Sie wollen eine "neue katholische Kirche"
Mittwoch, den 29. Dezember 2010 um 12:10 Uhr
Die österreichische Tageszeitung "Die Presse" hat einen Gastkommentar veröffentlicht, in dem der Autor offen zu einer Kirchenspaltung rät. Der Verfasser fordert das, was so mancher konzilsbeflissene Zeitgeist in der Kirche gerne haben möchte: Frauenpriestertum, Aufhebung des Zölibates, Abschaffung des Papsttumes. Das nennt er dann die "neue katholische Kirche" und prophezeit ihr 50 Prozent der Mitglieder der "alten Kirche".
Hierauf ist die Antwort leicht zu geben. Diese "Neue katholische Kirche" existiert bereits seit 500 Jahren: Sie heißt Protestantismus. Wir empfehlen also allen Freigeistern, die diesen Ideen anhängen, tatsächlich die Kirche zu verlassen, und geben ihnen noch eine Starthilfe mit: Sie brauchen nichts Neues zu gründen, der Eintritt in eine protestantische Vereinigung genügt. (Bild: Der verdorrte Baum wird umgehauen.)
Warum sollte es eigentlich keine „Neue katholische Kirche“ geben?
HANS CSOKOR (Ein Gastkommentar aus "Die Presse")
Mit einer Verbesserung der Lage in der katholischen Kirche ist nicht zu rechnen. Deshalb sollte man einen Neuanfang wagen.
Ich werfe die Frage auf, warum so vielen Menschen, die über die „Unzulänglichkeiten“ der katholischen Kirche in den letzten 20 bis 25 Jahren frustriert sind – als Alternative dazu, in resignative Passivität zu verfallen –, nur der Austritt bleibt.
Warum gibt es (noch) nicht die Chance, in eine „Neue katholische Kirche“ einzutreten. Dies setzt zwar eine Kirchenspaltung voraus, aber das wäre ja kein Tabubruch. Denn es gab ja schon zwei Kirchenspaltungen: eine um 500 in Ost- und Westkirche, und eine um 1500 durch Martin Luther (abgesehen von der Abspaltung der Kirche in England unter Heinrich VIII.).
Keine wirkliche Reform möglich
Listet man alle Argumente dafür auf, so kommt einiges zusammen: Zölibat auf freiwilliger Basis; Frauen dürfen Priesterinnen (und mehr) werden; Homosexualität wird nicht mehr als „sündige Verfehlung“ gewertet; Geschiedene dürfen wieder kirchlich heiraten und auch andere Sakramente empfangen; Bischöfe werden von den Gläubigen im jeweiligen Bistum gewählt; viele Dogmen, die über hunderte Jahre so nach und nach „hinzukamen“, könnte man bei der „Alten Kirche“ lassen; Rückkehr zur ursprünglichen Lehre Christi, ohne Pomp, Luxus, Finanzvergehen etc.
Wenn es in der Bibel heißt: „Lasset die Kinder zu mir kommen“, dann sollte das keinen bitteren Beigeschmack mehr hervorrufen. Und letztlich: Viele Gläubige, die – wie ich (mit 63 Jahren und nach reichlicher Überlegung) – ausgetreten sind, würden in eine „Neue katholische Kirche“ wieder eintreten. Klingt doch interessant, wenn auch revolutionär!
Mit der derzeitigen und mit Sicherheit auch mit der in den kommenden Jahren zu rechnenden Hierarchie ist eine wirkliche Reform der Kirche wohl nicht möglich. Warum also sollen die, „die wirklich guten Willens sind“, auf ewig mit den reaktionären Gläubigen (siehe zum Beispiel die Anhänger des Gott sei Dank als Bischof verhinderten Pfarrers Wagner) unter demselben Kirchendach frustriert leben?
Wäre nicht allen gedient, wenn in Zukunft beide Kirchen, vielleicht sogar friedlich (wie in Deutschland die Protestanten und die Katholiken), nebeneinander existieren würden?
Gegenpapst braucht es nicht
Einen Gegenpapst bräuchte man auch nicht installieren und würde so einen Konflikt vermeiden, denn ursprünglich war ein Papst ja nicht vorgesehen und führte die Einführung eines solchen (unter anderem) zu eben jener ersten Kirchenspaltung. Als Oberhirten könnte ich mir aber Bischof Hans (nicht Klaus!) Küng sehr gut vorstellen.
Das aktuelle Beispiel (Übertritt von anglikanischen Bischöfen) zeigt ja, dass der Vatikan offensichtlich nicht an Reformen denkt, sondern versucht, die „Abgänge“ vornehmlich im kontinentalen Europa durch streng konservative Neukatholiken zu kompensieren.
Also ist mit einer Verbesserung der Situation innerhalb der katholischen Kirche für sehr lange Zeit nicht zu rechnen, und daher ist es wohl legitim, nicht mehr über eine Reform zu diskutieren, die ohnehin nie kommt, sondern einen Neuanfang zu wagen!
Die Angst vor Verlust
Zumindest ergäbe dies eine interessante Diskussion! Und möglicherweise würde es die derzeitige Kirchenführung vom Papst abwärts unter Zugzwang setzen.
Denn der mögliche Verlust von bis zu 50 Prozent der Gläubigen – oder gar mehr – ist sicherlich das stärkste Argument, um doch Reformen in Gang zu setzen. Was wiederum beweisen würde, dass bei manchen Menschen die Angst vor Verlust mehr bewirkt als Einsicht durch Vernunft!
Hans Csokor (*1946) war 34 Jahre lang Geschäftsführer der Fa. Publimedia, Internationale Verlagsvertretungen (jetzt Publicitas).
Quelle: "Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2010
Eine abschließene Bemerkung: Eine solche Reinigung der Kirche von allen zerstörerischen Ideen und ebensolchen Ideologen wäre heilsam! Natürlich scheint es im ersten Augenblick erschreckend, dass die Spalter sich den Namen "katholisch" geben. Aber hier wiederholt sich die Geschichte: Auch die Kirchenspalter um Luther und Calvin, Zwingli und Hus haben sich im Anfang als "die wahre katholische Kirche" bezeichnet und die damalige katholische Kirche als Verfälscherin der Botschaft des Evangeliums hingestellt. Mit anderen Worten: Auch die modernen Kirchenspalter können sich "katholisch" nennen, sie sind es aber nicht. Katholisch ist, wer das Papsttum hat, das heilige Sühnopfer der Messe, das auf den Mann beschränkte Weihepriestertum, den daraus resultierenden Zölibat, die Verehrung der Muttergottes und alle Glaubenswahrheiten der Jahrhunderte.
Aus:
http://pius.info/archiv-news/717-aktuell...olische-kircheq