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Auszug:
FASTENZEIT
Die Buße: Notwendigkeit und Beweggründe1
Nun stehen wir in der Fastenzeit. Die Buße ist ein wahres Charakteristikum der christlichen Religion. Wo Jesus Christus ist, befindet sich die Kirche; und wo die Kirche ist, befindet sich der Geist der Buße.
Das ganze Leben Jesu Christi bestand in einer einzigen Buße: es war eine beständige Kreuzigung. Auch die katholische Kirche hat die Bußpraxis immer gelehrt und gefordert.
Die getrennten Kirchen haben nichts dergleichen; sie fördern den Sensualismus, das weltliche Leben und den Stolz. Die Protestanten sagen: Christus hat uns gänzlich und vollends losgekauft, folglich haben wir es nicht nötig, Buße zu tun.
Die Grundlage der katholischen Religion ist die Buße, weil ihr Fundament der Kalvarienberg ist, und weil ohne Kalvarienberg die christliche Religion nicht existiert.
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Es gibt in der Kirche vielfältige Arten von Berufungen, die alle zu unseren Herrn führen, freilich auf verschiedenen Wegen; aber alle sind begleitet vom Geist der Buße. Wo es keine Buße gibt, wäre nichts Religiöses in der Seele, sondern nur Oberflächlichkeit; und dies aus dem ganz einfachen Grund, weil es ohne diese Tugend kein Verlangen nach Vollkommenheit geben kann. Je besser dieser Geist in einer religiösen Gemeinschaft geübt wird, umso vollkommener ist diese Gemeinschaft.
Auch sind die beschaulichen Orden an sich in ihrem Zweck vollkommener als die aktiven Orden2. Das Opfer seines ganzen Selbst kostet viel mehr als die Ausgabe seiner Kräfte im Dienst des Nächsten, wie großzügig sie auch sein mag. Dieses Wirken nach außen entspricht einem Bedürfnis des menschlichen Herzens. Findet man nicht auf einem Karthäuserberuf hundert Missionsberufe?
Der untrügerische Beweis der Heiligkeit bei den Heiligen liegt nicht in ihrer Milde, nicht in ihrem bescheidenen und gesammelten Äußern. Die Pharisäer trugen diese Eigenschaften nach außenhin; aber wie leicht entdeckte man von Zeit zu Zeit das, was sie innerlich besaßen!
Es gibt nämlich keine Scheinheiligkeit des Standes, denn man stirbt sich nicht wirklich ab, um gut zu erscheinen, sondern nur, um vor Gott gut zu sein.
Da ist ein Mann mit großem Eifer, mit einer grenzenlosen Nächstenliebe, der immer betet. Wenn er zu einem Festmahl eingeladen wird, gibt er nicht das Beispiel der Mäßigkeit. Sofort wird ein gewöhnlicher Mensch in der Welt sagen: das ist kein Heiliger; er hat recht, sein Urteil stimmt.
Da ist ein Mann so sanft wie ein Lamm zu jedermann... man sieht ihn nur im Vorübergehen. Aber wenn man ihm privat widerspricht, bricht er in heftigem Zorn aus. Auch ein solcher Mensch ist kein Heiliger.
Man hat nur zu einem solchen Menschen ein wirkliches Vertrauen und öffnet ihm das Herz, wenn dieser Mensch abgetötet ist.
Sind es nicht die Sünden der Sinnlichkeit, die ihr am meisten bedauert? Dies ist ein augenscheinlicher Beweis, dass die Abtötung, welche unsere Sinne durch ihre Beherrschung mittels unseres Willens zur Ruhe bringt, eine der wichtigsten Tugenden ist.
Ich bin mir klar, dass die Buße etwas kostet. Aber wäre sie ohne dies eine Tugend?
Wollt ihr den Wert der Buße abschätzen? Überlegt, dass unser Herr, unser Vorbild, sie in einer ununterbrochenen Weise und in allen Bereichen geübt hat. Niemals hat er dem natürlichen Wohlbefinden und den Bequemlichkeiten seines Leibes Befriedigung gewährt; immer hat er in der Armut gelebt.
Es ist so schwer, rein zu bleiben, wenn man alles wunschgemäß zur Verfügung hat! Darum hat unser Herr ständig ein hartes und nüchternes Leben geführt. Er hat nicht nur an seinem Leib gelitten, sondern auch in seiner Seele, was sehr viel härter ist.
Es gibt sehr wenige, welche die Kraft haben, die inneren Leiden durchzustehen; denn wenn die Seele einwilligt, innerlich zu leiden, stimmt sie zu, auf alles zu verzichten, selbst auf das Erlaubte; sie ist bereit, alles aus Gottes Hand anzunehmen und Genugtuung weder durch ihre Freunde noch durch Gott selbst zu erfahren. Das ist Heiligkeit.
Wer könnte errechnen, was Jesus Christus gelitten hat? Niemand. Man müßte, um ein solches Wissen zu haben, das Wissen Jesu Christi besitzen.
Freilich drang Maria tief in die Seele ihres Sohnes ein. Aber wie viele geheime, u. zwar die heftigsten Schmerzen blieben ihr verborgen! Übrigens verursachte der Schmerz Mariens anstatt Jesus zu stärken, wie das bei gewöhnlichen Unglücksfällen zutrifft, für Jesus neue Qualen.
Und zudem hat Jesus Christus nicht nur auf dem Kreuz gelitten. Dort hat er nur drei Stunden gehangen. Sein ganzes Leben lang war ihm dieser Gedanken des Kalvarienberges gegenwärtig und warf seine Schatten über die selbst berechtigten Freuden, die er verkostet hat. So sprach er oft davon, sein Geist war alle Tage ans Kreuz geheftet, noch bevor sein Leib daran angenagelt wurde. Es mußte wohl so sein, damit er in Wahrheit sagen konnte: "Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, er nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" 3.
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Welches sind aber die Gründe dieser Verhaltensweise unseres Herrn? - Das Leiden ist an sich nicht erstrebenswert, und Gott befiehlt uns nicht, es auf diese Weise zu lieben. Liebt es denn eine Mutter, ihr Kind zu strafen? Man kann nur lieben, was liebenswert ist, weil nur dies in irgendeiner Weise an den Vollkommenheiten Gottes teilnimmt. Nun ist das Leiden nur ein Fehlen des Guten, ein Verlust. Es könnte nicht über unsere Liebe gebieten.
Trotzdem muß das Leiden begründet sein, da unser Herr uns aufträgt, das Leiden zu tragen. Diese Gründe sind folgende:
1.- Wir sind Sünder und müssen daher in dieser oder in der anderen Welt bestraft werden. Es liegt eine zu bezahlende Schuld vor; und man heiligt sich nur, wenn man diese Schuld begleicht.
Nun gut! Habt ihr schon eure Schuld bezahlt? Ihr, die ihr euch beklagt, zuviel Buße zu tun? Wenn ihr auch nur eine einzige Todsünde begangen habt, so ist es sicher, dass ihr dafür die Hölle verdient habt. Könnte eure Buße die Strafen aufwiegen, die ihr erdulden müßtet? Habt ihr mehrere Todsünden begangen? Oh, dann tötet euch ab, tötet euch ab, ihr werdet damit nie erreichen, die göttliche Gerechtigkeit in entsprechender Weise zufriedenzustellen.
Ihr habt nur lässliche Sünden begangen? Aber auch diese Sünden müssen bezahlt werden. Büßt also euer Fegfeuer in dieser Welt ab, damit ihr es nicht in der anderen zu tun braucht!
Seht ihr, wie groß die Barmherzigkeit Gottes ist! Wollt ihr nicht die Buße auf euch nehmen, welche seine Gerechtigkeit fordert? Er schickt euch Prüfungen, Krankheiten, innere und äußere Leiden, welche auf dieser Welt die schuldig gewordenen Fähigkeiten bestraft.
Wenn ihr leidet, so beklagt euch also nicht darüber. Bittet nicht, geduldet und preisgünstig behandelt zu werden wie Leute in der Miete! Es handelt sich um wirkliche Schulden, die ihr bezahlen müßt. Es ist eure strikte Pflicht, die ihr erfüllt.
2.- Der zweite Grund, warum wir durch Gott leiden müssen, besteht darin, dass wir Verbannte und Reisende, ferne von unserer Heimat sind. - Wenn wir am Wegrande sehr wohlduftende, aber mit giftigen Früchten beladene Pflanzen finden, die einen sehr verlockenden Eindruck erwecken, aber einen bitteren Geschmack enthalten, müssen wir uns davor hüten, stehen zu bleiben und sie zu betrachten. Dieses Vorgehen ließ Eva das irdische Paradies verlieren4.
Der hl. Gregorius sagt: "Wir befinden uns auf einem Weg, wo sich die bösen Geister wie Räuber im Hingerhalt verbergen..." 5. "Im Kampf für den Glauben haben wir einen Kampf gegen die bösen Geister auszufechten. Aber bei diesem Zweikampf wird derjenige als erster zu Boden geworfen, der für den Gegner irgendeinen Angriffspunkt aufweist. Wenn wir den Dämon, der ein reiner Geist ist, besiegen wollen, sollen wir uns aus Buße aller irdischen Dinge entledigen, die wie ein Kleid unsere Seele einhüllen" 6.
3.- Die christliche Buße ist schließlich der Beweis, dass wir Gott gehören und für ihn leben wollen. An dieser Abtötung erkennt Gott seine Gläubigen. Alle Handlungen, die nicht von diesem Geist beseelt werden, entbehren des inneren Antriebs, der die Seele zur Tugend führt und sie zur Heiligkeit voranschreiten läßt.
Weil die Kirche befürchtete, dass mehrere ihrer Kinder nicht daran denken, Buße zu tun, hat sie ihnen jedes Jahr 40 Tage in besonderer Form vorgeschrieben. Niemand ist davon ausgenommen. Man dispensiert von dieser oder jener Übung, aber nicht von der Buße selbst. Und je mehr die leiblichen Entbehrungen eingeschränkt werden, umso mehr müssen sie durch geistliche Abtötungen ersetzt werden.
Ein Rat zum Schluß. - Lebt nie in der Buße selbst! Macht daraus kein Ziel, keinen Selbstzweck. Ihr würdet sonst in bedauernswerte Übertreibungen fallen. Das ist traurig, und ihr würdet nicht standhalten.
Ihr werdet mir aber erwidern: ich tue Buße, um Gott in mir zu verherrlichen, und um unserem Herrn meine Liebe zu zeigen. - Oh! dann ist es sehr gut! Eure Seele wird sich mit Leichtigkeit emporschwingen; sie wird zufrieden sein, selbst unter den größten Schmerzen; sie hat ja Gott zum Zentrum ihrer Handlungen und ihrer Liebe.
Macht also so, dann werdet ihr mehr in der Liebe als in der Buße leben und ihr werdet nicht mehr auf Abwege geraten.
Liebe Grüße, Blasius