Danke Aquila,
was viele vergessen
Die Ursache der Kreuzzüge ist im Machtvakuum des Römischen Reiches zu sehen, das seit dem 5. Jahrhundert dazu geführt hatte, den Papst als einzige konstante Institution des Okzidents immer mehr in die weltliche Pflicht zu drängen (in der Ostkirche gab es dementsprechend keine Kreuzzüge). Bei den Kreuzzügen ging es nie um Imperialismus, Kolonialismus oder Zwangsmissionierung, sondern um das Überleben der Christen im Südosten Europas, in der Türkei und im Nahen Osten sowie um die Sicherheit der Pilger nach Jerusalem. Eine Verweigerung des Kreuzzugs wäre einer unterlassenen Hilfeleistung gegenüber dem Notruf des christlichen Bruderlandes gleichgekommen. Die Kreuzzüge haben ursächlich also den Charakter eines militärischen Beistands. Sie wurden als das angesehen, was wir heute „Humanitäre Intervention“ nennen. Doch wie lässt sich Gewalt mit dem christlichen Glauben vereinbaren, in dem es doch um Liebe und Frieden geht?
Was man wissen muss, wenn man als (christlicher) Pazifist die Kreuzzüge zitiert
Die christliche Glaubenslehre kennt ein Naturrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung. Das ist keine Perversion der Friedensbotschaft Christi, sondern ihre praktische Umsetzung. Die Aufforderung Jesu zum radikalen Gewaltverzicht in der Bergpredigt (Mt 5, 38 ff.) bezieht sich nicht auf konkrete Handlungen, sondern auf die innere Haltung des Menschen, die praeparatio cordis (Haltung des Herzens), wie Augustinus es nannte. Die innere Haltung des Christen sagt ihm: Krieg ist ein Übel, auf das nur nach Ausschöpfung aller friedlichen Mittel zurückgegriffen werden darf. Die Voraussetzung eines Krieges ist immer die Verfehlung des Anderen, denn „nur die Ungerechtigkeit der Gegenpartei nötigt dem Weisen gerechte Kriege auf“ (Augustinus).
Richard Schröder grenzt in Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen davon die Haltung des Islam ab: „Die christlichen Skrupel hinsichtlich der Legitimität des Krieges waren Mohammed fremd“, was daran liege, so Schröder, dass „diese beiden Arten von ,Monotheismus’ [Christentum und Islam, J.B.] durch ein fundamental anderes Verhältnis zur Gewalt charakterisiert werden, was mit ihren Entstehungsbedingungen zu tun hat.“
Ergo: Gewaltausübung ist nicht auf die christliche Religion zurückzuführen. Das zeigt die christliche Lehre, die genuin friedlich und gewaltfrei ist, das zeigen aber auch die Geschichte (in den ersten drei Jahrhunderten waren Christen hauptsächlich Opfer von Gewalt, selten Täter) und die Gegenwart: Über 80 Prozent der Menschen, die momentan wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sind Christen. Unter den Opfern von tödlicher Gewalt, die gegen Menschen aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses tagtäglich ausgeübt wird, sind sogar weit über 90 Prozent Christen; bei den Tätern liegt ihr Anteil im Promille-Bereich. Es kommt nur deshalb seitens der Christenheit (in Verkennung des Christentums!) zu Gewalt, insoweit sie, die Christenheit, politisch wirkt und / oder zur Selbstverteidigung genötigt wird.
So wie bei den Kreuzzügen. Bei diesen mischt sich christliche Wallfahrtstradition und der frühmittelalterliche bellum iustum-Topos (im Wesentlichen augustinischer Provenienz) zu einem Verständnis von „bewaffneter Pilgerreise“, die für den freien Zugang zu heiligen Stätten des Christentums, die damals unter islamischer Herrschaft standen, insbesondere zum Schutz der Wege ins Heilige Land, auf militärische Gewalt als Mittel der Durchsetzung zurückgriff. So sehr wir das heute verurteilen: Es ging dabei nicht um Mission oder Eroberung um der Macht willen, sondern um Beistand für die christliche Minderheit im Heiligen Land und die Sicherheit der Jerusalem-Pilger, die durch die politischen Verhältnisse dieser Zeit nicht mehr gegeben war.
Link : http://jobo72.wordpress.com/2012/04/30/kreuzzuge/