
Von den zwei Naturen in Christus
Preis, Jesus, dir, der du vom Himmel kamst,
Und aus Maria unsre Menschheit nahmst:
Als Mensch uns mit dem Vater zu versöhnen,
Als Gott uns mit Erbarmungen zu krönen.
1. Betrachten wir die Person Jesu Christi, so sehen wir in ihm eine Heiligkeit und Allmacht, die eines Gottmenschen vollkommen würdig ist. Die glorreichen Wunder, die er zum Beweis seiner Gottheit wirkte, erforderten Gottes ganze Allmacht. Von dieser Art waren: Blindgeborenen Augen zu erschaffen, wenige Brote aus nichts zu vermehren, Tote, und zumal einen viertägigen Toten, zu erwecken, Aussätzige durch ein bloßes Wort zu reinigen. Diese und zahllose andere Wunder tat Jesus vor allem Volk, sprach sich dabei als Gott, und zwar als einen Gott mit seinem Vater aus, und ließ sich als solchen anbeten. Nimmermehr aber konnte, wofern er nicht Gott war, Gott seine Allmacht ihm mitteilen, ein falsches Zeugnis zu bestätigen.
2. War Jesus nicht Gott, so war er (was ewig fern sei) der verbrecherischste aller Betrüger, da er für Gott sich ausgab, und göttliche Ehre forderte, - ein Betrüger jedoch, dessen Absichten Gott mit seiner ganzen Allmacht förderte, und durch beinahe zwei Jahrtausende beständig fördert. War er ein bloßer Mensch, so war er ein unauflösliches Rätsel. Er war der demütigste und stolzeste aller Menschen zugleich, der Unterwürfigste und der größte Rebell. Er gehorchte Gott in tiefster Ehrfurcht, opferte ihm Ehre und Leben, und empörte sich zugleich dergestalt wider ihn, dass er selbst auf dem Thron Gottes sich erheben und als Gott herrschen wollte. Wer wird dies je begreifen?
3. Ist aber Jesus ein Gottmensch, dann lösen sich alle scheinbaren Widersprüche seines Charakters wunderbar. Dann konnte er in Wahrheit sagen, "er sei dem Vater gleich, er sei früher denn Abraham; was der Vater tut, das tut auf gleiche Weise auch der Sohn, damit alle den Sohn ehren;" - und begreiflich wird dann auch seine tiefe Demut, sein Eifer für die Ehre seines Vaters, seine Aufopferung bis zum Kreuzestod, ihm zu gehorchen. Es glänzt in ihm die Gottheit in ihrer vollen Würde, und die Demut in der höchsten menschlichen Vollkommenheit. Also, liebevollster Erlöser, beten wir dich als den Sohn Gottes und der Jungfrau an. "Ich bin vom Himmel herabgekommen." (Johannes 6,38)