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Gott ist immer noch nicht tot
In einem lesenswerten Artikel in der Tagespost vom 7. Juni untersucht Dr. Raphael Bonelli die Frage, warum ungläubige Menschen oft so aggressiv auf die Religion reagieren. Warum sind viele so empört, wenn sie feststellen, dass es immer noch gläubige Katholiken gibt? Warum empfindet man den Zölibat der katholischen Priester fast als persönliche Beleidigung, obwohl das einem doch völlig egal sein könnte? Warum fällt es denen, die sich lautstark für den Schutz von Minderheiten und allgemeine Toleranz einsetzen, oft so schwer, gegenüber gläubigen Katholiken tolerant zu sein? Dr. Bonelli entlarvt in seinem Beitrag das brüchige Selbstwertgefühl der Religionskritiker.
Sigmund Freud diagnostizierte der Menschheit drei schwere Kränkungen, nämlich 1. die Entdeckung, dass die Sonne sich nicht um die Erde dreht, die Erde also nicht Mittelpunkt der Welt ist; 2. die Lehre Darwins, der Mensch stamme vom Affen ab, sei also kein Geschöpf Gottes; 3. Freuds eigene Lehre, nach der der Mensch nicht Herr über sich selbst, sondern materiell determiniert sei. Dem stellt Bonelli drei Kränkungen des modernen Menschen gegenüber:
Die erste Kränkung besteht darin, dass Gott immer noch nicht tot ist. Obwohl Nietzsche schon im vorletzten Jahrhundert den Tod Gottes verkündete, lebt der Glaube an Gott weiter – sogar bei der Mehrheit der Menschen.
Die zweite, schlimmere Kränkung liegt darin, dass auch die religiösen Wertvorstellungen weiterleben, besonders die katholische Moral, die dem Menschen sagt, dass es nicht egal ist, wie er lebt, dass nicht immer nur die anderen Schuld sind, sondern auch er selber Schuld auf sich geladen hat. Während man Schuld und Sünde heute meist einfach verdrängt, sagt die Religion, dass es den gerechten Richter gibt, vor dem man seine Taten verantworten muss.
Die dritte Kränkung liegt im Frieden und Glück der Gläubigen. Während der Ungläubige – ähnlich einem pubertierenden Jugendlichen – den Vatergott verlassen hat und sich nun in einer kalten, sinnlosen Welt durchschlagen muss, beneidet er heimlich die Gläubigen darum, dass sie bei Gott Liebe und Geborgenheit finden.
Und bei alldem sitzt ihm immer „die schmerzhafte Angst im Nacken, ob das alles vielleicht doch stimmt und er auf das falsche Pferd gesetzt hat …“