Dann stelle mich in der Gerechten Kreis, Und gib mich, Herr, nicht ew`ger Schande preis!
1. Wie schrecklich Gottes Strafgerichte sind, ersehen wir aus der Weissagung des Herrn über den Untergang Jerusalems, wo der prachtvollste Tempel zerstört und zahllose Menschen durch Schwert, Hunger und Elend aufgerieben wurden. Nur ein Schatten und Bild des künftigen Jüngsten Gerichts aber war die Zerstörung Jerusalems, und weit schrecklichere Zeichen werden dem allgemeinen Gerichtstag vorangehen, wo Gott denjenigen, die ihn verehren und ihm dienen, mit ewigen Belohnungen, jenen dagegen, die ihn verachten und sein Gesetz übertreten, mit gebührenden Strafen vergelten wird. So groß sind die Schrecknisse dieses Tages, dass sie allen Glauben übersteigen, so dass der Herr mit der Beteuerung schließt "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen."
2. Diesen Tag nennt die Schrift den großen Tag des Herrn, weil er bei diesem Gericht, vor den Augen des ganzen menschlichen Geschlechtes, seine göttliche Vorsehung verherrlichen, die vermessenen Urteile der Menschen berichtigen und das große Rätsel lösen wird, warum hier so oft die Frommen unterdrückt, die Lasterhaften aber hervorgehoben, die Unschuldigen verurteilt, die Schuldigen aber losgesprochen werden, was zuweilen sogar die Gerechten erschüttert. Zeigen wird sich in ihrer höchsten Glorie die Gerechtigkeit Gottes, und wird die Ungleichheit dieses Lebens durch die Ungleichheit des andern auflösen. Verstummen wird dann die Missetat, die Gerechten aber werden über die unendliche Weisheit und Langmut der göttlichen Vorsehung in das tiefste Erstaunen versinken.
3. Auch ist dieser Tag ein Tag der Verherrlichung aller Gerechten, die um Gotteswegen Verachtung und Schmach geduldig ertragen. Denn es ziemt allerdings der göttlichen Gerechtigkeit, dass ihre Ehre vor dem ganzen menschlichen Geschlecht wiederhergestellt werde, und sie für ihre Aufopferungen und Leiden göttliche Belohnungen empfangen. Was aber wird den Gottlosen widerfahren? Erfüllt werden wird an jedem aus ihnen der Ausspruch: "Aufdecken werde ich deine Scham vor deinem Angesicht; deine Nacktheit werde ich den Völkern zeigen, und den Königreichen deine Schande." (Nahum 3,5) O Tag des Jubels und des Entsetzens, dein Andenken schwebe mir immerdar vor Augen, damit ich an dir nicht ewig zu Schanden werde. Jesaja 32,17: "Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer."
Zeigt man einem modern eingestellten Menschen eine Wundertätige Medaille, dann wird er sich höchstwahrscheinlich mitleidig lächelnd abwenden und die Rückständigkeit bedauern, auch wenn er selbst sein Maskottchen im Auto baumeln lässt und das Horoskop ihm Lebensweiser ist. In solchen Gebräuchen muss doch eine Ursehnsucht des Menschen zu Ausdruck kommen, sonst wären sie nicht bei Alt und Jung, bei reich und arm, bei Gläubigen wie Ungläubigen im Schwange.
Es wird wohl Ausdruck dafür sein, dass des Menschen Lebensweg durch Wagnis und Ungewissheit gezeichnet ist. Ungewissheit aber erzeugt Angst und Furcht, beklemmt das Herz, macht zage den Schritt. Wie wir bei unsicherem Schritt uns des Stockes bedienen, wie wir in den Wagnissen des menschlichen Lebens durch vielerlei Versicherungen uns zu schützen suchen, so möchten wir auch bei den Gefahren, gegen die wir keine Hilfe wissen, durch den Schutz höherer Mächte uns versichern, denn dass unser wagnisreiches Leben auch von solchen mitbestimmt ist, das fühlen wir mit sicherem Instinkt.
Wer kann es da dem Gläubigen verargen, wenn er seine Sicherungen dorther holt, wo er die Mächte seines Lebens lebendig weiß, aus der himmlischen Welt. Gewiss gibt er sich gläubig hin in Gottes heilige Vorsehung, aber menschlich ist es doch, wenn er Greifbareres spüren möchte. Wohl beginnt er nichts ohne den Namen des Herrn, aber echt menschlich ist es doch, ein sichtbares Unterpfand dieses Segens bei sich zu tragen.
Gott wäre fürwahr nicht der liebevolle Schöpfer seines geliebten Menschengeschöpfes, wenn er diesem Zug des menschlichen Herzens nicht entgegenkäme, den er doch hineinlegt. Unsere Kirche wäre nicht mehr die weise Erzieherin, wenn sie unserem Bangen keinen Ausweg schaffte. Darum verband Gott seinen Segen mit sichtbaren Zeichen. Darum schuf unsere Mutter, die Kirche, die Menge der geweihten Dinge, mittels deren Gottes heilige Macht und die Fürsprache der Kirche den bösen Gewalten Halt gebieten will, wenn man sie gläubig fromm gebraucht.
Sollte die himmlische Mutter es anders halten? Sollte nicht ihr mütterliches Herz mehr als alle Gewalten und Kräfte des Himmels darauf bedacht sein, den zagenden und bangenden Kindern zu helfen, so zu helfen, wie es unserem Empfinden entspricht? Verstehen wir nun, was die Wundertätige Medaille will? Verstehen wir nun, warum mit so manchen geheiligten Versicherungen Mariens Name so eng verknüpft ist? Gebrauchen wir sie demnach getrost! Aber lasst sie uns nicht so gebrauchen wie der ungläubige Abergläubische seinen Popanz, sondern in heilig-festem Glauben an Gottes Macht, in heilig-sicherem Vertrauen auf Mariens Schutz und in ehrlichem Streben um ein echt christliches Leben.
Kirchengebet
Herr Jesus Christus, Du hast durch zahllose Wunder kundtun wollen, dass die allerseligste Jungfrau Maria, Deine Mutter, von ihrem Ursprung an unbefleckt ist. Lass uns, die wir ständig ihren Schutz erflehen, die ewigen Freuden erlangen. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Ein Fest zu Ehren Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille wurde erstmals im Jahr 1880 gefeiert. 50 Jahre zuvor war nämlich die Mutter Gottes der Schwester Katharina Labouré in Paris erschienen, und zwar in einer Art wie sie die Wundertätige Medaille auf ihre Anweisung hin zeigt. Unter dem 9. Juli 1880 beantwortete Papst Leo XIII. ein Bittgesuch des Generalsuperiors der Lazaristen, Antoine Fiat, durch Gewährung eines vollkommenen Ablasses für jeden, der am 27. November eine Kirche oder Kapelle der Lazaristen oder Barmherzigen Schwestern besuche, sowie einen Teilablass für jeden Besuch der genannten Kirchen und Kapellen in der Zeit zwischen dem 28. November und dem 28. Dezember. Außerdem gestattete er für den 27. November, dass jeder Priester in diesen Gotteshäusern die Heilige Messe von der Unbefleckten Empfängnis feiere.
Durch diesen Erfolg ermutigt, wagte der Generalsuperior es, bei der Ritenkongregation um die Gewährung einer jährlichen Festfeier vorstellig zu werden. An der Spitze der Ritenkongregation stand damals Kardinal Aloisi Masella. Dieser, ein großer Verehrer Unserer Lieben Frau von der Medaille, fand es schon lange unverständlich, dass man ein solches Gnadenmittel nicht mehr ins Licht rücke. Er tat darum seinerseits alles, dem Gesuch des Generalsuperiors zum Erfolg zu verhelfen. Am 10. Juli 1894 gab die heilige Ritenkongregation eine günstige Antwort und beauftragte ihren eigenen Präfekten mit der Redaktion von Offizium und Messe. Schon am 23. Juli 1894 approbierte Leo XIII. diese und gestattete die Feier eines Festes Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille, und zwar für die Lazaristen als Doppelfest zweiter Klasse und als Doppelfest dritter Klasse für alle Diözesen und religiösen Gemeinschaften, die das Fest übernehmen wollten.
(Prof. Dr. Carl Feckes, So feiert dich die Kirche, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
Allzeit jungfräuliche Mutter, Königin des Himmels und der Erde, die du sitzt über den Seraphim im Glanz der allerheiligsten Dreifaltigkeit, ich bitte dich, erwirke mir von deinem geliebten Sohn die Vollendung aller Tugenden samt aller Erbarmung und Tröstung, allem Rat und Beistand, allem Segen und Frieden, aller Wohlfahrt und Freude. Erlange mir vor allem die Gnadenfülle des Heiligen Geistes, auf dass er mich in allem führe und unterweise, meine Seele behüte, meinen Leib beschirme, meinen Geist aufrichte, meine Sitten bilde, und heilige, und zuletzt mir ein seliges Ende gnädig erteile. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte der heiligen Barlaam und Josaphat
Verleihe, o Herr, durch die Fürbitte der heiligen Barlaam und Josaphat, dass wir aus ihren Beispielen lernen, die Wohltat unseres Glaubens zu schätzen, die Welt zu fliehen, das Zeitliche zu verachten, und Gott und das Ewige allein zu suchen. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte des heiligen Virgilius
Wir bitten Dich, o Gott, verleihe uns auf die Fürbitte des heiligen Virgilius die Gnade, bei all unserem Tun und Lassen auf Deine Ehre zu sehen, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Nach dem moskowitischen Kalender und der Fasttagordnung wurde am 27. November ein Danksagungsfest gehalten, wegen der besonderen Hilfe, mit der die Moskowiter zu Novgorod vor Zeiten gegen die auf sie mit stürmischer Wut einfallenden Skythen beglückt wurden, indem der Bischof ein kleines Mutter-Gottes-Bild, das zu Czera in Litauen wegen verschiedener Wunder berühmt war, an die Stadtmauern heftete, bei dessen Anblick die Feinde so geblendet und in solche Furcht gesetzt wurden, dass sie nach einer erlittenen bedeutenden Niederlage die Flucht ergriffen.
Der heilige Eremit Barlaam, Priester, Einsiedler in Vorderindien,
+ 27.11.383 ?,
und heiliger Josaphat, Prinz und Bekenner von Indien,
+ 27.11. 383 ?
„Ich werde vernichten die Weisheit der Weisen, und vereiteln die Klugheit der Klugen“, sprach einst Gott durch Jesaja. Dies sehen wir erfüllt in folgender Legende, die den heiligen Johannes von Damaskus zum Verfasser hat.
Es geht die Sage um in den alten Geschichten von Indien, dass sich aus den Wüsten Thebais einige Einsiedler bis in das Land der Hindus begaben und dort Christus-Bekenner aus allen Kasten gewannen, deren viele sich, wie ihre Apostel aus Ägypten, in der Einsamkeit göttlicher Beschauung widmeten. Ihre Zahl war nicht gering, und Fürsten fingen an, der neuen Religion ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Da erhob sich Abener, ein gewaltiger König (in Indien an den Grenzen Persiens), zur Verfolgung der Christen. Er ehrte Brama (ihren Gott) und verschmähte keine Blume sinnlicher Vergnügen. So reich sein Staatsschatz war, und seine Kleidung von Gold und Edelsteinen strotzte, so arm war seine Seele an Weisheit. Darum sagte ihm einer der Fürsten, der befragt wurde, warum er Christ geworden sei: „In meiner Jugend wurde ein Wort in meine Seele gelegt, das fasste Wurzel, ging auf und brachte Frucht zu seiner Zeit; das Wort aber ist: die Menschen sind so törichten Sinnes, dass sie das, was ist, verachten, als wenn es nicht wäre; aber was nicht ist, lieben, als ob es etwas sei. Wer das Wesen der Dinge nicht verkostet hat, der wird die Natur des Vergänglichen nicht kennen. Kann man aber das für Nichts schätzen, was man nicht kennt? Du, o König! Du hast dein Herz an das Nichts geheftet, wie magst du denn das Nichts verachten lernen?“ Dem König wurde sein Wunsch erfüllt, er erhielt einen Sohn, dem gab er den Namen Josaphat. Und weit umher ging die Sage, Vischnu (der große Gott der Inder) sei in Josaphat Mensch geworden; denn himmlisch schön und einer Gottheit ähnlich war seine Bildung. Die Stunde der Geburt wurde am Himmel geschaut, und einer der Sterndeuter weissagte in der Versammlung der Weisen dem König: „Größer wird der Sohn werden, als der Vater, und eine viel tausendmal größere Monarchie wird er beherrschen; den Thron seiner Herrlichkeit wird er aber in einem anderen Reich aufschlagen.“ Der königliche Vater ahnte aber, dass sein Sohn die Seuche der neuen Religion ergreifen werde. Er sperrte ihn daher in einen Palast einer entfernten Stadt. Alles, was das Leben verschönert, umgab ihn, und sogleich wurde alles entfernt, was den Liebling mit dem Ungemach der Sterblichen bekannt machen könnte. Der Junge wuchs. Immer edler und reizender wurde seine Gestalt, immer mehr entfaltete sich seine schöne Seele. Er wurde auch stark wie ein Löwe, erfahren in der Weisheit der Braminen, in der Wissenschaft der Perser, ein Gegenstand der Bewunderung für die Lehrer und seinen Vater. Doch war dem Sohn nicht wohl, immer eingesperrt zu sein; er fragte nach der Ursache und entdeckte sie durch Geschenke von einem Bediensteten: der Vater fürchte, er möchte von der Seuche der Christen angesteckt werden, und sei ihnen abhold, und lasse sie umbringen, wo er einen finde. Da wurde Josaphat nachdenklich, traurig und kränklich. Der Vater kam zu ihm, und der Sohn sagte: „Warum soll ich nicht ausgehen dürfen, meine Lebenstage in Kummer und Traurigkeit verleben?“ Und der König gab ihm, wiewohl traurig, die Erlaubnis außerhalb des Palastes spazieren zu gehen; jedoch befahl er voller Sorge jeden Anblick des menschlichen Elends von ihm fern zu halten, und alles, was ihn erschrecken könnte. Josaphat ritt nun aus im glänzenden Wagen, mit großem Hofstaat, vor ihm her Musik und Schauspiel; aber nebenbei standen trotz aller Vorsicht, so fügte es Gott, ihm vor den Augen zwei Bettler, einer aussätzig, der andere blind, in ärmlicher, das Elend verratender Gestalt. Der Prinz fragte mit Bedacht: „Was sind das für Leute und welche Lebensweise führen sie?“ Und eine Frage folgte der anderen: „Woher das? Wie lange das? Sind noch viele, die so leben?“ Man gab ihm kluge, aber nicht beruhigende Antworten, und der Prinz wurde immer ernster und betrübter, so dass seine Lebensfarbe welkte. Bald danach erblickte er einen Greis und mit ihm das abzehrende Alter und das Ende des Lebens. Da fiel Nacht in die Seele Josaphats, er sah die Gebrechen des Lebens, die Krankheiten, den Tod in der Nähe, und nach dem Tod was? – Das wusste er nicht. Schwerer Kummer lag auf seinem Herzen; doch er verbarg ihn vor seinem Vater.
In den Einöden von Sennaar lebte ein Priester in stätem Umgang mit Gott. Groß war sein Geist und sein Herz eine Wohnstätte des Heiligen. Barlaam (so war sein Name), sah in einem Gesicht den Königssohn Josaphat, vernahm den Willen Gottes, machte sich auf und kam in Kaufmannskleidung in seine Residenzstadt, ging zu seinem Hofmeister und sagte: „Dein Knecht bringt aus fernem Land einen überaus köstlichen Edelstein, der seines gleichen nirgends findet, und er hat die Eigenschaft, den Geistigblinden das Auge der Weisheit zu öffnen, das Ohr zu schärfen, die Töne einer anderen seligen Welt zu hören, Seelenkrankheiten zu heilen, die feindseligen Geister des Abgrunds zu vertreiben.“ „Fremdling!, sprach der Hofmeister, hättest du nicht ein so ehrliches Gesicht, ich glaubte, du spottest.“ „Noch eins darf ich nicht vergessen“, versetzte der Kaufmann, „nur schuldlose Seelen und reine Augen vermögen den Wunderstein zu schauen, jeder andere würde vollends daran erblinden.“ „So bringe den Stein dem Prinzen“, entgegnete der Diener, „der hat eine kindliche Seele und ein reines Auge; das meine ist trüb, und die Seele befleckt“, und führte ihn zum Prinzen. Dem Josaphat war in diesem Augenblick gar wundersam ums Herz, ein großes Verlangen und große Hoffnung liefen durch seine Gefühle, er wusste nicht, was es sei, und doch war ihm sein Heil nahe. Er hieß den Kaufmann neben sich sitzen und, als sie allein waren, den Stein aufweisen. Da stand Barlaam auf und sprach: „Sonne deines Reiches! Auch ich habe einen König, der gab mir den Stein und sagte: Das Himmelreich ist gleich einem Sämann“ (Mt 13). Er deutete ihm das Gleichnis und wendete es an mit der Erklärung: „wer immer den Samen im guten Erdreich aufnimmt, der wird am Sonnenlicht aufwachsen, und selbst durch die Kraft des Wundersteines zum Licht werden, und vielfache Frucht bringen. An der Tüchtigkeit ist es gelegen, bewähre dieselbe, damit mich der weite Weg aus meiner Heimat nicht gereue.“ Josaphat: „Schon lange ist es wie Feuer in mir, ich werde noch verzehrt werden, wenn sich nicht eine Gottheit erbarmend meiner annimmt und Balsam in meine Seele gießt. Mich dünkt, du bist kein gemeiner Mensch, sondern ein Bote unseres Gottes, meine wunde Seele zu heilen.“ Barlaam: „In den Tagen der Vorzeit regierte ein mächtiger König. Einmal saß er im goldenen Wagen voll Majestät, wie die Gestirne den Mond, so umflossen ihn seine Höflinge. Auf einmal sprang er auf vom goldenen Sessel, warf sich nieder vor zwei Männern, die hager, zerrissen und schwarzen Angesichtes ihm begegnen, berührte den Saum ihres Kleides, und ehrte sie. Die Höflinge schämten sich, und sein Bruder bedeutete ihm, er hätte seiner Majestät vergessen, und die Höflinge geärgert. Des Abends befahl der König vor dem Palast seines Bruders die Totenposaune zu blasen, wie es Sitte war, wenn jemand dem Tod bestimmt war. Der Bruder erschrak und rüstete sich zum Tod. Des Morgens erschien er im Trauergewand mit seiner ganzen Familie vor dem Thron des Königs und weinte. Da sprach der König: O Unbesonnener! Wenn du dich von einem Boten deines Bruders so entsetzt, da du doch unschuldig bist, und gleiches Blut in deinen Adern fließt; warum ärgerst du dich, dass ich Ehrfurcht habe vor den Gesandten Gottes, die mir sündigen Menschen den Tod und die Ankunft des Herrn lauter verkünden, als Posaunenschall? Der Prinz ging getröstet nach Hause. Der König ließ aber 4 Kisten machen, 2 mit Gold überziehen und mit goldenen Schlössern vermachen, 2 mit Pech übergießen und mit Stricken zubinden; dann berief er den ganzen Hofstaat zu sich, und fragte: welche Kisten mögen wohl größeren Reichtum verschließen? Da war nur eine Stimme: „Die goldenen!“ Der König winkte, die Kisten wurden geöffnet, und sieh! Die goldenen enthielten nur Totenknochen und gräulicher Gestank stieg von ihnen auf; die anderen enthielten Balsam, Gold und Edelstein, und lieblicher Duft ging von ihnen aus. Alles verwunderte sich, und der König sprach: „Ihr Toren pflegt alles nur nach dem Schein zu schätzen. Ich ahnte in den zwei elenden Menschen eine königliche Seele voller Schönheit; darum habe ich sie vorgezogen denen, welche mit königlichem Gewand eine unkönigliche Seele bedecken. Prinz! Tue auch dergleichen.“ Josaphat: „Du bringst mich durch deine Rede in Erstaunen. Wer bist du, Seliger? Und wer ist dieser König, der dir das Gleichnis vom Samen gegeben hat?“ Barlaam: „Dieser König ist der König aller Könige. Von ihm geht Unsterblichkeit aus. Sein Thron ist hoch über alle. Der Glanz seines Thrones ist so groß, dass niemand, der ihn anschaut, am Leben bleibt. Er ist der dreimal Heilige, der Gott über alle Götter, der Unbegreifliche, der in Menschengestalt erschienen ist.“ Nun fuhr Barlaam fort und erzählte die Schöpfung des Paradieses, die Sünde, die Erlösung durch Christus, Als der Königssohn das alles vernommen hatte, wurde seine Seele voll Licht und Freude, er sprang vom Thron auf, fiel Barlaam in die Arme, weinte und sagte: „Wenn ich nicht irre, du Gesandter Gottes, so ist das der Wunderstein, den nur reine Seelen und reine Augen zu schauen vermögen, denn siehe! auf deine Rede ist Nacht und Trauer in meiner Seele verschwunden. Sind das nun die Kräfte des Wundersteines, oder weiß dein Geist von noch größeren Dingen?“ Barlaam: „Du hast mich recht verstanden, o Königssohn! Das Angesicht Gottes, das vor der Welt verborgen war, das ist endlich erschienen und offenbar geworden. Das Christentum ist der Wunderstein; höre ferner von seiner Kraft!“ Da erklärte er die Taufe, die Buße, das Wesen des Himmelreiches, den Glauben, den heiligen Wandel, die Auferstehung zum Gericht, die ewige Vergeltung. Josaphat: „Heiliger Mann, was soll ich tun, auf dass ich selig werde?“ Barlaam: „Tue Buße, und lasse dich taufen zur Vergebung der Sünden: so wirst du die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Dieser wird dich immer näher zur Erkenntnis des lebendigen Gottes bringen. O wie töricht ist der Mensch, der dem Fabelwerk glaubt, dem Nichts traut und das Leben von sich stößt!“ Auch dieses gab er durch ein Gleichnis zu verstehen. Nach vielen schönen Gesprächen wurde endlich dem Prinzen Barlaams Name bekannt, und jener verwunderte sich sehr wegen dessen strenger Lebensweise, und dem männlichen Streit gegen das Böse. „Aber“, sagte der Prinz, „wo nehmt ihr Speise und Kleider her in der Wüste?“ Barlaam: „Kräuter und Baumfrüchte, am Tau des Himmels befeuchtet, sind unsere Nahrung, und erhalten wir Brot on einem frommen Bruder, so essen wir es mit Danksagung gegenüber Gott. Schaffelle und raues Tuch ist unser Kleid.“ Josaphat: „Wo hast du dein Kleid gelassen?“ Barlaam riss das Oberkleid auf und stand da in gar dürftiger Bedeckung. Josaphat sah ihn schweigend an, erbarmte sich der Armut, und bot ihm und seinen Brüdern viele schöne Kleider an. Barlaam: „Das schickt sich nicht, den Leib mit schönem Gewand zu zieren, da man das Kleid des Ungehorsams ausgezogen und Christus angezogen hat, überdies mit dem Mantel himmlischer Fröhlichkeit bedeckt ist.“ Josaphat empfing darauf die Taufe. Und nachdem beide Freunde lange gebetet hatten, nahm Barlaam Abschied von Josaphat, mit dem Versprechen, ihn wieder zu sehen, ließ ihm auf seine Bitte den Mantel zurück, und bezog seine Einöde.
Die Bekehrung Josaphats wurde bekannt, und von einem Bediensteten dem König berichtet. Dieser wurde überaus traurig und wollte Barlaam durch Marter zwingen, seinem Sohn die Religion der Väter wieder zurückzugeben; allein Gott hatte ihn schon dem Ansinnen und Zorn des Königs entzogen und in Sicherheit gebracht. Da bestellte der König nacheinander einen Weltweisen und einen Schwarzkünstler, die durch eitle Vernunftschlüsse und Zauberei dem Sohn die neue Religion verleiden und die alte Religion wieder beibringen sollten. Allein weil das Licht größer war, als die Finsternis, so wurden beide ebenfalls für Christus gewonnen. Daraufhin wurde eine andere Verführungskunst angewandt: weibliche Personen wurden ihm als die einzigen Aufwärter gelassen, sie sollten durch ihre Reize den Prinzen verführen. Aber Gott wachte über ihn und zeigte ihm in einem Traum auf einer Seite die herrlichsten Lustgärten, und auf der anderen Seite einen feurigen Kerker. Eine Stimme deutete ihm das Gesicht: „Jener ist den Reinen, dieser den Unreinen bestimmt, die sich mit Lüsten beflecken.“
Und wie im König das Reich des Satans herrschte, so glänzte im Sohn der Wunderstein des Christentums im siebenfachen Glanz hervor. Der Vater wurde des vergeblichen Kampfes gegen Josaphats siegende Entschlossenheit müde, teilte mit ihm das Reich, um nicht ganz seine Liebe zu verlieren. König Josaphat pflanzte das Kreuz in seine Standarte und auf die Türme der Hauptstadt; seine christliche Milde gewann ihm das Herz der Untertanen und sein Eifer ihre Seelen für Gott. Wie Abener das Leben ausgenossen, er starb in hohem Alter, in ihm der Satan, und da er merkte, seine Götter können ihm nicht helfen, über Josaphat aber sei die Hand des Herrn, schrieb er ihm eigenhändig: „Sohn des Himmels und auch der meine! Schwarze Gedanken steigen in meiner Seele auf und rauben mir alle Süßigkeit des Lebens. Ich habe meine Augen aufgetan und gesehen, wie alle meine Herrlichkeit sich zum Untergang neigt, während dir die Sonne ewiger Glorie hienieden schon aufgeht. Ich habe in das Buch meines Lebens geschaut und finde darin nichts als eitle Torheit und Sünde; ich habe mein Angesicht vom Licht der Wahrheit abgewandt, das Heil von mir gestoßen, nur meine Begierden zu Göttern gemacht. Sohn!, rette deinen Vater vor der nahen Verzweiflung, reiße mich heraus aus meiner fürchterlichen Ungewissheit des Lebens oder des Todes!“ Durch den Sohn wirkte Gottes Gnade in dem Vater, und durch den, welcher zum Heil in die Welt kam, wurde der Vater zum Himmel wiedergeboren. Abener starb wenige Jahre nach seiner Taufe in den Armen seines Sohnes, und Josaphat regierte an seiner Statt das ganze Reich. Nach vierzig Lebensjahren wurde Josaphat des irdischen Reiches müde, seine Seele suchte ein anderes Reich, sein Geist einen anderen Thron in einem anderen Land. Er übergab das Reich dem Barachias, einem frommen Christen, nahm rührend Abschied von seinem Volk, und eilte heimlich der Wüste zu. Er fand endlich einen Einsiedler, der ihm Barlaams Zelle zeigte. Dieser, von Gott gemahnt, erkannte den Josaphat, fiel ihm in die Arme, und nahm ihn zum Gefährten des Lebens in seine Höhle auf. Aber nicht lange ging es, Barlaam starb, Josaphat schloss ihm die Augen und begrub ihn neben der Höhle. Josaphat lebte in strenger Buße, in stätem Umgang mit Gott, wurde vieler Gesichte gewürdigt, die ihm das ewige Leben und dessen Herrlichkeit aufschlossen. Er sah auch Barlaams Herrlichkeit, seines Vaters Krone und die seine, die ihm bereitet war. Heilige Sehnsucht löste ihn auf, sein Geist entschwand der Erde und wurde aufgenommen in das ewige Himmelreich. Bei dreißig Jahren lebte er noch in der Wüste, das Kreuz des Herrn zur Erlösung betrachtend, seine Heilkraft in der Seele aufnehmend. Jener Einsiedler, der ihn zu Barlaam geführt hatte, begrub ihn, und brachte den Verlauf des Lebens dem Barachias zur Nachricht.
Außer Jesus Christus dem Gekreuzigten ist kein Heil. Hast du das erfahren? Und wenn nicht, so ist er vergeblich für dich gekreuzigt worden.
Verleihe, o Herr, durch die Fürbitte des heiligen Barlaam und Josaphat, dass wir aus ihren Beispielen lernen, die Wohltat unseres Glaubens zu schätzen, die Welt zu fliehen, das Zeitliche zu verachten und Gott und das Ewige allein zu suchen. Amen.
1. Oft und dringend ermahnt der Herr seine Jünger zur Wachsamkeit, und damit wir nicht etwa meinen, diese Ermahnung gehe sie allein an, fügt er bei: "Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!" (Markus 13,37) Unser himmlischer Lehrer kannte den Menschen. Er wusste, dass er über seinen wesentlichsten Pflichten gern einschlummert, dass er der Wachsamkeit und Anstrengung bald überdrüssig wird, dass nur Drohungen oder Furcht vor einem entsetzlichen Übel ihn aufschrecken, und nur die Hoffnung auf irgend ein großes Gut ihn wachsam erhält. Damit wir aber, wenn die ewigen Gegenstände dieser Furcht und Hoffnung verzögert werden, nicht in Gleichgültigkeit und Schlafsucht versinken, und diese großen Wahrheiten nicht mehr auf uns einwirken, sprach er oftmals warnend: Wachet und betet!"
2. Beherzigen wir diese Worte unseres Herrn, und lassen wir uns von den Kindern dieser Welt nicht beschämen. Schläft etwa der Geizige, wenn er durch seine Wachsamkeit einen großen Schatz gewinnen kann? Oder schläft der Ehrsüchtige, der nach einer Ehrenstelle ringt, die er sicher ist zu erlangen, für die er Fleiß, Sorgfalt und Wachsamkeit anwendet? Oder aber schläft, nach dem Gleichnis des Herrn, ein Hausvater, wenn er weiß, dass Diebe bei ihm einbrechen wollen? Wie weit mehr Ursache haben wir zu wachen, die wahren Güter unserer Seele, die Güter der Gnade, zu bewahren und zu vermehren.
3. Alle Schmach verdient ein Held, der ein Königreich erobern will, wozu alle Mittel ihm zu Gebote stehen, wenn er es aus Nachlässigkeit und Schlafsucht verliert. Verdienen aber wir selbst nicht ewige Schmach, die wir ein ewiges Reich erobern sollen, das zu erlangen Gott alle Mittel uns gegeben hat, wenn wir, statt zu kämpfen, vor Überdruss einschlafen, zumal da wir wissen, dass wir, wofern wir dies Reich nicht erobern, ewig unglücklich sein werden? So wachen wir denn und sind wir unablässig auf unserer Hut, da zahllos die Feinde sind, die an der Eroberung dieses himmlischen Reiches uns hindern wollen. 1. Thessalonicher 5,4+6: "Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, so dass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann. Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein."
1. Es gibt keinen Augenblick, worin du nicht ein unermessliches Gewicht himmlischer Glorie erkaufen könntest. Wirst du diese große Wahrheit niemals beherzigen? Wer für jede einzelne Sekunde einen leichten zeitlichen Gewinn dir verhieße, würde ohne Zweifel deine Aufmerksamkeit wecken. Wie also geschieht es, dass die wahren, ständigen Güter der Ewigkeit sie nicht wecken? Du achtest nun den unendlichen Wert der Zeit als nichts. Gilt es, dich zu ergötzen, zu belustigen, dann erscheint die längste Zeit dir kurz. Gilt es aber deinem Heil, dann scheint jeder Augenblick dir unerträglich lange. Willst du etwa, den hohen Preis der Zeit zu erkennen, warten, bis du keine mehr zu verlieren hast?
2. Gott, der mit höchster Freigebigkeit alle Güter des Lebens verleiht, ist dennoch mit der Zeit so zurückhaltend, dass er nur einen Augenblick auf einmal verleiht. Nur der gegenwärtige Augenblick ist dein, und schnell wie dein Gedanke ist auch dieser Augenblick entflohen. Wer aber kann mit Sicherheit auf den künftigen Augenblick rechnen? Nur der gegenwärtige Augenblick ist eigentlich mein. Nur ihn habe ich, für meine Ewigkeit zu wirken. Und die größte aller Torheiten ist es, ihn zu verlieren. Die Gottlosen sagen: "Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot." (1. Korinther 15,32b) Dieser Ausspruch flößt einer christlichen Seele Entsetzen ein, sie spricht vielmehr umgekehrt: Tun wir Buße und halten wir uns bereit, denn vielleicht sterben wir morgen.
3. Die Zeit eilt und kehrt nicht zurück. Von ihr hängt meine Ewigkeit ab. Verliere ich sie, so verliere ich mich selbst auf ewig. Indessen steht es bei uns, durch ihre glückselige Verwendung, durch Vervielfältigung unserer guten Werke und verdoppelten Eifer sie zu ersetzen. Ist sie aber einmal für uns abgelaufen, dann seufzen wir ihr vergeblich nach. Dieser Verlust ist die ewige Verzweiflung der Verdammten. Werden wir doch durch ihre Torheit weise. Verwenden wir sie mit aller Sorgfalt, Schätze zu erwerben, die uns den Himmel erkaufen. Epheser 5,15-16: "Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug. Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse."
Allerheiligste Jungfrau, die du das Licht der Welt in deinem jungfräulichen Schoß getragen und viele Jahre immer vor Augen hattest, welche großen Dinge müssen dir dadurch klar geworden sein. Du erhieltest die hohe Einsicht des unsichtbaren und ewigen Lebens, um dagegen die sichtbaren und vergänglichen Güter dieser Welt gering zu schätzen und als leere Eitelkeit anzusehen. Gib mir, o huldvolle Jungfrau, dass auch ich, durch dieses Licht des Glaubens erleuchtet, nichts achte, wünsche und begehre, als Gott und was mich zu Gott führen kann. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte der heiligen Katharina
O Gott, der Du die heilige Katharina zur Siegerin über die Weisheit und die Verfolgungen dieser Welt gemacht hast, verleihe uns auf ihre Fürbitte, dass wir die schädlichen Reize der Welt allzeit fliehen, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Bei Ribadeniera erzählt Equilinus, ein frommer Bischof, wie die heilige Katharina so frühzeitig zum christlichen Glauben gekommen ist. Es ist ihr nämlich als Kind die seligste Jungfrau mit dem Jesuskindlein im Traum erschienen, und Jesus hat von ihr, weil sie noch nicht getauft war, die Augen abgewendet. Dies hat die junge Katharina bewogen, sich im Glauben zu unterrichten und taufen zu lassen. Nach empfangener Taufe hat sie wieder die vorige Erscheinung gehabt, mit dem Unterschied, dass Jesus zu ihr ganz freundlich war, und ihr einen Ring an den Finger gesteckt hat.
Katharina stammte aus königlichem Geschlecht und wurde im 4. Jahrhundert in der Gelehrtenstadt Alexandrien geboren. Reich war sie und schön; aber weit mehr als Reichtum und Schönheit schätzte sie die Wissenschaft. Tag und Nacht lernte sie und las viele Bücher. Auch wurde sie nicht müde, auf die gelehrten Reden weiser Männer zu lauschen, und über alles, was sie hörte, dachte sie nach. So kam es, dass sie mit der Zeit unvorstellbar klug wurde und auf alle Fragen, die man an sie richtete, eine gute Antwort wusste. Die Leute staunten über sie und vermochten es kaum zu begreifen, dass ein Mädchen so klug sein konnte.
Was Katharina wusste, war allerdings nur irdische Wissenschaft, denn sie war eine Heidin, die von der himmlischen Weisheit noch nichts gehört hatte. Von einem Einsiedler wurde sie im wahren Glauben unterrichtet und zum Christentum bekehrt. Da erkannte sie, dass der heilige Apostel Paulus Recht hatte, als er schrieb, die Weisheit dieser Welt sei vor Gott nur Torheit. Ohne Unterlass las Katharina in den heiligen Schriften und wurde dadurch auch in den Wahrheiten der heiligen Religion so bewandert, dass sie sich schließlich nirgendwo besser auskannte als im Katechismus.
Um jene Zeit brach in Alexandrien eine Christenverfolgung aus, und auch Katharina sollte gezwungen werden, vor einem Götzenbild im Tempel Weihrauch zu streuen. Sie tat es aber nicht, vielmehr setzte sie dem Kaiser, der zugegen war, mit klugen und tapferen Worten auseinander, dass der Götzendienst Lug und Trug sei.
Der Kaiser erzürnte sich über die Rede, aber widerlegen konnte er sie auch nicht, und weil er sich selbst nicht mehr zu helfen wusste, ließ er die gelehrtesten Männer aus der Stadt, fünfzig an der Zahl, zusammenrufen und trug ihnen auf, die Weisheit des Christenmädchens zu besiegen.
Anfangs hatte Katharina einen harten Stand, denn sie sah sich allein fünfzig Männern gegenüber, aber Gottes Weisheit sprach aus der klugen Jungfrau, und sie redete so hell und klar, so warm und überzeugend, dass nicht sie von den Gelehrten, sondern die Gelehrten von ihr besiegt wurden. Samt und sonders bekehrten sich die Männer zum Christentum.
Da kannte des Kaisers Wut keine Grenzen mehr. Katharina wurde gegeißelt und in den Kerker geworfen. Zwölf Tage lang ließ man sie ohne Speise und Trank, aber ein Engel erschien und stärkte sie. Dann sollte Katharina zu ihrer Peinigung auf ein Rad gespannt werden, das mit krummen Messern versehen war. Doch kaum hatte sie das Marterwerkzeug berührt, da brachen die Speichen, und das Rad sprang auseinander. Schließlich wurde die heldenhafte Blutzeugin enthauptet, und als sie tot war, kamen Engel, nahmen den heiligen Leib, trugen ihn nach dem Berg Sinai und begruben ihn dort, wo einst Gott auf zwei steinernen Tafeln die wahre und einzige Weisheit der Zehn Gebote verkündet hat.
Von dieser Zeit an wird die heilige Katharina als die Patronin der Gelehrten hoch geehrt, und das geschieht mit Recht, denn dadurch, dass sie sich in der wahren Religion gut auskannte, hat sie die höchste Weisheit gefunden, die es gibt. Die höchste Weisheit lernt man aus dem Katechismus.
1. Eine vollkommene Seele fürchtet den Tod nicht mehr: "die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht." (1. Johannes 4,18) Sie betrachtet den Tod als eine Pforte, die sie zu Gott, ihrer ewigen Liebe, führt, nach dem sie Tag und Nacht seufzt. Was auch würde sie mit diesem Leben verlieren? Einen Stand beständiger Gefahren, einen Weg, auf dem zahllose Feinde lauern, und wo sie von ihrer eigenen Gebrechlichkeit und von der Arglist des Teufels viel Böses zu fürchten hat, und daher in beständiger Angst schweben muss, von körperlichen Leiden und Drangsalen nicht zu sprechen: wie also sollte sie sich nicht erfreuen, von so vielem Elend befreit zu werden?
2. Warum fürchtest du denn den Tod? Was kann er dir hinwegnehmen, wenn du nichts Vergängliches liebst? Denn liebst du Gott allein, so gelangst du durch den Tod zu ihm. Ängstigt dich die Furcht, ob du zur Ruhe oder zur Strafe des Reinigungsfeuers in die Ewigkeit eingehst? Doch dies zu wissen, kommt dir nicht zu. Zagt auch die Natur, so vertraue darum nicht weniger lebend und sterbend auf deinen Gott. Aus dir selbst vermagst du es allerdings nicht, gut zu sterben. Gott aber, der dir verlieh, fromm zu leben, wird dir umso viel mehr verleihen, fromm zu sterben, als er dies fromme Leben dir nur wegen eines frommen Todes verlieh.
3. So wirf denn alle deine Sorgen auf Gott. Er, der im Leben deine Versuchungen dir überwinden hilft, wird auch im Tod dir beistehen. Eins nur ist furchtbar: die Sünde, die Ursache aller Übel in Zeit und Ewigkeit. Ist aber dein Herz rein von Sünden, und lebst du in der Gnade und Liebe deines Gottes, mit dem festen Willen, seine göttliche Liebe niemals zu beleidigen, dann wird kein Tod dir schaden, auch wenn er dich plötzlich überraschte, und du wirst ein mildes Gericht erfahren. Lukas 12,36-37a: "Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt. Amen."
1. Gedenke oftmals jener letzten Stunde, wo alle Menschen dich verlassen, wo deine liebsten Bekannten von dir weichen werden, und du allein den letzten Kampf des Lebens kämpfen musst. Unendlich bitter ist diese Stunde für alle, die nun diesen Gedanken mit Schauder von sich weisen. Aber diese Stunde verliert den größten Teil ihrer Bitterkeit für weise Seelen, die ihr Sterben täglich erwarten, und ihr Gewissen bei Zeiten ordnen, um nie unvorbereitet überrascht zu werden. Selig eine solche Seele, denn sie gehört zur Anzahl jener klugen Jungfrauen, von denen geschrieben steht: "Die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit dem Bräutigam in den Hochzeitssaal, und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde." (Matthäus 25,10b-13)
2. Großen Trost bringt in jener Stunde ein Leben, das, wenn auch nicht immer, doch viele Jahre hindurch ohne schwere Sünde verfloss. Heilige Hoffnung auch gewähren dann die Werke der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit, die wir in gesunden Tagen übten. Besonderen Schutz aber gibt die heilige Liebe, die im Leben sich bewährte, denn sie bedeckt die Menge der Sünden. Wägt der Trost einer solchen Stunde nicht ein ganzes Leben voll der Buße und ernster Kämpfe auf? Sieh, dies steht nun in unserer Macht. So beten wir denn zum Herrn, dass er unsere Hilfe sei, damit wir dann selig in seiner Gnade verscheiden.
3. Denke dich oftmals in diese Stunde, und will bei diesem Gedanken Angst dich überfallen, so bete also zum Herrn: "Herr, mein Gott, weiche nicht von mir, denn sehr nahe ist die Angst, und niemand ist, der da hilft!" (Psalm 22) Es entsetzt sich die Natur selbst beim Gerechtesten, doch er spricht voll der Zuversicht: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?" (Psalm 27,1-2) So lass denn dein ganzes übriges Leben eine beständige Vorbereitung zu dieser Stunde sein, und du wirst diese trostreichen Worte des Herrn vernehmen: "Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht." (Hebräer 13,5b) "Sei getreu bis in den Tod; dann werde ich dir die Krone des Lebens geben." (Offenbarung 2,10b)
Allerseligste Jungfrau Maria, mit welch herrlicher Andacht hast du dich heute dem lieben Gott ganz und gar aufgeopfert. Und mit welch großer Herrlichkeit an Leib und Seele wird dir Gott dies Opfer belohnt haben. Daran erinnere ich dich, Maria, und bitte dich, erwirb mir die Gnade, dass auch ich mich meinem lieben Gott von ganzem Herzen aufopfere. Weil ich aber dies nicht recht tun kann, so bitte ich dich, du wollest ihn an meiner statt mein Herz aufopfern, damit er es mit seiner Liebe entzünde und mit seiner Gnade erfülle. Erwirb mir auch, o heilige Jungfrau, die Gnade, deinem strengen Leben im Tempel im Fasten, Beten und Abtöten nach Möglichkeit nachzufolgen und alle Tage meines Lebens in der Gottseligkeit zuzubringen. Amen.
Verse zur Aufopferung Mariä von Johannes Angelus Silesius
Du edle Lilie, wo find`t man deinesgleichen?
Wann man wird alle Ort im Paradies durchstreichen.
Du glänzest, wie der Schnee, wenn ihn zur Winterszeit
Der Himmel mit dem Gold der Sonne überstreut.
Vor dir muss Sonne, Mond und jeder Stern erbleichen,
Dein Anseh`n, deine Pracht ist schöner, als das Kleid
Des Königs Salomon in seiner Herrlichkeit.
Dir muss der klare Blitz der Seraphimen weichen.
Dein edler Wohlgeruch erquickt die ganze Welt,
Dich preist, was unserm Gott dem Herrn zu Fuße fällt.
In dir erblicket man die Schönheit der Jungfrauen;
Der Märtyrer Bestand, ja aller Tugend Zier,
Und aller Blumen Wohlgeruch erquickt mich hier
O möcht ich ewig Gott also, wie du, anschauen.
Weiteres Andenken an die seligste Jungfrau
Zu Paris wurde im Jahr 1671 das Kloster der geistlichen Jungfrauen, die der Regel des heiligen Benedikt folgen, unter dem Titel Mariä Opferung erbaut, unter welchem Titel auch zu Metz das Klöster der Cölestiner erbaut ist. Das Fest selbst aber wurde zu Venedig in der Kirche des heiligen Grabes sehr feierlich gehalten.
1. Kein Laster ist im eigentlicheren Sinn niederträchtiger, als die Verleumdung. Ergießt deine Galle sich über einen Feind, so geschieht dies offenbar aus Hass, aus Rachsucht, und zwar dann, wenn er am wenigsten imstande ist, sich zu verteidigen. Was aber ist je eines ehrliebenden Gemütes unwürdiger? Ergeht deine Verleumdung über einen Freund, so ist dies schändliche Falschheit und Verrat. Wie kannst du je in seiner Gegenwart ihn loben und deiner Liebe ihn versichern, dann aber mit der gleichen Zunge ihm Böses nachreden, und seinen Ruf schänden? Ist dies nicht Niederträchtigkeit? Verleumdest du aber eine gleichgültige Person, die dir nichts zu Leide tat, so ist dies gräuliche Bosheit und Schäbigkeit des Herzens.
2. Und mit welchen Waffen ficht die Verleumdung! Mit einer arglistigen Zunge, die ihr Gift verbirgt, desto meuchlerischer zu verwunden oder zu töten. Die niederträchtigsten Verleumdungen werden insgeheim und im Vertrauen, immer aber in Abwesenheit des Verleumdeten ausgestreut, damit er sich nicht wehren kann. Kaum ist eine schmählichere Feigherzigkeit denkbar! Wohl nennt der Prophet einen solchen Lästermund ein offenes Grab, das Fäulnis und Gestank aushaucht, wodurch die Unschuld und die Gerechtigkeit getötet werden. Was gehen die Fehler der anderen dich an? Möchtest du, dass man so mit dir umgeht? So bedecke sie denn mit dem Mantel der Nächstenliebe, und wende deinen Eifer gegen dich selbst, und du wirst vollauf zu tun finden.
3. Hältst du etwa den Raub der Ehre und des guten Rufes deines Bruders für einen geringen Raub? Das bürgerliche Leben raubst du ihm dadurch, und tötest überdies deine eigene Seele, oder schlägst ihr doch unheilbare Wunden. Denn verziehen wird diese Sünde nur, wenn sie durch Widerruf ersetzt wird. Hast du aber je widerrufen? Oder kam jemand in der Absicht zu dir, eine Verleumdung zu widerrufen? Wie schmerzliche Übel erzeugt oft ein unbesonnenes Wort, und wie schwer ist es, sich dafür zu entschuldigen. Lerne schweigen und deine Zunge bändigen, die "ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit ist". (Jakobus 3,6a) "Aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden." (Matthäus 12,37)
Du sprichst, Herr, und ein Lichtstrahl ist dein Wort.
Beschämt gehn seine argen Feinde fort;
Doch horchen alle Völker, - denn der Frieden
Wird nur durch dein Gesetz der Welt beschieden. [/b]
1. Selten löste der Herr die arglistigen Fragen seiner Widersacher, ohne dabei zugleich ein Geheimnis oder eine Sittenlehre auszusprechen. Also ist auch obiger Ausspruch des Herrn ein Grundsatz der Religion und ein Gebot des christlichen Gesetzes. Darum spricht der Apostel Petrus: "Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung: dem Kaiser, weil er über allen steht, den Statthaltern, weil sie von ihm entsandt sind." (1. Petrus 2,13a) "Jeder", fügt der Weltapostel bei, "leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen." (Römer 13,1-2) Sehen wir nicht, sogar in unseren Tagen, welche Verheerungen, welche Staatsumwälzungen, welche Gräuel, welches Blutvergießen, welches unaussprechliche Elend der Ungehorsam gegen dieses heilige Sittengebot nach sich zieht.
2. Folgerte aber der Herr, es sei dem Cäsar der Tribut zu geben, weil die Zinsmünze mit Cäsars Bild geprägt war, so zeigte er dadurch uns deutlich, dass wir uns Gott geben sollen, weil das Bild Gottes uns eingeprägt ist. Ihm verdanken wir Dasein und Leben. Opfern müssen wir ihm daher unser ganzes Wesen, unseren Leib und unsere Seele. Wir opfern ihm aber den Leib, "wenn unsere Glieder, die einst der Missetat dienten, nun der Gerechtigkeit zur Heiligung dienen;" wenn wir unsere Kräfte und Fähigkeiten zu seinem Dienst verwenden, und unsere Glückseligkeit nicht in fleischlichen Lüsten, noch in verweslichen Gütern dieser Welt, sondern in ihm suchen. Denn dies ist ein reines, Gott wohlgefälliges Opfer: "sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren." (Jakobus 1,27b)
3. Ganz vorzüglich aber sind wir verpflichtet, den edelsten Teil unser selbst, unsere Seele, ihm zu opfern. Dies aber geschieht durch innerlichen und äußerlichen Gottesdienst, durch Unterwerfung unseres Geistes zum Glauben an seine göttlichen Offenbarungen, durch eine Liebe, die ihn über alles liebt, durch Reinheit des Gewissens und ein Leben nach seinem heiligen Gesetz. Wie haben wir diese Pflicht bis jetzt erfüllt? Haben wir Gott das Leben geweiht, das wir von ihm empfingen? Haben wir seine Gaben zu seiner Ehre verwendet? Säumen wir nicht, diesen Ehrenzins ihm zu bezahlen, der ihm gebührt. Psalm 29,2a: "Bringt dar dem Herrn die Ehre seines Namens."
Dein ist sie zweifach: denn es schuf sie deine Milde,
Und schuf sie neu, als durch die Schuld sie fiel.
1. "Herr," ruft der Prophet in hohem Erstaunen aus, "du lässt dein Angesicht über uns leuchten!" (Psalm 4,7b) Geadelt hast du den Menschen durch Vernunft, Freiheit und Unsterblichkeit, und ihn erschaffen nach deiner Ähnlichkeit, denn rein, heilig und fleckenlos ging er aus deinen Händen hervor. Als dein Bild hattest du ihn erschaffen, und selbst der tiefste Fall, in dem durch die Schuld deine göttliche Ähnlichkeit erlosch, vermochte es nicht, dein unsterbliches Bild in ihm zu auszutilgen. Psalm 49,21: "Der Mensch in Pracht und Ehren, doch ohne Einsicht, er gleicht dem Vieh, das verstummt."
2. Dies ist das Elend, worin die menschliche Natur nun schmachtet, und leider sind die meisten Menschenkinder so gänzlich in diese Tierheit versunken, dass sie gleich den Tieren des Feldes allen blinden Trieben ihrer Begierlichkeit folgen, und dieser schändlichen Herrin wie geborene Knechte gehorchen. Aber so edel ist die menschliche Seele, dass das Licht des göttlichen Angesichtes, mit dem sie besiegelt wurde, selbst durch diese Finsternisse hindurchdringt, und an ihr unsterbliches Ziel sie ermahnt. Ja so unendlich auch ist ihr Wert, dass die ewige Weisheit selbst vom Himmel kam, ihr Bild aufsuchte, es in ihrem Blut reinigte, und die göttliche Ähnlichkeit wiederherstellte, damit es würdig würde, in den lebendigen Bildersaal des ewigen Königs aufgenommen zu werden, und in unsterblicher Herrlichkeit zu glänzen.
3. Ja sie brachte auch Arzneien aus den himmlischen Höhen mit, auf dass jede Seele das Licht ihrer Vernunft und ihrer angeborenen Freiheit anwendet, die Wunden ihres Falles zu heilen, und stellte sich selbst als das Urbild auf, dem wir uns gleichförmig bilden müssen, um zu unserer ursprünglichen Würde wiederhergestellt zu werden. Darum blicken wir ohne Unterlass zu diesem göttlichen Urbild auf, und bilden wir die Züge seiner Sanftmut, seiner Demut, seiner Geduld, seiner Gerechtigkeit, seines Gehorsams, seiner Liebe in uns nach, auf dass der ewige Vater sein Bild in uns erkenne und in seine ewige Glorie uns aufnehme. "Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden." (1. Korinther 15,49)
„Unter deinen Schutz und Schirm“ gehört zu den ältesten Mariengebeten. Nicht verwunderlich, denn der Ruf nach Schutz und Behütung strömt schnell aus dem Mund jenes Wesens, das zu den gefährdetsten dieser Erde gehört. Man hat schon einmal gesagt, die Natur habe den Menschen recht stiefmütterlich behandelt, wenn man ihn mit den Tieren vergleiche. Welch vorzügliche Schutzwaffen besitzen sie! Und der Mensch? Gewiss hat die Natur dem Menschen den Verstand gegeben, mit dessen Einsatz er letzthin allen Tieren überlegen ist, wie es die Geschichte der Kulturentwicklung bezeugt. Aber eben nur „letzthin“. Dazwischen liegt die breite Zone des Gefährdetseins, die durch die erbsündliche Verdüsterung unseres Verstandes und die schmähliche Schwäche unseres Willens eine recht ansehnliche Breite besitzt. Somit kommt der Mensch oft in Not. Und dann schaut er nach Hilfe aus. So will es der Schöpfer auch, denn eingedenk seiner Schwachheit öffnet der Mensch um so bereitwilliger seine Seele der Einwirkung des Allerhöchsten.
Es ist ergreifend zu lesen, wie oft in den Psalmen, die zum Gebetbuch der Kirche geworden sind, nach der göttlichen Hilfe gerufen wird. Besonders kräftig geschieht es in jenen Psalmen, die der vor Saul flüchtende und hart bedrängte David gedichtet hat. Dem entspricht es, wenn der Christ seine himmlischen Fürbitter, die heiligen Himmelsbewohner, als seine Schutzpatrone ansieht und sie eigens dazu erwählt. Sie sollen wie starke Freunde und wie weise Ratgeber sein irdisches Tun und Lassen bewachen und leiten, vor allem natürlich dahin, dass ihm nicht durch des verschlagenen Teufels List ein böses Hemmnis auf der Reise ins himmlische Vaterhaus erwachse.
Wem könnte aber der Christ seine Sorgen mehr anvertrauen als seiner himmlischen Mutter? Weiser ist sie als alle anderen, mehr vermag sie als alle zusammen. Und mit welcher Liebe mag sie jene umgeben, für die ihr geliebter Sohn sein Herzblut gelassen hat! Darum haben die Gläubigen sich schon erstaunlich früh unter den Schutz Mariens gestellt. Unzählige Male wurde sie zur himmlischen Patronin erwählt, sei es von einzelnen, sei es von Gemeinschaften, ja selbst von ganzen Städten und Ländern. Nicht zuletzt wurden ihr durch die von Pius XII. vorgenommene Weihe die ganze Kirche und die gesamte Erde anvertraut.
Dieser Gedanke an Marias Schutz hat wohl nie eine schönere Darstellung gefunden als in den spätmittelalterlichen Schutzmantelmadonnen. In ihnen flüchtet klein und groß, arm und reich unter Marias weiten, breiten Mantel, denn Maria, die Schlangenzertreterin und gütige Mutter, wird keinem Verderben Zutritt gewähren. Wie innig wurde doch in den Bombennächten das Lied gesungen: Maria, breit den Mantel aus! Möge die himmlische Mutter ihn noch fester um uns legen, da unsere Zeit eine so gefährdete und gefahrenschwangere ist!
Kirchengebet
Wir bitten Dich, Herr, unser Gott: gib, dass wir, Deine Diener uns beständiger Gesundheit des Leibes und der Seele erfreuen, und dass wir durch die glorreiche Fürsprache der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria von der Trübsal dieser Zeit befreit werden und die ewige Freude genießen dürfen. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Spanien hatte im Lauf der Jahrhunderte gar manche Kämpfe anzufechten gegen die Sarazenen, gegen Häretiker und andere Kirchenfeinde. Aber immer wieder nahmen die christlichen Könige und das gläubige Volk ihre Zuflucht zur Gottesmutter, und immer wieder wurden die Feinde und Gefahren glücklich überwunden. Man war darum von dem besonderen Schutz Mariens vollauf überzeugt. In dieser seligen Gewissheit und im Gefühl der Dankbarkeit bat man in Rom um die Erlaubnis, „zum Gedächtnis aller Siege und der so häufig sichtbaren Hilfe der Gottesmutter“ (besonders seit dem 6. Jahrhundert bis auf Philipp IV., 1268 bis 1314), ein besonderes Marienfest feiern zu dürfen unter dem Titel „Mariä Schutz“. Durch ein Dekret vom 28. Juli 1656 gab Papst Alexander VII. seine Einwilligung dazu. Nach und nach haben auch andere Länder und religiöse Genossenschaften die Erlaubnis zu dieser Festfeier erhalten.
Die Griechen feiern übrigens schon seit vielen Jahrhunderten ein solches Fest. Auch die Russen, Ruthenen und Serben kennen heute noch ein Schutzfest Mariens und feiern es am 1. Oktober.
(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
1. Viele leben nun so, als hätten sie sich selbst erschaffen, und wollen keinen Herrn über sich erkennen. Aber es kommt eine Stunde, eine unendlich bittere Stunde, wo der allerhöchste König der Schöpfung, ob sie wollen oder nicht, sie zur Rechenschaft berufen wird. Auch für uns ist diese Stunde bereits im Anzug, darum bereiten wir uns zu dieser Rechenschaft vor. Wozu verwendeten wir unseren Leib, unsere Seele, unseren Verstand, unsere Fähigkeiten, unser Vermögen, unseren Einfluss? Wozu die Zeit, die Gnade Gottes, die Mittel des Heils, die Sakramente der Erlösung? Was werden wir Gott, unserem allerhöchsten König, antworten, wenn er Rechenschaft über seine Gaben von uns verlangt?
2. Beherzigen wir diese Stunde ernsthaft, denn schrecklich ist die Todesstunde, wenn das schlafende Gewissen erst dann erwacht. Weit größer und entsetzlicher als je in unserem Leben werden dann unsere Sünden uns erscheinen, Sünden, die wir begehen wollten, Sünden, die wir wirklich begingen, Sünden der Jugend, Sünden des höheren Alters, Sünden, die wir im Verborgenen, Sünden, die wir öffentlich begingen, Sünden, die wir vor uns selbst geheim hielten, und deren wir uns nie gehörig in der Beicht anklagten, persönliche Sünden, und Sünden, wozu wir andere verleiteten. O wie wird der Anblick dieser unermesslichen Schulden uns erschüttern, die wir nun so gleichgültig betrachten.
3. Wehe dem Toren, der da wartet, seine Rechnungen zu ordnen, bis diese letzte und schreckliche Stunde erscheint. Eilen wir also zu tun, was jener Knecht, der außer Stande war, die zehntausend Talente zu bezahlen; werfen wir uns zu den Füßen unseres himmlischen Königs und seiner Diener nieder, in Tränen um die Vergebung unserer Schuld zu bitten, und verwenden wir unser ganzes übriges Leben darauf, sie abzutragen. Denn wie groß, wie schwer, wie zahlreich auch unsere Sünden nun sind, wird Gottes unendliche Güte sie uns erlassen, wenn wir uns vor ihm demütigen und uns wahrhaft zu ihm bekehren. Jesus Sirach 5,7+8: "Zögere nicht, dich zu ihm zu bekehren, verschiebe es nicht Tag um Tag! Denn sein Zorn bricht plötzlich aus, zur Zeit der Vergeltung wirst du dahingerafft! Vertrau nicht auf trügerische Schätze; sie nützen nichts am Tage des Zorns."
"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Matthäus 22,37-39)
"Wer bis zur vollkommenen Liebe Gottes gelangte, den rührt weder Ruhm noch Schmach; er verachtet Versuchungen und Leiden und verliert den Geschmack an allem, außer an Gott. Da er an nichts, was nicht Gott ist, Trost noch Ruhe findet, sucht er einzig seinen Vielgeliebten, und zwar mit solcher Innigkeit, dass, ob er arbeitet oder isst, ob er wacht oder schläft, ob er handelt oder wandelt, alle seine Gedanken und all sein Ehrgeiz dahin zielt, Denjenigen zu finden, den er liebt. Gott ist sein Schatz; und wo der ist, da ist sein Herz. Vergleichen könnte man ihn einem leidenschaftlich liebenden Menschen, der mit aller Sehnsucht nur nach dem einzigen Geschöpf seufzt, das er leidenschaftlich liebt." (Der heilige Johannes Chrysostomus) Wohin gehst du und was suchst du? So fragte man einen Ordensmann. Er aber antwortete: "Ich gehe zu Gott, und suche Gott; und nicht ablassen will ich, bis ich Ihn gefunden habe." Der selige Raimundus Lullus wurde auf folgende Weise befragt: Wem gehörst du? Woher kommst du? Wohin gehst du? Wer hat dich hierher geführt? - Auf all diese Fragen antwortete er: "Ich gehöre der Liebe; ich bin aus der Liebe; ich gehe zur Liebe; und die Liebe hat mich hierher geführt!" Immer war das Herz und der Sinn des heiligen Vinzenz Ferrer voll von Gott; immer dachte er an Gott, nie sprach er anders als von Gott oder mit Gott. Ob er saß oder ging, studierte oder in Gesellschaft war, sah man es ihm an, dass er in Gott gesammelt war und sich mit Ihm vereinigte. Die Gluten der göttlichen Liebe wirkten im heiligen Aloysius, in der heiligen Katharina von Siena, im heiligen Petrus von Alkantara, in der heiligen Theresia von Avila, im heiligen Philipp Neri, in der heiligen Magdalena von Pazzi, im heiligen Franz von Paula und in mehreren anderen Heiligen Dinge, die unglaublich erscheinen würden wenn man sie erzählte. Ein Botschafter des heiligen Ludwig, des Königs von Frankreich, begegnete zu Ptolemais einer Frau, die durch die Straßen dieser Stadt lief und in der rechten Hand ein Gefäß voll Wasser, in der linken aber eine brennende Fackel trug und seufzend ausrief: "O Gott, o Gott! ist es je möglich?" - Hierüber verwundert, blieb der Botschafter stehen und fragte sie, was dies bedeuten sollte. - "Auslöschen möchte ich," sprach sie, "auslöschen die Hölle mit diesem Wasser und das Paradies verbrennen mit dieser Fackel, wenn es Gott so gefallen würde, damit Er einzig und allein um Seiner selbst willen geliebt würde!" Eine fromme Klosterfrau pflegte, wenn man sie fragte, wie viel Uhr es ist, die Antwort zu geben: "Es ist nun gerade die Stunde, Gott zu lieben!"
Herr, nur nach Dir allein verlangt mein Herz! Verleihe mir, dass ich nur Dich sehe, nur von Dir gerührt werde, nur Dich koste, nur Deiner gedenke, nur für Dich spreche und wirke! Du bist der Schatz meiner Ewigkeit, und nur in Dir kann mein Herz vollkommen ruhen! Amen.
1. "Hervorbringen werden sie, Herr, das Andenken an deine überschwängliche Liebe!" So groß ist die Liebe unseres Gottes, wenn sie dem Herzen sich kund gibt, dass darüber dem Menschen alle Freuden der Erde verleiden. Dies sehen wir an den Sündern, die sich aufrichtig bekehrten, und die wegen dieser Liebe und Freundlichkeit des Herrn, der sie nicht als ein strenger Richter bestrafte, sondern als ein milder Vater liebreich aufnahm, ihm mit Freuden alles opfern, was sie früher für die einzige Glückseligkeit gehalten hatten. So groß ist der Trost in ihrem Herzen, dass sie alle Lockungen, die zur Sünde sie zurückführen wollten, mit Abscheu von sich weisen, und gegen die Liebe ihres Gottes mit dem Apostel alles andere gleich dem Gassenkot verachten.
2. Unaussprechlich ist der Friede, den diese freundliche Liebe Gottes in ihre Herzen ergießt, und den Salomo ein beständiges Freudenmahl nennt. Ihre Leidenschaften schweigen, oder regen sie sich auch zuweilen, so werden sie doch bald besänftigt. Die innerliche Salbung dieser Liebe versüßt ihnen jedes Leiden, jedes Werk der Buße. Sie genießen im Umgang mit ihrem Gott, zumal aber bei seinem himmlischen Tisch, eine selige Freude, die sie über diese Erde erhebt, und mit Vertrauen sehen sie die Stunde ihrer Auflösung nahen. Sie sind zwar nicht ohne Furcht, doch ist ihre Furcht eine kindliche Furcht, die nicht sowohl der Strafe gedenkt, als den Gegenstand ihrer ewigen Liebe zu beleidigen fürchtet.
3. Dies ist der Unterschied zwischen den Kindern der Welt und den Kindern Gottes, dass jene in ihren Leiden klagen und einer trostlosen Verzweiflung sich überlassen, diese aber in den Trübsalen dieses Lebens Gott loben, dessen Hand sie ihnen sendet, und ihn durch ihre Geduld verherrlichen. Denn der Weg der Auserwählten ist der Weg des Kreuzes. Aber die Liebe erleichtert ihnen jedes Kreuz: sie hilft ihnen es zu tragen. Und ob auch die Natur darüber murre, umfangen sie es dennoch friedlich. Öffnen wir dieser göttlichen Liebe unser Herz, und sie wird uns bald in himmlische Menschen umwandeln. Psalm 34,9a: "Kostet und seht, wie gütig der Herr ist."
1. Gewaltig ist die Liebe guter Eltern für ihre Kinder. Sie scheuen keine Sorgen, keine Anstrengungen, ihr Glück zu fördern. Erkranken aber diese geliebten Kinder, dann ist die ganze Familie ängstlich beschäftigt. Kein Geld wird gespart, keine Nachtwache, kein Opfer gescheut. Also sandte auch jener Fürst, dessen Sohn erkrankt war, nicht seine Leute: er selbst kam zu Jesus, um ihn um die Heilung seines Sohnes zu bitten. Aber liebe Eltern, warum diese Angst? Warum diese Sorgen? Was verliert ihr denn, wenn dieses Kind stirbt? Oder was gewinnt ihr, wenn es am Leben bleibt? Ach, du kennst die Liebe nicht, würden sie dem so Fragenden antworten, uns selbst lieben wir in unserem Kind, und wir selbst sterben gleichsam mit ihm.
2. Erkennst du hier das Bild des himmlischen Vaters? Nur einen Funken seiner Liebe legte er in das Herz der Eltern, und wie unüberwindlich wirkt er in ihnen. Was ist aber dieser geringe Funke gegen die unermessliche Liebe des göttlichen Vaterherzens. Denn der Herr selbst spricht in Jesaja 49,15: "Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde, ich vergesse dich nicht." Nichts zwar verliert er, wenn wir verloren gehen, und nichts gewinnt er, wenn wir selig werden, aber sein Wesen ist die Liebe, er liebt uns als seine Geschöpfe, er liebt sein eigenes Bild in uns.
3. Gute Eltern versuchen ihre Kinder durch Güte und Strenge zu bessern, sie verstoßen sie nicht, auch nach vielen Fehlern. Nur wenn sie nach allen Ermahnungen, Wohltaten und Strafen sich also gegen die Eltern empören, dass sie ihnen nach dem Leben stellen, schließen sie sie mit Schmerz vom Vaterhaus aus. So tut es auch unser himmlischer Vater, der seine unendliche Güte gleichsam erschöpft, und schließt nur jene Verstockten vom Himmel aus, die da wünschten, dass kein Gott wäre, und bis an ihr Ende in dem hartnäckigen Trotz gegen ihn verharren. "Sag zu ihnen: So wahr ich lebe - Spruch Gottes, des Herrn -, ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt." (Ezechiel 33,11a)
1. Es besteht zwischen der triumphierenden und der streitenden Kirche eine wahre, lebendige und innige Gemeinschaft, denn alle Glieder der einen heiligen Kirche sind durch das Erlösungsblut Jesu Christi miteinander verschwistert. Wir zwar leben noch im Glauben, sie aber in der Anschauung. Doch sind alle, die hienieden in Gottes Gnade leben, "Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes". (Epheser 2,19) Versichert uns aber die ewige Wahrheit, dass mehr Freude im Himmel ist über einen Sünder, der da Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen (Lukas 15,7), so sehen wir daraus klar, dass die glückseligen Himmelsbürger die Gerechten genau von den Sündern unterscheiden.
2. Diese Freude der Heiligen an der Bekehrung der Sünder entspringt ihrer feurigen Liebe und der lebendigen Sehnsucht, dass die unendlich liebevolle Majestät Gottes von einer immer größeren Anzahl Anbeter verherrlicht wird. Daher auch nehmen sie den innigsten Anteil an ihren Brüdern und Schwestern, die noch in diesem Tal des Kampfes sind. Sie kennen unsere Schwächen und die Versuchungen, denen wir beständig ausgesetzt sind, und bringen die Bitten, die wir an sie richten, vor Gottes Thron. Wie auch sollten sie, die im irdischen Leben sogar für ihre Feinde beteten, nun, wo ihre Nächstenliebe vollkommen ist, nicht für diejenigen bitten, die sie verehren und anrufen?
3. Gott aber erhört die Fürbitten seiner Heiligen für uns. Psalm 145,18-19: "Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe, allen, die zu ihm aufrichtig rufen. Die Wünsche derer, die ihn fürchten, erfüllt er, er hört ihr Schreien und rettet sie." Auch spricht der Sohn Gottes: "Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren" (Johannes 12,26b), diese Ehre aber besteht darin, dass er ihre Bitten erhört. So rufen wir denn diese glorreichen Himmelsfürsten oftmals an, und sprechen wir: Selige Bewohner des himmlischen Jerusalems, bittet für uns beim Thron des Allmächtigen, der euch als seine Kinder liebt, damit wir, wie ihr, die Welt und uns selbst überwinden, im Glauben leben und sterben, und einst Gefährten eurer Seligkeit werden. So heißt es in Davids Psalm: "Deine Freunde, mein Gott, sind mir überaus hoch geehrt; ihre Herrschaft wurde überaus mächtig gekräftigt."