125

RE: "Am Lagerfeuer" Allerlei menschliches...

in Diskussionsplattform 06.02.2019 22:56
von Aquila • 7.220 Beiträge

Gelobt sei Jesus Christus !


Lieber benedikt

In der Tat müssen wir uns für unsere - durch die Folgen der Erbsünde tief verwurzelten - Schwächen nicht schämen.

Alleine die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria
- die Unbefleckt Empfangene -
blieb von jedem Makel der Erbsünde bewahrt.


Wir daber dürfen und müssen unsere Erbärmlichkeit immer aufs Neue vor unserem Herrn bekennen.
Ja, "wir dürfen noch Mensch sein"....
freilich mit einem aufrichtigen Verlangen nach Heiligkeit

Der hl. Josefmaria Escriva - Begründer des "Opus Dei" - beschreibt die heilsame Wirkung der tieferen Erkenntnis der eigenen Schwächen als Folge
der Wirkung der Gnade Gottes als "Vergrösserungsglas"
-

[....]
Bemühen wir uns darum, in der Tiefe unseres Herzens ein starkes, überwältigendes
Verlangen nach Heiligkeit zu erwecken, auch wenn unsere Elendigkeit uns noch so klar vor Augen steht.

Seid deswegen ohne Sorge;
die persönlichen Fehler werden um so deutlicher, je mehr man auf dem Weg des inneren Lebens fortschreitet.
Dies rührt daher, daß die Gnade Gottes wie ein Vergrößerungsglas wirkt und Winziges
- ein Staubpartikel oder ein Sandkorn - riesengroß erscheinen läßt; denn die Seele erlangt ein hohes Feingefühl für das Göttliche, und das Gewissen, das nur die Reinheit Gottes stillen kann, stößt sich bereits am leisesten Schatten...

Sage jetzt dem Herrn aus deinem tiefen Herzensgrunde:
ja, Herr, ich will heilig werden, ich will Dein würdiger Jünger sein und Dir bedingungslos folgen. Und nimm dir zugleich vor, die herrlichen Ideale, die du in diesem Augenblick empfindest, jeden Tag zu erneuern.
[....]
Die "große" Heiligkeit besteht im Erfüllen der "kleinen Pflichten" jeden Augenblicks."

-

Mehr dazu vom hl. Josefmaria siehe bitte hier:
Stufen zur Vollkommenheit (8)



Freundliche Grüsse und Gottes Segen


zuletzt bearbeitet 06.02.2019 23:24 | nach oben springen


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