1. "Ich kenne meine Schafe", spricht der Herr, "und meine Schafe kennen mich." (Johannes 10) Kein Schaf der Herde Jesu ist, wer diesen guten Hirten nicht kennt, denn seine heilige Erkenntnis ist ein Kennzeichen seiner Schafe. Diese Erkenntnis kommt nicht vom Hörensagen, sondern sie ist die Frucht der Betrachtung seiner unendlichen Liebe und der Beherzigung seines heiligsten Lebens, seiner himmlischen Lehre, seines Leidens und seines Versöhnungstodes, wodurch wir allmählich zu einer lebendigen und fruchtbaren Anschauung seines Geistes und seines Herzens eingeführt werden. Kennen wir alles, was im Himmel und auf Erden ist, und kennen Jesus nicht, so kennen wir nichts und abermals nichts.
2. Diese Erkenntnis ist gleich einer Blüte, aus der die Frucht der Liebe hervorgeht. Die Liebe Jesu aber ist der Grund unserer Seligkeit, denn der himmlische Vater liebt uns nur darum, weil wir seinen eingeborenen Sohn lieben, wie der Herr selbst durch die Worte bezeugt: "Der Vater liebt euch, weil ihr mich geliebt habt." Denn Jesus ist der erste Gegenstand der Liebe des ewigen Vaters. Unendlich mehr liebt er ihn, als alle Wesen der Schöpfung zusammengenommen. Ja er liebt auch nichts anderes, außer um seinetwillen. Da also die Liebe uns mit Jesus vereint, liebt er uns als seine Glieder, und macht uns auch nur darum der ewigen Seligkeit teilhaft.
3. "Ich bin die Tür," spricht Jesus, "wer durch mich eingeht, der wird selig werden." (Johannes 10) Niemand kann ohne die Verdienste Jesu Christi selig werden. Niemand aber kann an diesen unendlichen Verdiensten Anteil erhalten, außer durch die liebende Nachfolge Jesu. Und niemand endlich kann Jesus nachfolgen, ohne ihn zu kennen, den der ewige Vater allen Auserwählten als Vorbild aufgestellt hat. "Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben." (Römer 8,29) Es ist also die Erkenntnis Jesu Christi der Anfang des ewigen Lebens, und je vollkommener sie ist, um so fruchtbarer ist sie für das ewige Heil. 1. Johannes 2,3: "Wenn wir seine Gebote halten, erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben."
O heilige Jungfrau Maria, die du um deiner Demut willen würdig befunden warst, die Mutter deines Gottes zu werden, die du aber deshalb zugleich eine Mutter, eine Zuflucht, eine Fürsprecherin der Sünder bist, bitte Gott für mich. Empfiehl mich deinem Sohn, der dich so innig liebt, der dir nichts abschlagen kann, um was du ihn bittest. Sage ihm, dass er mir verzeihe, dass er mir seine heilige Liebe verleihe und mich selig mache, damit ich ihn mit dir vereinigt eines Tages von Angesicht zu Angesicht im Himmel sehen und lieben kann. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Heute ist der achte Tag des Festes der Unbefleckten Empfängnis Mariä. Die Tagzeiten dieses letzten Tages sollen nach Verordnung der Kirche den Tagzeiten des ersten Tages gleich sein. Nur bei großen Festen wird die Feierlichkeit ganze acht Tage hindurch fortgesetzt, dergleichen viele Feste der seligsten Jungfrau, besonders ihrer Unbefleckten Empfängnis, sind. Die katholische Kirche hat in Anordnung der Oktaven bei höheren Festen dem alten Gesetz gefolgt, worin acht Tage für die Hauptfeste bestimmt waren, und der letzte ebenso feierlich, als der erste soll gehalten werden.
Für den heutigen Tag wird folgende Legende erzählt:
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde zu Genua aus der edlen Familie Strata eine Tochter geboren, die Maria Viktoria genannt, vortrefflich erzogen, und da sie erwachsen war, einem Edelmann aus dem Hause Fornari zur Ehe gegeben wurde.
Beide Gatten lebten in Glück und Frieden, in Frömmigkeit und Gottesfurcht, in Milde und Freigebigkeit gegenüber den Armen. Mehrere Jahre waren solcher Weise dahingeschwunden und der Himmel hatte ihren Ehebund mit vier Kindern gesegnet. Da geschah es, dass der Gemahl Viktorias in eine Krankheit verfiel, von der er nicht mehr genesen sollte. Seine christliche Ergebung, mit der er dem Tod entgegensah, minderte in etwas den Schmerz seiner Angehörigen und nächsten Verwandten. Am tiefsten und schwersten aber empfand Maria Viktoria diesen herben Schlag, der durch die Sorge für die Kleinen noch gemehrt wurde. Überdies war sie guter Hoffnung und das fünfte Kind hatte dermaßen, noch ehe es das Licht der Welt erblickt, schon den Vater und damit für alle Zukunft die nötige Stütze verloren.
Im Übermaß ihrer Schmerzen nun warf sich Maria Viktoria vor dem Bild der allerseligsten Jungfrau nieder und flehte sie an, ihren Kindern Mutter zu sein und mit ihnen sie die arme Witwe, in ihren gütigen Schutz zu nehmen. Die Trösterin der Betrübten konnte dieses kummervolle Herz nicht lange ohne Trost lassen. Sie würdigte sie einer Erscheinung und gab ihr die Versicherung, dass sie alle, Mutter und Kinder unter die Ihrigen aufnehme. Die Kinder würden insgesamt ihrem göttlichen Sohn im Ordensstand dienen, und Viktoria selbst würde die Stifterin eines Ordens werden, der dem Dienst der Mutter des Herrn besonders geweiht sein solle. Durch diese Erscheinung und Versicherung wurde Viktoria, die nur aus Gehorsam und gegen ihre immer gehegte Absicht, Nonne zu werden, in den Ehestand getreten war, mit einer so außerordentlichen Freude erfüllt, dass nicht bloß ihre Tränen von da an zu fließen aufhörten, sondern sie auch, noch ehe sie den Platz verließ, das Gelübde der Keuschheit machte, so wie dass sie nie Seide an ihren Kleidern tragen und allem weltlichen Umgang entsagen wolle. Sie schnitt auch ihre Haare ab, die sehr schön waren, und widmete sich ganz den frommen Übungen. Alle ihre Gedanken waren nun immer dahin gerichtet, wie sie den Orden stiften könnte, der insbesondere bestimmt sein sollte, die Mutter Gottes zu ehren. Je mehr sie diesem Ziel zuschreiten wollte, desto mehr Schwierigkeiten begegnete sie, und der Satan erregte ihr so große Hindernisse, dass sie, hätte sie nicht eine allmächtige Gnade unterstützt, unfehlbar unterlegen wäre. Zuletzt war sie Siegerin über alles, was Satan und Welt in den Weg legten, und nachdem ihre Kinder alle in verschiedene Orden getreten waren, nahm sie mit vier Gefährtinnen den Schleier aus den Händen des damaligen Erzbischofs von Genua und späteren Kardinals Spinola (am 5. August 1604). Sie nannten sich Nonnen der Verkündigung Mariä, weil sie Profess taten, die heiligste Jungfrau in allen Geheimnissen ihres Lebens und in allem, was sich auf sie bezog, zu ehren insbesondere aber im Geheimnis der Verkündigung, da sie dieses in den Besitz des vorzüglichsten aller ihrer Titel, der der Titel „Mutter Gottes“ ist, gesetzt hat. Papst Paul V. approbierte in der Folge diesen Orden. Und bereicherte ihn mit mehreren Gnaden und apostolischen Segnungen.
Verschieden von diesem Orden der Verkündigung Mariä, den Viktoria Strata gegründet hat, ist der, den Amadeus Graf von Savoyen, der grüne Ritter genannt, im Jahre 1356 gestiftet hatte, ebenfalls zwar zur Ehre und unter dem Schutz der seligsten Jungfrau, aber mit ganz anderem Endzweck. Es war ein Ritterorden, wie solche in damaliger Zeit mehrere auftauchten. Der Stifter setzte die Zahl der Ritter zum Andenken an die fünfzehn Geheimnisse aus dem Leben Mariens, die im Rosenkranz verherrlicht werden, auf fünfzehn fest. Ebenso sollten fünfzehn Priester für sein und der Ritter geistliches Wohl Sorge tragen. Die besondere Verehrung der Gottesmutter war allen Teilnehmern zur strengsten Pflicht gemacht.
In Erinnerung an die hohe Würde, die Maria dadurch gewann, dass sie die Mutter Gottes geworden und im Andenken an die Hilfe, die sie ob ihrer Mutterschaft uns zu gewähren vermag, bete in Andacht ein Ave Maria.
1. Gott liebt nicht wie die Geschöpfe, deren Liebe beschränkt und endlich ist. Seine Liebe ist gleich ihm selbst unendlich. Er liebt sich selbst in den vernünftigen Wesen, die mit seinem Ebenbild geschmückt sind, und zieht sie auf eine Weise zu sich, die seiner unendlichen Güte und Weisheit, und zugleich dem Bedürfnis des Geschöpfs gemäß ist. Darum ließ er in seiner heiligen Menschheit gleich einer himmlischen Angel in das Meer dieser Welt sich herab, die Seelen durch die Herrlichkeit seiner Liebe zu fangen, und sie vom Fleisch zum Geist, von seiner Menschheit zu seiner Gottheit emporzuziehen. Niemals wären wir zur wahren Erkenntnis Gottes, niemals zur wahren Freude des Herzens gelangt, wenn nicht er selbst uns sichtbar erschienen wäre.
2. Seine heilige Erkenntnis aber ist nicht müßig in der Seele, der sie innewohnt. Notwendig bringt sie die Liebe hervor, aus der alle Tugenden quellen. Denn eine solche Seele sehnt sich in zarter Dankbarkeit, alles zu tun, was sie ihrem geliebten Heiland als wohlgefällig erkennt. Ja willkommen sogar sind ihr Trübsale und Leiden, ihre Liebe ihm dadurch zu bezeigen. Je getreuer sie aber sich opfert, um so mehr nimmt diese heilige Erkenntnis und Liebe in ihr zu, und sie leuchtet in der Finsternis dieser Welt als ein wahres Licht im Herrn, und ist mitten unter Schmerzen voll seliger Freude. Dahin sei das ganze Verlangen unseres Herzens gerichtet.
3. Von einer solchen Seele gelten die Worte des Propheten: "Sie wird blühen gleich einer Lilie, blühen wird sie und grünen und vor Freude frohlocken, . . . denn sie wird die Herrlichkeit des Herrn schauen und die Zierde unseres Gottes." (Jesaja 30) So nämlich grünt und blüht, von der Sonne der Gerechtigkeit bestrahlt, eine heilige Seele an allen Tugenden, und frohlockt vor seliger Liebe und Freude über den innerlichen Anblick ihres göttlichen Geliebten, den sie immer um so deutlicher erkennt, als sie tiefer in das Geheimnis seiner heiligen Menschwerdung eindringt. Ergib dich dieser heiligen Betrachtung! Jesaja 60,5a: "Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit."
Hochwürdige Mutter Gottes Maria! Obwohl ich wegen meines sündigen Lebens nicht wert bin dein Kind zu heißen, richte ich doch mein Herz und Bitten zu dir empor. Öffne mir dein Herz, deine mütterlichen Arme und nimm mich auf, wie eine Mutter ihr Kind aufnimmt, an sich zieht, mit Liebe anblickt, mit Gunst und Liebkosungen überhäuft. Alles will ich aufbieten von heute an, solcher Kindschaft würdig zu werden, und was du mir Gutes erflehst, nur zu meinem Seelenheil verwenden. Ja wegen deiner Treue und Liebe bist du wohl wert, meine Mutter zu sein. Ja, so sei es. Amen.
Zu Gott
Ja, mein gütigster Vater, ich will alle Mittel benützen, die mir von der Kirche zur Heiligung meiner Seele angeboten werden. Ich fühle es oft selbst, welche Gewalt noch die verderblichsten Leidenschaften über mich ausüben, und wie schwer es mir wird, sie zu überwinden. Gib Du mir dazu den Mut und Deine Hilfe, denn ohne sie vermag ich nichts, unter Deinem Schutz aber bin ich gesichert gegen die verderblichen Feinde, die von allen Seiten mich umlagern. Darum bitte ich Dich durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Der heilige Johannes vom Kreuz ist aus Andacht zur seligsten Jungfrau in den Karmelitenorden eingetreten, und war ihrer Verehrung ganz ergeben. Er gelobte Gott und der seligsten Jungfrau, als der Mutter des Ordens und beständigen Schutzfrau, die Haltung der strengen Regel. Er gab unter Anrufung des Namens Jesus und Maria seinen Geist auf.
Vom heiligen Nikasius, Bischof zu Reims, dessen Fest heute die Kirche begeht, wird in seiner Lebensbeschreibung gemeldet, dass er vom Himmel ermahnt wurde, unter dem Namen der seligsten Mutter Gottes eine Kirche in der Stadt zu erbauen.
Der Heilige des heutigen Tages ist ein Spanier und stammte aus einer freiherrlichen Familie, dem aber von allem Besitz außer dem adeligen Namen nur noch ein Webstuhl übriggeblieben war, an dem sich nach dem frühen Tod des Vaters die Mutter abquälte, um das tägliche Brot für die Familie zu verdienen.
Die leidgeprüfte Frau tat, was sie konnte, und freute sich im stillen, das Johannes, der Älteste, ein gutherziger Junge, langsam in die Jahre kam, um ihr am Webstuhl zu helfen. Als es aber soweit war, stellte es sich heraus, dass Johannes nicht das geringste Geschick zum Weben besaß, und bei allem guten Willen, den er aufbrachte, rissen ihm immer wieder die Fäden, und das Tuch, das er herstellte, war nie glatt, sondern wie übersät von Knoten und Knubben. Nein, ein Weber saß in dem Jungen nicht.
Die Mutter überlegte, was man machen solle, und weil sie dachte, dass Holz nicht so leicht zu brechen ist wie Garn, schickte sie Johannes zu einem Schreinermeister in die Lehre. Gewiss hatte die besorgte Frau mit ihrer Ansicht recht, denn Garn ist tatsächlich leichter zu brechen als Holz, aber das Holz hat wieder den Fehler, dass man es zersägen kann, und Johannes zersägte alles, was ihm unter die Finger geriet, Balken und Bretter. Konnte er denn nicht, oder wollte er nicht? Doch, er wollte wohl, aber er konnte wirklich nicht. Es gibt solche Kinder, die zu keiner Handarbeit Geschick haben, und zu diesen gehörte Johannes. Kurzum, das Ende vom Lied bestand darin, dass der Meister den Lehrling heimschickte.
Wieder überlegte die Mutter, was sie machen solle, und weil sie dachte, dass Stein noch härter als Holz ist, tat sie den Sohn zu einem Bildhauer in die Lehre. Doch auch da versagte Johannes, indem er die Steine zerschlug. Was sollte nun aus dem Kind werden? Das war für die Mutter ein großes Fragezeichen und eine nicht geringe Sorge. Dabei war Johannes zweifelsohne gutgewillt, und niemand litt mehr unter seiner Ungeschicktheit als er selbst. Was sollte also aus dem Kind werden?
Gerade zu der Zeit, als sich die Mutter die schwere Frage vorlegte, gründete ein reicher Herr ein Spital für arme Leute, und der Mann erbot sich aus freien Stücken, Johannes als Krankenpfleger anzustellen, und da zeigte es sich, dass Johannes endlich am rechten Platz war. Holz und Stein waren für seine feinfühligen Hände zu hart gewesen, wohl aber war er der gegebene Mann, um Kranke zu pflegen, Wunden zu verbinden und bedrückte Menschenherzen zu trösten. Bald meinte der Gründer des Spitals, dass in dem Jungen nicht nur ein geschickter Wärter, sondern auch ein tüchtiger Krankenhauspfarrer stecke. Deshalb ließ er Johannes, der nichts lieber tat als das, auf seine Kosten die höhere Schule besuchen. Ist es nicht trostreich, dass der liebe Gott für jeden Menschen den rechten Platz zu finden weiß?
Johannes studierte um Priester zu werden, aber Krankenhauspfarrer ist er nie geworden, vielmehr zog es ihn mit tausend Fäden ins Kloster, und weil er ein inniger Marienverehrer war, trat er in den Karmeliterorden ein, in dem die Mutter Gottes hoch verehrt wird. Da war der junge Mann erst recht am rechten Ort, da wurde aus ihm ein kunstvoller Webemeister, der die Fäden der Gnade zu einem Heiligenbild verknüpfte, und ein Zimmermeister wurde aus ihm, der durch Gebet und Buße den glanzvollen Rahmen zu dem Heiligenbild herstellte, und ein Bildhauer wurde aus ihm, der aus sich selbst eine Heiligenstatue verfertigte, so prachtvoll, dass sie für alle Zeiten ein Schmuck der Gotteshäuser bleiben wird. Johannes war ein Künstler hoher Heiligkeit.
Als Johannes ins Kloster ging, erhielt er nach Karmeliterbrauch einen Zunamen und hieß fortan Johannes vom Kreuz. Viel Kreuz hat er lebenslang tragen müssen, denn er wurde der Erneuerer des Ordens, der nicht ohne Widerspruch die Karmeliterklöster zur anfänglichen Strenge zurückführte. Um der guten Sache willen hat der Heilige einmal sogar neun Monate lang in einem grauenhaften Gefängnis verbringen müssen. Auch quälten ihn bis zum Tod unheilbare Wunden und Geschwüre. Die Heiligen haben es stets am schwersten, und weil sie bei allem Kreuz und Leid nie den Mut, die Geduld und die Freude verlieren, sondern Gott zulieb ausharren bis ans Ende, deshalb werden sie Heilige. Seitdem der liebe Heiland, mit dem schweren Kreuz beladen, als erster seinen Einzug in den Himmel hielt, kommt keiner mehr hinein, der nicht auch seinerseits Kreuz und Leid als Pass und Ausweis vorzeigen kann.
Das Tröstlichste, was wir aus der Legende des heiligen Johannes vom Kreuz erfahren, ist, dass der liebe Gott für jeden Menschen den rechten Platz zu finden weiß.
Der heilige Johannes vom Kreuz
Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz . . .
denn stark wie der Tod ist die Liebe.
Hohelied
Ein treuer Hirte trauert
Allein am Bergeshang;
Er weint aus Liebessehnsucht
Und seufzet schwer und bang.
Vom Himmel in das Erdental
Trieb ihn der heißen Liebe Qual:
Sie hat verwundet grausam, ach, sein Herz!
Um eine Hirtin weint er,
Von Liebe heiß entbrannt.
Doch sie hat ihn vergessen
Und schmerzlich ihn verkannt.
Noch folgt er ihrer Schritte Spur
Durch Wald und Wiese, Feld und Flur,
Und grausam ist verwundet, ach, sein Herz.
Er klagt mit bitt`ren Tränen:
Mein Lieb hat mich verbannt.
Wie bin ich doch verlassen,
Weh` mir, im fremden Land.
Für Erdenstaub sie mich verließ
Und meiner Liebe Paradies:
Wie ist verwundet, grausam, ach, mein Herz!
Den Kreuzesbaum ersteigt er,
Er will sie wiedersehn:
Jetzt ruft er sie bei Namen
Mit lautem Liebesflehn;
Dann öffnet er die Arme weit
Und stirbt vor bittrem Liebesleid,
Denn grausam ist verwundet, ach, sein Herz!
(Von Jacinto Verdaguer - Deutsch von Clara Commer)
1. Betrachte, zu wie unendlich hoher Würde Jesus uns erhoben hat, als er sich herabließ, in der menschlichen Natur unser Bruder zu werden. Denn dass der eingeborene Sohn Gottes unser wahrer Bruder wurde, bezeugt nicht nur der Apostel, der ihn den Erstgeborenen aus vielen Brüdern nennt, sondern auch Jesus selbst, als er die liebende Magdalena zu seinen Jüngern mit den Worten sandte: "Geh aber zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott." (Johannes 20, 17b) Erstaunt über diese wunderbare Erhöhung, ruft der Jünger der Liebe aus: "Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es." (1. Johannes 3,1) Hocherstaunlich fürwahr ist diese Erhöhung zu einer so großen Herrlichkeit.
2. Allerdings zwar ist Jesus der eingeborene Sohn Gottes von Natur, und wir sind nur Kinder durch Aufnahme. Denn "er ist der Erstgeborene, der Erste an Gaben und der Höchste in der Herrschaft." (Genesis 49,3) Aber nicht weniger ist darum diese Würde unser, da nicht weniger uns gehört, was wir von der Freigebigkeit des Königs zum Geschenk erhalten, als was wir durch angeborenes Recht besitzen, wenn anders wir die Bedingung erfüllen, unter der dies Geschenk uns verliehen wird. Dies aber ist die Bedingung des himmlischen Königs: "Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei." (Römer 8,29)
3. Jesus ist das lebendige Bild der Väterlichen Wesenheit, dem alle Auserwählten durch Sanftmut, Demut, Reinheit, Geduld, Liebe und Barmherzigkeit gleichförmig werden müssen. Und nach der größeren oder geringeren Gleichförmigkeit, die wir mit ihm erlangen, wird unsere Stufe in der Glorie bemessen. Denn wie unter Geschwistern zuweilen einige dem Wunsch nach höher sind denn die übrigen: also wird dies auch im Himmel bei den Auserwählten sein, wiewohl alle als Kinder geliebt werden. Darum ringen wir aus ganzer Kraft nach dieser Gleichförmigkeit mit unserem erstgeborenen Bruder, denn nur dadurch sichern wir unsere Auserwählung. Jesus Sirach 50: "Die Krone der Brüder ist rings um ihn."
Liebevolle Jungfrau, ich liebe dich! Weil du so schön, so keusch, so jungfräulich bist, darum schenke ich dir mein ganzes Herz, meine ganze Liebe. Gott selbst liebt dich über alle Geschöpfe. So muss doch ich armer Mensch ebenfalls dich innigst lieben. Ja ich liebe dich, weil du eine so treue Mutter des Sohnes Gottes, weil du eine so glorwürdige Königin bist. Helft mir alle Engel und Heiligen Maria zu lieben und zu loben, zu benedeien in Zeit und Ewigkeit. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte der heiligen Odilia
Wir bitten Dich, o Gott, verleihe uns auf die Fürbitte der heiligen Odilia ein liebevolles Herz und Geduld in Schwierigkeiten und Krankheiten, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte der heiligen Lucia
O Gott, der Du Dich würdigst, in reinen Seelen, wie in Deinem Tempel, zu wohnen, verleihe uns auf die Fürbitte der heiligen Lucia, dass wir diesen heiligen Tempel stets rein erhalten, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Man betet und singt in der Kirche von der ersten Vesper des Advents bis auf Mariä Lichtmess die Antiphon, Alma redemptoris Mater etc., "O große Mutter des Erlösers etc.", die den gottseligen und gelehrten Herrman Contractus, der von Kindheit an abgesetzte und zusammengezogene Glieder hatte, zum Urheber hat. Er war ein geborener Deutscher und aus einer adeligen Familie. Er lebte im Kloster St. Gallen in der Schweiz im Jahr 1040, trug eine ausnehmende Andacht zur seligsten Jungfrau, und starb im Jahr 1054.
Zur Zeit des Königs Dagobert in Frankreich kam Rodichael, König der Britanen oder Engländer nach Frankreich, um Friedensunterhandlungen mit ihm zu treffen. Danach ging er zum heiligen Audoen, damals noch am Hof des Königs, und speiste mit ihm, um den Diener Gottes von himmlischen Dingen reden zu hören. Darauf kehrte er nach Hause zurück, rief seinen jüngeren Bruder Jodok zu sich, eröffnete ihm sein Vorhaben, das Reich ihm zu überlassen und einzig und allein das Himmelreich zu suchen. Jodok verlangte acht Tage Bedenkzeit. Sein Sinn ging ebenso auf himmlische Dinge, der Antrag des Bruders war ihm daher nicht willkommen, und er wusste nicht wie er ausweichen konnte. Da ging er ins Kloster Lamailon, in dem er die erste Bildung genossen hatte, und überlegte betend, was zu tun sei. Während dieser Tage kehrten Pilger beim Kloster ein, die sagten, dass sie nach Rom wallfahren wollten. Jodok schloss sich an diese Pilger an, ging heimlich weg, und kam mit diesen nach Paris. Unschlüssig, ob er die Pilger weiter begleiten soll, betete er abermals und entschloss sich schließlich für ein ganz verborgenes Leben. In dieser Absicht bestieg er das Pontinische Gebirge, damals der Aufenthaltsort von vielem Wild und allerlei anderen Tieren, und entschloss sich jenseits Alteja-Flusses zu wohnen. Ihm begegnete aber durch Gottes Fügung der Herzog des Landes Haymon, redete ihm zu in sein Haus zu kommen, er möge bei ihm Gott dienen. Jodok folgt dem Herzog, widmete sich der Heilswissenschaft, wird Priester, bedient als solcher seinen Herrn sieben Jahre lang und hebt dessen Sohn aus der Taufe, dem er den Namen Ursinus gab. Der Herzog gewann ihn sehr lieb und wert wegen seiner frommen Sitten. Jodok konnte das Verlangen nach der Einsamkeit nicht mehr unterdrücken und begab sich zu einem einsamen Ort, Brahik genannt, der ringsum mit Wasser umgeben war. Da baute er ein Kirchlein und eine kleine Hütte, diente Gott Tag und Nacht, und, weil der Einsiedler so wenig menschlichen Umgang hatte, so fügte es Gott, dass Fische und Vögel gar freundlich mit ihm umgingen. Da trug es sich zu, dass seine Mildherzigkeit auf die Probe gestellt wurde. Es kam ein Bettler (Christus in Gestalt eines Bettlers) und begehrte etwas zu essen. Es war aber nur ein einziges Brot vorrätig. Der Bruder Wulmar kam und sagte es. Jodok verschnitt das Brot in vier Teile, und befahl einen Teil dem Bettler zu geben. Dies geschah. In immer dürftigerer Gestalt kam der zweite und dritte Bettler und begehrte des Brotes, und so wurde das zweite und dritte Stück den Armen gegeben. Schließlich kam ein Bettler in gar armer, hungriger Gestalt und begehrte Brot. Wulmar kam ganz ungeduldig und sprach: „Wenn du auch das vierte Stück weggibst, was bleibt uns übrig?“ „Gib, Bruder, auch das vierte Stück, der Herr wird schon für uns sorgen.“ Und nicht lange ging es, es standen vier Schifflein vor dem Ort mit Nahrung beladen. Niemand wusste woher die Schifflein kamen. Und niemand wusste wohin. Darauf machte Gott seinen Diener durch viele Gebetserhörungen bekannt. Er zog nach achtjährigem Aufenthalt, um dem Zulauf des Volkes auszuweichen, an einen anderen Ort, Rimak genannt, und baute da wieder eine Kirche zu Ehren des heiligen Martinus. Da wurde nun der Diener Gottes, statt von Menschen, vom Teufel selbst mannigfaltig versucht und geplagt. Je mehr die Kräfte der himmlischen Welt in der Seele sich zeigten, desto tätiger offenbarten sich die Kräfte des Abgrunds. Eine Schlange vom bösen Geist getrieben versetzte dem Gottesmann einen Biss in die Ferse, der ihn sehr schmerzte. Ungefähr vierzehn Jahre hielt der Heilige die Versuchung des Feindes aus. Nach dieser Zeit begab sich Jodok von Gottes Geist getrieben in ein schattiges Tal nahe am Meer, und schlug da für immer seine Wohnung auf. Er baute zwei Bethäuser zu Ehren der beiden Apostelfürsten. Er machte von da aus eine Wallfahrt nach Rom, weil Papst Martin ihn zu sehen verlangte. Er bekam von ihm einige Reliquien und kehrte zurück. Mit einer großen Feier wurden diese Reliquien in die von Haymon neu aufgebaute St. Martinskirche beigesetzt. Bei dieser Feier wurde dem heiligen Überbringer während des heiligen Messopfers eine Hand gezeigt, die ihn segnete, und eine Stimme wurde gehört, die sprach: „Dem, der die zeitliche Krone verachtet, ist eine ewige bereitet.“ Schließlich hat Jodok, der im Fleisch wie ein Engel gelebt, sein Leben selig beschlossen und seine Seele unter Begleitung der Engel in herrlichem Glanz und Wohlgeruch dem Himmel zugeschickt. So geschehen am 13. Dezember des Jahres 653. Sein Leichnam wurde mit großer Feierlichkeit begraben. Bei Lebzeiten wurde ein Mädchen durch sein Handwasser sehend. Auf sein Gebet entquoll ein Brunnen im Wald. Viele Wunder geschahen bei seinem Grab. So schrieb Fortunas, ein Abt, des von Jodok gestifteten Klosters.
Odilia wurde vor dreizehnhundert Jahren im Elsass als die Tochter des alemannischen Herzogs Atich geboren. Die Mutter war recht, aber der Vater war nicht recht, war nur äußerlich ein Christ, innerlich jedoch ein wilder Heide, der die Frauen und Mädchen nicht achtete. Mächtig hatte er sich gefreut, als ihm die Gattin sagte, sie wolle ihm ein Kindlein schenken. Als aber das Kind geboren wurde und der Herzog erfuhr, dass es ein Mädchen und dazu ein blindes, unschönes und hässliches Geschöpf war, geriet er in Zorn, denn einen Sohn wollte er haben und nicht solch einen Wurm von einem Mädchen.
Das Ende vom Lied war, dass der unmenschliche Vater den Befehl gab, dass Kind im Rhein zu ertränken. Doch da legte sich die Mutter ins Mittel und ließ die Kleine heimlich in ein weit entferntes Kloster bringen. Dort wuchs das Mädchen unbekannt in ängstlich gehüteter Verborgenheit heran, unschön und blind, und unverständlicherweise wurde es erst mit fünfzehn Jahren auf den Namen Odilia getauft. Bei der Taufe ereignete sich ein Wunder. Als sich nämlich das Taufwasser über Odilias Haupt ergoss, öffneten sich die Augen dem Licht, so dass die Blinde sehend wurde. Zugleich wich alle körperliche Unehre von dem jungen Menschenkind, und in fast überirdischer Schönheit blühte Odilia auf wie eine Rose im Morgentau.
Unsichtbarerweise wiederholt sich übrigens dieser Vorgang, sooft eine Taufe gespendet wird. Jeder Mensch ist wegen der Erbsünde, mit der er zur Welt kommt, unschön und hässlich vor Gottes Blick, sobald aber das Taufwasser die schwarzen Flecken der Erbschuld fortspült, wird die Seele des Täuflings mit einer unvergleichlichen Schönheit bekleidet, so dass sich darüber sogar die Engel und Heiligen im Himmel freuen.
Weiter berichtet die Legende, dass Odilia später auf das elterliche Schloss Hohenburg im Elsass heimkehrte. Ihr Bruder Hugo verhalf ihr dazu, und weil Hugo es gegen den Willen des Herzogs tat, erschlug der Vater den eigenen Sohn. Weinen möchte man fast, wenn man von solcher Grausamkeit erfährt, und alle Kinder sollen dem lieben Gott herzlich dafür danken, dass er ihnen einen Vater gab, der sich, selbst wenn er zuweilen streng ist und straft, doch vielmals besser aufführt als der wüste Herzog Atich.
Dann sollte Odilia auf des Vaters Befehl einen jungen Mann heiraten, den sie nicht mochte, weil sie sich in lebenslänglicher Jungfräulichkeit dem lieben Heiland versprochen hatte. Um dem heiligen Gelöbnis treu zu bleiben, floh die Prinzessin in der Kleidung einer Magd zur nächtlichen Stunde über den Rhein in den Schwarzwald. Als sie dort, eine Stunde von Freiburg im Breisgau entfernt, am Fuß eines Felsens rastete, erschien auf schnaubendem Ross der rasende Vater, um die Flüchtlinge zu züchtigen und heimzuholen. Da betete Odilia aus Herzensgrund zum Himmel um Hilfe und Schutz, und siehe, der Felsen war weicher als das harte Vaterherz, denn er öffnete sich und nahm die Verfolgte auf und verbarg sie vor dem blindwütigen Herzog Atich. Heute steht an der Stelle, wo das geschah, eine Kapelle, und eine Quelle sprudelt dort, aus der Heilwasser für kranke Augen fließt.
Nach diesem Ereignis öffneten sich endlich auch des Vaters Augen, und der Herzog erkannte, dass Gottes Hand sein Kind schützte und schirmte. Wahrhaft bekehrte sich der wüste Mann und machte aus der Hohenburg ein Kloster, dem Odilia vierzig Jahre lang bis zu ihrem seligen Ende vorstand. In Freude diente sie dem Herrn, und gegenüber den Armen war sie überaus wohltätig bis in unsere Zeit, denn auf dem Hohenberg, der jetzt Odilienberg heißt, fließt heute ebenfalls eine Heilquelle für kranke Augen.
Das Bistum Straßburg verehrt, nach der allerseligste Jungfrau, die heilige Odilia als seine erste Schutzpatronin, und nicht ohne Grund ist sie daselbst immer im gesegnetsten Andenken und in hoher Verehrung geblieben. Sie war die Gründerin des weiblichen Klosterlebens im Elsass, und die Stifterin vortrefflicher Anstalten zum Wohl der leidenden Menschheit, in denen sie mit ihren Klosterfrauen für andere sich auf die wohltätigste Weise nützlich machte, während sie von der Welt geschieden die evangelische Armut übte, ganz jener großen Weisheit der Heiligen gemäß, die von dem Menschen sich trennen, um vor deren Lastern sich zu bewahren, und mit den Menschen in Verbindung stehen, um ihre Gebrechen zu heilen, und in ihrem Elend sie zu unterstützen. Die Heiligkeit der Dienerin Gottes, die schon in ihren Taten so herrlich erglänzte, ward auch sogar bei ihren Lebzeiten, und noch mehr nach ihrem Tod durch häufige Wunder bekräftigt.
Odilia oder Othilia war eine Tochter Adalrichs (den man auch Atticus, Attich und Hettich nennt), Herzogs von Elsass, und kam zur Welt ungefähr um das Jahr 662 zu Oberehenheim, einer etwa fünf Stunden von Straßburg gelegenen ehemaligen freien Reichsstadt, wo der Herzog seinen Wohnsitz hatte. Das Schloß des Atticus ward in der Folge zerstört, und jetzt sind nur noch einige Trümmer desselben zu sehen.
Odiliens Mutter hieß Berswinda (Berwinde, Berchinde, Bruswinde usw.), und war eine Schwestertochter des heiligen Leodegar, und der Bilibilde, Gemahlin des Königs Childerich II; wie Schöpflin in einer handschriftlichen Note nachweißt. Attich, wie le Cointe und Schöpflin dartun, ein Sohn Leuterichs oder Leuthers, Herzogs von Allemanien, der an Siegberts II. Hof die ersten Ämter bekleidete, hatte nebst Odilien noch eine Tochter, Roswinda genannt, und vier Söhne, namens Etto, (Eticho oder Heddo), Adalbert, Hugo und Batacho oder Batticho. Wegen der Verdienste seiner Ahnen und seiner Verwandtschaft mit dem austrasischen König, erhielt er nach des Herzogs Bonifaz Tod von Childerich II. das Herzogtum Elsaß, das nach seinem Tod auf seine Söhne überging.
Der Herzog Attich war, obgleich im Christentum geboren und erzogen, und auf Christentum haltend, von roher Gemütsart, was er durch verschiedene unedle Handlungen, besonders gegen Odilia, und, wie man sagt, gegen seinen Sohn Hugo, auf eine ganz unwürdige Weise an Tag legte. Diese nämlich kam blind zur Welt, was er für sein Haus als entehrend hielt, und darum seine eigene Tochter nicht einmal in seinem Schloss dulden wollte. Einige Schriftsteller wollten sogar behaupten, der grausame Vater habe den Befehl gegeben, das schuldlose Kind zu ermorden, gleich den Spartanern, welche in unmenschlicher Gefühllosigkeit die mit Gebrechen zur Welt geborenen Kinder dem Tode weihten.
Die fromme Berswinda, voll Angst und Besorgnis, und wohl einsehend, dass ihres Gemahls unmenschliche Gesinnungen nicht zu besiegen wären, dass vielmehr jede Bemühung seine Leidenschaftlichkeit nur desto höher steigern würde, entfernte im Stillen ihr Kind durch eine treue Dienerin, welche dasselbe nach Scherweiler bei Schlettstadt brachte, wo sie ein ganzes Jahr mit ihm verblieb. Da aber mittlerweile die ganz außergewöhnliche Sorgfalt, mit welcher sie des Kindes pflegte, Aufsehen erregte, und die Mutter hiervon Nachricht erhielt, schickte sie es einer Verwandten oder Freundin, welche Äbtissin zu Palme, später Baume-les-Nones an dem Doubs, sechs Stunden von Besancon, war.
In Betreff des Ortes, wo Odilia die heilige Taufe empfangen, so wie auch hinsichtlich der Person, die ihr dieselbe erteilt, sind die Geschichtsschreiber nicht einig. Die einen sagen, sie sei in ihrem zwölften Monat zu Moyen-Moutier oder in einer Kapelle bei Stibach oder Etival getauft worden; andere behaupten etwas später zu Regensburg; wieder andere meinen, sie habe in der Abtei Baume am Doubs nach ihrem zwölften Jahr von dem heiligen Erhard, Bischof von Regensburg, die heilige Taufe empfangen. Diese Meinung aber, dass sie der heilige Eberhard, angeblich Bischof von Regensburg, getauft habe, zerfällt schon deshalb, weil der bischöfliche Stuhl dieser Stadt erst ein Jahrhundert später errichtet worden ist. Der Pater le Cointe glaubt, sie sei getauft worden im Elsass. Allein die meisten Denkmale stimmen für die Abtei Baume, und für den heiligen Eberhard oder Erhard, Abt von Ebersheimmünster an der Ill, eine deutsche Meile unterhalb Schlettstadt. Eberhard von Ebersheimmünster mochte wohl ein Regionar-Bischof gewesen sein, und das Evangelium zu Regensburg gepredigt haben. Auch kann man ganz gut annehmen, dass der heilige Hidulph, früher Bischof von Trier, dann Abt von Moyen-Moutier, als Taufpate gegenwärtig gewesen, denn er genoss einer hohen Achtung in dem Hause des Herzogs, der seiner Abtei auch das Landgut von Feldkirch schenkte, welches bis in die letzte Zeit diesem Gotteshaus zugehörte.
Obgleich indes die Angaben in obiger Beziehung nicht zur geschichtlichen Gewissheit gesteigert werden können, so wissen wir doch zuverlässig, dass Odilia in der Taufe mit der Erleuchtung der Seele, auch zugleich das Augenlicht erhalten hat; dass aber der Herzog, ihr Vater, ungeachtet demselben die frohe Botschaft dieser wunderbaren Begebenheit überbracht worden, seine Tochter dennoch von sich entfernt wissen wollte.
In dem Kloster Baume, wo alle Tugenden geübt wurden, nahm indes die Heilige zu an Gnade und Weisheit. Mit schnellen Schritten eilte sie auf dem Weg der Vollkommenheit voran, und die Widerwärtigkeiten, die ihr jeweilig zustießen, befeuerten nur noch wundersamer ihren Eifer, und begründeten sie unerschütterlich in der christlichen Geduld und Sanftmut. Sie fühlte sich zwar nicht gedrungen, unter die Zahl der Klosterfrauen sich aufnehmen zu lassen, wie das Brevier von Besancon fälschlich angibt, dennoch aber befolgte sie mit großem Eifer die Ordensregel, und konnte sogar in diesem Betreff den Klosterfrauen zum Muster aufgestellt werden. In ihr war vorzüglich jenes Licht des Glaubens aufgegangen, das in allem Gottes Fügung und den Zweck der Tugend zeigt; in ihr flammte jenes Feuer des himmlischen Sinnes und der Nächstenliebe, das zu Gebet und Betrachtung begeistert, und zum Wohltun und zur Aufopferung für die Menschen. Keine Not blieb ihr unbekannt, und kein Bedrängter schied von ihr ohne Trost und Labung. Alles, was ihr zu Gebote stand, goss sie mit fröhlicher Mildherzigkeit in den Schoß der Armen, und verdoppelte dadurch ihre Werke der Barmherzigkeit, dass sie ihnen zugleich Frömmigkeit und Gottesfurcht einzuflößen sich bestrebte. – Ihre Amme ehrte sie mit kindlicher Liebe wie eine Mutter. Durch ihre Vermittlung ward auch dieselbe in das Kloster Baume aufgenommen; und in ihrer letzten Krankheit wich Odilia nie von ihrer Seite. Nach ihrem Hinscheiden bestattete sogar die Heilige mit eigener Hand ihren Leichnam.
Diese allumfassende, aber gegen Angehörige ganz besonders zärtliche Liebe drängte sie auch unaufhörlich, sich mit demjenigen auszusöhnen, dem sie ihr Leben verdankte, obgleich er sie nie als Kind behandelt hatte. Ohne Zweifel stand sie ununterbrochen in Verbindung mit ihrer gottseligen Mutter, die ihr auch die vielen Almosenspenden mochte gegeben haben, welche sie in den Schoß der Armen goss. Sie begann nun auch einen Briefwechsel mit einem ihrer Brüder, den einige Schriftsteller, jedoch ohne Gewährschaft, Hugo nennen, und der einen überaus milden und friedfertigen Sinn hatte. Als sie dessen Zutrauen sich erworben, eröffnete sie ihm ihr glühendes Verlangen, ihren Vater wieder zu sehen, seine Abneigung gegen sie zu besiegen, und ihn, sei es auch mit der schwersten Demütigung, zu bewegen, dass er seine Härte ablegen, und sein Herz den sanften Eindrücken der Vaterliebe und zugleich durch diese den höher begeisternden Gesinnungen des Glaubens öffnen möchte. Der wohlmeinende Bruder versuchte beim hartherzigen Grafen alle Mittel, dessen Gemüt zu sänftigen und ihn zu bewegen, seine Tochter aus ihrer Verbannung endlich zurück zu rufen. Atticus aber blieb verhärtet, und erwiderte nichts, als dass er seine Ursache habe, auf seiner Weigerung zu beharren. So hat besonders Hartherzigkeit und Grausamkeit, wie jedes andere Laster, wenn der Mensch einmal aus den Schranken der Menschlichkeit, und also damit ganz aus den Schranken des Christentums getreten ist, seine eigene Verstockung, die keine Selbstrechtfertigung kennt, oder nur Verstocktheit zur Rechtfertigung hat. Der junge Edelmann, dem die Versöhnung zwischen Vater und Schwester sehr am Herzen lag, und der dabei die Überzeugung hegte, dass die Gegenwart der heiligen Odilia, die er als eine tugendhafte, sanfte und liebenswürdige Schwester kannte, mehr vermöchte, als seine zudringlichsten Reden, lud dieselbe nach Hohenburg, und gab ihr das Versprechen, er wolle alle nötigen Einleitungen hierzu treffen.
Schon bestieg sie mit ihrem Gefolge den Berg, als der Herzog den Zug erblickte. Da er sogleich von seinen Söhnen hierüber Aufschluss begehrte, erwiderte ihm der genannte Hugo, Odilia komme, und er selbst habe sie in die Burg eingeladen, hoffend, er werde sie als ein guter Vater in Gnaden aufnehmen. Bei diesen Worten geriet der Graf in solche Wut, dass er seinem Sohn einen tödlichen Streich versetzte. Einige sagen, er sei nur schwer verwundet worden; andere behaupten, er sei tot zur Erde gestürzt. Die erste Vorgabe wäre erwiesen, wenn man dartun könnte, dass jener Sohn wirklich Hugo geheißen, von dem der gleichzeitige Verfasser der Lebensgeschichte Odiliens sagt, er sei vor seinen Eltern gestorben. Die zweite Behauptung macht indessen das Stillschweigen des gedachten Schriftstellers unwahrscheinlich, weil er gewiss nicht ermangelt hätte, dem Vater diese Grausamkeit vorzuwerfen, wofern der Tod des Sohnes wirklich sogleich erfolgt wäre.
Indessen ward das Gemüt des Herzogs erweicht, und er verabscheute selbst den Gräuel, zu welchem er sich in seinem Zorn hatte hinreißen lassen. Gestraft durch seine eigene Tat, wie dies überall die Leidenschaft tut, obgleich diese Strafe nicht immer Besserung zur Folge hat, gab er sich den Gefühlen der Natur und der Religion zurück. Odilia, welche indes den Berg erstiegen, wirft sich in Tränen zerfließend zu den Füßen ihres Vaters, der sie mit inniger Zärtlichkeit aufrichtet, in seine Arme schließt, und ihr mit der unglücklich beglückten Mutter Berswinda und der ganzen Familie den Kuss des Friedens und der Liebe gibt.
Atticus wollte nun, wie es heißt, die Heilige mit einem Edelmann vermählen; doch sie hatte eine höhere Absicht: nämlich, dem Herrn sich zu weihen, und dieser trat auch der Vater, er, der vorhin nur seinen Willen kannte und seiner Leidenschaft folgte, willig bei.
Odilia übte von nun an einen großen Einfluss auf das Herz ihres Vaters; sie erteilte ihm heilsamen Rat sowohl in Betreff seines Seelenheils, als hinsichtlich der Verwaltung des Herzogtums Elsass, deren Bewohner sie durch Mitwirkung des Herzogs zu eifrigen Christen gebildet zu sehen, den sehnlichsten Wunsch hegte. Zu diesem Zweck gedachte sie eine fromme Genossenschaft gottseliger Jungfrauen zu gründen, die ihre eigene Heiligung wirkend, zugleich durch ununterbrochene Aufopferung und Dienstwilligkeit gegen andere, den Menschen nahe und fern nützlich werden sollte.
Attich gab daher unserer Heiligen um das Jahr 680 das Schloss Hohenburg mit allen seinen Einkünften und Gütern, wo sie auf dem Gipfel des Berges, der beinahe das ganze Elsass beherrscht, ein Jungfrauenstift begründete, das in kurzer Zeit von heilsbegierigen Seelen, die sich durch den Tugendglanz der heiligen Odilia angezogen fühlten, bevölkert wurde. Mannsklöster gab es zwar damals schon einige im Elsass; unserer Heiligen aber war es vorbehalten, das erste für Frauen zu stiften. Das Opfer, das der Herzog zu diesem Zweck brachte, war außerordentlich. Denn wegen seiner vorteilhaften Lage, der Festigkeit seiner Mauern und der Stellung seiner Türme war Hohenburg jeder Zeit ein unübersteigbarer Wall gegen feindliche Anfälle, so wie dasselbe nun durch die Frömmigkeit der jungfräulichen Seelen, die es eingenommen, eine feste Burg gegen die Andränge der Welt und ihrer Laster wurde. Hohenburg heißt von jenen Zeiten an Odilienberg.
Zehn Jahre gingen mit der Aufführung des Klostergebäudes dahin, ohne dass dasselbe noch zur gänzlichen Vollendung gebracht worden, so umfassend war der Plan, nach dem es eingerichtet werden sollte. Indes hatten sich schon bei hundertdreißig Töchter von vornehmer Geburt zur Genossenschaft aufnehmen lassen; und wie eine liebende Mutter versammelte sie Odilia in ihrer Einsamkeit und leuchtete ihnen als ein vollendetes Muster der klösterlichen Heiligkeit vor. Ihr Eifer dachte im Augenblick an keine Regel und an keine Frage, was sie zu tun hätten; sie strebten nach Vollkommenheit und schauten bloß auf ihre geistliche Führerin, um als gelehrige Kinder in ihre Fußstapfen zu treten. Ihr stilles, abgezogenes, dem Gebet geweihtes Leben vereinigte sie allzeit inniger mit Gott und die Handarbeit, mit dem Psalmengesang wechselnd, schützte vor Einförmigkeit und beugte der Gefahr des Ermüdens und Überdrusses vor. Für ihren Unterhalt sorgte der Herzog, wie auch für einige Priester, welche die Bestimmung hatten, auf dem Berg den Gottesdienst zu besorgen. Es sollen deren vierzehn gewesen sein. Indessen sah Odilia wohl ein, dass, um der Genossenschaft einen dauernden Beistand zu geben, durch eine bestimmte Regel sowohl dem Wankelmut als dem übertriebenen Eifer vorgebeugt werden müsse, und benützte deshalb die glückliche Stimmung ihrer Mitschwestern, die in dem ersten Eifer der Nachahmung keiner Regel bedurften, im Einverständnis mit ihnen für das Kloster gewisse Satzungen zu bestimmen. Sie berief sie demnach zusammen, und nach einmütiger Anrufung des Heiligen Geistes wählten sie sich miteinander eine Regel, nach welcher sie forthin ihre Lebensweise einzurichten gedachten. Alle Chroniken des Benediktiner-Ordens behaupten, sie hätten die Regel des Patriarchen der abendländischen Mönche angenommen; und sogar der gelehrte Mabillon, durch die Vorliebe für seinen Orden vielleicht bestochen, spricht sich für diese Meinung aus, indem er vorgibt, um die Beweise seiner Gegner mit einem Mal niederzuschlagen, der Name Canonica oder Chorfrau sei erst am Ende des 8. Jahrhunderts aufgekommen. Allein Laguille, Hugo von Stibach, Albrecht und Grandivier haben ihn bündig widerlegt.
Odilia eröffnete die Versammlung mit folgenden Worten an ihre Klostergenossinnen: „Ich weiß, meine teuersten Schwestern, dass wir für Jesus nicht zu viel tun können, und dass die größten Abtötungen die Anbeter der gekreuzigten Gottmenschen nicht abschrecken sollen. Allein lasst uns den Vorwürfen unserer Nachkommen vorbeugen; die Lage unseres Hauses erfordert eine Arbeit, der sie nicht gewachsen wären; nicht einmal können wir ohne große Mühe unser weniges Wasser bekommen. Beschränken wir eine Strenge, die den Körper ertöten würde, ohne die Seele zu trösten, nimmermehr unterlassen wir aber solche Übungen, welche das Herz läutern und heiligen. Das kanonische Leben scheint demnach unserer jetzigen Lage am angemessensten zu sein.“ Alle stimmten der Meinung ihrer heiligen Vorsteherin bei, und unterwarfen sich einer bestimmten Lebensregel. Humbert, Abt von Moyen-Moutier, welcher 1044 die Lebensgeschichte der heiligen Odilia in Versen schrieb, behauptet, sie habe ihren Mitschwestern eine Sammlung von Satzungen gegeben, die sie aus den Regeln des heiligen Augustinus, des heiligen Benedikt und des heiligen Columban gezogen. Wahrscheinlich haben die Stiftsdamen von St. Stephan in Straßburg und jene von Eschau auch die Regel von Hohenburg angenommen; denn kurz darauf wurden die ersten vom Herzog Adalbert, Odiliens Bruder, die andern von dem Straßburger Bischof Remigius, ihrem Neffen gestiftet, und die zwei ersten Äbtissinnen derselben, Nichten unserer Heiligen, hatten zu Hohenburg ihre Bildung erhalten.
Wenn diese sogenannten Stiftsdamen die kanonische Regel beobachteten, so ist dieses nicht so zu verstehen, als wären sie weltliche Chorfrauen gewesen, wie später die Stiftsdamen von Remiremont in Lothringen, und jene von Andlau, welche die heilige Kaiserin Richardis als ihre Stifterin verehrten. Sie waren wirkliche Klosterfrauen, die, allem Irdischen entsagend, unter einer Äbtissin eine Genossenschaft bildeten. Man nannte sie nur darum Chorfrauen, um sie von den Nonnen zu unterscheiden, welche sich zu der Regel des heiligen Benediktus bekannten. Die Lebensweise jener war nicht so streng wie dieser, indes hießen beide Monialen oder Sanctimonialen, und ihre Häuser nannte man Klöster oder Konvente. Odilia glaubte jedoch von ihrer Seite mehr schuldig zu sein, als sie von ihren Mitschwestern zu verlangen berechtigt wäre. Sobald sie daher ihre Gemeinde gegründet hatte, ergab sie sich allen Werken der Abtötung. Ihre Nahrung bestand in etwas Gerstenbrot und einigen Gemüsen; sie trank nur Wasser, ausgenommen an Festtagen; die Nacht brachte sie im Gebet zu, bis der Schlaf sie zur Ruhe nötigte; ihre Lagerstätte bestand aus einer Bärenhaut und einem harten Stein.
Der Eifer der heiligen Äbtissin wuchs mit jedem Tag. Ihre heilige Gesinnung war fruchtbar an heiligen Taten; und diese selbst streuten wieder hundertfältig segenbringenden Samen in ihr Herz und befeuerten aufs Neue ihre großmütige wohltätige Liebe. In wenigen Menschen erschien die Heiligkeit liebenswürdiger als in Odilia. Ihre Andacht war nicht beschränkt in der Stunde des Gebets und in die Stimmung und den frommen Genuss des Gemüts; sie verstand vollkommen ein arbeitsames Leben mit der Süße der Beschaulichkeit zu vereinen. Und wenn sie die Mängel und Seelenkrankheiten anderer unverwandt ins Auge fasste, um in Liebe dieselben zu heilen, so entgingen keineswegs ihrem Blick die körperlichen Leiden der Armut und der Verlassenheit. Da Hohenburg sehr mühsam zu besteigen war, besonders für die Armen und Kranken, so ließ sie am Fuß des Berges gegen Mittag hin, wo man die St. Nikolauskapelle sieht, ein Spital erbauen, um alle Gebrechlichen und Notleidenden darin aufzunehmen. Ob diese Stiftung vor oder nach dem Tod Berswindas, die im Jahr 690 starb, geschehen sei, kann nicht genau bestimmt werden: wäre es ausgemacht, dass ihre Güter, welche sie im Flecken Bersch besessen, durch sie selbst an dieses Pflegehaus übergegangen, dann wäre freilich dieser Zweifel gehoben. Allein wir möchten diese Stiftung mit mehr Grund einige Jahre nach dem Tod dieser Gräfin annehmen.
Wir erinnerten eben, dass die hohe Lage des Klosters den Zutritt desselben höchst beschwerlich machte: dessen ungeachtet besuchte Odilia jeden Tag die Armen und Kranken des Hospitals zum hl. Nikolaus, und spendete ihnen häufige Almosen.
Die Heilige, die, wie wir schon erzählten, den Herzog, ihren Vater, zu milden und christlichen Gesinnungen gebracht, und gleichsam sein ganzes Gemüt umgewandelt hatte, bewog ihn auch noch in seinem Alter, dass er sogar seine Wohnung neben dem neuen Kloster nahm, um da seine Tage in Buße und Gottergebenheit zu beschließen. Die fromme Mutter begleitete ihn dahin, und beide dienten dem Herrn in einmütiger Liebe. Der Herzog ward vor seinem Ende mit einer schmerzlichen Krankheit heimgesucht, in welcher ihm seine heilige Tochter stets zur Seite blieb, um ihn mit kindlicher Sorgfalt zu verpflegen, zu trösten und zu stärken. Nach seinem Hintritt (am 20. Februar 690) ergoss sie sich mehrere Tage nacheinander in glühende Gebete für die Ruhe seiner Seele, beobachtete strengeres Fasten und übte noch sonstige Bußwerke; und endlich am fünften Tag soll Gott ihr und einigen Klosterfrauen geoffenbart haben, dass seine Seele in den Himmel aufgenommen worden.
Berswinda, welche, von gleichem Eifer entflammt, mit ihrem Gemahl den Bußweg betreten, folgte ihm auch bald in die Ewigkeit. Neun Tage nach dessen Bestattung, da sie eben in der Kapelle des heiligen Täufers Johannes im Gebet versunken war, starb sie eines plötzlichen Todes. Odilia setzte ihren Leichnam unter seinem Grabmal bei, das sie in der Muttergottes-Kapelle errichten lassen, und wo die Gläubigen in der Folge zur Verehrung hinströmten, bis beide im Jahr 1617 in die Engelskapelle übertragen worden. Bei der Bestattung waren auch des Grafen zwei Söhne Etto oder Eticho und Adelbert gegenwärtig, welche besonders reichliche Almosen bei dieser Gelegenheit spenden ließen. Man sieht dermalen noch auf dem St. Odilien-Berg Attichs Grabmal mit einigen von seinen und seiner Gemahlin Berswinda Gebeinen; die meisten sind jedoch in die Abtei Ebersheimmünster gebracht worden.
Vor seinem Tod hatte der Herzog seine Besitzungen unter seine Söhne verteilt. Etto, den einige als den jüngsten Sohn angeben, behielt das Herzogtum Breisgau und die Grafschaft Argau; Adelbert, den man für den ältesten Sohn hält, das Herzogtum Elsass nebst Sundgau, Schwaben und der Schweiz; Hugo erhielt mehrere Ländereien mit dem Titel: Graf von Elsass; Battacho fiel das Willer- oder Weylertal nebst dem Gut Limburg zu.
Wenn Odilia das Institut für Chorfrauen der eigentlichen Nonnen-Regel vorzog, so geschah dies mitunter wohl in der Absicht, um mit ihrer Familie beständig in Verbindung zu bleiben, und so auf die Heiligung derselben tätig einwirken zu können. Und wirklich hat dieses Haus eine Menge Stiftungen als Denkmale seiner Frömmigkeit zurückgelassen, die bis zum Ausbruch der französischen Staatsumwälzung den Unglücklichen einen Zufluchtsort, den Künsten und Wissenschaften eine Freistätte darboten, und zur Förderung der Wohlfahrt in der ganzen Provinz nicht wenig beitrugen.
Da die zwei von dem Herzog Attich vor der Rückkehr Odiliens errichteten Kapelle die Klosterfrauen und die Menge herbeiströmenden Volkes nicht mehr fassen konnten, baute die fromme Äbtissin eine neue und viel größere Kirche, die unter der Anrufung der allerseligsten Jungfrau eingeweiht wurde. Diese Kirche scheint noch zu den Lebzeiten Attichs begonnen worden zu sein, weil er die Kosten des Baues getragen haben soll. Um mit desto größerer Geistessammlung beten zu können, ließ sie neben der Hauptkirche noch ein Bethaus errichten, das sie Muttergottes-Kapelle nannte. Neben diesem Bethause erbaute sie dann noch die sogenannte Kreuzkapelle, worin sonst der alte steinerne Sarg sich befand, der die Überbleibsel der Gebeine des Atticus und der Herzogin Berswinda verwahrt, und der erst im Jahr 1753 aus der Engels- oder hangenden Kapelle dahin gebracht worden. Aus Dankbarkeit für das in der heiligen Taufe erlangte Augenlicht errichtete sie noch eine Dritte zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers, die in der Folge St. Odilienkapelle genannt wurde, weil man in derselben die heilige Äbtissin beigesetzt, und ihre Gebeine daselbst der Verehrung der Gläubigen ausstellte. Im Klostergarten stand eine vierte Kapelle, in welche man durch die Klostermauer ging. Da war es, auf dem Felsenboden vor dem Altar, wo die heilige Odilia unter anhaltendem Gebet für ihren Vater häufig Zähren vergoss, weshalb dieselbe auch den Namen Zährenkapelle führte. Es ruhte darin der Leichnam der heiligen Eugenia. Endlich sah man noch eine andere, von welcher wir oben schon geredet haben, Engelskapelle genannt, weil sie der Verehrung der himmlischen Geister gewidmet war, oder hangende Kapelle, weil sie am äußersten Rand eines Felsen lag, der zum Teil unterhöhlt war, zum Teil eine senkrechte Wand bildete.
Diese verschiedenen Kapellen waren eben so viele Stationen, worin die frommen Gefährtinnen unserer Heiligen ihrer Andacht in einsamer Stille pflegten. Gegen Morgen pflanzte Odilia zu Ehren der drei göttlichen Personen drei Linden, welche zugleich das Kloster gegen die heftigen Winde schützten. Beim Brand im Jahr 1681 zerfielen zwei davon in Asche, die dritte stand noch im Jahr 1698.
Wir haben bereits erinnert, dass Odilia am Fuß des Berges ein Armen- und Krankenhaus errichtet, und dass sie täglich die Armen und Kranken in demselben besuchte. Ein so rührendes Beispiel der großmütigsten Nächstenliebe machte tiefen Eindruck auf ihre Mitschwestern, die, um gleichfalls an diesem edlen Wer teilzuhaben, und für den Fortbestand des Hauses zu sorgen, ihre Äbtissin baten, neben dem Spital ein neues Kloster zu bauen, weil zu gewissen Zeiten des Winters das Ab- und Aufsteigen unmöglich werden könnte, um von dort aus die Kranken Tag und Nacht verpflegen zu können. Der Antrag wurde genehmigt, und um das Jahr 700 waren die neuen Gebäude nebst einer Kirche schon aufgeführt. Diese neue Anstalt wurde Niedermünster genannt und blieb unter der Aufsicht der heiligen Odilia.
Der Herr, welcher gerechte Seelen oft hier schon verherrlicht, bewies mehr als einmal, wie sehr ihm die erbarmende und großmütige Liebe seiner Dienerin gefiel. Eines Tages lag an der Klosterpforte ein Aussätziger, der jammernd ein Almosen begehrte. Die Heilige bereitete sogleich einiges Labsal und wollte selber den Armen damit bedienen, als ihr im Nähertreten aus dieser lebendigen Leiche ein unausstehlicher Gestank entgegen kam; sie entsetzte sich anfänglich, doch sogleich über die menschliche Natur sich erhebend, umarmte sie mit inniger Zärtlichkeit den Unglücklichen, reichte ihm das Essen, und flehte zu Gott, er wolle ihm Geduld verleihen, oder die Gesundheit wieder geben. Ihr Gebet ward sogleich erhört, indem der Aussätzige plötzlich von seinem Übel genas.
Spätere Geschichtsschreiber erzählen, dass sie ein anderes Mal, da sie aus dem Spital in das obere Kloster hinaufstieg, einem vor Durst bis zum Tod entkräfteten Kranken begegnet ist. Wegen ihres hohen Alters und ihrer Gebrechlichkeiten war es ihr aber unmöglich, schleunige Hilfe zu schaffen. Da betete sie zu Gott, mit der ganzen Kraft ihres Flehens, und ward erhört; aus einem Felsen sprudelte ein Wasserquell hervor, an dem der Kranke sich labend auf der Stelle genas. An diese fromme Begebenheit erinnert immer noch der Odilienbrunnen, eine Quelle, welche eine Viertelstunde unterhalb dem Kloster an dem langen schmalen Wolfstaler Hügel aus dem unterhöhlten Felsen strömt, und unter einem steinernen Kreuz durch eine Rinne in einem Sarg fließt, aus welchem das Wasser den Berg hinab gen Niedermünster läuft.
Dem Kloster war es verboten, einen Armen oder Kranken abzuweisen. Da nun eines Tages eine ungewöhnliche Menge sich einfand, wurde der Weinvorrat erschöpft; man meldete dies der Äbtissin, die erwiderte, der Himmel habe schon dafür gesorgt; und wirklich, berichtet man, waren alle Gefäße wieder mit Wein gefüllt.
Die vollendete Tugend der heiligen Odilia hatte sie schon längst für den Himmel reif gemacht, und ihr hohes Alter ließ auf ihren baldigen Hintritt schließen. Sie selber hatte von ihrem nahen Tod eine geheime Ahnung, und offenbarte dies in der St. Johannes-Kapelle ihren versammelten Schwestern. Nebst der heiligen Eugenia und Gundelinde, war auch die heilige Attala, ehehin Chorfrau zu Hohenburg, und damals Äbtissin von St. Stephan in Straßburg, alle drei Nichten unserer Heiligen, bei dieser Voraussagung gegenwärtig. Nachdem sie den Schwestern ihren baldigen Tod bekannt gemacht, ermahnte sie dieselben, in keiner Weise von ihrem bisherigen Eifer abzuweichen. Sie stellte ihnen das Vergängliche und Eitle dieses Lebens und die Kürze der Prüfungen vor, auf welche eine ewige Belohnung folgt, und ermahnte sie endlich auch zur Liebe Gottes und zum Gebet für ihre Verwandten. Darauf ließ sie dieselben in die Muttergottes-Kapelle ziehen, um da ein seliges Ende für sie zu erflehen. Während dies geschah, lag die Heilige in Verzückung; dann empfing sie die heilige Wegzehrung, sagte ihren Schwestern das letzte Lebewohl und entschlief selig im Herrn den 13. Dezember, am Tag der heiligen Lucia. Ihr Todesjahr weiß man nicht genau. Gemeinhin gibt man das Jahr 720 an; jeden Falles starb sie vor dem Jahr 722, wo Eugenia schon als Äbtissin erscheint. Ihre sterbliche Hülle ward in der Kapelle des heiligen Johannes des Täufers beigesetzt; und an ihrem Grab sind zu allen Zeiten viele Wunder geschehen, aus welcher Ursache sie auch öffentlich verehrt wird.
Im Jahr 1354 kam der Kaiser Carl IV. nach Hohenburg, um den Leichnam der Heiligen zu sehen. Der Bischof von Straßburg und der Bischof von Olmütz, eröffneten daher den Sarg, aus welchem der Kaiser den vorderen Teil des rechten Armbeins erhielt, den er dem Dom zu Prag verehrte. (Die Verehrung der Reliquien von Heiligen ist biblisch begründet: Reliquien sind, übersetzt man das Wort aus dem Lateinischen ins Deutsche, nach christlicher Deutung „Überbleibsel“ aus dem irdischen Leben einer heiligmäßigen Person – sei es ihr Leichnam, Teile ihres Körpers oder Dinge, die mit ihr in Berührung getreten sind. Schon den Schriften der Bibel sind Ansätze der Reliquienverehrung zu entnehmen. So nahm Moses beim Auszug aus Ägypten die Gebeine Josephs mit, Exodus 13,19; durch die Berührung der Gebeine Elischas wurde ein Toter wieder lebendig, 2 Könige 13,21. Im Neuen Testaments heißt es zu den Wundern des heiligen Paulus: „Sogar seine Schweiß- und Taschentücher nahm man ihm vom Körper weg und legte sie den Kranken auf; da wichen die Krankheiten und die bösen Geister fuhren aus“, Apostelgeschichte 19,12. Für die katholische Kirche ist der Reliquienkult erlaubt und nützlich. Das Konzil von Trient, 1545-1563, betont, dass die Leiber der Heiligen lebendige Glieder Christi und Tempel des Heiligen Geistes waren, dass sie einst wieder auferweckt und verherrlicht werden und dass Gott durch sie den Menschen viele Wohltaten spendet.)
Die heilige Odilia war sehr unterrichtet, und vorzüglich bewandert in der Heiligen Schrift und in der Kirchengeschichte. Ihre Reden, wie auch ihr Testament zeugen von einer erleuchteten Frömmigkeit und einer seltenen Gewandtheit in der Führung der Seelen wie in der äußeren Leitung ihrer Genossenschaft. Einen ihrer Vorträge über das einsame Leben findet man bei Ruyr. Ihr echtes Testament, verfasst um das Jahr 708, das man mit einem Unterschobenen nicht verwechseln wolle, steht bei Grandidier. Ach trieb Odilia das Studium der lateinischen Sprache, welches sich auf ihre nachfolgenden Schwestern vererbte.
Nach dem Ableben der heiligen Odilia, welche die sämtlichen Einkünfte der beiden Stiftungen zu Hohenburg und Niedermünster verteilt hatte, mit Ausnahme des Hofes Oberehnheim, der ihnen gemeinschaftlich blieb und als Band der Einheit dienen sollte, versammelten sich die Chorfrauen beider Klöster, um für jedes eine eigene Äbtissin zu wählen und zu ernennen. Die einstimmige Wahl fiel auf Eugenia und Gundelinde, zwei Nichten Odiliens, und Töchter des elsässischen Herzogs Adelbert und seiner Gemahlin Gerlinde, Eugenia für Hohenburg, Gundelinde für Niedermünster. Eugenia starb am 16. September um das Jahr 735, und wurde lange Zeit öffentlich verehrt. Ihre Gebeine wurden bis in das Jahr 1622 aufbewahrt, wo die Schweden unter Mansfelds Anführung ihren Sarg zerschlugen. Einige ihrer Reliquien befinden sich noch zu Oberehnheim und zu Wilgotheim.
Ju jeder Zeit wurden häufige Wallfahrten zum Grab der heiligen Odilia unternommen, an dem eine unzählige Menge Wunder auf ihre Fürbitte geschehen sind, besonders an Augenkranken. Der Odilienberg, wo sich die Gebeine der Heiligen unversehrt erhalten haben, wird dermalen noch sehr besucht aus der Nähe und Ferne. Seit der französischen Revolution war gewöhnlich ein Geistlicher daselbst, der die Wallfahrtskirche bediente.
Die Verehrung der heiligen Odilia schreibt sich beinahe von ihrem Todesjahr her; der gleichzeitige Verfasser ihrer Lebensgeschichte nennt sie durchgehend glückselig. Das alte Martyrologium vom Ende des 8. Jahrhunderts, so wie das von Beda setzen ihren Todestag unter die Feiertage, die dortmals in der Straßburger Diözese begangen wurden. Ihren Namen ließt man auch in einem Kalender, der vor einem Vesperbuch des 9. Jahrhunderts steht. Dieses Buch gebrauchte die Königin Hemma, Gemahlin Lothars, und wurde ehehin zu Reims in der Bibliothek von St. Remigius aufbewahrt. Ihre Verehrung wurde durch viele Wunder, so wie durch verschiedene päpstliche Bullen bestätigt. Der Name der heiligen Odilia steht bei Ado und Molan, wie auch im römischen Martyrologium unter dem 13. Dezember.
1. Ein Abgrund sind die göttlichen Gerichte. Betrachte den stolzen König Herodes und den heiligen Täufer Johannes in einem Palast. Herodes ist in Purpur, Samt und Seide gekleidet, Johannes mit einer rauen Kamelhaut kaum halb bedeckt. Herodes hält glänzende Gastgelage in seinen Prunkgemächern, Johannes leidet Hunger im Kerker. Herodes wird als ein Halbgott verehrt, Johannes von den Großen des Hofes und der unwissenden Welt verachtet. Herodes glänzt in Gold und Geschmeide, Johannes ist belastet mit Fesseln und Banden. Wer wird nicht den einen beneiden, den andern bedauern? Dennoch vertauschte der so schmählich gefesselte Engel der Wüste seine Fesseln nimmermehr gegen allen Glanz und alle Herrlichkeit dieses Königs.
2. Sitzt aber der Gottlose auf dem Thron, und schmachtet der Heilige im Kerker und wird für ein ungerechtes Bluturteil aufbewahrt, so muss notwendig eine andere Welt sein, wo diese himmelschreiende Ungerechtigkeit vollkommen ausgeglichen wird. Denn ist ein Gott, so muss er gerecht sein. Das Amt der Gerechtigkeit aber ist, die Tugend zu belohnen und die Schuld zu bestrafen. Weil aber Gottes unendliche Weisheit dies nicht immer in dieser Welt tut, leugnen viele Gottlosen seine Gerechtigkeit und dadurch ihn selbst. Oder aber sie sagen, ihre Laster zu beschützen, Gott sei zu erhaben, als dass er um menschliche Dinge sich kümmere.
3. Doch wer den freien Geist erschaffen hat, der ist auch sein Richter. Unendlich ist Gottes Weisheit, "wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege!" (Römer 11,33b) Erfahren muss der Pilger die Mühsale der Pilgrimschaft, zu den Wonnen der Heimat zu gelangen. Im Feuer muss das Gold geläutert werden, um so glänzender daraus hervorzugehen. Ersterben muss das Samenkorn, hundertfältige Frucht für den Himmel zu bringen. In Tränen säen muss, wer in Freuden ernten will. Und mehr wird Gott durch die großmütige Aufopferung seiner Märtyrer verherrlicht, als durch alle übrigen Werke seiner Schöpfung. Psalm 19,10b: "Die Urteile des Herrn sind wahr, gerecht sind sie alle."
Die Gottesmutter Maria in der Pfarrkirche St. Gordian und Epimachus (Frechenrieden)
Gebet am 12. Dezember
Wie groß, erhabene Jungfrau, ist deine Glorie im himmlischen Vaterland! Deine Klarheit erleuchtet das ganze himmlische Paradies und das ganze himmlische Heer erfreut sich im Anschauen deiner unvergleichlichen Schönheit und alle Engel und Heiligen lieben dich. Weil ich dich aber nicht genug lieben kann, so rufe ich alle Engel und Heiligen an, sie mögen dich für mich lieben und bitte auch deinen Sohn, er möge dir jetzt an meiner Stelle eine herzliche Liebe erweisen und auch meinem Herzen eine große und treue Liebe zu dir einflößen. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Letzter Sieg des Kaisers Heraclius, den er im Jahr 627 über den Chosroes durch den Beistand der seligsten Jungfrau erhalten hat. Kaiser Heraclius wagte sich gleich zuerst in den Kampf, und erschlug mit himmlischer, durch die Fürbitte der seligsten Jungfrau erhaltener Stärke den Anführer der persischen Armee, den Prinzen Razates und zwei der vornehmsten persischen Feldherren, wobei er an den Lippen und sein Pferd am Schenkel durch einen Lanzenstich verwundet wurde. Das Gefecht war blutig und lang, die feindliche Armee wurde endlich ganz geschlagen, und die Paläste des Chosroes verbrannt. Dies geschah am Samstag den 12. Dezember im Jahr 627 durch den mächtigen Schutz der Mutter Gottes, nachdem der Krieg zwischen Heraclius und Chosroes schon sieben Jahre gedauert hatte.
Die vom Kaiser Decius verursachte Verfolgung gab im Jahr 250 zu Alexandria Anlass zu unerhörten Ausschweifungen. Die ganze Stadt schien in eine Räuberhöhle und Mordgrube verwandelt zu sein. Der heidnische Pöbel drang gewaltsam in die Wohnungen der Christen und schleppte sie ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht zu Hunderten zu den Richtstätten, die nicht aufhörten, vom Blut der Bekenner Jesu zu rauchen. Ihre Häuser wurden geplündert, und was man von der Einrichtung nicht des Fortbringens wert hielt, warf man auf die Gasse und legte Feuer daran. Wild und und unmenschlich brutal ging es zu. Der Schrecken lähmte die Gemüter vieler Christen, besonders der begüterten und in Ehrenämtern stehenden. Manche von ihnen waren feige und niederträchtig genug, den Glauben zu verleugnen, um das Leben und ihre Schätze zu retten, so dass sich auch hier bewährte, wie schwer der Reiche zur Seligkeit gelangt. Doch fanden sich dafür wieder andere, die unerschütterlich wie Felsen standen und furchtlos im Bekenntnis für Jesus, den Gekreuzigten ausharrten. Unter diesen war einer der hervorragendsten der heilige Julian, dessen Festtag wir am 27. Februar feiern. Gleichen Starkmut zeigten Epimachus und Alexander, zwei angesehene Bürger der Stadt. Man riss sie aus ihren Häusern und führte sie mit Ketten beladen in das Gefängnis, wo sie die Qualen des Hungers und Misshandlungen aller Art zu ertragen hatten. Da ihre Standhaftigkeit nicht zu besiegen war, wurden sie mit Stockschlägen und eisernen Krallen auf das Entsetzlichste zerfleischt und zuletzt in ungelöschtem Kalk verbrannt.
Der heilige Dionysius, Bischof von Alexandria, der Augenzeuge ihrer Peinen war, hat uns einen gedrängten Bericht davon hinterlassen. In ihm macht er auch Meldung von vier Frauen, die die Marterkrone am selben Tag und am selben Ort empfingen. Die erste hieß Ammonaria und war eine zarte Jungfrau, deren schwachen Körper aber eine wahre Heldenseele bewohnte. Sie brachte dem Richter, der mit Hilfe der grausamsten Martern das Geständnis des Abfalles von ihr erpressen wollte, durch ihr lautloses Dulden zur Verzweiflung, so dass er, um nicht wieder von einer Frau beschämt zu werden, die anderen drei ohne vorangehende Folterung kurzweg enthaupten ließ. Merkuria, Dionysia und abermals Ammonaria waren die Namen dieser treuen Bekennerinnen. Dionysia, die Mutter vieler Kinder, die sie zärtlich liebte, erhob sich über die Gefühle der Natur, um in der Liebe zu Jesus nicht wankend zu werden. Alle diese Blutzeugen kommen unter dem 12. Dezember im römischen Martyrologium vor.
1. Jesus, unser ewiger Hoher Priester, brachte auf dem Altar des Kreuzes seinem ewigen Vater sich als ein Opfer dar, das die ewige Gerechtigkeit Gottes versöhnte. In der Heiligen Messe aber bittet er als unser ewiger Mittler beim Vater, die unendlichen Verdienste seines heiligsten Leidens uns zuzuwenden, gibt allen, die dem Tisch des heiligen Altars sich in Andacht nahen, sich selbst als die Opferspeise und das Unterpfand des ewigen Lebens, und vereint die Gebete seiner Gläubigen mit den seinigen, damit sie dadurch geheiligt und erhörbar werden vor dem ewigen Vater, der alles, was er uns verleiht, nur durch seinen eingeborenen Sohn und um seinetwillen uns verleiht.
2. Jesus ist unser wahrhaftiges Sühnopfer, das Lamm Gottes, das alle unsere Sünden hinwegnimmt, wenn wir beim heiligen Opfer uns mit ihm vereinigen, und durch ihn in wahre Zerknirschung um die Verzeihung unserer Sünden bitten. Vergeblich jedoch bitten wir, und keine Erhörung findet unser Gebet und unser Opfer, wenn wir nicht selbst aus ganzem Herzen denjenigen verzeihen, die uns irgendwie beleidigt, betrübt oder auf was immer für eine Weise uns geschadet haben, weil ein Mensch eines unversöhnlichen Herzens kein lebendiges Glied seines Körpers ist, und daher den belebenden Einfluss des Hauptes nicht empfangen kann, der nur den lebendigen Gliedern zuteil wird. Denn keine Barmherzigkeit findet, wer keine Barmherzigkeit erzeigt.
3. Opfert aber Jesus, unser Hoher Priester und unser Opfer, sich jeden Tag in unbeschreiblicher Liebe für uns: können wir dann je sagen, dass wir ihn lieben, dass wir wahres Verlangen haben, seiner unendlichen Verdienste teilhaft zu werden und Gnaden des Heils zu erlangen, wenn wir diesem heiligen Opfer nur selten, nur wenn wir unter einer schweren Sünde dazu verpflichtet sind, und auch da nur mit zerstreutem Herzen und Sinn, beiwohnen? Versammeln wir uns vielmehr täglich um unseren göttlichen Erlöser, beten wir ihn mit inbrünstigem Herzen an, opfern wir uns mit ihm in bußfertigen Gesinnungen, und wir werden die Früchte seiner Erlösung wahrhaft in uns erfahren. "Jesus aber hat, weil er auf ewig bleibt, ein unvergängliches Priestertum." (Hebräer 7,24)
O unvergleichliche, wunderbare Jungfrau, wir verehren dich mit demütigem, andachtsvollem Herzen. Die Heiligsten der Jungfrauen übertriffst du an Heiligkeit und wie eine Lilie unter dem Dornengesträuch erhebst du dich unter ihnen. Sie wurden in Sünde empfangen und fielen der Sünde anheim, du aber, rein von Sünden und Mängeln, tratest hervor aus Gottes Hand. So bist du, Maria, das Meisterstück der größten Reinheit und Schönheit geworden. Nimm unsere Begrüßung gnädig an, damit wir deine heilige Empfängnis würdig feiern. Amen.
Zu Jesus Christus auf die Fürbitte des heiligen Damasus
O Herr, der Du dem heiligen Damasus die Sorge über Deine Kirche anvertraut und den Mut gegeben hast, ihre Feinde zu bekämpfen und zu besiegen, stärke uns auf seine Fürbitte, dass wir Deine Kirche auch mit Gefahr unseres Lebens verteidigen, der Du lebst und regierst, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Zu Jesus Christus
Herr, wir haben zu fürchten, das zarte Jungfrauen einst im Gericht gegen uns aufstehen und uns verurteilen. Stärke uns, dass wir es zur Ehre Deines heiligen Namens mit Wort und Tat bekennen, dass wir Christen sind, der Du lebst und herrschst mit Gott dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
O unvergleichliche, wunderbare Jungfrau, wir verehren dich mit demütigem, andachtsvollem Herzen. Die Heiligsten der Jungfrauen übertriffst du an Heiligkeit und wie eine Lilie unter dem Dornengesträuch erhebst du dich unter ihnen. Sie wurden in Sünde empfangen und fielen der Sünde anheim, du aber, rein von Sünden und Mängeln, tratest hervor aus Gottes Hand. So bist du, Maria, das Meisterstück der größten Reinheit und Schönheit geworden. Nimm unsere Begrüßung gnädig an, damit wir deine heilige Empfängnis würdig feiern. Amen.
Zu Jesus Christus auf die Fürbitte des heiligen Damasus
O Herr, der Du dem heiligen Damasus die Sorge über Deine Kirche anvertraut und den Mut gegeben hast, ihre Feinde zu bekämpfen und zu besiegen, stärke uns auf seine Fürbitte, dass wir Deine Kirche auch mit Gefahr unseres Lebens verteidigen, der Du lebst und regierst, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Zu Jesus Christus
Herr, wir haben zu fürchten, das zarte Jungfrauen einst im Gericht gegen uns aufstehen und uns verurteilen. Stärke uns, dass wir es zur Ehre Deines heiligen Namens mit Wort und Tat bekennen, dass wir Christen sind, der Du lebst und herrschst mit Gott dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Alle Steine sind hart, aber nicht alle sind gleich hart, es gibt weichere Steine, wie den Sandstein, und härtere, wie den Marmorstein. Welcher Stein mag wohl der härteste sein? Der Diamant ist der härteste Stein, denn er ist so hart, dass er sich von keinem anderen Stein auch nur ritzen lässt, während die Glaser mit ihm spielend Glas zerschneiden, als wenn das Glas Papier sei. Der Diamant ist das härteste Gestein.
„Ja“, möchte man fragen, „was hat denn der Diamant mit dem heiligen Damasus zu tun, dessen Fest heute gefeiert wird?“ Der heilige Damasus hat das mit dem Diamanten gemeinsam, dass er in der Kirchengeschichte den ehrenden Beinamen „Diamant des Glaubens“ erhielt. Da kann man sich bereits denken, was den Heiligen besonders auszeichnete. Sein Glaube war ohne alle Weichheit festes war ein katholischer Glaube, hart wie Diamant.
Der Name Damasus ist griechischen Ursprungs und heißt auf Deutsch „Bändiger“, und bei ihm ist wieder einmal der rechte Name an den rechten Mann gekommen. Damasus war ein Bändiger. Was mag er denn wohl gebändigt haben?
Damasus wurde um das Jahr 304 zu Rom als Sohn eines römischen Neubürgers, der aus Spanien zugewandert war, geboren. Der Vater, ein frommer Mann, ließ sich nach dem Tod der Gattin die heilige Priesterweihe erteilen, und so ist er einer von den wenigen, die im Leben alle sieben Sakramente empfingen.
Nach dem Vorbild des gediegenen Vaters schlug auch Damasus die geistliche Laufbahn ein, und wegen seiner Tüchtigkeit und Frömmigkeit zählte er zu den einflussreichsten Geistlichen in der Ewigen Stadt. Als daher der heilige Papst Liberius starb, wurde Damasus im Jahr 366 sein Nachfolger.
Damals war der dreihundertjährige Kampf zwischen Christentum und Heidentum zu Ende gegangen. Christi Lehre hatte gesiegt, aber Friede war deswegen nicht, denn wie Pilze im Herbst schossen die Irrlehren aus dem Boden. Der heilige Augustinus, der etwa zur gleichen Zeit lebte, berichtet, dass es damals bereits an die dreihundert verschiedene Bekenntnisse unter den Christen gab, die natürlich samt und sonders wie kurzlebige Pilze längst vom Erdboden verschwunden sind. Heute ist es ähnlich. Die Zahl der Sekten ist vielfältig. Baptisten, Adventisten, Bibelforscher, Neuapostolische, Menschenfreunde, Mormonen, Methodisten und so weiter nennen sich diejenigen die heute in die Irre gehen. Keine von diesen Sekten wird indessen Bestand haben, denn alle sind sie Rebzweige, die vom Rebstock Christi, von der wahren römisch-katholischen Kirche, abgeschnitten wurden und die deswegen Saft und Kraft verlieren und notwendigerweise verdorren und eingehen müssen.
Mit solchen falschen Propheten in Menge hatte es Papst Damasus zu tun. Er hielt den wahren Glauben rein und gab auch nicht ein Jota davon preis. Weißt du, was ein Jota ist? Das Jota ist der kleinste Buchstabe im griechischen Alphabet, kleiner noch als unser i, das Jota ist wie ein winziges Häkchen. Damasus hat nicht einmal solch ein Häkchen vom wahren Glauben fallen lassen, und deshalb hat er seinen Namen „Bändiger“ Ehre gemacht, indem er die Irrlehrer bändigte.
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass Papst Damasus es war, der als erster das „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen“ als Gebetsbrauch eingeführt hat. Seit über anderthalbtausend Jahren klingt bereits dieser Lobpreis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von den Lippen ungezählter Gläubigen. Es bilden also die Worte ein altehrwürdiges Gebet, das wir stets mit der größten Andacht verrichten sollten.
Die Heiligen-Verzeichnisse geben zwei christliche Jungfrauen und Martyrinnen mit dem Namen Eulalia an. Beide haben in der Verfolgung des Kaisers Diokletian im Jahr 303 und 305 in Spanien ihr Blut des christlichen Bekenntnisses wegen vergossen, die eine zu Barcelona, die andere zu Merida. Das Gedächtnis der ersten wird am 12. Februar, das der anderen heute am 10. Dezember gefeiert. Von der erzählt der heilige Prudenzius, übereinstimmend mit den vorhandenen Martergeschichten folgendes:
Eulalia stammte aus einer vornehmen und sehr angesehenen Familie ab. Merida war ihre Vaterstadt. Von ihrer frommen Mutter wurde sie in der christlichen Religion unterrichtet. In früher Jugend schon leuchtete sie als ein Muster inniger Gottesfurcht und liebenswürdiger Sittsamkeit anderen als Vorbild. Als die grausame diokletianische Christenverfolgung sich auch über Spanien verbreitete, hörte sie vieles von dem hohen Mut der christlichen Bekenner und von der unerschütterlichen Standhaftigkeit, mit der die heiligen Märtyrer ihr Leben um des Namens Jesu willen in der qualvollsten Todesart dahingaben. Solche Erzählungen machten auf ihr jugendliches Gemüt einen tiefen Eindruck. Immer heftiger entflammte in ihrem Herzen die Begierde, eines gleichen Heils durch den Martertod gewürdigt zu werden. Die Gesinnung der Tochter konnte der Mutter nicht verborgen bleiben. Sie war besorgt darüber, dass Eulalia sich selbst bei den Verfolgern angeben würde, und glaubte ernste Maßregeln dagegen treffen zu müssen. Eulalia wurde aufs Land gebracht und da in einem kleinen Häuschen von den Menschen abgesondert gehalten. Das wachsame Auge der besorgten Mutter begleitete alle ihre Schritte. Allein die brennende Begierde für Christus und seine göttliche Heilslehre zu leiden, besiegte alle Hindernisse, die sich ihr entgegenstellten. Sie fand Gelegenheit, in der Nacht aus dem Haus zu kommen. Die Dunkelheit der Nacht schützte sie vor Nachforschungen. Durch unwegsame Gegenden, durch Gesträuche und Dornen ging sie dahin und kam schließlich in ihrer Vaterstadt Merida an. Der Statthalter Dazian saß gerade auf dem öffentlichen Platz zu Gericht. Er war umgeben von Personen der Obrigkeit, von bewaffneten Kriegsleuten und von einer großen Menge Volkes. Eulalia drängte sich durch die Menschenmassen hindurch, stellte sich vor den Statthalter hin und erklärte ihm mit der bewunderungswürdigsten Unerschrockenheit: dass es die größte Torheit sei, vor Holz und Steinen, gleich als wären sie Gottheiten, die Knie zu beugen. „Ihr sucht“, sprach sie weiter, „die Christen auf. Seht, auch ich bin eine Christin! Ich hasse die Götter und möchte alle eure Götzen zertrümmern. Mit Herz und Mund bekenne ich den einzig wahren Gott. Eure Götzen, der Isis, der Apollo, die Venus sind nichts – bloßes Menschenwerk, und Maximian handelt sehr töricht, dass er sie verehrt und zu verehren befiehlt. Er tut großes Unrecht, dass er so viel unschuldiges Blut deswegen vergießen lässt.“ Schließlich sprach sie zu den Schergen: „Was zögert ihr? Nehmt mich! Schneidet, brennt, zerreißt meinen Körper! Er ist vergänglich, deswegen wird es euch ein Leichtes sein, ihn zu zerstören. Nichts aber werdet ihr anhaben können meinem Geist.“
Der Statthalter hatte eine so nachdrückliche Erklärung von einem zwölfjährigen Mädchen nicht erwartet. Er wurde heftig erzürnt und befahl den Schergen, dass man sie durch Martern auf andere Gedanken bringen solle. Bevor jedoch dieser Befehl vollzogen wurde, versuchte er, nachdem er sich von der ersten Zorneshitze erholt hatte, durch Zureden sie zu gewinnen und ihren Sinn zu ändern. Er stellte ihr das Ansehen ihrer Familie vor Augen, die durch ihr Bekenntnis tief herabgesetzt werden würde. Er schilderte ihr die Vergnügungen, die sie, wenn sie durch Verleugnung des Christentums ihr Leben erhalte, in ihrem vornehmen Stand genießen könne. Er machte sie aufmerksam auf die vorteilhaften ehelichen Verbindungen, auf die sie seiner Zeit hoffen dürfe. Er bat sie schließlich, dass sie doch der grauen Haare ihrer schon bejahrten mütterlichen Großeltern schonen wolle. Diesem Zureden desto größeren Nachdruck zu verschaffen, wurden die Marterinstrumente vor die Augen der jungen Bekennerin gebracht, mit der Bedrohung, dass sie die Wirkungen derselben bald empfinden werde, wenn sie nicht zu etwas anderem sich entschließe. Zuletzt wurde ihr bedeutet, dass es in der Willkür der Obrigkeit stehe, sie enthaupten oder von den Tieren zerreißen oder verbrennen zu lassen, - lauter Todesarten, vor denen sie zurückschaudern möge.
Ganz ruhig hatte Eulalia diesen Vortrag angehört. Ihre Gegenerklärung gab sie jetzt nicht mit Worten, sondern durch eine Handlung kund, die den Statthalter hinlänglich überzeugen konnte, dass sein Zureden ihren Mut nicht geschwächt, sondern vielmehr erhöht habe. Sie ergriff einige Opfergeräte, die neben ihr standen, und zertrümmerte sie. Mit Wut wurde sie nun angefallen von den Schergen, die mit spitzen Krallen ihre Brust und ihre Seiten bis zur Entblößung des Gebeines zerfleischten. Der Schmerz war unbeschreiblich. Das Blut floss häufig bis zur Erde, und doch verlor die junge Kämpferin ihren Mut nicht. Freudig rief sie während der Marter aus: „Herr Jesus Christus, mit Eisen und Stahl haben sie deinen errungenen Sieg meinem Leib eingegraben, und dein heiligster Name glänzt in Purpur auf ihm.“ Die unmenschliche Grausamkeit veranstaltete neue, noch schmerzlichere Qualen. Der ganz wunde Leib wurde mit Fackeln gebrannt. Schließlich legte man rings um sie her Feuerbrände und schürte diese immer näher zu ihr. Der Schmerz war überaus groß. Dabei litt die jungfräuliche Scham am meisten, da das Feuer ihre Kleider und die Haarlocken verzehrte, womit ihr Busen bedeckt war. Endlich schlug die Flamme über ihrem Kopf zusammen und sie atmete das Feuer ein. Da bat sie Gott um Vollendung. Ihre Bitte wurde erhört, der Leib sank in die Glut, die Seele flog in Gestalt einer schneeweißen Taube vor den Augen der staunenden Menge dem Himmel zu. Auch der Henker und der Gerichtsdiener sehen die Wundererscheinung, staunen und zittern darob, verwünschen ihre böse Tat und eilen davon. Sie wurden bekehrt. Indessen erstirbt die Glut, und es fällt Schnee, den Leichnam der zarten Jungfrau vor den unreinen Augen zu bedecken, bis die Gläubigen die Gelegenheit ersahen, die glorreiche Martyrin zu beerdigen. In Folge der Zeit erhob sich über ihrem Grab eine herrliche Kirche und großer Ruhm der Heiligkeit und ihrer mächtigen Fürbitte durch viele Wunderzeichen. Mit dieser heiligen Jungfrau litt zugleich nach dem Zeugnis des römischen Marterbuches eine andere Jungfrau, Julia mit Namen, ihre Spielgefährtin, den Martertod durch das Schwert.
„Wahrlich sage ich (der Sohn Gottes) euch: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. So gläubig, so arglos, so ohne Verstellung, ohne Anmaßung, so versöhnlich, so teilnehmend, so liebevoll, wie gute Kinder sind, erklärt die Eigenschaft der Himmelskinder.“ (Der heilige Gregor)
1. Nichts ist so sehr geeignet, uns zu kräftigen und zu trösten, als der Gedanke an die künftige Seligkeit, die wir hoffen. O wie glückselig werden wir dann sein, wenn wir das heilige Gesetz unseres Herrn beobachtet haben und auf dem Weg des Kreuzes gingen, der zu diesem glorreichen Ziel führt. Wie unbeschreiblich wird unsere Wonne sein, dort vereint mit allen seligen Geistern Gott von Angesicht zu Angesicht zu schauen und sein Lob in seligem Jubel zu singen. O seliges Entzücken, im sicheren Besitz der ewig glorreichen Seligkeit zu sein. Erheben wir unsere Gedanken oft zu diesem unserem himmlischen Vaterland, wo die unversiegbare Fülle aller Freude herrscht.
2. Der Aufblick zum Himmel allein kann unser Herz von aller Anhänglichkeit an diese vorübergehenden Güter lösen, die wahre Übel sind, wenn sie gegen die unermesslichen Güter des Himmels verglichen werden, und die die Seele bestricken, in zahllose Sünden verflechten, und diejenigen täuschen, die ihnen gierig nachstreben, da sie ihr Herz nicht sättigen, sondern ermüden. Kein Mittel auch ist so wirksam, alle Trübsale des Lebens uns zu versüßen und gegen alle Regungen der Leidenschaften und Anfälle der Versuchungen uns zu stärken, da diese vorübergehenden Leiden uns eine unendliche Seligkeit erwirken. Wie viele Seligen preisen nun ihr Kreuz, das ihnen eine so große Glorie erwarb.
3. Nichts auch wirkt so mächtig, die Strenge des Todes zu mildern, als die oftmalige Erhebung unseres Herzens zum Himmel. Denn führt, wie jede wahrhaft fromme Seele hoffen darf, der Tod in die selige Ewigkeit: warum denn sollen wir ihn so sehr fürchten und bei seiner Annäherung erbeben? Ist das Ziel unserer mühevollen Pilgrimschaft das glückselige Vaterland des Himmels: wie kann es uns je so schmerzlich fallen, diese Verbannung zu verlassen. So lange wir hienieden sind, verfließt unser Leben unter Seufzern und Sünden, der Tod aber öffnet uns die Pforte des Heils. So bringen wir denn Gott unser Leben mit Freuden zum Opfer, und seine Barmherzigkeit wird den Tod uns versüßen. Psalm 122,1: "Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern."