Den du, o Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast.
Mariä Schmerzen
15. September
Recht ist es, dass die Kirche gleich nach dem gestrigen Fest Kreuzerhöhung der Schmerzensmutter gedenkt, denn Maria ist von allen Menschen zumeist mit dem Kreuz verbunden. „Bei dem Kreuz Jesu“, so heißt es heute, „standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Mutter des Kleophas, Salome und Maria Magdalena. Jesus sprach: Frau, siehe da, dein Sohn. Zum Jünger aber: Siehe da, deine Mutter.“
Der englische Maler Jonas Burne hat ein Gemälde hergestellt, das die Unterschrift trägt: „Im Schatten des Kreuzes.“ Das Bild lässt einen Blick in die Zimmermannswerkstatt zu Nazareth werfen. Da steht an der Hobelbank edel und ehrfurchtgebietend der junge Mann Jesus. Müde ist er von der Arbeit, er rastet ein Weilchen und schlingt im Ruhen den Arm um das Kreuzgestell eines Schrankes, an dem er gerade zimmert. Durch ein Fenster im Hintergrund fällt breit die Abendsonne in den Raum und wirft den Schatten des Heilandes und des Kreuzes auf die gegenüberliegende Wand, wo in dem Schatten Maria, die Gottesmutter, sitzt.
Es ist fürwahr ein sinniges Bild, und trefflich ist die Unterschrift „Im Schatten des Kreuzes“ gewählt. Erst war das wohl ein heller Sonnenschein, wie es im freudenreichen Rosenkranz gesagt wird: „Den du, o Jungfrau, geboren hast.“ Das war im Marienleben wie ein sonniger Lenz. Wo aber Sonne ist, da ist auch Schatten, und früh stieg dieser Schatten auf, zum ersten Mal damals, als bei der Darstellung Jesu im Tempel zu Jerusalem der greise Simeon zu Maria über ihren Sohn die prophetischen Worte sprach:
„Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird, und auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen, damit die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.“
Diese Worte waren der erste Schatten im Leben der Gottesmutter. Von dem ersten Augenblick an, da sie die Worte hörte, haben die Gebenedeite unter den Frauen Angst und Sorgen um den Sohn dreiunddreißig Jahre lang zu keiner Stunde mehr verlassen.
Weiter wuchs der Schatten in jener Nacht, da Maria mit dem göttlichen Kind vor den Häschern des Herodes über die Heimatgrenzen nach Ägypten fliehen musste, und zum dritten Mal mehrte sich der Schatten, als sie bei der Reise zum Tempel in Jerusalem als weinende Mutter hinter dem Zwölfjährigen, den sie verloren hatte, her war, drei Tage lang. Am Karfreitag endlich verdichtete sich der Leidensschatten im Marienleben zur dunklen Nacht, damals, als die Mutter Jesus auf dem Kreuzweg begegnete, als sie unter dem Kreuz stand, als man ihr den entseelten Leichnam des Sohnes auf den Schoß legte und als man denjenigen begrub, der ihres mütterlichen Herzens Lust und Wonne und einzige Liebe war. „O ihr alle, die ihr des Weges kommt, merkt auf und schaut, ob je ein Schmerz wohl meinem Schmerz gleicht.“
Siebenfach ist also das Weh, das wie mit sieben Schwertern Mariens Mutterherz durchbohrt hat, und dieser sieben Schmerzen zugleich gedenken wir am heutigen Schmerzensfest in Mitleid und Liebe, denn diejenige, die so viel Leid getragen hat, ist ebenfalls unsere Mutter, eine herzensgute Mutter, der wir Gnaden ohne Zahl, Hilfe in der Not und Schutz in Gefahren verdanken, denn Muttertreu` wird alle Tage neu, und alle Tage erfüllt Maria an allen Menschen das liebe Gebet, das man bei der Opferung am heutigen Fest betet:
„O Jungfrau, o Mutter, sei, vor Gottes Angesicht stehend, eingedenk, für uns ein gutes Wort zu sprechen, auf dass er von uns wende seinen Zorn.“
Immer wieder legt Maria ein gutes Wort für uns ein, und immer auch hilft sie uns, denn sie ist die Immerhilf, und alle Menschennot versteht sie, weil sie selbst im Schatten des Kreuzes das große Leid getragen hat.
Glücklich der Mensch, der noch eine Mutter hat! Glücklich wir alle, die wir in Maria die beste, liebste, gütigste und mächtigste Mutter haben, die uns, wenn auch wir im Schatten des Kreuzes stehen, zutiefst versteht, besser als jede irdische Mutter es vermag, und die uns in allen Nöten helfen will und in allem Leid am wirksamsten trösten kann.
Heute ist das Fest des heiligsten Namens Maria. Heute hat die liebe Mutter Gottes Namenstag. Auch alle Frauen und Mädchen, die den Namen Maria führen, feiern Namenstag, und darüber hinaus haben heute insgesamt alle Menschen ein Fest, denn Maria ist für alle die gute Himmelsmutter. Alle feiern wir heute den Namenstag unserer Mutter. Da soll zunächst einmal eine schöne Geschichte erzählt werden.
Es war vor einigen hundert Jahren. Damals war die Welt kleiner, als sie heute ist, denn man wusste noch nicht, ob es an der anderen Seite des Meeres Länder und Menschen gab. Amerika war noch nicht entdeckt.
Eines Tages fuhr ein mutiger Mann – Kolumbus hat er geheißen – mit einem Schiff auf das weite Meer hinaus. Er wollte nachsehen, was dort sei, wo das Wasser aufhört. Das Schiff, mit dem er fuhr, hatte einen Namen. Santa Maria wurde es genannt, das heißt auf Deutsch „Heilige Maria“.
Es war eine weite Reise. Immerzu geradeaus gegen Westen ging die Fahrt. Fast zwei Monate lang sahen die Leute auf dem Schiff nur das Wasser unter sich und den Himmel über sich. Gewaltige Stürme erhoben sich, und mehr als einmal war das Schiff in Gefahr, mit Mann und Maus in den Wellen zu versinken. Auch die Matrosen taten eines Tages nicht mehr mit und wollten den Kapitän ins Wasser werfen. Kolumbus wehrte sich dagegen und fuhr doch weiter, bis man eines Tages ein Land vor sich aus dem Meer aufsteigen sah. Es war ein neues, bisher unbekanntes Land. Amerika war entdeckt. Als die Anker ausgeworfen waren, verließ Kolumbus als erster das Schiff und ging an Land. Die Stelle aber, wo er an Land ging, nannte er San Salvador, das heißt auf Deutsch „das Land des heiligen Erlösers“. Kolumbus war also mit der Santa Maria ins Heilig-Erlöser-Land gefahren.
So weit die Geschichte, die nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen des schönen Sinnes, der in ihr liegt, erzählt wird.
So lange man Kind ist, weilt man daheim im stillen, ruhigen Hafen des Elternhauses. Doch eines Tages, wenn die Schuljahre zu Ende sind, muss man hinausfahren auf das Meer. Das Meer ist das Leben. Wohin muss man denn fahren? Man muss genau wie Kolumbus nach San Salvador fahren, nach dem Land des heiligen Erlösers. Das ist der Himmel, wo der liebe Heiland wohnt. Dorthin geht die Lebensreise.
Es ist eine weite Fahrt. Vielleicht dauert sie fünfzig oder sechzig oder siebzig Jahre lang oder noch länger, und gefährlich ist die Reise auch. Da erheben sich manchmal gewaltige Stürme, das heißt, es kommen Not und Krankheiten und möglicherweise wieder ein Krieg. Es wird bestimmt nicht immer leicht sein, heil und ohne Schiffbruch durch die Stürme hindurch zu kommen.
Dann aber kann es auch geschehen, dass man selbst nicht mehr weiterfahren will. Man hat keine Lust mehr, brav zu sein. Man übertritt Gottes heilige Gebote, und so kann es kommen, dass man nicht zum lieben Heiland in den Himmel gelangt. Gefährlich ist fürwahr die Reise durch das Leben in den Himmel.
Um indessen trotz aller Stürme sicher das Heilig-Erlöser-Land des Himmels zu erreichen, muss man es ähnlich wie Kolumbus machen. Man muss mit der Santa Maria fahren. Unter der Santa Maria ist eine innige Verehrung der lieben Mutter Gottes zu verstehen, denn wer die Mutter Gottes treu verehrt, alle Tage und lebenslang, der erreicht am ehesten und sichersten das Heilig-Erlöser-Land, der kommt in den schönen Himmel zum lieben Heiland.
„Ich glaube nicht“, behauptet der heilige Alphons, „dass der Teufel sich rühmen kann, auch nur einen Menschen in der Hölle zu haben, der eine rechte Andacht zur Mutter Gottes gehabt hat.“ Und der heilige Bernhard sagt: „Maria ist die Arche, in der jeder, der zu ihr seine Zuflucht nimmt, vor dem ewigen Schiffbruch bewahrt bleibt.“
Wer also von Kindheit an die liebe Mutter Gottes treu verehrt, der befindet sich auf dem rechten Schiff zum Himmel, und wer bereits auf diesem Schiff ist, der soll sich freuen und sich vornehmen, stets darauf zu bleiben.
1. Betrachte diesen liebevollen Samariter. Er sieht den schwer Verwundeten, dies genügt ihm. Er fragt nicht erst, ob er ein Jude oder Samariter ist. Er sagt nicht: Was geht dieser Mensch mich an? Es sollen die Priester und Leviten für ihn sorgen. Er entschuldigt sich auch nicht mit seiner Unwissenheit in der Arzneikunde, noch mit der Gefahr, dass er bei längerem Aufenthalt in dieser Wüste selbst unter die genannten Mörder geraten kann. Er spart weder Wein, noch Öl, noch Geld, das er für eigene Bedürfnisse auf die Reise mitnahm, sondern er pflegt ihn barmherzig, setzt ihn auf sein Tier, geht zu Fuß neben ihm her, und führt ihn bis in die nächste Herberge, wo er dem Wirt ihn gegen Belohnung empfiehlt. Was für ein Beispiel der Nächstenliebe!
2. So sollen wir den Nächsten lieben. Denn die christliche Nächstenliebe umfängt alle Menschen: Juden und Heiden, Gerechte und Sünder, Rechtgläubige und Irrgläubige, Freunde und Feinde, gute und lästige Menschen, weil die Ursache der Nächstenliebe die richtige für alle ist, unteilbar und allgemein. Liebst du um Gottes Willen einen Menschen, der dir gefällt, so liebe dann auch den anderen, der dir missfällt, denn beide sind nach Gottes Bild erschaffen, beide zur Seligkeit berufen. Liebst du also den einen, und liebst den anderen nicht, so liebst du keinen Gottes wegen und aus dem Grund der Nächstenliebe.
3. Zwar verpflichtet die Nächstenliebe nicht, alle Menschen auf gleiche Weise zu lieben. Bei ewigem Fluch aber verbietet sie, auch nur einen Menschen zu hassen. Vorziehen dürfen wir allerdings bei gleichen Verhältnissen den Verwandten dem Fremden, den Christen dem Juden, den Gerechten dem Sünder. Niemand aber dürfen wir von der christlichen Nächstenliebe ausschließen, und verpflichtet sind wir in Notfällen, allen ohne Unterschied zu Hilfe zu kommen. Wer aus Neigung liebt, liebt als Mensch. Wer ohne Neigung liebt, liebt als Christ. Wer gegen seine Neigung liebt, der liebt als ein Heiliger. 1. Johannes 3,18: "Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit."
1. Betrachte die wunderbare Gnade und Zuneigung unseres Gottes, dass er uns befiehlt, ihn zu lieben. Wäre es nicht schon überaus große Gnade gewesen, wenn die unendliche Majestät uns schnöden Geschöpfen auch nur erlaubt hätte, sie zu lieben. Ist es aber andererseits nicht eine Schmach für uns, ja in gewisser Hinsicht sogar für Gott selbst, dass er uns befehlen musste, ihn zu lieben? Durch ein Gebot musste er uns verpflichten, ja zwingen musste er gleichsam uns undankbare Geschöpfe, die wir, ungeachtet zahlloser Ursachen, welche zu seiner Liebe uns drängen, dennoch gleichgültig in den Tag lebten, ohne seiner zu gedenken, geschweige denn, dass wir ihn liebten.
2. Gott befiehlt dem Menschen, ihn zu lieben. Ja es ist dies das erste und größte aller Gebote, das er ihm erteilt. Worüber muss man hier mehr staunen: dass Gott, der in seiner unendlichen Glückseligkeit sich selbst genügt, alles aufbietet, den Menschen zu seiner Liebe zu verpflichten, so als ob er ohne diese Liebe nicht vollkommen glückselig wäre, oder darüber, dass alle seine Geschenke und Gebote beinahe fruchtlos sind? Es liegt wahrhaftig etwas ganz Unbegreifliches sowohl in dem dringenden Verlangen Gottes nach der Liebe des Menschen, als in der Härte des menschlichen Herzens, dass sich diesem Verlangen widersetzt. Offenbar sehen wir hier die tiefe Wunde, die die Sünde unserem Herzen schlug, da wir diesem ersten aller Triebe widerstreben, in dessen Erfüllung unsere einzige und allerhöchste Glückseligkeit besteht.
3. Herr, ruft der große Heilige Augustinus aus, du befiehlst mir, dich zu lieben, und bedrohst mich mit ewigem Elend, wofern ich dich nicht liebe, als ob ein größeres Elend möglich wäre, als dich nicht zu lieben. Trostlos fürwahr wäre jede edle Seele, wenn sie Gott nicht lieben dürfte, ja es wäre ihr auch nicht möglich, ihm zu gehorchen, wenn er es ihr verwehrte, ihn zu lieben. Was aber sollen wir sagen? Herr, der du mir befiehlst, dich zu lieben, gib mir auch die Gnade dazu: denn ohne dich kann ich wohl dich beleidigen und dir missfallen, nie aber auf würdige Weise dich lieben. Römer 13,10b: "Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes."
„Alle Sünder kommt herbei, lasst uns die Fußstapfen Mariä umfangen und uns niederwerfen zu ihren heiligen Füßen. Andachts- und ehrfurchtsvoll trete hin zu ihr, und Lust soo euer Herz erfüllen in ihrer Begrüßung. An sie wendet euch in euren Trübsalen: die Heiterkeit ihres Angesichts wird euch aufrecht erhalten.“
3. September
Fest Maria – Mutter des Göttlichen Hirten oder Maria – Mutter des Guten Hirten, Festtitel in den einzelnen Orden unterschiedlich
1. Jakobus 1,26: „Wer meint, er diene Gott,“ spricht der Apostel, „aber seine Zunge nicht im Zaum hält, der betrügt sich selbst, und sein Gottesdienst ist wertlos.“ Diesem Ausspruch zufolge sind unsere Worte ein Spiegel unseres Gottesdienstes. Und wahr ist, wer Gott fürchtet und seinem heiligen Dienst in Wahrheit sich weiht, der wird mit seiner Zunge, mit der er ihn lobt, nie mehr unwahre, unzüchtige, sündhafte Worte sprechen, weil die ihm innewohnende Gnade ihn erleuchtet und seine Zunge regiert, so dass er nur nach reifer Überlegung und der Wahrheit gemäß spricht, was Gott zur Ehre, dem Nächsten aber zum Nutzen und zur Erbauung gereicht. „Denn aus des Herzens Überfluss spricht der Mund.“
2. Willst du also Gott wirklich dienen, so wende mit seiner Gnade großen Fleiß an, deine Zunge zu bezähmen. Denn sehr schwer ist es, sie zu regieren, da sie nicht auf ihre eigenen Sünden sich beschränkt, sondern auch in alle übrigen einfließt. Nicht nur verläuft sie sich in hochmütigen Prahlereien, Lügen, Verleumdungen, falsche Schwüre und ähnliche Laster, sondern sie lehrt, rät und befielt auch anderen Sünden, und entschuldigt und verteidigt sie sogar, wenn sie begangen wurden. Weshalb auch der Apostel sie „ein Feuer, eine Welt der Ungerechtigkeit“ nennt, die oft in einem Augenblick Übel anrichtet, die keine Zeit mehr zu heilen vermag.
3. Eitel und wertlos ist also unser Gottesdienst, wenn wir unsere Zunge nicht bezähmen. Denn diese Bezähmung ist nicht nur eine Bezähmung unserer Worte, sondern zugleich auch unserer Leidenschaften. Sie bändigt den Zorn, die Ungeduld, den Geiz, den Neid, den Hass, die Unzucht und andere lasterhafte Neigungen, von denen die Zunge angetrieben wird zu sprechen, was sie nicht sollte, und in deren Überwindung ein wesentlicher Teil des wahren Gottesdienstes, die christliche Selbstverleugnung, besteht. Sind also diese Leidenschaften gebändigt, so ist es auch die Zunge, dem Ausspruch des Weisen, Sprichwörter 26,20a, zufolge: „Ist kein Holz mehr da, erlischt das Feuer.“ Denke an den Ausspruch unseres Herrn in Matthäus 12,37: „Denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden.“
1. Wie friedlich würden wir durch dieses Leben gehen, wenn wir gleich einem geistigen Taubstummen manches überhörten, und zu manchen Dingen ganz schwiegen. Als Jesus den Taubstummen geheilt hatte, spricht die Schrift: „Und er redete recht.“ Dass der Herr diese Gnade auch uns verleihen würde. Denn, Jakobus 3,6, „auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt der Ungerechtigkeit.“ Gewiss kommen die meisten Schwierigkeiten, die das Leben uns verbittern, vom Übel der Zunge. Bedenken wir, um recht reden zu lernen, oft diesen Ausspruch unseres Herrn, dass wir von jedem unnützen Wort Rechenschaft geben werden, und geben wir uns größte Mühe, nichts zu reden, das nicht Gottes Ehre oder das Heil, die Erbauung und das Wohl des Nächsten fördert.
2. Recht redet, wer, wenn die Vernunft oder die Notwendigkeit es erfordert, mäßig, bescheiden und mit Sanftmut spricht. Hast du so gesprochen und in zweifelhaften Fällen deine Meinung aufrichtig gesagt, so sei gleichmütig dabei, ob man dir zustimmt oder deine Ansicht nicht teilt, zumal wenn keine Gefahr dabei besteht. Und lass dich in keinen Streit ein, sondern gestatte jedem, frei zu denken was er will, und kümmere dich nicht darum, was die Menschen von dir halten mögen, sondern bemühe dich im Frieden zu bewahren. Liegt aber die Pflicht bei dir, zu ermahnen oder einen Verweis zu geben, so besänftige früher dein Gemüt durch innerliches Gebet, erwäge deine Worte vor Gott, und bedenke Zeit, Ort und Umstände, damit aus deinen Worten die Frucht des Friedens und der Besserung hervorgehe.
3. Leicht ist ein Wort gesprochen, aber nicht leicht sind die Folgen des Wortes zu tilgen. Es zündet oft wie ein Funke ein Feuer an, das nicht mehr zu löschen ist. Darum auch entkommt kein Wort unserem Mund, das nicht bald unserer Rechtfertigung oder zu unserer Verdammnis für den Gerichtstag aufgezeichnet wird. Denn unsere Worte sind der Abdruck unseres Herzens und kommen auch aus seiner Fülle. Deshalb bittet der Prophet dringend den Herrn in Psalm 141,3: „Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen.“
1. Bekehrungen im hohen Alter sind selten. Augustinus wartete dies hohe Alter nicht ab, er bekehrte sich bereits als junger Mann. Und wie schwer wurde ihm diese Bekehrung. Die Bande, mit denen er gefesselt war, schienen unauflöslich. Und so groß waren die Hindernisse, dass er ihre Überwindung für unmöglich hielt. Ja sein eigener Wille war geteilt. Mal wollte er, mal wollte er nicht. Und seine Angst, seine Kämpfe, seine Unentschlossenheit waren furchtbar. Trotzdem siegte er endlich mit Gottes Gnade. Und so ernst war seine Buße, dass er seine Sünden veröffentlichte und dadurch gleichsam verewigte. Lerne deinen Hochmut überwinden, und alles Übrige wird dir leicht werden.
2. So vollkommen war die Bekehrung dieses großen Heiligen, dass er nie wieder in seine alten Sünden zurückfiel. Die göttliche Liebe hatte gänzlichen Besitz von seinem Herzen genommen. Kaum gab es je ein scharfsinnigeres Genie. Ein Strom feuriger Beredsamkeit fließt in seinen Schriften, und sein Wissen war wie ein Abgrund von Kenntnissen. Alle diese Gaben verwendete er nun, die heiligen Wahrheiten der Offenbarung zu entwickeln, und die Feinde der Kirche zu widerlegen und zu bekehren. Noch heutzutage sind seine Schriften ein belehrendes Licht, und er wird als der tiefsinnigste Lehrer betrachtet und befragt. Worauf verwendest du deine Kenntnisse: zu Gottes Ehre, oder zu deiner Eitelkeit?
3. Mit unermüdlichem Liebeseifer verbreitete Augustinus jenes Feuer, das der Herr auf Erden gesandt hatte, die Herzen zur Liebe zu entzünden. Er begründete und leitete einen der frühesten kirchlichen Orden, predigte, lehrte, unterwies die Katechumenen, und glühte, die Seelen zu bekehren. Und dabei führte er das bußfertigste Leben, und starb auch während er Bußübungen verrichtete. Folgen wir den Lehren und Beispielen dieses großen Heiligen, und entsprechen wir der Gnade mit ebenso großer Treue, und sie wird auch in uns mächtig sein. Er konnte wirklich mit dem Apostel, 1 Korinther 15,10, sagen: „Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht – nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir.“
1. Wenn gottesfürchtige Menschen dir widerstreben und gegen dich sind, dann geh in dein Inneres und prüfe dich, ob sie nicht gerechten Grund dazu haben. Stellen dagegen die Bösen deine Geduld auf die Probe, dann hast du Ursache zur Freude. Betrüben dich die Guten, dann kannst du vermuten, dass du nicht auf gutem Weg bist. Beschimpfen dich aber die Bösen, so darfst du hoffen, dass es gut um dich steht. Es ist nicht möglich, den Guten und den Bösen zugleich zu gefallen. Suchst du den Bösen zu gefallen, so wirst du Gott missfallen, wirst du aber von ihnen gehasst, dann wird seine Liebe dich trösten.
2. Die Verfolgung ist für uns zwar nicht erfreulich, doch sie ist für uns heilsam, oft sogar notwendig. Sie drängt uns, auf dem Weg zum Himmel fortzuschreiten, wenn wir gerne auf der Erde uns aufhalten möchten. Sie löst uns von den Geschöpfen, die uns abhalten Gott zu lieben. Sie hält uns in den Schranken unserer Pflicht, reinigt uns von schweren Fehlern, kräftigt unsere schwachen Tugenden, verleidet uns das gegenwärtige Leben, und regt uns an, uns nach dem zukünftigen zu sehnen. Sie ist eine väterliche Rute Gottes, die uns nach Hause treibt, wenn wir draußen umherlaufen, damit wir bei uns selbst bleiben, und lieber tun, was Gottes Vorsehung von uns fordert.
3. Bedenke, ob du zu Gott gehören würdest, wenn die Welt dich geliebt hätte? Überlege, ob du zu ihm zurückgekehrt wärst, wenn sie dich nicht gleichsam vertrieben hätte? Der Vater des Erbarmens war es, der sie gegen dich sein ließ. Er verbot ihr, dich freundlich aufzunehmen und dich zu lieben. Alle seine Geschöpfe setzte er in Bewegung gegen dich, und bestreute deinen Weg mit Dornen, damit du keine Ruhe darauf findest. Mit barmherziger Strenge verfolgte er dich. Er hasst zwar die Sünde der Verfolger, aber er verwendet die Verfolgung zum Heil seiner Auserwählten. Psalm 119,71: „Dass ich gedemütigt wurde, Herr, war für mich gut; denn so lernte ich deine Gesetze.“
Nathanael, der spätere Apostel Bartholomäus, stammte aus Kana in Galiläa, wo Jesus später sein erstes Wunder wirkte. Er dürfte wohl der Sohn eines Bauern gewesen sein. Aus irgendeinem Grund litt es ihn nicht auf der heimatlichen Scholle, und deshalb wanderte er an den See Genesareth, baute sich am Strand ein Häuschen und betrieb das Fischerhandwerk. Von den einheimischen Fischern Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes hielt er sich, wie es scheint, ein wenig fern, weil ihm die Leute vielleicht etwas zu unruhig waren, während er selbst wegen des schweren Bauernblutes, das in seinen Adern floss, mehr die Stille und die Einsamkeit liebte. Er war ein ruhiger, bedächtiger und überlegender Mann, der nichts überstürzte und der sich, bevor er ein Urteil fällte, die Sache gründlich von allen Seiten ansah, wie es Bauernart ist.
Nathanael hatte unter den Standesgenossen nur einen Freund, den Fischer Philippus aus Bethsaida. Es ist geradezu auffällig, dass die beiden Männer Freunde wurden, denn so versonnen und versponnen Nathanael war, so quecksilbrig und stürmisch war Philippus. Was Nathanael zu Philippus hinzog, war wohl nicht nur das offene und treue Wesen des Freundes, sondern auch die gleiche Sehnsucht nach dem verheißenen Erlöser, über den sie sich oft unterhielten. Bevor sie den Heiland überhaupt kannten, hatten sie in ihm Freundschaft geschlossen, und das ist die herrlichste Freundschaft zwischen zwei Menschen, jene Freundschaft, die um Christus und in Christus geschlossen wird.
Dann kam die große Stunde, in welcher der Heiland die beiden Freunde in seine nächste Gefolgschaft berief. Am Tag vorher hatte Johannes der Täufer seine Jünger Johannes, den späteren Evangelisten, und Andreas dem Heiland, der am Jordan vorüberging, nachgeschickt, und die beiden waren die ersten Jünger Jesu. Noch am gleichen Tag führte Andreas seinen Bruder Simon Petrus zum Herrn. Das war der dritte Jünger. Am folgenden Morgen stieß Jesus auf Philippus und sprach zu ihm: „Komm mit!“ Philippus sagte auf der Stelle zu und wurde so der vierte Jünger Jesu.
Philippus wäre aber nicht Philippus gewesen, wenn er nicht sofort in seiner raschen Art zu seinem Freund Nathanael gelaufen wäre, um auch ihn dem Meister zuzuführen. Nathanael saß gerade unter dem Feigenbaum bei seinem Haus und flickte die Netze, als Philippus wie der Wind daherbrauste und schon von weitem in heller Begeisterung rief: „Du, Nathanael, wir haben den gefunden, von dem Mose und die Propheten geschrieben haben. Es ist Jesus, der Sohn Josephs von Nazareth.“ So sprach Philippus, aber der bedächtige Nathanael schaute bei dieser Nachricht nicht einmal von der Arbeit auf, kräuselte nur die Lippen und sagte obenhin mit leichtem Spott: „Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ Dieses Gehaben des Freundes war dem Philippus, der seiner Sache sicher war, nun doch zu dumm, er packte Nathanael energisch am Ärmel und sagte: „Los, sofort gehst du mit, und dann wirst du ja selbst sehen, dass es wahr ist, was ich dir berichte.“
Was wollte Nathanael machen? Er musste einfach mitgehen, und als er zu Jesus kam, sagte dieser: „Seht da, ein echter Israelit, an dem nichts Falsches ist!“ Das war ein hohes Lob aus hohem Mund und Freundschaft auf den ersten Blick. Nathanael blieb sich jedoch in seiner bedächtigen Art getreu und forschte: „Woher kennst du mich denn?“ Da gab ihm der Heiland einen Beweis seiner göttlichen Allwissenheit, indem er sprach: „Noch ehe dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.“ Da war Nathanael, der Mann ohne Falsch, besiegt, und er legte das herrliche Bekenntnis ab: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.“ So wurde Nathanael der fünfte Jünger Jesu, und dieser würdigte ihn seiner Freundschaft, der sich der aufrechte Mann dadurch auch wert erwies, dass er dem göttlichen Freund die Treue bis in den Martertod hielt.
Kann es Schöneres geben, als ein Freund des lieben Heilandes zu sein und seinem Herzen nahezustehen?
O Gott, der Du Deine Kirche durch das Andenken an Deinen heiligen Apostel Bartholomäus erfreust, wir bitten Dich, lass uns allezeit das glauben und befolgen, was er gelehrt hat, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
An diesem Tag pflegte eine große Menge Wallfahrer aus Deutschland, Kroatien, Slavonien, Ungarn und von den türkischen Grenzen nach Neustift, einem Ort in der Steiermark, nicht weit von Petau, zu kommen, um dort die heiligste Mutter Gottes in ihrem durch beständige Wunder berühmten Bildnis zu verehren. Dieses Bild stellt die seligste Jungfrau in einer steinernen großen Statue vor, wie sie das Kindlein Jesus mit der Linken hält und mit der rechten Hand den Mantel so weit ausbreitet, dass darunter 60 kleinere Statuen von Stein, die alle Stände und Gattungen der Menschen abbilden, geraumen Platz haben. Es wird insgemein der Berg der Gnaden genannt.
Am heutigen Tag wurden auch im Jahr 1551 vom Papst Julius III. die Bruderschaft des Rosenkranzes und die schon verliehenen Ablässe durch eine neue Bulle bestätigt.
1. „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Betrachte diesen Ausruf des demütigen Zöllners. Eine so gewaltige Kraft übte er auf das Herz des himmlischen Vaters aus, dass er alle Schuld dieses zerknirschten Sünders augenblicklich tilgte und ihn in einen Gerechten umwandelte. Ist auch diese tiefe und empfindsame Zerknirschung nicht zur Vergebung notwendig, da der Schmerz des aufrichtigen Willens hierzu genügt, so ist sie doch überaus wirksam, das Herz wegen ihrer durchdringenden Kraft zu reinigen und zu einer lebendigen Liebe zu bereiten. Wer daher diese tiefsinnige Zerknirschung empfindet, der danke Gott von ganzem Herzen, denn sie ist wirklich eine der größten Gnaden Gottes.
2. Ist es auch richtig, dass wir die Sünde wegen des Schadens bereuen, den sie unserer Seele, ja den sie selbst unserem zeitlichen Leben brachte, so dringt doch dieser Schmerz nicht bis in das göttliche Vaterherz ein, das nur gerührt wird, wenn wir eine tiefe Wehmut darüber empfinden, dass wir seine unendliche Liebe und Güte, die uns von Ewigkeit geliebt und mit zahllosen Wohltaten unverdient beschenkt hat, durch schnöden Undank beleidigt haben. Und je tiefer dieser Schmerz, umso reinigender ist er. Ja er geht bei wahrhaft liebenden Gemütern oft so weit, dass er alle Schuld und Strafe tilgt, weil die Liebe, der er entspringt, die Menge der Sünden bedeckt.
3. Je tiefer nämlich die Wehmut über die göttliche Beleidigung ist, um so größer ist offenbar die Liebe, und je größer die Liebe ist, um so unbegrenzter ist das Vertrauen auf Gottes unendliche Güte. Dieses Vertrauen der Liebe aber erwirkt die Gnade und Freundschaft Gottes, der das Licht seines Trostes in das Herz gießt, so dass eine solche Seele ihn dann weit inniger liebt, als wenn sie nie gefallen wäre, Gottes Gerechtigkeit an sich selbst rächt, und die Sünde weit ängstlicher vermeidet, als selbst den Tod. Dies war die Zerknirschung aller heiligen Seelen. Selig wir, wenn wir uns hierin täglich üben, und diese überaus große Gnade durch Gebet und Tränen erbitten. 1 J ohannes 4,18a: „Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht.“
1. Kein materieller Tempel, wäre er auch prächtiger und reicher als Salomos hochherrlicher im Innern mit dem reinsten Gold überdeckter und mit den reichsten Gefäßen geschmückter Tempel, lässt mit dem geistigen Tempel unseres Herzens sich vergleichen, der nicht durch das Blut der Tiere, sondern durch das Blut Jesu Christi selbst geheiligt und zur Wohnstätte der göttlichen Dreieinigkeit geschmückt wurde, wo Gott selbst unsere Anbetungen, unsere Bitten und unsere Opfer erwartet. Überaus rein und heilig muss dieser Tempel sein, denn von ihm gelten die Worte: "Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr." (1. Korinther 3,17b)
2. Niemals sah man den sanftmütigen Erlöser so zornig, als da er in den Tempel kam und sah, wie er durch Menschen entheiligt wurde, die da kauften und verkauften, Geld einwechselten, Gefäße und Gerätschaften hindurch trugen, und durch den Verkauf von Ochsen, Schafen und Tauben dies heilige Haus des Herrn in eine Mördergrube umwandelten. Nicht erwehren konnte er sich, eine Geißel aus Stricken zu flechten, und diese Käufer und Verkäufer samt ihren Tieren hinaus zu treiben. Diese Strafen, die der Herr an denjenigen übte, die diesen materiellen Tempel entheiligten, sind indessen nur Bilder der Strafen, die er über die Entheiliger seines geistigen Tempels verhängt. Oft stürzt er ihre Wechslertische, das heißt ihr zeitliches Vermögen, um, und schlägt sie mit den schauderhaftesten Krankheiten.
3. Geh in dein Inneres ein, prüfe dein Gewissen und durchforsche dein Herz. Du klagst über mancherlei Drangsale, über Verdruss, Krankheiten, innerliche Trockenheit und anderes. Sieh jedoch, ob in dem Tempel deines Herzens nicht irgend ein Götze steht, den du anbetest, ob du nicht der Ehrfurcht, dem Geiz oder einer andern falschen Gottheit opferst, ob du nicht mit irdischen und tierischen Begierden unterhandelst. Ist dies so, dann suche keine anderen Ursachen deiner Trübsale, dies sind die Geißeln, die Jesus geflochten hat, diese Götzen hinauszutreiben, die seinen Eifer aufregen. Denn er allein will hier herrschen. Und herrschen auch wird er gewiss, und zwar durch seine Gerechtigkeit, wenn du ihn nicht in seiner Güte darin herrschen lässt. "Herr, deinem Haus gebührt Heiligkeit für alle Zeiten." (Psalm 93,5)
O Maria, in deine Hände lege ich mein ewiges Heil, dir übergebe ich meine Seele. Sie ist dem Untergang nahe, du musst sie durch deine Vermittlung retten. Ich will zu deinen besonderen Dienern gezählt werden, stoße mich nicht von dir. Du suchst die Elenden, um ihnen zu helfen. So verlasse denn auch nicht einen Sünder, der zu dir seine Zuflucht nimmt. Lege du für mich ein gutes Wort ein, denn dein Sohn gewährt dir ja alles, um was du ihn bittest. Ich fürchte nur, dass ich durch eigene Nachlässigkeit vergessen werde, mich dir anzuempfehlen, und dass ich dadurch verloren gehen werde. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte des heiligen Rochus
O Gott, der Du auf die Fürbitte des heiligen Rochus so vielen von der Pest Angesteckten geholfen hast, wir bitten Dich, befreie uns von allen Übeln der Seele und des Leibes, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Am heutigen Tag wurde im Jahr 1030 durch die Fürbitte der seligsten Jungfrau der Friede zwischen Kaiser Conrad und dem heiligen ungarischen König Stephan geschlossen, wovon Baronius im Jahr 1030 berichtet hat.
1. Betrachte die tiefe Rührung des heiligsten Herzens Jesu beim Anblick der Stadt Jerusalem, deren künftige blutige Zerstörung seinen Augen Tränen erpresst. O wie schmerzlich fällt ihm der Untergang sogar seiner Mörder. Wie barmherzig, wie liebevoll ist dies göttliche Herz. Wie anschaulich auch besiegelt Jesus hier seine Lehre von der Feindesliebe durch sein Beispiel. Soll aber dies göttliche Beispiel nicht auch auf uns einwirken? Können wir uns je Jünger Jesu nennen, wenn wir durch unseren Hass, durch unsere Unversöhnlichkeit gegen unsere Feinde dem bösen Geist nachfolgen?
2. Erfreue dich niemals über das Böse, das deinen Feinden widerfährt, und hüte dich, ihnen je Böses zu wünschen. Sie sind vielmehr deines ganzen Mitleids wert, denn mehr Böses tun sie sich selbst, als du ihnen tun könntest. Die Biene, die den Menschen sticht, peinigt ihn zwar für den Augenblick, doch sie selbst büßt diese Pein mit ihrem Leben. Also schadet ein Feind dir an deinem guten Ruf, an deinem Körper oder an vergänglichen Dingen. Sich selbst aber tötet er der Seele nach, und zieht sich den Fluch Gottes zu. Darum hasse du ihn nicht, und räche dich auch nicht, sondern bitte vielmehr für ihn, dass Gott ihm verzeihe, und erzeige dich als einen wahren Jünger deines Herrn.
3. Wenn böse Menschen dir Böses tun, so handeln sie wie sie selbst sind. Bist du aber ein wahrer Diener Gottes, so handle auch als einer, und sieh, wie du sie aus Bösen in Gute umwandelst. Dies aber wirst du nimmermehr durch Rache und gegenseitige Beleidigungen, wohl aber durch Langmut und Geduld bewirken. Und gelingt es dir auch dadurch nicht, so wirst wenigstens du selbst dadurch besser und einer höheren Seligkeit würdig werden. Sehr schwer ist es allerdings, dies feindliche Gefühl durch Liebe zu überwinden. Eben darum aber ist dies ein offenbares Zeichen der Auserwählung, weil es uns selbst die vollkommene Verzeihung unserer Sünden erwirbt. "Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben." (Matthäus 6,14)
Die selige Katharina von Emmerich erzählt: Es war große Trauer und Sorge im Haus der allerseligsten Jungfrau. Sie aber ruhte still und wie todesnah in ihrer Zelle. Der Schleier über ihrem Haupt war in Querfalten auf der Stirn geschürzt; mit Männern sprechend, zog sie ihn über das Antlitz nieder. Selbst ihre Hände waren nur, wenn sie allein war, unbedeckt. Sie nahm in der letzten Zeit nichts, als dann und wann etwas Traubensaft. Als sie erkannte, dass ihr Ende nahe, wollte sie nach dem Willen Jesu die anwesenden Jünger und Frauen segnen und von ihnen Abschied nehmen. Ihre Schlafzelle war geöffnet. Sie saß schimmernd weiß, wie durchleuchtet, aufgerichtet auf ihrem Lager. Sie betete und segnete einen jeden mit kreuzweis gelegten Händen, indem sie seine Stirn berührte und redete dann noch zu allen. Zu Johannes sagte sie, wie es mit ihrem Leib sollte gehalten werden, und wie er ihre Kleider an ihre Magd und eine andere arme Frau aus der Gegend verteilen solle.
Die Männer begaben sich hierauf wieder in den vorderen Raum des Hauses und bereiteten sich zum Gottesdienst, indes die anwesenden Frauen dem Lager der heiligen Jungfrau nahten, niederknieten und ihren Segen empfingen.
Der heilige Petrus brachte bald darauf der Sterbenden das Allerheiligste, von den Aposteln begleitet. Im Betwinkel, neben dem Lager der heiligen Jungfrau, war vor einem Kreuz ein kleiner Altar errichtet worden. Der Tisch desselben war rot und weiß bedeckt und Lichter brannten darauf.
Die allerseligste Jungfrau ruhte still und bleich auf dem Rücken: sie schaute unverwandten Blickes aufwärts, redete mit niemanden, sie war in steter Entzückung und schimmerte von Sehnsucht. Petrus nahte ihr und gab ihr zunächst die heilige letzte Ölung. Er salbte die Gottesmutter aus Büchsen, die der heilige Johannes hielt; und zwar im Angesicht, an Händen und Füßen. Dabei wurde von den Aposteln chorweise gebetet. Dann reichte ihr Petrus das allerheiligste Sakrament. Ohne sich zu stützen, richtete sie sich auf, um es zu empfangen und sank dann wieder zurück, aber wie entzückt und sprach nicht mehr. Mit den heiligen Gefäßen gingen die Apostel indes wieder zum Altar im Vorhaus zurück. Ein paar Frauen waren bei der heiligen Jungfrau geblieben. Später erschienen die Apostel und Jünger wieder am Sterbelager Mariens und beteten stehend.
Das Antlitz der allerseligsten Jungfrau aber war blühend und lächelnd, wie in ihrer Jugend. Sie hatte die Augen mit heiliger Freude gegen den Himmel gerichtet.
Vom Himmel senkte es sich wie zwei Lichtwolken herab, aus denen dem Auge der Erleuchteten viele Angesichte von Engeln erschienen. Zwischen diesen Wolken ergoss sich eine Lichtbahn zu Maria nieder. Sie streckte ihre Arme mit unendlicher Sehnsucht hinauf. Ihre Seele schied als reine Lichtgestalt aus dem Leib und schwebte auf jener Lichtbahn himmelwärts, indes der entseelte heilige Leib, die Arbe über der Brust kreuzend, aus seiner etwas schwebenden Lage zurücksank und sich die Engelchen in den Wolken, unter der heiligen Seele emporschwebend, schlossen.
Die heiligen Frauen gingen wehmütig an die Leichenbereitung. Als alles beendet war, traten die Apostel, Jünger und Anwesenden herein, um das liebe Antlitz noch einmal zu sehen. Unter vielen Tränen knieten sie still um die heilige Jungfrau herum, nahmen dann Abschied, indem sie ihre bedeckten Hände berührten. Der Leib wurde nun verhüllt und der Sargdeckel geschlossen. Es dämmerte schon, als die Beerdigung stattfand. Die heiligen Apostel trugen den Sarg. Sie setzten ihn in einer Grabhöhle nieder. Die Anwesenden gingen noch einzeln hinein, legten Gewürze und Blumen umher, knieten nieder und opferten Tränen und Gebet. Es waren viele. Schmerz und Liebe machte sie verweilen und Nacht war es mittlerweile geworden, als die Apostel den Grabeingang verschlossen. Zerstreut kehrten sie zurück und verweilten noch hie und da betend; einzelne blieben unter Gebet die Nacht über am Grab.
Die Heimgekehrten sahen aus der Ferne ein wunderbares Leuchten über dem Grab Mariens. Sie waren davon sehr gerührt, ohne zu wissen, was es eigentlich sei. Es war, als senke sich vom Himmel eine Lichtbahn gegen das Grab, und eine feine Gestalt in ihr, gleich der Seele der heiligen Jungfrau, begleitet von der Gestalt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Aus dem Grab aber erhob sich nach Kurzem der Leib Mariens, leuchtend, weil mit der leuchtenden Seele vereinigt, und zog mit der Erscheinung Jesu zum Himmel empor. Eine Glorie von drei Kreisen, von Engeln und seligen Geistern umgaben sie. Dann sank der Glanz wieder ein, und der stille Sternenhimmel bedeckte die Gegend.
Ob die vor dem Grab betenden Apostel und heiligen Frauen alles dies sahen, ist unbekannt; aber anbetend und staunend schauten sie empor. Einige warfen sich erschüttert mit dem Angesicht zur Erde nieder.
Thomas kam einen Tag nach der Beerdigung der Gottesmutter an und war sehr betrübt darüber. Er verlangte, nach dem Grab geführt zu werden. Es geschah. Da es bereits Nacht war, zogen sie mit Leuchten hin. Beim Grabfelsen angelangt, warfen sie sich alle umher auf die Knie nieder. Thomas trat zuerst ein, Johannes folgte, nahte sich dem leichten Korksarg, der in einem steinernen Totenlager ruhte, hob den Deckel und stellte ihn beiseite; nun leuchteten sie in den Sarg und sahen mit tiefer Erschütterung die Grabtücher des heiligen Leibes in der ganzen Form der Enthüllung vor sich liegen. Über der Brust und dem Angesicht waren sie auseinander geschlagen; die Umwindungen der Arme lagen leicht aufgelöst, doch noch in gewickelter Form, wie sie gelegen, aber der verklärte Leib Mariens war nicht mehr auf der Erde. Sie blickten mit aufgehobenen Armen empor, als sei ihnen der heilige Leib erst jetzt entschwunden, und Johannes rief zur Höhle hinaus: „Kommt und staunt! Sie ist nicht mehr hier.“ Da traten sie alle paarweise in die enge Höhle und sahen mit Staunen die leeren Grabtücher vor sich liegen. Hinausgetreten, knieten alle zur Erde; sahen, die Arme gegen den Himmel erhebend, empor; weinten und beteten und priesen den Herrn und seine in Liebe verklärte Mutter, wie treue, gute Kinder mit mancherlei süßen Liebesworten, so wie der Geist sie ihnen auf die Lippen legte.“
Maria, sel`ge frohe, Du mildes Mutterherz! Sieh auf uns her, du Hohe, Wir sehen himmelwärts.
O zieh uns näher, näher Durch Freude und durch Harm, Und heb uns höher, höher Mit treuem Mutterarm.
O nimm uns zum Geschenke, So unwert wir auch sind, Maria! und dann lenke Auch uns zum Himmel hin!
Es ist etwas Eigenartiges um das Verhältnis des Sünders zu Maria. Eigentlich müsste es ihn wegtreiben von ihr. Denn sie ist die Sündenlose, sie ist die Makellose, sie ist die Tugendreiche. Sie schwebt in Regionen, die dem Sünder ganz fern liegen. Sie ist der gültige Beweis dafür, dass mit der Gnade des Herrn ein Leben ohne Sünde keine bloße Wahnvorstellung ist. Sie weist ihn immer darauf hin, wie fruchtbar der Mensch mit Gottes Kraft in seinen Werken werden kann. Maria erscheint ihm doch als das heiligste der Geschöpfe, in dem Gottes Ganz-anders-Sein sein herrlichstes Widerleuchten gefunden hat. Ganze Welten sind es, ungeheure Abgründe, die den Sünder von Maria trennen. Und doch beweist es die Geschichte der Seelen, und doch bezeugt es jeder marianische Wallfahrtsort: Wie ein Magnet zieht die Jungfrau den Sünder an und gerade ihn. Wie hätte man ihr sonst als Ehrentitel verleihen können: Zuflucht der Sünder? Wie erklärt sich dies?
Gegensätze ziehen sich an, sagt der Volksmund. Das mag auch hier der Fall sein. Nur dann aber kann es so sein, wenn der negative Pol von Natur aus eine Richtung auf den positiven in sich trägt und wohl auch umgekehrt. Ob das nicht den Schleier von unserm Geheimnis lüftet? Was eben Maria in sich verkörpert, das ist es gerade, wozu der Sünder in seinem Herzen veranlagt ist. Nicht zum Bösen, sondern zum Guten geht des Menschen Herz, das vom Schein des Guten, der noch im Bösen aufleuchtet, so leicht getäuscht wird. Nicht nach unten strebt der Mensch, der in aufgerichteter Gestalt über dieser Erde wandelt, sondern nach oben, zum Vater der Lichter hin. Nicht bei Schmutz und Unrat fühlt er sich wohl, sondern dort ist sein Gefallen, wo Sauberkeit und Schmuck ihn erfreuen. Der sündige Mensch hat sich gleichsam nur vertan, fiel einem Irrtum anheim. Scheingold hielt er für Gold, äußeren Aufputz für inneren Wert. Darum zieht es ihn auch auf seinem Irrweg mit unheimlicher Macht, wenn er in Maria in stärkster Weise dem begegnet, wonach sein Herz begehrt.
Das allein täte es jedoch nicht, denn was nützte es dem Sünder, unfruchtbare Tränen zu vergießen über das, was nicht mehr zu ändern ist? Mariens Fürbitte aber verspricht ihm Vergebung, Mariens Huld führt ihn zur Änderung. Hoffnung regt sich in ihm bei der Mutter der Barmherzigkeit. Einer Mutter Herz zürnt nicht ewiglich. Einer Mutter Liebe versagt ja nie. Einer Mutter Mund entschuldigt gern. Die Mutter hilft gewiss. Der Mutter Hände pflegen sanft. Die Mutter schützt vor des Vaters Zorn. Wer der himmlischen Mutter Hand ergreift, gelangt zu Gott, wäre auch seine Seele schwarz wie die Nacht. Dafür sind unsere Marien-Wallfahrtsorte ein sehr deutlicher Beweis! Zuflucht der Sünder, des Heiles Port!
Wen dünkt es bei solcher Sicht nicht wahrscheinlich, dass ein Sünder, der aus Angst vor der Hoheit des Herrn nicht mehr glaubt wagen zu dürfen, wie der verlorene Sohn zum Vater des Erbarmens heimzukehren, dennoch mit seinen sündigen Lippen zu sprechen beginnt: Bitte für uns arme Sünder jetzt! Wer aber noch betet, erhält auch noch Gnaden. Wer beharrlich betet, wird erhört. Hier offenbart sich ein gar feiner Gottesplan, der tausendfach bestätigt ist: In letzter Stunde steht Maria dem Sünder bei, auf dessen Lippen das Ave nicht erstorben ist. Darum: Zuflucht der Sünder, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes!
Kirchengebet
Allmächtiger und barmherziger Gott: Du schenkst den Sündern in Maria, der seligen allzeit reinen Jungfrau, eine Zuflucht und Hilfe. Lass uns unter ihrem Schutz, von aller Schuld befreit, der seligen Wirkung Deiner Barmherzigkeit teilhaftig werden. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Wir verstehen es aus Gesagtem sehr wohl, wenn an vielen Orten in vielen Diözesen Maria verehrt und ein eigenes Marienfest gefeiert wird unter dem Titel „Zuflucht der Sünder“.
Besonders der Redemptoristenorden eiferte für die Verehrung der Gottesmutter unter diesem Titel; ebenso auch die Missionare vom Unbefleckten Herzen Mariä. In Ekuador erfreut sich dieses Fest einer besonderen Beliebtheit. In den Jahren 1886 und 1909 schenkte die Ritenkongregation diesem Marienfest ein eigenes Messformular und eigene kirchliche Tagzeiten.
(Prof. Dr. Carl Feckes, "So feiert dich die Kirche", Maria im Kranz ihrer Feste, 1957, Steyler Verlagsbuchhandlung)
Herr, du Gott unserer Väter! Du Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs! Du Vater der Erbarmung und Gott allen Trostes! Du hast dich deines Knechtes Israel angenommen und ihm und allen Menschen Jesus Christus, deinen Sohn, als Erlöser gesandt. Ihn, der schuldlos war, hast du für uns dahingegeben, damit durch ihn alle gerettet werden.
Wir bekennen vor dir: Mitten unter uns sind unzählige Menschen gemordet worden, weil sie dem Volk angehörten, aus dem der Messias dem Fleisch nach stammt.
Wir bitten dich: Führe alle zur Einsicht und Umkehr, die auch unter uns mitschuldig geworden sind durch Tun, Unterlassen und Schweigen. Führe sie zur Einsicht und Umkehr, damit sie sühnen, was immer sie gefehlt haben. Vergib um deines Sohnes willen in deinem grenzenlosen Erbarmen die unermessliche Schuld, die menschliche Sühne nicht tilgen kann.
Lass unter uns das Vorbild der Menschen wirksam werden, die sich bemühten, den Verfolgten zu helfen und den Verfolgern zu widerstehen. Tröste die Trauernden, besänftige die Verbitterten, Einsamen und Kranken. Heile die Wunden, die den Seelen geschlagen wurden. Lass uns und alle Menschen immer mehr begreifen, dass wir einander lieben müssen, wie dein Sohn uns geliebt hat.
Gib den Ermordeten deinen Frieden im Land der Lebendigen. Ihren ungerecht erlittenen Tod aber lass heilsam werden durch das Blut deines Sohnes Jesus Christus, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
(Von den deutschen Bischöfen verfasst und empfohlen, könnte dieses Gebet jedem von uns zur guten Gewohnheit werden im Gedenken an die unschuldigen Opfer des Dritten Reiches und zur Fürbitte für ihre Verfolger.)
O Gott, bei dessen Leiden nach der Weissagung Simeons das liebste Herz der glorreichen Jungfrau und Mutter Maria ein Schmerzensschwert durchdrang, verleihe gnädig, dass wir, die wir mit Verehrung an ihre Schmerzen denken, der glücklichen Wirkungen Deines Leidens teilhaftig werden, der Du lebst und regierst in Ewigkeit. Amen.
O meine Königin, die du die Herzen der Menschen durch deine Lieblichkeit raubst, hast du mir nicht auch mein Herz geraubt? O Räuberin der Herzen! Wann wirst du mir mein Herz zurückgeben? Leite du es mit deinem Herzen und lege es in die Seite deines göttlichen Sohnes. Dann werde ich besitzen, was ich wünsche, denn du bist meine Hoffnung. Amen.
Zu Gott
Wende, o Herr, unsere Augen von allen Ärgernissen der Welt ab, und verleihe uns die Gnade, Deinem und Deiner treuen Diener Beispiele zu folgen, der Du lebst und regierst, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Zu Rom wurde an diesem Tag im Jahr 1270 die Kirche der heiligen Maria von der Verkündigung eingeweiht. Sie ist eine von den neun Kirchen, die man zu Rom besucht.
1. Lass keinen Tag vorübergehen, ohne des Ausspruchs des Herrn zu gedenken: "Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung!" (Lukas 16,2) Denn woher der Untergang so vieler, wenn nicht daher, dass sie blind in den Tag leben, ohne dieser Rechenschaft jemals zu gedenken? Indessen ist ist es wie ein Auge, das alles sieht, ohne selbst gesehen zu werden, wie ein Ohr, das alles hört, ohne wahrgenommen zu werden, wie eine Hand, die alles aufzeichnet, aber verborgen ist. Gesehen werden wir, ohne zu sehen, beobachtet, ohne zu beobachten. Auch die kleinste Falte unseres Herzens ist demjenigen nicht verborgen, der unser Herz erschaffen hat.
2. Nichts verschwindet, nichts geht verloren, nichts gerät in Vergessenheit, alles geht von der Zeit in die Ewigkeit hinüber. Was wir noch so tief in Finsternis verhüllt glauben, wird einst in das hellste Licht treten. Ach, wie wird mir zumute sein, wenn das Buch meines Gewissens wird aufgetan werden, wenn die schändliche Geschichte meines Lebens vor aller Augen wird entschleiert werden. Wer kann noch eitlem Gelächter, wer noch den Albernheiten dieser Welt sich hingeben, wenn er an den Tag dieser Rechenschaft denkt. Erbebend rief der heilige Dulder Ijob bei dieser Betrachtung aus: "Dass du mich in der Unterwelt verstecktest, mich bergen wollest, bis dein Zorn sich wendet, ein Ziel mir setztest und dann an mich dächtest." (Ijob 14,13)
3. Bedenke es wohl, Rechenschaft geben wirst du über das Gute, das du unterlassen, sowie über das Gute, das du getan hast. Rechenschaft wirst du geben über das Böse, das du begangen hast und begehen ließest, über das Böse, dass du für gut befunden und nicht verhindert hast, wozu du mitgeholfen hast, woran du durch Befehl, Rat, Billigung, Nachlässigkeit, Hilfe und Beispiel schuld warst. Und so vielfältig wirst du verdammt werden, als du Seelen in die Verdammnis gestürzt hast. O komm diesem schrecklichen Gericht durch ernste Buße zuvor. Verurteile dich selbst, auf dass Gott dich nicht verurteilt. Verzeihe, und es wird dir verziehen werden. Erzeige Barmherzigkeit, und du wirst Barmherzigkeit erlangen. "Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat." (2. Korinther 5,10)
1. Ein schönes Licht in der heiligen Kirche, über dessen Glanz die Engel Gottes sich erfreuen, ist eine gottselige Seele, die andern durch fromme Beispiele voranleuchtet. Denn das gute Beispiel ist eine stille Predigt, die vieles sagt, ohne zu reden, die Guten erbaut, ohne sie zu ermahnen, die Trägen weckt, ohne sie zu beschämen, den Bösen predigt, ohne sie aufzuregen. Oft fällt ein solches Beispiel tief in die Seele, und wirkt darin wie ein heilsames Saatkorn im Verborgenen, bis es Frucht bringt zu seiner Zeit. Selig, wer als ein solches Licht im Herrn leuchtet, und andere durch sein Beispiel zur Liebe Gottes anzieht.
2. Bringt aber das gute Beispiel Früchte des Lebens hervor, so wirkt dagegen das böse Beispiel Früchte des Todes, und zwar um so reichlicher, als wir leider immer mehr geneigt sind, das Böse, als das Gute nachzuahmen. Das Böse ist gleich einer Erbsünde, die durch eine unglückselige Fruchtbarkeit unsterblich fortwuchert. Vergeblich ermahnen wir andere, wenn unsere Beispiele unserer Lehre widersprechen. Lieber glaubt man den Augen, als den Ohren, und vergisst die guten Ermahnungen, wenn die Ermahnenden selbst das Gegenteil dessen tun, wozu sie ermahnen, denn mächtiger wirken Beispiele, als Worte. Eine Sittenlehre, die im Widerspruch mit unserem Beispiel steht, erhärtet nur die Seele im Laster, und macht sie gefühllos für die Einwirkungen der Gnade.
3. Ach, Herr, mein Gott, gehe nicht ins Gericht mit mir Sünder, denn viel Unheil habe ich durch mein böses Beispiel angerichtet. Vielen war ich leider ein Stein des Anstoßes durch meine bösen Sitten. Viele hielten durch mein Beispiel zum Bösen sich berechtigt. Bitterer Schmerz durchdringt meine Seele bei diesem Gedanken. Tilge um deiner Barmherzigkeit willen das Böse, das ich nicht mehr ungeschehen machen kann, und verleihe mir die Gnade, mein Leben so zu bessern, dass ich durch gute Beispiele reichlich den Schaden wieder gut mache, den ich durch mein ungeordnetes Leben gestiftet habe. Psalm 19,13-14: "Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewusst ist! Behüte deinen Knecht auch vor vermessenen Menschen; sie sollen nicht über mich herrschen."