Von welchen Gedanken war wohl Maria beseelt bei der Erwartung der Geburt des Heilandes? Wir wollen uns im Geist in ihr Kämmerlein nach Nazareth versetzen und ihre Gesinnungen zu erforschen suchen.
Die erste Gesinnung, die sie beseelte, war jedenfalls die Demut. Sie hat niemals begreifen können, dass sie Mutter Gottes werden sollte, und als der Erzengel Gabriel ihr Verkündete, dass dies Wunder an ihr geschehen sollte, da beugte sie ergeben ihr Haupt unter den Willen Gottes, ihres Herrn, und verharrte trotz der unermesslich hohen Würde in tiefster Demut. „Die Person des Gottessohnes“, so begrüßt sie der heilige Ildephons, „wird aus dir geboren werden und von dir Fleisch annehmen; es wird dieses sein der Große, der Gott aller Herren, der König aller Jahrhunderte, der Schöpfer aller Dinge. Siehe, selig bist du unter den Frauen, unversehrt unter den Müttern, Herrin unter den Mägden, Königin unter deinen Schwestern. Selig werden dich nennen alle Geschlechter, selig kennen dich die himmlischen Heerscharen, selig preisen dich alle Sänger, selig feiern dich alle Nationen.“ Maria wusste wohl, welch erhabene Würde ihr von Gott zuerkannt war, aber dennoch blieb sie die demütige Magd des Herrn. – Die erste und vorzüglichste Gesinnung unseres Herzens, wenn wir Christus aufnehmen wollen, soll ebenfalls die Demut sein. Wie kommt es, so müssen wir uns fragen, dass unser Herr und Gott zu uns kommt? – Demut ist der Mittelpunkt, um den alle anderen Tugenden sich drehen, das Fundament, auf dem sie alle aufgebaut werden; nur bei einem Demütigen kann sich die Gnade entwickeln und Frucht bringen.
Eine weitere Gesinnung, die die allerseligste Jungfrau bei der Erwartung der Geburt des göttlichen Kindes beseelte, war die Dankbarkeit. Diese wächst geradezu aus der Demut hervor. Denn da sich Maria eines so großen Glückes, wie es ihr zu Teil werden sollte, nicht für würdig hielt, fühlte sie sich zu um so größerer Dankbarkeit angetrieben. Je größer die Gabe ist, um so größer muss auch der Dank sein; wie groß muss er also bei Maria gewesen sein, da ihr der Heiligste der Heiligen, der König der Könige, der Sohn Gottes selbst geschenkt werden sollte! – Dankbarkeit soll auch uns erfüllen bei der heiligen Kommunion, wenn wir diesen Jesus in unser Herz aufnehmen, den Maria in ihrem Schoß getragen hat. Die Dankbarkeit aber besteht vornehmlich in zwei Akten: man lobt den Geber und benutzt seine Gabe. Möchten wir doch die Zeit nach der heiligen Kommunion, die man kurzweg „Danksagung“ nennt, recht benutzen, um Jesus zu loben dafür, dass er sich uns zu schenken gewürdigt hat, und um die Gnaden, die wir in Jesus, dem Quell aller Gnaden, bekommen haben, recht gut zu benutzen!
Schließlich hegte Maria ein recht sehnsüchtiges Verlangen den zu sehen, der der Welt das Heil bringen sollte. Denn Maria wusste aus der Verkündigung des Erzengels, dass das Heilige, das aus ihr würde geboren werden, Jesus, d.h. Erlöser heißen sollte. Auch zum heiligen Josef hatte der Erzengel gesprochen: „Er wird sein Volk erlösen von seinen Sünden.“ Maria nun brannte von dem sehnlichsten Verlangen, der Welt das Heil zu verschaffen; denn durch Jesus sollte die Menschheit aus dem Zustand der Knechtschaft des Satans wieder in den der Kindschaft Gottes versetzt werden. Ihn zu sehen und an seinem Anblick sich zu erfreuen, war ihr höchstes Verlangen, ein reines, großes, heiliges Verlangen. – Was können wir Besseres tun, so oft Jesus in unser Herz einkehren will, als uns ihm mit einem so reinen, heiligen Verlangen nähern, wie die seligste Jungfrau, und mit flehentlichen Bitten ihm unsere Heilsanliegen vorbringen. Betrachten wir es ebenfalls als ein großes Glück, wenn wir Jesus bei einer Segensandacht in der Monstranz zur Anbetung ausgestellt sehen, und bitten wir mit dem heiligen Thomas:
Jesu, den mein Auge jetzt noch sieht verhüllt,
Lass des Herzens Sehnsucht einstens sein erfüllt;
Dass die Seele schaue Dich im Glorienlicht,
Unverhüllt beglücke mich Dein Angesicht.
* * *
Der Mensch ist ein Wesen der Hoffnung. Anders kann es sich bei einem Geschöpf auch nicht verhalten, das auf Wachsen und Reifen und Sichvollenden angelegt ist. Erst recht nicht, wenn es dazu noch berufen ist, einem überirdischen, ewigen Leben entgegenzueilen. Darum hat der Dichter den Menschen trefflich gekennzeichnet, wenn er von ihm sagt, dass er noch am Grab die Hoffnung aufpflanze.
Dem Menschen eignet deswegen ein feines Gespür für jene Gelegenheiten, in denen die Hoffnung zu Hochformen aufbricht. Zu ihnen gehören besonders die Stunden der erwartenden Mutter, der schwangeren Frau, wenn sie gar bald die noch verborgene Frucht ihres Schoßes dem Licht der Welt entgegentragen soll. Wie viele Gedanken und Gefühle umstürmen dann das Mutterherz. Gedanken der Sorge und Gefühle der Angst, frohe Erwartung und stille Wünsche. Hoffnung auf den wohlverdienten Lohn in der Gestalt eines schönen, eines tüchtigen, eines von Gott gesegneten Kindes.
Mütter in solcher Lage müssten sich jener Mutter zuwenden, die einst die größte Hoffnung der Menschen in ihrem Schoß barg: der Mutter Maria in den bangfrohen Wochen heiliger Erwartung. Was mag in jenen Wochen, in denen sie dazu das Aufschreibungsdekret des Kaisers traf, im Herzen der süßesten aller Mütter lebendig gewesen sein? Sorge um die nahe erwartete Geburt? Wo, wann, wie wird es sein? Sorge um das Schicksal der heiligen Leibesfrucht, von der der Engel so Großes angekündigt hatte? Sicherlich durchzitterte auch stille, süße Freude ihr zartes Herz. Aufjubeln mochte es vielleicht, da Gottes Erlösungswille dem Höhepunkt zustrebte. All das wird die heilige Mutter immer wieder dem Walten der Vorsehung anheimgegeben haben, denn wenn Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken sind, dann auch des Menschen Hoffnungsträume nicht Gottes Wege.
Wie fein passt dieses Fest in die Adventszeit, die Zeit der großen Menschheitserwartung, die Zeit, da jahrhundertealte Hoffnungsträume der Erfüllung entgegeneilen. Wer freilich der großen Propheten Zukunftsträume mit der göttlichen Verwirklichung in Jesu Erdenleben vergleicht, der findet es wieder bestätigt, was auch Maria immer wieder erfahren hat: Gottes Wege entsprechen nicht der Menschen Wunsch. Darum möge das Fest der Erwartung Mariens uns dazu verhelfen, all unser Hoffen einzig dem Herrn anzuvertrauen und mit der von ihm vorgesehenen Verwirklichung voll zufrieden zu sein.
Kirchengebet
Gott, Du wolltest, dass Dein Wort auf die Botschaft des Engels hin im Schoß der seligen Jungfrau Maria Fleisch annehme. So gewähre denn unsere Bitte und lass durch ihre Fürsprache bei Dir uns Hilfe finden, die wir sie gläubig als wahre Gottesmutter bekennen. Amen.
Zur Geschichte des Festes: In den frühen Jahrhunderten wurde an diesem Tag in der abendländischen Kirche „Mariä Verkündigung“ gefeiert, während man im Orient dieses Fest immer am 25. März beging. Denn in den meisten Jahren fiel das Fest in die Fastenzeit, die keine besondere Feierlichkeit gestattete. Darum bestimmte das Konzil von Toledo im Jahr 656 dafür den 18. Dezember. Dieser Brauch hielt sich aber nicht. Mit der Zeit fing man in verschiedenen Ländern (zuerst in Spanien) an, Mariä Verkündigung wieder am 25. März zu feiern. Dabei wollte man aber den 18. Dezember als Muttergottestag nicht aufgeben und setzte darum das Fest Mariä Erwartung ein. Eine besondere Bedeutung erhielt dieser Festtag durch den Sieg über die Mauren bei Granada am 18. Dezember 1499. Auf diesen Sieg hin baten Tausende von Mohammedanern um die Taufe. 1575 erhielt das Fest Mariä Erwartung endlich seine kirchliche Bestätigung, und als man es 1725 in Rom einführte, war es bereits vielerorts bekannt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde es fast in der ganzen abendländischen Kirche gefeiert.
(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
Das Fest der Erwartung der Geburt des Herrn aus der allerseligsten Jungfrau
Gottes weise und geheime Vorsehung regiert oft durch Fügungen, die den Augen der Menschen ganz unbedeutend scheinen, die größten Ereignisse der Welt. Was war je wichtiger, was war so feierlich verkündet worden, was hatte die ganze Vorwelt so sehnsüchtig erwartet, als die Geburt des Heilandes zu Betlehem? Maria wusste nicht, wie dies geschehen sollte. Doch wusste sie aus den Schriften der Propheten, dass er zu Betlehem sollte geboren werden. Und sie glaubte dies fest, wiewohl sie nicht einsah, auf welche Weise sie hinkommen würde. Hocherfreut erstaunte sie, als sie sah, auf wie wunderbare Weise Gottes Vorsehung dies ordnete, ob es auch allen übrigen wie ein bloßer Zufall vorkam. Unterwerfen wir uns nach ihrem Beispiel den Ratschlüssen des Herrn, und lassen wir uns durch das blinde Urteil der Sünder nimmermehr im Glauben irre machen. Nichts ist zufällig auf Erden. Ob wir also auch Gottes verborgene Hand nicht immer erkennen, sollen wir uns dennoch in allen Ereignissen unseres Lebens mit Glauben und Vertrauen unterwerfen, nicht vor der Zeit urteilen, und willig ertragen, was Gott über uns anordnet, da wir die unfehlbare Gewissheit haben, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten sich wendet.
Kaiser Augustus erließ den Befehl, dass sich alle nach ihrem Stammort verfügen sollten, sich daselbst aufschreiben zu lassen, damit das ganze Volk gezählt würde. Maria, obwohl der Geburt nahe, gehorchte alsobald in aller Demut und Treue, weil sie in den Befehlen der Obrigkeit den Befehl Gottes erkannte. Heiliger und vollkommener Gehorsam war der Grund aller ihrer Tugenden, denn sie gehorchte aus Liebe und mit Schnelligkeit, hier so wie immer und überall, sobald es der Wille Gottes war. Heiliger Gehorsam ist der Prüfstein der echten Tugend, und das Kennzeichen wahrhaft auserwählter Seelen, denn er vereinigt in sich den Glauben, die Liebe und alle Tugenden. Noch spricht auch diese göttliche Mutter zu allen, was sie einst zu Kana sprach: "Alles, was er euch sagt, das tut!" und wer diesen einzigen Befehl nicht befolgt, schmeichelt sich umsonst, ein Kind dieser gehorsamsten Mutter des Herrn zu sein. Denn der Gehorsam ist eine Unterwerfung unter das ewige Gesetz, das Gott dem Menschen, der im Paradies ihm nicht gehorchte, nun durch Menschen gibt, und: "wer der Obrigkeit sich widersetzt, der widersetzt sich Gott selbst", der da spricht: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich." Trachten wir daher aus aufrichtiger Liebe zu Gott unseren Stolz zu überwinden, und auch dem Geringsten gerne zu gehorchen, der uns Befehl, Rat oder Ermahnung zu erteilen hat. Und gehorchen wir mit so großer Liebe und Schnelligkeit, als ob wir Gott selbst gehorchten, wie wir ihm denn auch wirklich in den Befehlen unserer Vorgesetzten gehorchen. Je mehr wir uns überwinden, getreu zu gehorchen, desto verdienstlicher wird unser Gehorsam sein, und desto siegreicher werden wir einst im Reich der ewigen Glorie herrschen.
Übe heute insbesondere einen Akt der vertrauensvollen Hingabe in Gottes heilige Vorsehung, und des Gehorsams gegenüber deinen Vorgesetzten. Und da das heutige stille Fest von der Kirche besonders eingesetzt ist, damit wir gleich der seligsten Jungfrau unser Herz in Andacht und festlicher Freude auf die Geburtsfeier desjenigen bereiten mögen, den sie für das Heil der Welt gebären sollte, so lass dir vom Vorabend des heutigen Festes angefangen die kirchlichen Antiphonen zur Andacht empfohlen sein.
Gebet am Fest der Erwartung der Geburt unseres Herrn
Sei gegrüßt, o gebenedeite Jungfrau, die du vor allen Töchtern Evas gewürdigt wurdest, den Sohn des Allerhöchsten durch die Mitwirkung des Heiligen Geistes in deinem reinsten Schoß zu empfangen. O Mutter meines Herrn, durch die unaussprechliche Gnade dieses göttlichen Geheimnisses bitte ich dich, erbitte mir kraft deiner mächtigen Fürsprache bei deinem eingeborenen Sohn, dass mein Herz mit deiner tiefsten Demut, deiner unbefleckten Reinheit, deinem heiligen Gehorsam und deiner seraphischen Liebe geschmückt, ein reines Lilienbettlein werde, wo bei seiner Geburt dein ewig Geliebter ruhe, damit ich durch ihn gesegnet alle Werke der Finsternis auf immer ablege, in einem neuen Leben wandle, und auf deinen heiligen Fußstapfen von Tugend zu Tugend bis nach Sion schreite, wo er, der Gott der Götter, ohne Schleier gesehen wird, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.
1. Die Zunge, die aufhört, einen Unschuldigen zu beschimpfen, gibt durch dieses Aufhören ihm keinen Ersatz für die zugefügte Schmach. Und die Hand, die aufhört zu schreiben, löscht dadurch das Geschriebene nicht aus. Also büßt auch die begangenen Sünden nicht ab, wer bloß aufhört zu sündigen. Schadete die Sünde dir allein, so lässt sie sich durch Reue, Tränen und geistige und körperliche Bußwerke tilgen. Schadet sie aber dem Nächsten, so muss der Schaden ersetzt werden. Wer dies zu tun unterlässt, der tut nicht, sondern er heuchelt Buße, denn nicht erlassen wird die Sünde, bis nicht der Schaden ersetzt ist, der dadurch angerichtet wurde.
2. Hast du den Nächsten um seine Ehre oder hast du fremdes Gut an dich gebracht, so bist du verpflichtet, beides zu erstatten. Eine Ungerechtigkeit wird nicht durch Almosen gut gemacht, eine Verleumdung nicht durch Gebet ersetzt, ein Raub nicht durch Fasten erstattet. Ersatz leisten musst du, und tun, was du wolltest, dass dir selbst geschähe. Dies, und nicht die Abneigung deiner Eigenliebe, ist hier die Richtschnur der Buße. Zurückführen musst du diejenigen, die du irre geführt, erbaue die, denen du Ärgernis gegeben hast, wenn du Verzeihung von Gott erlangen willst. Täusche dich nicht, denn die Sache ist wesentlich. Ahme lieber dem frommen Zöllner Zachäus nach, der seinen Wucher vierfach ersetzte.
3. Auch musst du die Gelegenheit zur Sünde meiden. Wer nicht fest entschlossen ist, sie zu meiden, dem ist es nicht ernst, die Sünde zu verlassen, und er belügt nicht nur sich selbst, sondern auch den Heiligen Geist. Ja, um wahre Buße zu tun, müssen wir auch die Sünde an uns selbst bestrafen, und durch Schmerz die Lust büßen, durch die wir Gott beleidigten. Gott hat an die Buße sein Recht übertragen, den Sünder zu bestrafen. Schont die Buße ihn, dann wird die Gerechtigkeit Gottes ihn nicht schonen. Bestraft ihn aber die Buße, dann wird seine Gerechtigkeit ihn nicht bestrafen. Doch muss dies alles unter der Leitung eines erleuchteten Führers geschehen, der die Stelle Gottes bei dir vertrete. Matthäus 3,8: "Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt."
1. Nur durch den Umgang mit Jesus können wir vollkommen, himmlisch gesinnt und glückselig werden. Er muss das beständige Ziel unserer Gedanken, der Ruhepunkt unseres Herzens und die ganze Liebe unserer Seele sein. Die höchste Ehre für ein erschaffenes Wesen ist diese Gnade, mit dem König des Himmels umzugehen und ihn zu lieben. Dies ist die seligste Beschäftigung der heiligen Engel in Ewigkeit. Dieser glückselige Umgang mit Jesus ist geistig und innerlich. Jeder auch, der ihn wahrhaft sucht, findet ihn, denn nicht vergeblich ruft er: "Kommt zu mir, ihr alle!" Dass wir ihn aber finden werden, verheißt er uns selbst, da er abermals spricht: "Ich liebe alle, die mich lieben, und wer mich sucht, der wird mich finden." (Sprichwörter 8,17)
2. Durch diesen seligen Umgang in Liebe wird eine Seele in kurzer Zeit wunderbar umgewandelt. Denn es ist nicht möglich, dass, wer mit wohlriechenden Spezereien umgeht, nicht selbst einen lieblichen Wohlgeruch anzieht. Noch kann auch das Eisen lange im Feuer bleiben, ohne selbst feurig zu werden. Ebenso wenig aber kann eine Seele längere Zeit mit den göttlichen Geheimnissen sich beschäftigen, die unendliche Liebe Jesu betrachten und liebevolle Ansprache mit ihm halten, ohne von seinem himmlischen Licht bestrahlt und von seiner Liebe durchdrungen zu werden. Wie verächtlich kommt einer von dieser seligen Liebe durchdrungenen Seele alles Irdische vor, wenn sie zum Himmel emporblickt.
3. Diese heilige Liebe und dieser himmlische Umgang ist das wahre Band der Vollkommenheit. Nicht nur weil wir dadurch allein vollkommen werden, sondern auch, weil wir dadurch in die Gemeinschaft mit allen Auserwählten aller Zeiten, mit allen Engeln und glorreichen Himmelsbürgern, ja mit dem ewigen Vater selbst, der seinen Eingeborenen unendlich liebt, und mit dem Heiligen Geist kommen, der seine heiligste Menschheit im Schoß der unbefleckten Jungfrau bildete, und selbst diese heilige Liebe uns einflößt. Wenige sind, die diesen seligen Umgang mit Jesus suchen. Du aber sei von der Anzahl dieser Wenigen. Erwecke deinen Glauben, und öffne dein Herz seinen göttlichen Strahlen. "Mach auf, meine Schwester und Freundin, meine Taube, du Makello se." (Hohelied 5,2)
1. Gott liebt nicht wie die Geschöpfe, deren Liebe beschränkt und endlich ist. Seine Liebe ist gleich ihm selbst unendlich. Er liebt sich selbst in den vernünftigen Wesen, die mit seinem Ebenbild geschmückt sind, und zieht sie auf eine Weise zu sich, die seiner unendlichen Güte und Weisheit, und zugleich dem Bedürfnis des Geschöpfs gemäß ist. Darum ließ er in seiner heiligen Menschheit gleich einer himmlischen Angel in das Meer dieser Welt sich herab, die Seelen durch die Herrlichkeit seiner Liebe zu fangen, und sie vom Fleisch zum Geist, von seiner Menschheit zu seiner Gottheit emporzuziehen. Niemals wären wir zur wahren Erkenntnis Gottes, niemals zur wahren Freude des Herzens gelangt, wenn nicht er selbst uns sichtbar erschienen wäre.
2. Seine heilige Erkenntnis aber ist nicht müßig in der Seele, der sie innewohnt. Notwendig bringt sie die Liebe hervor, aus der alle Tugenden quellen. Denn eine solche Seele sehnt sich in zarter Dankbarkeit, alles zu tun, was sie ihrem geliebten Heiland als wohlgefällig erkennt. Ja willkommen sogar sind ihr Trübsale und Leiden, ihre Liebe ihm dadurch zu bezeigen. Je getreuer sie aber sich opfert, um so mehr nimmt diese heilige Erkenntnis und Liebe in ihr zu, und sie leuchtet in der Finsternis dieser Welt als ein wahres Licht im Herrn, und ist mitten unter Schmerzen voll seliger Freude. Dahin sei das ganze Verlangen unseres Herzens gerichtet.
3. Von einer solchen Seele gelten die Worte des Propheten: "Sie wird blühen gleich einer Lilie, blühen wird sie und grünen und vor Freude frohlocken, . . . denn sie wird die Herrlichkeit des Herrn schauen und die Zierde unseres Gottes." (Jesaja 30) So nämlich grünt und blüht, von der Sonne der Gerechtigkeit bestrahlt, eine heilige Seele an allen Tugenden, und frohlockt vor seliger Liebe und Freude über den innerlichen Anblick ihres göttlichen Geliebten, den sie immer um so deutlicher erkennt, als sie tiefer in das Geheimnis seiner heiligen Menschwerdung eindringt. Ergib dich dieser heiligen Betrachtung! Jesaja 60,5a: "Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit."
Liebe Grüße, Gesundheit und Gottes Segen meinen 3 Tischnachbarn
1. Höchst albern ist, wer eine geringe Last nicht tragen, sondern lieber warten will, bis sie schwerer, er selbst aber schwächer geworden ist. Dieser Tor bist du, der du in jüngeren Jahren dich weigerst, die Bürde der Buße zu tragen, so lange sie leicht und gering ist, sondern damit bis in dein Greisenalter zögerst, wo diese Bürde zu einer ungeheuren Last erwachsen ist, deine Kräfte aber abgenommen haben, und du es nicht mehr vermagst, sie zu tragen. Denn je länger du zögerst, umso mehr nimmt die Last deiner Sünden zu, da eine Sünde, die nicht durch die Buße getilgt wurde, durch ihr eigenes Gewicht andere nach sich zieht.
2. Wer seine ganze Lebenszeit dazu nutzt, und weder Fleiß noch Unkosten scheut, ein Haus zu erbauen, in dem er nicht wohnen möchte, und dagegen das Haus zu zerstören, wo er seinen beständigen Wohnsitz aufschlagen will, der wird mit Recht ein wahnsinniger Narr genannt. So einer aber bist du, der du mit deiner Bekehrung gezögert hast und bis zu deinem Tod eine Wohnung in der Hölle dir erbaust, wo du doch nicht wohnen willst, und dagegen durch deine Laster die Wohnung zerstörst, die du durch deine Bekehrung im Himmel erlangt hättest. Höre und beherzige die Worte des Propheten: "Wer unter euch hält es aus neben dem verzehrenden Feuer, wer von uns hält es aus neben der ewigen Glut?" (Jesaja 33,14b)
3. Je länger ein Schuldner säumt, der eine bedeutende Summe auf Zinsen erhielt, diese Zinsen abzutragen, umso größer werden diese Zinsen samt der Summe. Fällt es ihm nun schon am Anfang schwer, seine Verpflichtungen zu erfüllen, so wird er am Ende außer Stande sein, zu erstatten. Dieser Schuldner bist du, säumiger Sünder. Je länger du in der Sünde verweilst, umso größer werden die Zinsen deiner Schuld, und umso schwerer wird deine Verdammnis. Deine Hoffnung in deiner Unbußfertigkeit ist Vermessenheit. Zittere, dass du, indes du Barmherzigkeit erwartest, dem Gericht anheimfällst. Jesus Sirach 5,7: "Zögere nicht, dich zu ihm zu bekehren, verschiebe es nicht Tag um Tag. Denn sein Zorn bricht plötzlich aus, zur Zeit der Vergeltung wirst du dahingerafft."
1. Wie schrecklich Gottes Strafgerichte sind, ersehen wir aus der Weissagung des Herrn über den Untergang Jerusalems, wo der prachtvollste Tempel zerstört und zahllose Menschen durch Schwert, Hunger und Elend aufgerieben wurden. Nur ein Schatten und Bild des künftigen Jüngsten Gerichts aber war die Zerstörung Jerusalems, und weit schrecklichere Zeichen werden dem allgemeinen Gerichtstag vorangehen, wo Gott denjenigen, die ihn verehren und ihm dienen, mit ewigen Belohnungen, jenen dagegen, die ihn verachten und sein Gesetz übertreten, mit gebührenden Strafen vergelten wird. So groß sind die Schrecknisse dieses Tages, dass sie allen Glauben übersteigen, so dass der Herr mit der Beteuerung schließt "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen."
2. Diesen Tag nennt die Schrift den großen Tag des Herrn, weil er bei diesem Gericht, vor den Augen des ganzen menschlichen Geschlechtes, seine göttliche Vorsehung verherrlichen, die vermessenen Urteile der Menschen berichtigen und das große Rätsel lösen wird, warum hier so oft die Frommen unterdrückt, die Lasterhaften aber hervorgehoben, die Unschuldigen verurteilt, die Schuldigen aber losgesprochen werden, was zuweilen sogar die Gerechten erschüttert. Zeigen wird sich in ihrer höchsten Glorie die Gerechtigkeit Gottes, und wird die Ungleichheit dieses Lebens durch die Ungleichheit des andern auflösen. Verstummen wird dann die Missetat, die Gerechten aber werden über die unendliche Weisheit und Langmut der göttlichen Vorsehung in das tiefste Erstaunen versinken.
3. Auch ist dieser Tag ein Tag der Verherrlichung aller Gerechten, die um Gotteswegen Verachtung und Schmach geduldig ertragen. Denn es ziemt allerdings der göttlichen Gerechtigkeit, dass ihre Ehre vor dem ganzen menschlichen Geschlecht wiederhergestellt werde, und sie für ihre Aufopferungen und Leiden göttliche Belohnungen empfangen. Was aber wird den Gottlosen widerfahren? Erfüllt werden wird an jedem aus ihnen der Ausspruch: "Aufdecken werde ich deine Scham vor deinem Angesicht; deine Nacktheit werde ich den Völkern zeigen, und den Königreichen deine Schande." (Nahum 3,5) O Tag des Jubels und des Entsetzens, dein Andenken schwebe mir immerdar vor Augen, damit ich an dir nicht ewig zu Schanden werde. Jesaja 32,17: "Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer."
1. Eine vollkommene Seele fürchtet den Tod nicht mehr: "die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht." (1. Johannes 4,18) Sie betrachtet den Tod als eine Pforte, die sie zu Gott, ihrer ewigen Liebe, führt, nach dem sie Tag und Nacht seufzt. Was auch würde sie mit diesem Leben verlieren? Einen Stand beständiger Gefahren, einen Weg, auf dem zahllose Feinde lauern, und wo sie von ihrer eigenen Gebrechlichkeit und von der Arglist des Teufels viel Böses zu fürchten hat, und daher in beständiger Angst schweben muss, von körperlichen Leiden und Drangsalen nicht zu sprechen: wie also sollte sie sich nicht erfreuen, von so vielem Elend befreit zu werden?
2. Warum fürchtest du denn den Tod? Was kann er dir hinwegnehmen, wenn du nichts Vergängliches liebst? Denn liebst du Gott allein, so gelangst du durch den Tod zu ihm. Ängstigt dich die Furcht, ob du zur Ruhe oder zur Strafe des Reinigungsfeuers in die Ewigkeit eingehst? Doch dies zu wissen, kommt dir nicht zu. Zagt auch die Natur, so vertraue darum nicht weniger lebend und sterbend auf deinen Gott. Aus dir selbst vermagst du es allerdings nicht, gut zu sterben. Gott aber, der dir verlieh, fromm zu leben, wird dir umso viel mehr verleihen, fromm zu sterben, als er dies fromme Leben dir nur wegen eines frommen Todes verlieh.
3. So wirf denn alle deine Sorgen auf Gott. Er, der im Leben deine Versuchungen dir überwinden hilft, wird auch im Tod dir beistehen. Eins nur ist furchtbar: die Sünde, die Ursache aller Übel in Zeit und Ewigkeit. Ist aber dein Herz rein von Sünden, und lebst du in der Gnade und Liebe deines Gottes, mit dem festen Willen, seine göttliche Liebe niemals zu beleidigen, dann wird kein Tod dir schaden, auch wenn er dich plötzlich überraschte, und du wirst ein mildes Gericht erfahren. Lukas 12,36-37a: "Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt. Amen."
Wie traut und beruhigend das klingt! Was mag es uns zu sagen haben?
In allererster Linie möchte es uns wohl darauf aufmerksam machen, wie Mariens irdisches Leben von Gottes ausgesuchtester Vorsehung geleitet war. Man kann sie sich doch am wenigsten fortdenken von einem Menschenkind, das eigens zur Ausführung der Pläne Gottes erdacht und zur Vollendung seiner feinsten Werke erschaffen worden war. Denken wir etwa bloß an Mariens Sündenlosigkeit. Durch eine Welt zu pilgern, die so sehr im Argen liegt, das St. Paulus meint, man müsse aus ihr herausgehen, wenn man mit dem Bösen keine Berührung mehr haben wollte, durch eine solche Welt viele Jahrzehnte hindurchzupilgern, wie Maria es tat, ohne mit dem geringsten Sündenstäublein sein Herz zu belasten, kann gar nicht gedacht werden, es sei denn, Gott sende eigens seine Engel, damit der Auserwählten Fuß an keinen Stein sich stoße, unbeschadet über Schlangen und Skorpionen gehe und inmitten von Drachen und Löwen unverletzt verweilen könne.
Niemand anders hat Maria im heiligen Josef jenen Ehegemahl zugeführt, mit dem sie in jungfräulicher Liebe verbunden sein konnte, als die Vorsehung des Allerhöchsten. Darum hat die christliche Phantasie diese Wahl mit entzückenden Geschichten ausgeschmückt, und zahlreiche Künstler haben es auf ihren Bildern so gezeichnet. Wie sehr bedurfte doch die Jungfrau von Nazareth, die die Eltern nach ihrem maßgebenden Willen und des Landes Sitte verehelichen wollten, der göttlichen Vorsehung, da sie still im Herzen ihrem Gott sich gelobt hatte. Wie vertrauend empfahl die junge Mutter die Zeichen ihrer heiligen Schwangerschaft dem göttlichen Wegführer, als sie im Gesicht ihres heiligen Bräutigams die Merkmale seines Bedenkens nicht mehr übersehen konnte. Unsere Maler haben gerne die Engel gezeichnet, die die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten vor dem Mordstrahl des Herodes beschützen sollten. Wie mag die besorgte Mutter sich und ihr Kind der göttlichen Vorsehung empfohlen haben, als sie es auf der traurigen Rückkehr zum Tempel in Sehnsucht suchte. So wird es noch mehrfach in ihrem Erdenleben gewesen sein, da es von Leid und Schmerz gekennzeichnet ist. Wer könnte sich daher liebend in Mariens Leben vertiefen, ohne sich ganz vertrauend der göttlichen Vorsehung anheimzugeben, wie sie es tat?
Mutter der Göttlichen Vorsehung hat vielleicht einen noch tieferen Klang. Ist denn je aus Gottes Vorsehungsplänen etwas Vorzüglicheres und Feineres hervorgegangen als Mariens Kind, der Menschheit Erlöser? Wird es doch deswegen der Bote des großen Ratschlusses genannt, jener göttlichen Beratung über der Menschen Fall und Wohl, dem das menschgewordene Erbarmen Gottes in Mariens Mutterschoß zu verdanken ist. Es ist so, als ob Maria in ihrem Schoß Gottes gesamte Vorsehung umschlossen und mütterlich gehegt hätte. Mutter der Göttlichen Vorsehung! Wie traut und fein!
Ist sie es nicht auch heute noch, da ihr der Herr das Amt der Gnadenausteilung anvertraute? Bahnt sie nicht gleichsam im Himmel droben der göttlichen Vorsehung um unserer Seelen Heil die Wege? Durchdringt sie deren Pläne nicht mit ihrem fürbittenden Gebet? Vertraut darum nicht das Christenherz Mariens Schutz seine Wege an, die es bei der Mutter der Göttlichen Vorsehung am besten empfohlen weiß?
Kirchengebet
o Gott, Deine Vorsehung täuscht sich in ihren Anordnungen nicht. Wir bitten Dich flehentlich, halte auf die Fürbitte Mariä, der seligen Jungfrau und Mutter Deines Sohnes, alles Schädliche von uns fern und gewähre uns all das, was uns heilsam ist. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Ein Fest zu Ehren der „Mutter der Göttlichen Vorsehung“ ist schon vor 1660 bekannt. Die Theatiner in Lissabon feierten es. 1831 wurde die Erlaubnis der Festfeier auf alle Kirchen der Theatiner ausgedehnt. – Aber auch in Genua war das Fest nicht unbekannt.
Seit dem Jahr 1732 eiferten vor allem die Barnabiten für die Verehrung Unserer Lieben Frau von der Vorsehung. 1744 wurde eine Erzbruderschaft unter diesem Titel gegründet, die in der Kirche S. Carlo ai Catinari in Rom ihre Zentrale hat, wo sich ein Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der Vorsehung befindet. Aber nicht überall wird das gleiche Bild verehrt. Sogar die einzelnen Altäre dieser Erzbruderschaft zeigen in verschiedenen Kirchen auch verschiedene Bilder. – In Messina in Sizilien wurde bereits 1610/11 eine Kirche gebaut, die der Gottesmutter unter diesem Titel geweiht ist. Sie ist das Votivgeschenk der Stadt für die Errettung aus großer Hungersnot, die durch eine langanhaltende Dürre verursacht war. Von Rom aus wurde auch die Erlaubnis zu einem entsprechenden Marienfest gegeben, das aber auf Messina beschränkt blieb. – Verschiedene religiöse Genossenschaften, die der Vorsehung geweiht sind, feiern auch das Fest der „Mutter der Göttlichen Vorsehung“.
(Prof. Dr. Carl Feckes, So feiert dich die Kirche, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
1. Gott folgt dem Menschen, der durch die Sünde ihn verlässt, überall nach, und seine Barmherzigkeit ist es, die ihm die Hindernisse in den Weg legt, die seine sündhafte Lust stören und verbittern. Denn verleiden will er ihm die Sünde und zur reinen und wahren Freude ihn zurückführen. Wären die falschen Freuden dieser Welt nicht von Dornen durchflochten, würde der Sünder, der ihnen nachjagt, nicht dabei verwundet und gepeinigt. Wären ihre Früchte nicht so bitter und brächte ihr Genuss nicht Ekel und Überdruss hervor, so wäre die Rückkehr zu Gott gleichsam unmöglich, weil der Leidenschaft eine Art unvermischter Glückseligkeit innewohnte.
2. Gott jedoch hat barmherzige Absichten mit dem Sünder. Er weckt ihm Hindernisse, Kummer, Verlegenheiten und Verdruss aller Art, damit er einsehen lerne, dass die Glückseligkeit nicht dort ist, wo er sie sucht, und von seinen Verirrungen zurückkehrt. Wäre der verlorene Sohn nicht nahe daran gewesen, vor Hunger und Elend zu verschmachten, er wäre weder in sich gegangen, noch in das väterliche Haus zurückgekehrt. Das gegenwärtige Elend weckt die Erinnerung an den früheren Wohlstand, sowie die Hoffnung, wieder dazu zu gelangen. Und dies ist es, was die meisten zurückführt. Ich war glücklich, spricht der Sünder, als ich unschuldig war, und war elend, als ich mich strafbar machte. So kehren wir denn zu Gott zurück.
3. Gottes Absicht ist keineswegs, uns alle Freuden zu entziehen, sondern uns zur Einsicht zu führen, dass die wahre Freude von einem reinen und frohen Gewissen ausgeht, das nur in seinem Dienst erlangt wird, und dass alles Vergnügen, das die Vernunft missbilligt und die Religion verdammt, immer mehr Bitterkeit als Süße in sich fasst. Davon auch überzeugt uns selbst unser innerstes Bewusstsein. Wie also können wir noch warten, zur Ordnung Gottes zurückzukehren, die der unversiegbare Quell einer reinen, heiteren, lieblichen Freude ist, da alle Leidenschaften der Vernunft, die Vernunft aber Gott unterworfen ist und ihn besitzt, einer Freude, die keinen Überdruss, keine Angst, keine Reue kennt? Psalm 32,11: "Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!"
1. Keine Tugend macht uns Gott so ähnlich, als die Barmherzigkeit. Darum ermahnt sein eingeborener Sohn uns zu dieser Lieblingstugend seines Herzens durch die Worte: "Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!" (Lukas 6,36) So wohlgefällig ist diese Tugend vor den Augen unseres Gottes, dass er durch den Mund des Propheten spricht: "Barmherzigkeit will ich, nicht Schlachtopfer." (Hosea 6,6a); und durch einen anderen Seher: "Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken." (Psalm 145, 8-9) Was anderes auch war das ganze Leben Jesu, als ein beständiger Akt der Barmherzigkeit.
2. Durch wie viele Beispiele, Ermahnungen, liebevolle und erschreckende Parabeln auch drängt er uns zu dieser so göttlichen Tugend. Sogar mit der ewigen Verdammnis bedroht er diejenigen, die sie nicht üben. "Denn ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben . . . usw." (Matthäus 25) Darum auch war Barmherzigkeit die Tugend aller Auserwählten. Alle wahrhaft frommen und gottseligen Menschen waren überaus mildherzig. Viele spendeten den Armen mit großer Liebe. Andere scheuten keine Arbeit, keine Schwierigkeit, kein Opfer, dem bedrängten Nächsten zu helfen oder seine Not zu lindern. Noch andere verkauften sogar ihre liebste Habe, Armen, Kranken oder Leidenden dadurch beizustehen. Welche großen Schätze hinterlegten sich diese liebreichen Seelen im Himmel. Wie wohlgefällig wurden sie dadurch dem göttlichen Vaterherzen. Wahrlich, kluge Kaufleute waren sie, die dem ewigen König auf reiche Zinsen borgten.
3. Wie sicher wirst du auf deinem Totenbett sein, wenn du in deinem Leben Barmherzigkeit geübt hast. Schrecklich ist diese Stunde für den Unbarmherzigen, "denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht." (Jakobus 2,13) Hast du aber den Geist Jesu, den Geist der Barmherzigkeit, dann erfreue dich in jener Stunde. Er selbst nämlich spricht: "Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden." (Matthäus 5,7) Bist du also mildherzig und liebreich, dann wirst du einen mildherzigen und liebreichen Richter an ihm finden. Matthäus 7,2: "Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden."
Bin, Gott, ich dein schon durch das Schöpfungsrecht,
Da du mir Sein und Atem hast gegeben,
So bin ich zweifach dein als ew`ger Knecht,
Da mich dein Sohn erkaufte durch sein Leben.
So nimm denn, Herr, mein ganzes Wesen hin.
Dir diene alles, was ich durch dich bin.
1. "Wisst ihr nicht," spricht der Apostel, "dass ihr nicht euer seid? Denn ihr seid um großen Preis erkauft." Wahrlich um großen Preis, um den unendlichen Preis seines Blutes erkaufte uns der Sohn Gottes selbst von der Knechtschaft des ewigen Todes los, zu dem die göttliche Gerechtigkeit uns verurteilt hatte. Du also betrachte dich als ein wahres Eigentum deines Herrn, wie du es denn auch in Wahrheit bist. Denn nicht dein sind diese Augen, nicht dein diese Ohren, nicht dein diese Zunge, nicht dein diese Glieder, sondern sie gehören dem, der sie erkauft hat, und darum dürfen sie auch nur zu seinem Dienst gebraucht werden.
2. Mehr jedoch als selbst dies unendliche Lösegeld verpflichtet dich seine unendliche Liebe, sein eigen zu sein. Denn bedurfte er etwa deiner, dass er umso teuren Preis dich erkaufte? Wäre er ohne dich weniger selig, weniger glorreich gewesen? Um deiner selbst willen erkaufte er dich, von ewiger Pein dich zu erlösen. Welchen Nutzen auch hättest du ihm je gewähren können? Ja er fragte dich auch nicht, ob du ihm dienen würdest, wenn er dich erlöst, sondern zuerst erlöste er dich, und erst nachdem er die Freiheit durch sein Blut dir erworben, bittet er dich und spricht durch den Propheten Jeremia: "Kehre zurück zu mir, dieweil ich dich erlöst habe." Wer vermag es noch, einer so großmütigen Liebe zu widerstehen?
3. Mehr denn alle Furcht vor der Hölle sollte diese unendliche Liebe dich aneifern, deine Seele rein zu bewahren, und wachsam zu sein, dass du dieses Kleinod nicht verlierst, damit du es ihm als sein Eigentum getreu übergeben kannst. Ja, wenn eine mühsame Arbeit für seine Ehre zu tun, oder irgend ein Leiden um seinetwillen zu dulden ist, so ermahne deine unwilligen oder ermüdeten Glieder, zu bedenken, wem sie gehören. Ebenso sprich auch zu deinen Augen und Ohren und zu deiner Zunge, wenn sie murren, unter der Zucht zu stehen, und nicht zu sehen, zu hören, noch zu sprechen, was sich nicht geziemt, 1. Korinther 6,19-20: "Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!"
„Unter deinen Schutz und Schirm“ gehört zu den ältesten Mariengebeten. Nicht verwunderlich, denn der Ruf nach Schutz und Behütung strömt schnell aus dem Mund jenes Wesens, das zu den gefährdetsten dieser Erde gehört. Man hat schon einmal gesagt, die Natur habe den Menschen recht stiefmütterlich behandelt, wenn man ihn mit den Tieren vergleiche. Welch vorzügliche Schutzwaffen besitzen sie! Und der Mensch? Gewiss hat die Natur dem Menschen den Verstand gegeben, mit dessen Einsatz er letzthin allen Tieren überlegen ist, wie es die Geschichte der Kulturentwicklung bezeugt. Aber eben nur „letzthin“. Dazwischen liegt die breite Zone des Gefährdetseins, die durch die erbsündliche Verdüsterung unseres Verstandes und die schmähliche Schwäche unseres Willens eine recht ansehnliche Breite besitzt. Somit kommt der Mensch oft in Not. Und dann schaut er nach Hilfe aus. So will es der Schöpfer auch, denn eingedenk seiner Schwachheit öffnet der Mensch um so bereitwilliger seine Seele der Einwirkung des Allerhöchsten.
Es ist ergreifend zu lesen, wie oft in den Psalmen, die zum Gebetbuch der Kirche geworden sind, nach der göttlichen Hilfe gerufen wird. Besonders kräftig geschieht es in jenen Psalmen, die der vor Saul flüchtende und hart bedrängte David gedichtet hat. Dem entspricht es, wenn der Christ seine himmlischen Fürbitter, die heiligen Himmelsbewohner, als seine Schutzpatrone ansieht und sie eigens dazu erwählt. Sie sollen wie starke Freunde und wie weise Ratgeber sein irdisches Tun und Lassen bewachen und leiten, vor allem natürlich dahin, dass ihm nicht durch des verschlagenen Teufels List ein böses Hemmnis auf der Reise ins himmlische Vaterhaus erwachse.
Wem könnte aber der Christ seine Sorgen mehr anvertrauen als seiner himmlischen Mutter? Weiser ist sie als alle anderen, mehr vermag sie als alle zusammen. Und mit welcher Liebe mag sie jene umgeben, für die ihr geliebter Sohn sein Herzblut gelassen hat! Darum haben die Gläubigen sich schon erstaunlich früh unter den Schutz Mariens gestellt. Unzählige Male wurde sie zur himmlischen Patronin erwählt, sei es von einzelnen, sei es von Gemeinschaften, ja selbst von ganzen Städten und Ländern. Nicht zuletzt wurden ihr durch die von Pius XII. vorgenommene Weihe die ganze Kirche und die gesamte Erde anvertraut.
Dieser Gedanke an Marias Schutz hat wohl nie eine schönere Darstellung gefunden als in den spätmittelalterlichen Schutzmantelmadonnen. In ihnen flüchtet klein und groß, arm und reich unter Marias weiten, breiten Mantel, denn Maria, die Schlangenzertreterin und gütige Mutter, wird keinem Verderben Zutritt gewähren. Wie innig wurde doch in den Bombennächten das Lied gesungen: Maria, breit den Mantel aus! Möge die himmlische Mutter ihn noch fester um uns legen, da unsere Zeit eine so gefährdete und gefahrenschwangere ist!
Kirchengebet
Wir bitten Dich, Herr, unser Gott: gib, dass wir, Deine Diener uns beständiger Gesundheit des Leibes und der Seele erfreuen, und dass wir durch die glorreiche Fürsprache der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria von der Trübsal dieser Zeit befreit werden und die ewige Freude genießen dürfen. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Spanien hatte im Lauf der Jahrhunderte gar manche Kämpfe anzufechten gegen die Sarazenen, gegen Häretiker und andere Kirchenfeinde. Aber immer wieder nahmen die christlichen Könige und das gläubige Volk ihre Zuflucht zur Gottesmutter, und immer wieder wurden die Feinde und Gefahren glücklich überwunden. Man war darum von dem besonderen Schutz Mariens vollauf überzeugt. In dieser seligen Gewissheit und im Gefühl der Dankbarkeit bat man in Rom um die Erlaubnis, „zum Gedächtnis aller Siege und der so häufig sichtbaren Hilfe der Gottesmutter“ (besonders seit dem 6. Jahrhundert bis auf Philipp IV., 1268 bis 1314), ein besonderes Marienfest feiern zu dürfen unter dem Titel „Mariä Schutz“. Durch ein Dekret vom 28. Juli 1656 gab Papst Alexander VII. seine Einwilligung dazu. Nach und nach haben auch andere Länder und religiöse Genossenschaften die Erlaubnis zu dieser Festfeier erhalten.
Die Griechen feiern übrigens schon seit vielen Jahrhunderten ein solches Fest. Auch die Russen, Ruthenen und Serben kennen heute noch ein Schutzfest Mariens und feiern es am 1. Oktober.
(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
1. O glückseliges Vaterland in den Höhen, himmlisches Jerusalem, wie glüht mein Herz nach dir. Psalm 87,3: "Herrliches sagt man von dir, du Stadt unseres Gottes." Wann, o wann wird der Tag erscheinen, wo ich unter deine glückseligen Bürger aufgenommen werde, die im lieblichsten Einklang die göttliche Dreieinigkeit loben Tag und Nacht, und, trunken aus dem Strom der göttlichen Wonnen, von Freude zu Freude schweben. Unverwelklich blüht dort ihre Seligkeit in der Fülle unendlicher Liebe. Dort glänzen alle wie die Sonne in ihres Vaters Reich, und singen ewige Triumphgesänge. Dort schauen sie unentwegt die glorreiche Gottheit, lieben sie und werden gleich geliebten Kindern von ihr geliebt und umfangen.
2. O Seligkeit, die hoch über allen sterblichen Worten steht. Dort wechseln nicht alternde Tage mit dunklen Nächten, denn dort herrscht der Tag der Ewigkeit, und Gott selbst ist das Licht, das die wunderbare Himmelsburg durch seine Glorie erleuchtet. Dort sind alle in Gott entzückt, und unendlich mehr lieben sie ihn, als ihre eigene Seligkeit. Dort herrscht kein Neid, wo alle groß, alle Kinder Gottes sind, denn das Maß aller ist erfüllt, und die in minderer Glorie glänzen, erfreuen sich der größeren Herrlichkeit ihrer glückseligen Brüder und Schwestern. Die ersten Himmelsfürsten aber sind mit ihnen durch die schönste Liebe verschwistert und tragen Gewänder der himmlischen Glorie.
3. O unendliche, unerschaffene Schönheit meines Gottes. Selig, die in deinem Licht wohnen und deine Herrlichkeit schauen. Selig die liebeflammenden Chöre der heiligen Engel, die zahllosen Scharen der heiligen Patriarchen, Propheten, Apostel, Blutzeugen, Bekenner, Jungfrauen und Büßer. Selig alle, die in diese himmlische Heimat aufgenommen werden, und in schöner Vertraulichkeit mit diesen heiligen Bürgern der ewigen Stadt Sion leben, wo alle in einem Geist dich, den König der Unsterblichkeit, preisen, mit deinem eingeborenen Sohn, der diese Seligkeit durch sein Blut ihnen erworben hat, und dem Heiligen Geist, dessen Gnade sie geheiligt und des Himmels würdig gebildet hat. Psalm 42,3: "Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?"
1. 2. Makkabäer 12,45: "Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden gelöst werden." Heilig ist dieser Gedanke, weil er von der Liebe, der ersten aller Tugenden, ausgeht, die fordert, dass wir alle, die wir in Jesus Christus ein Körper sind, einander zu Hilfe kommen, und füreinander beten sollen. Sind wir nun schon gegen unsere lebenden Brüder und Schwestern zu diesem heiligen Liebesdienst verpflichtet, wie weit mehr gegen jene, die keine Verdienste mehr erwerben können, der göttlichen Gerechtigkeit genug zu tun, da sie bereits "in jener Nacht sind, wo niemand mehr wirken kann?"
2. Ja, dieser Gedanke ist nicht nur heilig, sondern auch heilsam. Denn unsere Gebete, Almosen und andere guten Werke, ganz vorzüglich aber das unblutige Opfer unserer Erlösung, gereichen den Seelen, die das Leben in Gottes Gnade verließen, zum größten Heil, weil wir dadurch an ihrer statt der göttlichen Gerechtigkeit genugtun. Denn liebevoll nimmt der Vater der Erbarmungen auf, was wir mit Liebe für diese Seelen tun, die er selbst väterlich liebt, und zu seiner ewigen Liebe auserwählte. Es ist also eine heilige Pflicht, für unsere verstorbenen Brüder und Schwestern zu beten, die mit unserem Gebet rechnen und uns zurufen: "Erbarmt, erbarmt euch meiner, ihr, meine Freunde." (Ijob 19,21)
3. Es ist ein Ausspruch aller Väter, dass die Strafen der künftigen Welt alle unsere Vorstellungen übertreffen. "Denn jetzt aber, da sein Zorn nicht straft, und nicht groß des Frevels achtet" (Ijob 35,15), dann aber wird der letzte Heller eingefordert. Wie viele Eltern seufzen dort nach der tätigen Liebe undankbarer Kinder. Wie viele Freunde erwarten Hilfe von ihren Freunden und anderen, denen sie einst Gutes taten. Und wie überaus schmerzlich ist für sie die Unbarmherzigkeit ihrer Hinterlassenen. Könnten wir nur einen Blick in diese Gefängnisse der göttlichen Gerechtigkeit tun, wie eifrig würden wir sein, für die Verstorbenen zu beten und zu wirken. Unterlassen wir diese heilige Pflicht an keinem Tag, denn mit dem Maß, womit wir messen, wird uns zurückgemessen werden. Im Buch Kohelet lesen wir: "Versage einem Verstorbenen keine Gnade."
1. Willst du Gottes Gnade erlangen und bewahren, so liebe das Gebet und lass es deine beständige Übung sein. Gott gab es uns als das allgemeine Mittel gegen alle unsere Übel, und es fordert weder einen erhabenen Geist, noch große Wissenschaft. Ein ehrerbietiges und eifriges Gebet findet immer eine liebevolle Aufnahme. Auch steht der Zutritt zum himmlischen König dir frei zu jeder Zeit. Er ist keine stolze und unzugängliche Majestät. Keine Wache verwehrt dir den Eintritt in seinen Palast. Er ist bereit, uns anzuhören, so oft wir wollen, und niemand, der mit andächtigem und zerknirschtem Herzen zu ihm kommt, geht leer von dem Thron seiner Barmherzigkeit aus.
2. Wie oft nimmst du, statt zu dem Vater des Erbarmens zu beten, deine Zuflucht zu Menschen und klagst ihnen deine Not! Darfst du dich aber wundern, wenn du ohne Hilfe, ja oft mit bitteren Worten abgewiesen wirst? Gott hat die Herzen der Menschen in seiner Hand, und sie werden dir auch nur insofern helfen, als er sie dazu anregt. Warum also nimmst du deine Zuflucht nicht sogleich zu ihm? Hast du nicht seine untrügliche Verheißung, dass du erhalten wirst, um was du im Glauben bittest? Glaubst du etwa dieser Verheißung nicht? Oder achtest du Gottes Wohltaten so gering, dass du nicht einmal darum bittest?
3. Betrachte den Fürsten, der zu Jesus kam, ihn zu bitten, dass er seinen Sohn gesund macht. Statt ihn zu erhören, gab der Herr ihm einen Verweis. Aber der betrübte Vater wurde dadurch nicht irre an der Güte Jesu. Er bat noch dringender, und erhielt endlich zu seiner großen Freude die Frucht seines Gebetes. Also prüft Gott zuweilen den Glauben und die Beharrlichkeit seiner Diener, immer aber erhört er ihr andächtiges, dringendes und beharrliches Gebet, und zögert zuweilen nur darum mit der Erhörung, damit sie dann seine Gaben umso höher achten. Denn ausdrücklich ist die Verheißung unseres Herrn: "Ich sage euch: Alles, um was ihr bettet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr es empfangen werdet, dann wird es euch zuteil." (Markus 11,24)
1. Die christliche Vollkommenheit ist gleich einem hohen Berg, auf dessen Gipfel die heilige Stadt erbaut ist, wohin alle zielen, die diesen Berg besteigen, um daselbst zur Vereinigung mit ihrem Gott zu gelangen. Unter diesen Wanderern nun werden Anfänger diejenigen genannt, die noch unten am Fuß des Berges sind; - Fortschreitende die, die bereits die Mitte des Berges erreicht haben; - Vollkommene endlich die Glückseligen, die bis an seinen Gipfel gelangt sind. Die ersten haben noch vollauf zu tun, vor Sünden sich zu hüten. Die zweiten ringen nicht mehr, Sünden zu meiden, sondern wahre Tugenden zu erlangen. Die dritten, die bereits in Tugenden geübt sind, streben nach der Vereinigung mit Gott. Erwäge nun, zu welchen aus diesen dreien du gehörst.
2. Es müssen zwar auch die Fortschreitenden, ja sogar die Vollkommenen vor Sünden sich hüten, und auch die Anfänger müssen Fleiß anwenden, Tugenden zu erlangen und zur Vereinigung mit Gott zu gelangen. Indessen ist doch jeder dieser Stände vorzüglich mit der Arbeit beschäftigt, die ihm eigen ist, und niemand soll plötzlich von dem einen zu den andern übergehen wollen. Denn viele möchten gerne auf einmal vollkommen sein. Dies aber ist so wenig möglich, als dass der Körper eines kleinen Jungen plötzlich zu einem vollkommenen Mann erwachse. Das Kind mag weder die Speisen, noch die Arbeiten eines Mannes zu ertragen.
3. Darum ermahnt der heilige Apostel Petrus uns sehr weise, gleich neugeborenen Kindern nach vernünftiger Milch zu verlangen, damit wir dadurch allmählich zum Heil erwachsen (1. Petrus 2), und spricht auch an einer anderen Stelle: "Wachst in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus." (2. Petrus 3) Meist ist es nur die Eigenliebe, die so gerne sich vollkommen sehen möchte, und die nicht sowohl auf ihre Schwäche, als auf ihr Verlangen sieht, weshalb sie auch gewöhnlich auf dem Weg erliegt. Darum schreite mit Gottes Gnade, demütig und behutsam, bis dir gesagt wird: "Freund, rücke weiter hinauf!" Psalm 84,8: "Die Gerechten werden von Tugend zu Tugend schreiten, bis sie den Gott der Götter schauen."
1. Die Gerichte Gottes sind ein tiefer Abgrund. Er allein kennt diejenigen, die mit seiner Gnade zum Heil gelangen werden. Wir aber sollen, nach der Ermahnung des Apostels, unser Heil mit Furcht und Zittern wirken, da wir nicht wissen, ob wir zur Anzahl seiner Auserwählten gehören. Gottes unendliche Weisheit aber wollte dies so, damit wir in der Demut und in beständiger Wachsamkeit bleiben, ohne Unterlass zu seiner göttlichen Barmherzigkeit beten, uns rein bewahren und guten Werken mit Eifer nachgehen, die allein unsere Auserwählung sichern, auch wenn wir wüssten, dass wir zur glückseligen Anzahl der Auserwählten gehörten.
2. Bete also die göttlichen Ratschlüsse in Demut deines Herzens an, und fürchte die göttlichen Gerichte. Aber mäßige diese Furcht durch Liebe und Vertrauen. Ist nicht dein ganzes Leben eine beständige Verkettung von Gnaden und Erbarmungen von deinem himmlischen Vater? Früh schon erleuchtete dich sein heiliges Licht und zog dich zu seiner Erkenntnis und Liebe an. Und sieh, als du später hin dich verirrt und seinen Weg verlassen hast, ging seine Gnade dir nach, bewahrte dich vor den Schrecknissen eines jähen Todes und vor gänzlicher Verstocktheit des Herzens, und ruhte nicht, bist du zu ihm zurückgekehrt bist. Wie also fürchtest du, er werde nun das Schäflein verlassen, dass er mit so großer Mühe aufsuchte, und über dessen Wiederfinden er ein Fest mit seinen Engeln feierte?
3. Aber, sprichst du, wer weiß, ob ich aushalten werde! Denn wie viele, die Gott lange Zeit dienten, fielen am Ende ab und gingen ewig verloren. Sage mir, hast du in dir selbst die Kraft gefunden, deine sündhaften Fesseln zu brechen, oder hast du sie von Gott bekommen? Sind also diese großen Gnaden des Heils, die Gott dir verlieh, nicht ein sicheres Unterpfand, dass er auch die übrigen dir verleihen werde, selig zu vollenden? Rufe täglich mit ganzem Herzen um seine Gnade zu ihm, und er wird sie dir täglich verleihen. Nicht durch kleinmütiges Zagen, sondern durch kräftige Hoffnung und getreue Liebe wirst du zur Seligkeit gelangen. Psalm 31,2: "Herr, ich suche Zuflucht bei dir. Lass mich doch niemals scheitern; rette mich in deiner Gerechtigkeit."
1. "Gott will," spricht der Apostel, "dass alle Menschen selig werden, und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen!" Der eingeborene Sohn Gottes aber versichert feierlich, "viele sind berufen, und nur wenige auserwählt". Woher dies? Erstens aus dem menschlichen Widerstand, der Gottes liebevolle Absichten vereitelt. Wenn ganze Nationen der Verkündigung der Apostel sich widersetzten, und ihren Nachfolgern noch immer sich widersetzen; - wenn ganze Völker von der Einheit der Kirche sich losrissen, und noch zur Stunde die Augen der Wahrheit verschließen; - wenn so viele Kinder selbst der katholischen Kirche das Irrgerede der Gottlosen anhören, und gegen ihre Mutter sich empören: ist dies nicht ihre eigene Schuld? Und ist Gottes Vorsehung nicht vollkommen gerechtfertigt?
2. Die zweite Ursache ist "die Weisheit dieser Welt, die Torheit vor Gott ist". Denn was anderes rät diese törichte Weisheit, als Schädliches suchen, Vergängliches lieben, Heilsames vernachlässigen und Ewiges als nichts achten? Also verschmähten jene vom himmlischen König eingeladenen Gäste diese glänzende Auszeichnung, und gingen ihren Geschäften, ihren Unterhaltungen nach, ja sie misshandelten sogar seine Boten. Ahmen wir aber nicht ihrer Verkehrtheit nach? Ziehen wir unsere zeitlichen Vorteile nicht dem Heil unserer Seele vor? Widerstehen wir Gottes Einladungen nicht beständig, und zürnen denjenigen, die uns ermahnen, seiner Stimme Gehör zu geben, und seinen glorreichen Verheißungen durch treue Befolgung seines heiligen Gesetzes uns würdig zu machen?
3. Die dritte Ursache ist unser toter Glaube. Wären wir von Gottes Güte und Gerechtigkeit, von der Würde unserer Seele, von der Ewigkeit der himmlischen Belohnungen durchdrungen, wahrlich, wir würden den vergänglichen Gütern dieser Zeit nimmermehr mit so großer Gier nachstreben. Denn welcher Hungernde greift je nach einem Stein, wenn er durch Brot sich erquicken kann? Oder nach einer Schlange, wenn treffliche Fische ihm vorgesetzt werden? Welcher Mensch auch würde je der Hölle zueilen, wenn er tief von dem Gedanken an den Himmel durchdrungen wäre? Irren wir nicht, und treffen wir eine gute Wahl, dann werden auch wir von Gott auserwählt werden. "Vor dem Menschen ist Leben und Tod, das Gute und das Böse; welches ihm gefällt, das wird ihm gegeben werden."
1. Mit väterlicher Liebe sorgt Gott für seine Auserwählten, und er reinigt und prüft sie durch Trübsale, wie das Gold im Feuer. Darum murre nicht, wenn eine Trübsal dir widerfährt, wenn dein guter Ruf verletzt wird, wenn irgend ein bitterer Verlust oder Schaden dich trifft, wenn du mit Schmach zurückgesetzt wirst, oder wenn eine Krankheit dich darnieder wirft, sondern folge der Ermahnung des Apostels, der uns zuruft: "Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes." (1. Petrus 5,6a) Führst du dir dein verflossenes Leben wohl zu Gemüte, so wirst du bald zur Überzeugung kommen und sprechen: "Gesündigt hatte ich und das Recht verkehrt; doch hat er mir nicht mit Gleichem vergolten." (Ijob 33,27)
2. Lass dich also von deinen Trübsalen niemals verwirren, dass du an Gottes Vorsehung irre wirst, gleich als ob alles, was dir widerfährt, zufällig oder durch die Bosheit der Menschen geschehe, und als ob Gott nicht mehr an dich denkt. Er selbst hat alle Tropfen des Kelches gezählt, den er dir vorsetzte. Er sendet dir, gleich einem Kranken, nicht wonach dich gelüstet, sondern was dir heilsam ist. Er war es, der dein schädliches Vorhaben vereitelte, der die Schmach, die bittere Kränkung über dich verhängte, und so vieles zulässt, das dir widerfährt. Und zwar tut er dies aus wahrer väterlicher Liebe, dich zu heilen und zur Vollkommenheit zu führen.
3. Ist nicht der Kranke albern zu nennen, der die Hand des heilenden Arztes von sich stößt, und über seine Anordnungen schimpft? Oder wird es dadurch besser mit ihm? Zieht er sich durch seine Ungeduld und seinen Widerstand nicht noch größere Übel zu, und setzt sich der Gefahr aus, das Leben zu verlieren? Du also ahme diese Torheit nicht nach, sondern ergib dich Gott, wie ein gutes Kind, das auf die Liebe seines Vaters vertraut, weil es weiß, dass sein Wohl ihm am Herzen liegt. Je größer dein Vertrauen, umso mehr wird der himmlische Vater bewogen, dir zu helfen, wie er durch seinen Propheten spricht: "Ja, ich werde dich heil entrinnen lassen; du wirst nicht unter dem Schwert fallen, sondern dein Leben wie ein Beutestück gewinnen, weil du auf mich vertraut hast." (Jeremia 39,18)