Die Tagzeiten der heiligen Jungfrau enthalten die schönsten Stellen der Heiligen Schrift, deren die Kirche sich bedient, um Maria zu ehren und zu preisen. Die Gelehrten sind über den Ursprung und den Verfasser dieser Tagzeiten nicht einig, obgleich mehrere sie dem Kardinal Petrus Damiani, Bischof von Ostia zuschreiben. Indessen finden wir, dass der heilige Johannes Damascenus, als er noch ein angehender Mönch war, schon die fromme Gewohnheit hatte, zur Ehre der heiligen Jungfrau die Horen zu beten. Hundert Jahre vor Johannes Damascenus hatte der heilige Ildephons, Erzbischof von Toledo ein Officium aus neun Lesungen bestehend verfasst, das an den Samstagen gebetet werden sollte. Man erzählt, die heilige Jungfrau habe ihm für diese von ihm verfassten Tagzeiten und für seine Abhandlung über ihre Jungfräulichkeit gedankt. Andere schreiben die Tagzeiten der allerseligsten Jungfrau dem heiligen Augustin zu.
Beim Konzil von Clermont in der Auvergne, wo man alles mögliche tat, um Maria zu bewegen, der bedrängten Kirche zu Hilfe zu kommen und die Kreuzfahrer unter ihre besondere Obhut zu nehmen, befahl Papst Urban II. der Geistlichkeit alle Tage die Tagzeiten der seligsten Jungfrau zu beten. Von der Geistlichkeit ging dieser Gebrauch auf den Orden des heiligen Bruno, und später auf die Laien über. Mehrere Kathedralkirchen und mehrere religiöse Körperschaften beten die Tagzeiten der heiligen Jungfrau mit dem Brevier des Tages. Im Orden von Cluny betete man alle Samstage, wenn kein Festtag einfiel, die großen Tagzeiten der heiligen Jungfrau.
Es wäre zu weitläufig hier alle Heiligen und frommen Kinder Mariens aufzuzählen, die ihrer erhabenen Mutter diesen Zoll der Lobpreisung und der Liebe beharrlich dargebracht haben. Der heilige Ludwig, König von Frankreich, wusste es inmitten seiner Heere und der unzähligen Geschäfte seines königlichen Amtes möglich zu machen, täglich die Tagzeiten der heiligen Jungfrau zu beten. Der heilige Karl Borromäus betete sie kniend, ohne ein einziges Mal auszusetzen. Als der heilige Vincenz Ferrer noch jung war, nahm er diese fromme Übung an, und behielt sie bis zu seinem Tod bei. Wir könnten auch noch das Beispiel der heiligen Elisabeth, der heiligen Brigitta, der heiligen Katharina von Schweden und so vieler anderer anführen.
Kinder Mariens, bringt eurer Mutter fleißig diesen kindlichen Tribut eurer Liebe dar, so weit eure Aufgaben es erlauben. Es können dadurch auch verschiedene Ablässe gewonnen werden.
Die Tagzeiten der glorreichen Mutter Gottes und der Rosenkranz bildeten jeden Tag die Hauptfreude des heiligen Einsiedlers Bohumil. Täglich betete er dreiundsechzigmal den englischen Gruß zum Andenken an die Jahre, die die heilige Jungfrau auf Erden zubrachte. Diese Andacht ist in Polen allgemein, und Bohumil hatte sie mit der Muttermilch eingesogen. Jedes Mal, wenn er den Namen Mariens aussprach, verneigte er sich ehrfurchtsvoll. Also verdiente er, dass die Mutter Gottes in Begleitung ihres göttlichen Sohnes in der Todesstunde zu ihm kam, um ihm beizustehen und ihn in die himmlische Glorie einzuladen. Er verließ das zeitliche Leben, um in die ewige Herrlichkeit einzugehen, indem er die Worte sprach: "O Jesus, du Sohn Gottes, und der heiligen Jungfrau Maria, nimm meine Seele auf." Dies Beispiel soll uns in der Andacht der Tagzeiten der heiligen Jungfrau bestärken, die dem heiligen Bohumil so lieb war, und zu allen Zeiten Wunder gewirkt hat. (+ 12. Juni 1282)
Wie angenehm Maria das Beten der Tagzeiten ist
Zwei durch ihre Frömmigkeit und Gelehrsamkeit berühmte Kardinäle, der heilige Petrus Damiani und Baronius erzählen uns, dass die Mönche eines Klosters in Italien von Alters her die Gewohnheit hatten, die Tagzeiten der allerseligsten Jungfrau zu beten. Einige laue und nachlässige Ordensleute ließen diesen frommen Gebrauch außer Übung kommen, indem sie als Grund anführten, es sei schon genug, wenn sie alle Tage ihr Brevier beteten, das sie im Gewissen verbinde, ohne auch noch ein anderes Gebet aus purem Überandachtseifer beizufügen. Aber kaum hatte man aufgehört, Maria diese ihrem Herzen so liebe Huldigung darzubringen, als alle möglichen Unglücksfälle über diese sonst so blühende Abtei hereinbrachen. Es meldeten sich keine Novizen mehr, Zwietracht entstand unter den Brüdern, häufige Fälle von Ungehorsam betrübten die Vorgesetzten, mehrere Prozesse und viele andere Widerwärtigkeiten brachten das Kloster an den Rand des Verderbens, und trieben alle Mönche beinahe zur Verzweiflung. Der heilige Petrus Damiani, der dieses Haus besuchte, vernahm ihren Kummer, und erfuhr aus ihrem eigenen Mund die Vernachlässigung, die sie sich gegen Maria hatten zu Schulden kommen lassen. Er riet ihnen dringend an, die Tagzeiten der heiligen Jungfrau von neuem und ohne Verzug zu beten, indem er sie versicherte, Maria habe sie nur deshalb hilflos gelassen, weil sie sie zuerst aufgegeben hätten. Die Mönche wurden durch das Wort des frommen Kardinals gerührt, und kehrten wieder zu der heiligen Übung zur Ehre der Mutter Gottes zurück. Und alsbald sah man den Frieden, die Frömmigkeit und alle Tugenden in der berühmten Abtei wieder aufblühen, die mit dem köstlichsten Segen von der Mutter der göttlichen Gnade überschüttet wurde, die die ihr erwiesenen Huldigungen niemals unbelohnt lässt.
Margareta lebte noch in der Welt, als sie beinahe gezwungen wurde, sich mit einem mächtigen Edelmann ihres Standes zu vermählen. Da sie aber der heiligen Jungfrau gelobt hatte, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, so nahm sie zu dieser guten Mutter ihre Zuflucht, dass sie ihr ihren Schutz verleihe und ihr die Hindernisse besiegen helfe, die sie in ihrer Familie fand. Eines Nachts, da sie mit ihren Gedanken beschäftigt, nicht schlafen konnte, erschien ihr die Mutter Gottes und gab ihr die Versicherung, dass die beabsichtigte Vermählung nicht stattfinden werde. Durch dieses Versprechen beruhigt, stand Margareta sogleich auf, und lief in die Kapelle, um da zur Danksagung die Tagzeiten zur heiligen Jungfrau zu beten. Seit diesem Gesicht empfand sie einen großen Abscheu gegen die Eitelkeiten der Welt. Jede Nacht brachte sie im Gebet zu, und schlief nicht eher ein, als bis die Mutter Gottes sich ihr gezeigt hatte. Maria selbst nahm es auf sich, ihr die Mittel anzugeben, die sie anwenden sollte, um die Welt zu verlassen. Und geleitet von dieser himmlischen Führerin, trat sie in den Orden des heiligen Franziskus ein. Als sie bei der Einkleidung, auf der Erde liegend das "Sei gegrüßt du Meeresstern" mit der größten Andacht betete, und zu den Worten kam: "Zeige dich als Mutter" schnitt sie, von heiliger Inbrunst erfasst, ihr Haar ab, und warf es verächtlich von sich. Im Augenblick ihres Todes hatte sie noch den Trost, Maria zu sehen, und sie vermachte den Schwestern ihres Klosters als eine kostbare Erbschaft die Andacht der Tagzeiten, deren heilsame Wirkungen sie während ihrer Lebenszeit erfahren hatte.
Der selige Jakob, Dominikaner, wurde in seiner Jugend der Obsorge einer seiner Basen, namens Johanna, einer sehr frommen und klugen Frau, anvertraut, die sich bemühte, seinem jungen Herzen eine innige Andacht zu Maria einzupflanzen. Sie lehrte ihn die Tagzeiten der heiligen Jungfrau lesen, und versprach ihm eine Belohnung, wenn er sie hundert Tage hintereinander bete. Jakob tat es halb aus Andacht halb aus Eigennutz. Aber als die hundert Tage verflossen waren, weigerte sich die Tante, ihr Versprechen zu erfüllen. Anstatt darüber böse zu werden, beteuerte Jakob, er wolle von nun an alle Tage diese heilige Andacht verrichten und er hielt Wort. Maria belohnte ihn dafür dadurch, dass sie ihn zum geistlichen Stand im Orden des heiligen Dominikus berief. Der fromme junge Mann, der in einem noch so zarten Alter mehr von der Liebe, als von dem Eigennutz sich hatte leiten lassen, fühlte nun seine Andacht zur heiligen Jungfrau mehr und mehr zunehmen.
Maria ist die Morgenröte unseres Heils, der Heilige Frühling, der Immerwährende Mai in Kirche und Menschheit, unsere mächtige Helferin bei dem Bemühen um eine bessere Welt. Alles, was Pius XII. bislang zur Verherrlichung Mariens getan hat: die Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz der Gottesmutter, die Dogmatisierung ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel, die Proklamation des Marianischen Jahres und die Einsetzung des Festes vom Königtum Mariens, das wir in diesem Jahr erstmals feiern, will der Verwirklichung seines Herzensanliegens diesen: der „besseren Welt“ der Kinder Gottes unter der milden Königsherrschaft Christi. In dieses Strombett münden die Linien der Geschichte und die Führungen der göttlichen Vorsehung, und der gläubige Christ steht ergriffen vor diesem immer deutlicher erkennbaren Sinn unserer bis in die Fundamente erschütterten Gegenwart. Ihr tiefer Sinn ist: das Zeitalter Jesu anzubahnen, die Große Heimkehr zu Ihm – durch die so offensichtliche und gnadenreiche Heimsuchung Unserer Lieben Frau!
Öffnen wir in Ehrfurcht das Buch der göttlichen Ratschlüsse, soweit der Herr uns Einblick schenken will – Er, der allein die sieben Siegel der Geschichte zu lösen vermag!
Auf der ersten Seite stehen die beiden heiligen Namen: Jesus und Maria! Geschrieben mit absoluter göttlicher Festigkeit! Beschlossen, gewollt und geliebt vor aller Zeit! In unzertrennlicher Zweieinheit einander zubestimmt und von Gott an den Anfang aller Dinge und an die Spitze des Menschengeschlechtes gestellt! Ihnen gebührt die Königsherrschaft über das Universum, über die Engel- und Menschenwelt: Ihm, Christus dem Herrn, der das Haupt des Menschengeschlechtes ist, der Anfang und das Ende, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und Maria, seiner jungfräulichen Mutter und Gefährtin, die durch ihr mütterliches Fiat Ihm die Herzen öffnet, damit Mensch um Mensch, Generation um Generation sich in Glaube, Liebe und Treue einfüge in die Gliedschaft seines geheimnisvollen Leibes, durch Ihn Anteil gewinne an der Gnade der Gotteskindschaft und hingeführt werde vor das Angesicht des himmlischen Vaters.
Und nun folgt Seite um Seite die Geschichte der Welt: geschrieben von göttlicher Allmacht und Weisheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit – und von menschlicher Mitwirkung, menschlichem Versagen, menschlichem Trotz und menschlicher Reue – und von den hass- und neiderfüllten Machenschaften des Widersachers, der nur auf die Zerstörung des göttlichen Heilsplanes und das ewige Verderben des Menschengeschlechtes sinnt. Wir lesen Seite um Seite. Vertraute Namen begegnen uns: Adam und Eva, Noah, Abraham, Mose, David, Menschen der Sehnsucht, Zeiten auf Christus hin! Und dann jene unendlich kostbaren Blätter mit dem Bericht über das Leben, Leiden und Sterben des Herrn und die Teilnahme seiner Mutter. Alsdann jene, auf denen die Geschichte des neuen Gottesvolkes steht: die Heldengeschichte der Frühzeit, die glorreiche Geschichte des gläubigen Mittelalters, dessen Dome bis zum Himmel strebten. Und jene, die von der Entchristlichung der letzten Jahrhunderte berichten, vom Substanzverlust an Glaube und Liebe, vom wachsenden Egoismus, von dem beängstigenden Massenabfall, von der Generalmobilmachung der infernalen Geister, von der tödlichen Bedrohung durch den kämpferischen Atheismus, der seine Hand nach der Weltherrschaft ausstreckt – aber auch von dem Elend des verlorenen Sohnes fern vom Haus des Vaters. Und schließlich jenes Blatt, auf dem unsere Generation – und ein jeder von uns – die Geschichte unserer Tage schreibt.
Es ist die Zeit eines atemberaubenden Wettlaufes. Vordergründig: in Forschung und Industrie, in dem unaufhaltsamen Wettrüsten aus Angst vor dem Gegner und der allgemeinen Vernichtung. Aber auch hintergründig. Darauf hat Pius XI. hingewiesen: das Gute und Böse liege in einem gewaltigen Wettkampf: deswegen habe niemand das Recht, heute mittelmäßig zu sein: aber man müsse stolz sein, heute leben zu dürfen und Mitspieler zu sein in dem gewaltigen Drama unserer Tage. Es geht darum, wer das Weltimperium gewinnt: Christus oder der Widersacher. Die Gesamtmenschheit ist zum Bewusstsein ihrer Einheit und Zusammengehörigkeit erwacht. Die asiatischen und afrikanischen Völker drängen ungestüm an ihren Platz in der Gemeinschaft der Welt. Die Religionen und Kulte ihrer Vorfahren brechen zusammen. Sie alle stehen vor der Notwendigkeit einer religiösen Umorientierung. Die Entscheidung wird in unserer Generation vollzogen werden. Wie wird sie ausfallen? Für Christus? – Oder die entsetzliche Fehlentscheidung wider Christus für den materialistischen kämpferischen Atheismus?
Das ist unsere Stunde: groß, herrlich, entscheidungsreich! Jede Epoche muss im Lauf der Menschheitsgeschichte ihre menschliche Zustimmung geben zu jenem ewigen Ratschluss Gottes, der Jesus und Maria an die Spitze der Menschheit gesetzt hat. Welche Entscheidung wird unsere Generation treffen? Für Jesus und Maria? Dann kommt die bessere Welt! Oder für den Widersacher und die Gewaltherrschaft der Finsternis? Es ist in der Tat ein atemberaubender Wettlauf. Wer wird ihn gewinnen?
Trotz allem steht unsere in die Entscheidung gerufene, von den Dämonen gejagte Zeit unter dem Zeichen Mariens, und das bestärkt unsere Hoffnung, dass ein besseres Zeitalter, das Zeitalter Jesu, sich anbahnt. Wie viele marianische Tatbestände haben die Päpste der letzten hundert Jahre in die Geschichte unserer Tage eingetragen? Pius IX. verkündete 1854 das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis; vier Jahre später antwortet die Immaculata in Lourdes, und auf dem Vatikanischen Konzil wird das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündet. Leo XIII., der Rosenkranzpapst, weiht das neue Jahrhundert dem heiligsten Herzen Jesu. Pius X. erklärt, die Verehrung Mariens sei das beste Mittel zur Verwirklichung seines Regierungsprogrammes: der allgemeinen Erneuerung in Christus, damit alle durch Christus Kinder des Vaters werden! Zwar seien die Zeiten verhängnisvoll, aber vor unseren Augen leuchte der Regenbogen, die mildherzige Jungfrau; ihr Anblick versöhnte Gott; die mächtige Jungfrau werde bei uns sein selbst in den verzweifeltsten Lagen und den Kampf gegen den Widersacher siegreich vollenden! Pius XI., der die Laien zum Apostolat ruft, der die Schäden der entchristlichten Gesellschaftsordnung klar mit Namen nennt: Gottlosigkeit, Materialismus, Egoismus und Ungerechtigkeit; der durch das Christkönigsfest die wahren Fundamente einer gottes- und menschenwürdigen Gesellschaftsordnung aufzeigt; derselbe Papst hat uns das Fest von der Mutterschaft Mariens geschenkt und erneut zum Rosenkranzgebet aufgefordert. Und schließlich der gegenwärtige Papst! Er vollendet die Selbstbesinnung der Kirche auf ihr eigentliches Wesen: sie ist der „Geheimnisvolle Leib Jesu Christi“, der in unerschöpflicher Fruchtbarkeit für jede neue Aufgabe neue Glieder ausbildet: Orden, Bewegungen, Vereine, die alle ihre besondere Art und Sendung haben, aber dennoch unter einer letzten gemeinsamen Leitung stehen und einander gliedhaft dienen. Christus ist das Haupt, der Heilige Geist das Lebensprinzip, Maria die Herzmitte und Mutter wie schon im Pfingstsaal. Wie sehr haben wir gerade unter Pius XII. die katholische Weite und Fülle erlebt! Wie sehr bleibt gerade bei diesem „marianischen Papst“ die Gestalt und Verehrung Mariens „in Ordnung“: immer im Gefüge des Ganzen, im Dienst Jesu und seines Reiches! Das gilt von den eingangs erwähnten marianischen Taten dieses Papstes und ebenso von seinen Bemühungen um die „bessere Welt“. Nie wird Maria vergessen, immer „steht sie im Dienst“ und in der Ordnung des Ganzen! Es sind oft Kleinigkeiten, aber sie sind bezeichnend. Am Vorabend des Marienfestes (10. Februar 1952) richtet Pius seinen „Weckruf“ an die Stadt Rom. War nicht schon Fatima im Jahr 1917, als Pius die Bischofsweihe empfing, die himmlische „Vorankündigung“ einer besseren Welt? In Erfüllung des Auftrags von Fatima weiht Pius am 7. Juli 1952 die Völker Russlands der Gottesmutter. Russland wird sich bekehren! Die Ausdehnung des Weckrufes auf alle Diözesen Italiens geschieht am 12. Oktober 1952, wo zur selben Zeit in Fatima unübersehbare Scharen das Gedächtnis der Erscheinungen begehen. Kleinigkeiten, die zeigen, dass Maria „dabei ist“. Das „Marianische Jahr“ sollte die „Große Heimkehr“ ins Vaterhaus beschleunigen und den Widersacher aus der Welt verjagen: „Wo Maria herbeinaht, flieht der Teufel, wie die Finsternis sinkt, wenn die Sonne aufstrahlt“, erklärt der Papst am 8. Dezember 1953.
Und nun das Fest vom Königtum Mariens! Es ist die Aufforderung an uns alle, dem Wettlauf des Bösen zuvorzukommen, den rechten Menschheitsentscheid anzubahnen und in die Geschichte unserer Tage unser Amen einzutragen als Zustimmung zu jenem göttlichen Ratschluss, der Jesus und Maria an die Spitze der Welt gestellt hat. Das ist die bessere Welt der Kinder Gottes unter der milden Herrschaft Jesu und Mariens!
Maria im Glaubenskampf der koreanischen Katholiken
Douglas Hyde, dessen Bekehrung vor einem Marienbild, von ihm selbst in seinem Buch „Anders als ich glaubte“ beschrieben wird, gibt in seinem weiteren Werk „Wem werden sie glauben?“ eine meisterhafte Darstellung über die Lage und das Schicksal der Kirche in Korea. Aus dem nüchtern und doch spannend geschriebenen Werk des gewandten Journalisten geht eines mit völliger Klarheit hervor: nur der Glaube kann den Irrglauben überwinden. Die Kommunisten wissen das viel besser als die westliche Welt es wahrhaben will und betrachten die Katholiken darum überall als ihre ärgsten Feinde. Voll Bewunderung neigt man sich nach der Lektüre dieses Buches vor den koreanischen Christen und ihren Missionaren, aber voll Beschämung muss man daran denken, wie wenig wir selber tun, um ihnen zu helfen – und damit letztlich auch uns vor der furchtbaren Bedrohung zu retten, die ihre Schatten je über die Christenheit warf.
Hier ein Abschnitt aus dem Buch, der von dem Vertrauen der koreanischen Katholiken auf Maria, die Hilfe der Christen, Zeugnis ablegt.
In Mokpo wie in jeder anderen größeren Stadt hatten die einheimischen Kommunisten des langen schon als Vorbereitung auf den Tag, da ihre Genossen aus dem Norden kommen und die Stadt „befreien“ würden, Listen mit den Namen und Anschriften aller Katholiken angelegt. Ein Teil des Befreiungsvorganges bestand in der Hinrichtung jedes einzelnen Katholiken.
Als die Nordkoreaner eintrafen, bekamen sie von der örtlichen Fünften Kolonne die Namenslisten und fingen an, ihr Vorhaben, die ganze katholische Gemeinde auszurotten, in die Tat umzusetzen. In den ersten Tagen nach dem Einmarsch der Kommunisten wurde zwar manche persönliche Rechnung aus früheren Tagen beglichen: die Hinrichtung der Katholiken aber sollte ganz planmäßig erfolgen.
Msgr. Brennan, der Columbanerpater, der das Amt des Apostolischen Präfekten ausübte, sowie P. Cusack und P. O`Brian, zwei seiner Geistlichen, wurden verhaftet und von den Kommunisten mitgeschleppt, als sie nach Norden zurückwichen. Es besteht der dringende Verdacht, dass sie zu den Opfern einer Massenhinrichtung in Taijon gehört haben, wo die Kommunisten kaltblütig Tausende von Gefangenen umbrachten und in Massengräbern verscharrten, bevor sie die Stadt räumten.
Als die Kommunisten die drei westlichen Geistlichen aus dem Weg geräumt hatten, machten sie sich in aller Stille daran, auch die führenden Laien zu beseitigen. Die Katechisten sowie der koreanische Hausboy und der Koch des Pfarrhauses wurden festgenommen und viele einfache Katholiken ebenfalls. Sie wurden alle in Reih und Glied aufgestellt, verhört und bekamen dann gesagt, sie würden, wenn sie ihren Glauben an Gott nicht aufgäben, hingerichtet. Nicht einer wurde wankend.
Zwei Tage darauf wurde der Alte Paul allein verhört, während die Kommunisten das Pfarrhaus ausplünderten. Aber der alte Mann war nicht kleinzukriegen und schalt mit ihnen, obwohl er ihr Gefangener war.
„Ihr dürft das nicht nehmen. Es gehört den Missionaren und der Kirche“, sagte er zu ihnen, als er sah, wie sie Anstalten machten, alles aus dem Haus fortzuschleppen.
„Das kann dir doch egal sein, Großväterchen. Du gehst ja sowieso in den Himmel.“
„Kann sein, und es ist mir auch einerlei. Aber mir gefällt es nicht, wie ihr dieses Land an die Russen ausliefert. Und mir gefällt auch nicht, wie ihr die Kirche behandelt.“
„Halt den Mund und mach dich für deinen wunderschönen Himmel fertig. Wir werden hier schon einen richtigen Himmel schaffen, wenn der Krieg vorbei ist.“
Doch bald erhielten die Nordkoreaner den Befehl, die Stadt zu räumen. Offenbar hatten sie aber beschlossen, die Katholiken dennoch zu beseitigen, bevor sie abzogen.
Ein Mann wurde beauftragt, den Alten Paul umzubringen. Einige übergossen das Haus mit Benzin und wollten es niederbrennen. Andere sperrten alle verhafteten Katholiken in eine Garage ein und übergossen auch die mit Benzin. John, der Koch, wurde gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln, und stand, auf die tödliche Kugel wartend, daneben.
Aber weder der Alte Paul noch John kamen ums Leben: weder ging das Haus des Bischofs noch die Garage voll Christen in Flammen auf. Denn in eben diesem Augenblick erschienen südkoreanische Truppen, unterstützt von amerikanischen Luftstreitkräften, in der Stadt. Der Mann, der im Begriff stand, den Alten Paul umzubringen, wurde selbst, als er davonlief, durch eine amerikanische Bombe getötet, der Kommunist, der Vorbereitungen traf, John, den Koch, in das Grab hineinzuschießen, starb auf dem kurzen Weg zwischen Haus und Kirche mit einem südkoreanischen Messer im Rücken.
Die Kommunisten zogen ab, und die Frauen, die sich auf dem Land in der Umgebung der Stadt versteckt gehalten hatten, kehrten zurück. Die kleine katholische Gemeinde war, ihrer drei Seelsorger beraubt, wieder beisammen.
Dann geschah das Unerwartete. Die nordkoreanischen Kommunisten waren zurückgeschlagen und die Vereinten Nationen nach Norden vorgedrungen: jetzt aber traten die Chinesen in den Krieg ein. Sie standen Gerüchten zufolge bereits in dem Ruf, mit den Katholiken noch grausamer zu verfahren. Und sie stießen geradewegs nach Mokpo vor.
Die Nachricht klang wie Totengeläut für die Einwohner von Mokpo im Allgemeinen und für die Katholiken im Besonderen. Diesmal waren keine Columbanerpatres da, an die sie sich um Rat und Hilfe wenden konnten. Aber die katholischen Gemeindemitglieder begaben sich ganz aus eigenem Antrieb auf den Weg zur Kirche die Anhöhe hinauf, und einige der Heiden schlossen sich ihnen an.
Die Kirche, die bald bis an die Türen gefüllt war, vermochte nicht alle zu fassen, und bald war auch der weite Hof draußen gedrängt voll von Menschen, Heiden wie Christen. Angeführt von ihren Laienkatechisten, begannen sie den Rosenkranz zu beten und flehten zur Gottesmutter, sie möge Mokpo vor den Kommunisten erretten oder, wenn es nicht sein sollte, Gott möge ihnen die Kraft und die Gnade verleihen, als gute Christen zu sterben.
Während die chinesischen Roten weiter und weiter nach Süden vordrangen, verharrte diese vielköpfige bunt zusammengewürfelte Gemeinde die ganze Nacht hindurch im Gebet und bestürmte den Himmel mit ihrem Flehen. Der Feind rückte auf die Stadt zu, aber die große, pausenlose Gebetskanonade ging weiter. Dann, im letzten Augenblick, als es den Anschein hatte, als sei der baldige Fall der Stadt unvermeidlich, trafen die Truppen der Vereinten Nationen ein, trieben die Kommunisten zurück, fort von Mokpo und immer weiter weg, durch das ganze Land bis zum 38. Breitengrad hinauf. Obwohl der Krieg noch jahrelang andauerte, kamen die Kommunisten nicht wieder in die Nähe von Mokpo.
Man kann, wie ich es tat, den Leuten in Mokpo sagen: „Die Streitkräfte der Vereinten Nationen kamen gerade rechtzeitig, um eure Stadt zu retten, nicht wahr?“ Aber selbst die Heiden antworteten: „Die Mutter Gottes war es, die Mokpo gerettet hat.“
Es soll Katholiken geben, die bei der heiligen Kommunion ängstlich bemüht sind, nur an Jesus und nicht etwa an seine Mutter zu denken. Und es soll Priester, ja sogar Bischöfe geben, die nur widerstrebend vor dem in der Monstranz ausgesetzten Allerheiligsten eine Muttergottesandacht halten oder es als „unmöglich“ ansehen, dass ein Marienbild über dem Tabernakel angebracht wird. Sie meinen offenbar, Maria habe mit der Eucharistie nicht viel zu tun, zum mindesten müsse die „Ordnung“ eingehalten werden. Ein Gedanke an sie in dem Augenblick, da man sich mit Jesus vereinigt, ein Gebet zu ihr, wenn der Herr in der Hostie hoch auf dem Altar vor der Gemeinde thront, sei unangemessen, wenn nicht gar ungehörig.
Dabei gehören Jesus in der Eucharistie und Maria auf das engste zusammen! Sehen wir nur genauer hin:
Ist die Eucharistie nicht jene heilige Handlung, in der das Kreuzesopfer von Golgatha in unserer Mitte gegenwärtig wird? Kann man aber dieses Opfer, die Heilige Messe, feiern, ohne der Mutter Jesu zu gedenken? Die Opfergabe, die Priester und auch die Gemeinde dem himmlischen Vater in der Messe darbringen, ist doch der Leib Jesu Christi, „uns gegeben, uns geboren aus der Jungfrau keusch und rein“ (Hymnus „Pange lingua“ vom heiligen Thomas von Aquin). Und ist die Eucharistie nicht das Fleisch Christi, das wir beim Opfermahl der Messe als Speise unserer Seele empfangen? Dieses Fleisch aber hat der Herr unter der Überschattung des Heiligen Geistes „angenommen aus Maria, der Jungfrau“ (Credo der Heiligen Messe). Maria hat die Opferspeise wesentlich mitbereitet. Nicht nur das. Sie nahm in besonders enger Weise teil an der Opferhandlung von Golgatha, die auf dem Altar erneuert wird. Als Jesus den Kreuzweg ging, war Maria an seiner Seite, und als er sein Opfer am Kreuz vollbrachte, da stand sie zum Zeichen der Einheit mit ihm, unter dem Kreuz. Von Marias Anteil am Opfer ihres Sohnes sagt Papst Benedikt XV.: „Um unserer Erlösung willen gab sie ihre mütterlichen Ansprüche auf Jesus preis und opferte ihn, soweit es auf sie ankam, der göttlichen Gerechtigkeit hin, so dass man mit gutem Grund sagen kann, sie habe zusammen mit Christus die Menschheit erlöst.“
Maria war also nicht nur durch die natürlichen Bande des Blutes einzigartig mit Christus verbunden. Zwischen ihnen herrschte „die Einheit des Leidens und Willens“, so dass Maria, wegen ihres Zusammenhanges mit dem Opfer Jesu, die „Wiederherstellerin der verlorenen Welt“ und „die Mittlerin aller Gnaden“ wurde (Pius XI.).
Ist es also, da Maria und die Eucharistie dermaßen innig miteinander verbunden sind, ungebührlich, während der Heiligen Messe und bei der heiligen Kommunion auch an sie zu denken? Ihr zu danken, dass sie sich in selbstloser Weise zu unserer Erlösung in den Dienst Christi gestellt hat?
Wir sollten aber auch aus einem anderen Grund an Maria denken, wenn wir das eucharistische Opfer feiern und zum Tisch des Herrn gehen: dann wie von ihr die rechte Haltung lernen.
Müssen wir nicht gestehen, dass wir bei der Heiligen Messe oft oberflächlich sind? Können wir behaupten, dass wir immer mit der gebührenden Haltung kommunizieren? Eine schöne landläufige Redeweise besagt, der Katholik nehme bei der heiligen Kommunion Christus in sein Herz auf. Trifft das in Wirklichkeit zu? Schließen wir tatsächlich unser Herz für Christus auf? Lassen wir ihn in die Mitte unseres Wesens ein? So dass die Kraft der Eucharistie unser Inneres bis in die tiefsten Gründe durchströmen kann? Wir Katholiken leiden vielfach an einer Krankheit, die heute weit verbreitet ist: an der Spaltung unserer Person. Wir haben uns selbst gespalten! Wir verstehen es, die verschiedenen Schichten unseres Seins voneinander zu trennen, etwa so wie ein Autofahrer mit Hilfe der Kupplung den Motor seines Wagens vom Getriebe trennt. Vor allem die innerste Kammer unseres Ich, in der wir die geheimsten Gedanken denken, die entscheidenden Taten beschließen, schirmen wir wie mit einem Eisernen Vorhang gegen jede Macht, die von außen eindringen will, fugendicht ab. Auch gegen die Macht, die uns in der Brotsgestalt ergreifen und erfüllen will. Selbstsüchtig, wie wir sind, geben wir Jesus nicht unser Herz preis. Kann es, da wir uns so verhalten, Wunder nehmen, wenn unser Kommunionempfang nicht genug Früchte bringt? Die Fruchtbarkeit eines Samenkorns wird entscheidend mitbestimmt von den Bedingungen des Bodens, in den es fällt. Der Same des eucharistischen Brotes muss, um sechzig- und hundertfältige Frucht bringen zu können, in das Erdreich des menschlichen Herzens fallen, sonst verdorrt oder erstickt die keimende Saat wie jene, die auf felsigen Boden und unter die Dornen fiel.
Aber wir Christen spalten nicht nur unsere Person, wir spalten auch unsere Zeit. Und wie wir von unserer Person für Christus statt des Kernes nur die Schale übrighaben, so schenken wir ihm von unserer Zeit nur ein paar dürftige Stunden am Rand. Gerade die Zeit, in der wir arbeiten, die Welt mitgestalten, Menschen beeinflussen, diese entscheidende Zeit enthalten wir Christus vor. Wen wundert es, dass die Zeit, in der wir leben, unser Jahrhundert, nicht von Christus geprägt ist, da wir Katholiken unsere Zeit nicht von Christus prägen lassen?
So ist es höchst notwendig, dass wir heutigen Katholiken an Maria denken, auf ihr Beispiel schauen, um zu lernen, wie wir unsere Halbheit überwinden können und in der rechten Weise die Heilige Messe mitfeiern, die heilige Kommunion empfangen.
Was wir bei uns beklagen müssen: die Gespaltenheit unseres Wesens, die Verschlossenheit, die kalte Unentzündbarkeit unseres Herzens Christus gegenüber, fehlte bei ihr ganz und gar.
Sie war, so kann man sagen, unter allen Menschen die erste, die die heilige Kommunion empfing. In der Verkündigungsstunde von Nazareth kehrte der Sohn Gottes in sie ein, nicht wie bei uns unter den sakramentalen Gestalten, sondern „leibhaftig“. Wie aber hatte sie sich für dieses Kommen Christi bereitet! Vom ersten Augenblick ihres Daseins an gehörte sie ganz ihm. Sie war Jungfrau und wollte Jungfrau bleiben. Das heißt: sie wollte als Braut einzig dem Herrn zu eigen sein. Als sie „Ich bin die Magd des Herrn!“ sprach, öffnete sie Christus ihre ganze Person bis hinab in den mütterlichen Grund. Alle Kräfte und Säfte ihrer Natur, das Sinnen und Sorgen ihres Herzens trat in den Dienst ihres göttlichen Kindes.
Auch die unselige Spaltung der Zeit, des Lebens in ein Sonntagschristentum und Werktagsheidentum, war ihr völlig fremd. In den Monaten zwischen Verkündigung und Geburt lebte sie in mütterlicher Hingabe ausschließlich für das Kind in ihrem Schoß. Arbeit für Christus war der Inhalt ihres Daseins in den dreißig Jahren des verborgenen Heilandslebens zu Nazareth. „Alles meinem Gott zu Ehren, in der Arbeit, in der Ruh!“ das blieb bei Maria nicht nur ein schöner Vorsatz, das machte sie Tag für Tag im Leben wahr.
Gibt es eine bessere Schule, die rechte Art der Mitfeier der Heiligen Messe, die rechte Haltung für den Empfang der heiligen Kommunion zu erlernen, als das lebendige Vorbild Marias?
Noch ein dritter Grund muss uns bewegen, die Mutter des Herrn im Zusammenhang mit der heiligen Eucharistie nicht zu übersehen. Maria gibt nicht nur das beste Beispiel, wie wir die Heilige Messe mitfeiern und uns für das Kommen des Heilandes rüsten sollen: Maria kann uns für Christus bereiten!
Weil die Kraft Christi ungehemmt, wie in ein offenes Gefäß, in sie einströmen konnte, und sie nun randvoll füllt, darum stellt auch sie eine Kraft dar, eine Kraft, die uns oberflächliche, geteilte Katholiken aus unserer Ichversponnenheit und Halbheit ganz auf die Seite Christi zu ziehen vermag. Der Herr hat sie vom Kreuz herab uns zur Mutter gegeben. Mit der Mutteraufgabe erhielt sie auch Muttermacht. Was der Mensch aus eigenem nur schwer fertigbringt, gelingt dem mütterlichen Einfluss Marias leicht: ein Herz für den Herrn aufzuschließen. Tiefer als sie, die am innigsten mit Christus litt, kann uns niemand das lebendige Verständnis des eucharistischen Opfers vermitteln. Besser als sie, die ihn neun Monate unter dem Herzen trug, vermag kein Mensch sonst uns in das Geheimnis der heiligen Kommunion einzuführen. Unter ihren linden Mutterhänden heilt die unser Wesen spaltende Wunde der Ichsucht zusammen. In der Sonne ihrer Mutterliebe blüht unser Herz Christus entgegen. Sie kann den Samen des göttlichen Lebens, der bei der heiligen Kommunion in unser Herz gesenkt wird, am besten betreuen und pflegen, bis Christus geheimnisvoll in unserer Seele neugeboren wird, und wir zum vollen Mannesalter Christi heranwachsen.
Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, die neun Monate lang denjenigen in ihrem keuschen Schoß getragen hat, der die Nächstenliebe selbst ist, flößt ihren frommen Kindern ein zärtliches Mitleid für alle Unglücklichen ein, die in Dürftigkeit und Krankheit schmachten.
Und wie sollte Maria nicht in Wirklichkeit eine Vorliebe für die Unglücklichen haben, die die leidenden Glieder ihres göttlichen Sohnes sind?
Nach dem Tabernakel, wo er wohnt, ist Jesus Christus nirgends mehr, als bei denjenigen, die leiden. Er selbst versichert uns im Evangelium, dass er alles, was wir für sie tun, so ansehe, als ob wir es ihm getan hätten.
Die schwache Stimme, die euch bittet, ist die Stimme eures Heilands. Die Hand, die an eure Tür klopft, wenn draußen der Sturm heult und der Regen in Strömen herabfällt, ist die Hand, die am Kreuz für euch mit Nägeln durchbohrt wurde. Den Armen abweisen, heißt den göttlichen Sohn Mariens abweisen, heißt im Herzen dieser zärtlichen Mutter den Schmerz erneuern, den sie empfand, als man ihr zu Bethlehem die Gastfreundschaft verweigerte, Dies ist das große Geheimnis der christlichen Liebe, ein Geheimnis, das uns eine neue Eucharistie bietet, worin wir Gott in den Armen speisen, wie unser Gott uns mit sich selbst speist unter den sakramentalen Gestalten. Durchdrungen von dieser rührenden Wahrheit schätzen sich nach dem Beispiel ihrer zärtlichen Mutter alle frommen Kinder Mariens glücklich, den göttlichen Heiland in der Person der Notleidenden unterstützen und trösten zu können.
Der heilige Gregor erzählt uns im Leben des seligen Deodatus, eines Schusters von Profession, dass dieser fromme Handwerksmann alle Samstage in die Peterskirche zu Rom ging, wo er zur Ehre Mariens an die Armen alles verteilte, was er die Woche über verdient hatte. Diese Wohltätigkeit war Maria so angenehm, dass sie einem ihrer andächtigen Diener in einem Gesicht zeigte, wie Baumeister für Deodatus einen goldenen Palast bauten.
Der heilige Ludwig, König von Frankreich, hatte eine bewunderungswürdige Andacht zur Mutter Gottes. Um seiner erhabenen Patronin zu gefallen, ließ er an jedem Samstag, dem Maria geweihten Tag, eine Menge armer Leute in seinem Palast zusammenkommen, wusch ihnen nach dem Beispiel seines göttlichen Meisters die Füße in einem Becken, trocknete sie mit seinen königlichen Händen ab, und küsste sie mit einer Ehrfurcht, die deutlich zeigte, dass er in ihnen die Glieder Jesu Christi erkenne. Um die Mildtätigkeit mit der Demut zu vereinigen, ließ er sie speisen, und bediente sie bei Tisch eigenhändig, tausend Mal glücklicher, auf solche Weise Jesus Christus und seine heilige Mutter zu verherrlichen, als über alle Ehrenbezeugungen, die er von seinem Hof erhielt. Schließlich beendete er diese rührende Handlung damit, dass er an jeden dieser dürftigen Leute zur Ehre Mariens ein reichliches Almosen verteilte. Dieser heilige König hatte gewünscht, am Samstag zu sterben, als wollte er durch das Opfer seines Lebens den Huldigungen, die er an diesem Tag der erhabenen Himmelskönigin erwiesen hatte, die Krone aufsetzen. Maria erhörte seine Bitte, und der heilige Ludwig entschlief an diesem Tag sanft in der Umarmung seiner göttlichen Mutter.
Die heilige Elisabeth von Ungarn hatte von der zartesten Kindheit an eine so große Neigung zum Dienst Gottes, dass sie, obgleich erst fünf Jahre alt, gerne in die Kirche ging, wo sie mit so viel Inbrunst und Liebe betete, dass man Mühe hatte, sie daraus zu entfernen. Unter ihren Andachten war eine der hauptsächlichsten die zur allerseligsten Jungfrau, und da sie gerne Almosen gab, so teilte sie an die Armen alles Geld aus, das sie auftreiben konnte, unter der Bedingung jedoch, dass sie das Ave Maria beten sollten. Es war dies eine sinnreiche Art, den Marien-Kult zu verbreiten. Wer dies nicht durch Almosen zu erzielen vermag, wird es gewiss durch seinen Rat vermögen, und er wird bei seinem Tod dafür belohnt werden.
Mehrere Heilige führten den Namen Elisabeth. So auch die Tochter des Königs Peter von Aragonien, der im Ruf der Heiligkeit starb.
Von Jugend auf fromm erzogen und von Natur aus zur Tugend geneigt, versprach sie für die Zukunft das Beste. In ihrem dreizehnten Lebensjahr wurde sie an König Dionys von Portugal vermählt. Auch auf dem Thron setzte sie ihre Übungen, besonders die Verehrung der seligsten Jungfrau fort.
Nach dem Tod ihres Gemahls, um dessen Bekehrung sie gebetet hatte, trat Elisabeth in das Kloster der Klarissinnen und tat sich hier durch Demut, Enthaltsamkeit und Gehorsam hervor. Worin sie aber besonders sich auszeichnete, war das Fasten, das sie an allen Vorabenden der Marienfeste, besonders in den vierzig Tagen vor Ostern übte.
Als die heilige Königin Elisabeth dem Tod nahe war, stand an ihrem Bett die Königin Beatrix, ihre Schwiegertochter, die ihr immer zusprach und sich bemühte, durch die anstrengendste Sorgfalt ihre Leiden zu lindern. Plötzlich wendete sich Elisabeth an Beatrix und sagte zu ihr: "Meine Tochter, mach doch der Dame Platz, die hier kommt." "Ich sehe niemand", antwortete Beatrix. "Wie," versetzte Elisabeth, "du siehst die weißgekleidete Frau nicht, die auf uns zukommt?" Beatrix sah niemanden, aber sie dachte sich, die Frau, von der die Sterbende sprach, müsste die Königin der Engel sein, die kommt, um eine ihrer ergebensten Dienerinnen in der Sterbestunde zu stärken. Elisabeth, die fühlte, dass der Tod ihr nahe war, wiederholte mehrere Male unter Liebesseufzern: "Maria, Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit, beschütze mich gegen die Angriffe des Feindes und nimm mich auf in der Stunde des Todes." Gleich darauf schlossen sich ihre Augen sanft, sie hatte aufgehört zu leben.
Es ist nicht überraschend, dass die Mutter Gottes eine Heilige, die ihr ganzes Leben lang ihr mit einem solchen Eifer gedient hatte, mit einer so ganz besonderen Gnade beglückte. Elisabeth bereitete sich auf das Fest Mariä Himmelfahrt immer mit einem vierzigtägigen Fasten vor, währenddessen sie keine anderen Nahrungsmittel zu sich nahm, als solche, die während der Fastenzeit erlaubt waren. An den Tagen vor den übrigen Festen fastete sie bei Wasser und Brot. So lebte eine Königin, die von Jugend auf an die Leckerbissen einer königlichen Tafel gewöhnt war, denn sie erinnerte sich der Mäßigkeit, die Maria beobachtet hatte, obgleich sie aus der erlauchten Familie des Königs David abstammte.
Noch ein anderes Beispiel zu Ehren Mariens:
Der heilige Papst Peter Cölestin, war ein sehr eifriger Diener Mariens. Da ihm im Alter von drei Jahren in Folge eines Sturzes auf einen spitzen Gegenstand das Auge ausgelaufen war, so heilte die heilige Jungfrau dieses Organ gründlich und machte es wieder schön und gesund, wie es vorher gewesen war. Als er später die Schulen besuchte, wurde er von der heiligen Jungfrau und dem heiligen Evangelisten Johannes oft besucht und unterrichtet. Im Mannesalter pflegte er jährlich vier strenge Fasten zu halten, wovon das dritte immer der Verehrung der Mutter Gottes geweiht war. Er begann es am Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und beendete es mit Mariä Himmelfahrt. Er unterließ niemals, die zahlreichen Gläubigen, die ihn besuchten, zur Andacht und Liebe zu Maria aufzumuntern. Und in den Jahren, die er auf dem Stuhl des heiligen Petrus zubrachte, vernachlässigte er nichts, um den Kult derjenigen zu verbreiten, die der Schild der streitenden Kirche ist.
Das Magnificat ist das erste geistliche Lied des Neuen Testaments, der herrlichste Gesang der heiligen Schriften, der, der zugleich am meisten Schwung in den Gefühlen, und am meisten Erhabenheit in den Worten enthält. Es ist dies das bewunderungswürdigste Gedicht, das den höchsten Begriff von Gottes Größe gibt. Es ist der schönste Psalm unter den heiligen Gesängen, der Gesang, den die Priester nur aufrecht stehend singen, indem sie dabei vor dem Bildnis Mariens das Rauchfass schwingen.
Das Magnificat ist das erhabenste Lied, das die Poesie der Engel der Erde gegeben hat, die fließendste, bündigste und glänzendste Erzählung der umfassendsten Tat, die je geschah.
Das Magnificat ist ein Gesang der Lobpreisung, ein Gesang der Bewunderung, der Dankbarkeit und der Liebe. Es ist der höchste Ausdruck der glühendsten Begeisterung, die göttlichste Bezeichnung der himmlischsten Verzückung, die jemals eine unsterbliche Seele berauscht hat.
Das Magnificat ist der Gesang der göttlichen Mutterschaft in ihrem ersten Aufjauchzen, das Hochzeitslied des Heiligen Geistes, der Hymnus des Wortes bei seiner Einkehr in Maria. Der Herr selbst lobpreist seine Mutter durch ihren eigenen Mund, der bloß das äußerliche Werkzeug ist, um die bewunderungswürdige Hymne ausströmen zu lassen, die das Wort ihrem Herzen einflößte.
Seit ich Priester bin, sagt darüber Pater Gerambe, habe ich niemals dem kirchlichen Gottesdienst, besonders an den der Verehrung der heiligen Jungfrau geweihten Tagen beigewohnt, ohne dass das Magnificat meine Seele entzückt, ohne dass es die schönsten Gedanken, die zartesten Empfindungen in mir erweckt hätte. Wie oft ist es mir nicht begegnet, mich selbst zu fragen, wie von den Lippen einer demütigen, von armen Eltern geborenen Tochter, ohne Wissenschaft und Kunst, so große, so erhabene Worte haben ausgehen können? Wie diese in Verborgenheit lebende Jungfrau, die niemals die Welt kannte, und der Welt immer unbekannt war, wissen und vorhersagen konnte, dass die ganze Welt, dass alle Geschöpfe sie nicht nur kennen, sondern sie von nun an und in alle Ewigkeit selig preisen würden? Und in dem Entzücken, in das mich ein solches Wunder versetzte, konnte ich Gott nicht genug dafür danken, dass die Menschen, die da guten Willens sind, im Magnificat einen der schönsten prophetischen Beweise für die Göttlichkeit der Religion, die Jesus Christus auf die Erde brachte, finden sollten.
"Überblickt, ich bitte euch," sagte der heilige Ildefons, "alle Länder, die die Sonne bescheint, und seht, dass es beinahe keine Nation, kein Volk gibt, das nicht an Christus glaubt, und dass überall da, wo Christus bekannt ist und angebetet wird, auch die ehrwürdige Maria Mutter Gottes selig gepriesen wird. Auf dem ganzen Erdenrund, in jeder Sprache wird die Jungfrau Maria selig gesprochen; so viele Menschen es gibt, ebenso viele Zungen gibt es hierfür! Was sie allein vorausgesagt hat, das bringen alle in Erfüllung."
Um Gott für die Gnaden zu danken, die er der allerseligsten Jungfrau erwiesen hat, werden alle Kinder Mariens nach dem Beispiel der seligen Maria von Oignies und vieler anderer Heiligen recht oft das Magnificat sprechen. Dies ist das einzige Gebet und das einzige Werk, das Maria verfasst hat. In diesem Gesang gibt es Geheimnisse, die über den Verstand der Engel hinausgehen.
(Dieses von P. DE CONDREN verfasste und von OLIER vervollständigte Gebet wird in den Seminarien von St.-Sulpice täglich am Ende der Morgenbetrachtung verrichtet. Es steht am Schluss des Buches, das Papst Franziskus bei seiner Ansprache anlässlich des Weihnachtsempfangs für die römische Kurie am 21. Dezember 2018 den Anwesenden mit den Worten übergab: "Es ist ein Klassiker: Das Kompendium der aszetischen und mystischen Theologie von Tanquerey. Ich glaube, dass sie gut ist. Man lese nicht alles in einem Zug durch, sondern suche im Inhaltsverzeichnis nach einzelnen Themen: diese Tugend, jene Haltung oder eine andere Sache. Es wird gut tun für die innere Reform eines jeden von uns und für die Reform der Kirche.")
1590. Um jedoch die von der Kirche uns gebotenen, reichlichen Mittel zur Heiligung recht zu benützen, müssen wir uns mit den inneren Gesinnungen Jesu ganz durchdringen. Zur Erweckung solcher Gesinnungen verhilft uns das schöne Gebet: "O Jesu vivens in Maria." Besser als mit dessen kurzer Erklärung können wir dieses Buch nicht schließen.
GEBET: O Jesu vivens in Maria
O Jesus, der du in Maria lebst,
komm und lebe in meiner Seele,
durch deinen Geist der Heiligkeit,
durch die Fülle deiner Macht,
durch die Vollkommenheit deiner Wege,
durch die Wahrheit deiner Tugenden,
durch die Teilnahme an deinen Geheimnissen,
siege in mir über alle feindliche Macht,
durch deinen Geist, zur Ehre deines Vaters.
Drei Teile von ungleicher Länge lassen sich in diesem Gebet unterscheiden: im ersten wird gesagt, an wen sich diese Bitte richtet. Im zweiten findet sich der Gegenstand dieser Bitte. Im dritten ihr Endzweck.
1591. An wen ist das Gebet gerichtet?
An Jesus, der in Maria lebt, d.h. an das Fleischgewordene Wort, an den Gottmenschen, der in der Einheit einer selben Person die göttliche und menschliche Natur zugleich besitzt, der für uns Verdienst-, Vorbilds- und Lebens-Ursache unserer Heiligung ist. Wir wenden uns an Ihn als lebend in Maria. Neun Monate lang weilte er ehemals leiblicherweise in ihrem jungfräulichen Schoß. Von diesem Leben ist hier nicht die Rede. Es hörte mit der Geburt des Gotteskindes auf. Durch die hl. Kommunion schenkte er ihr seine sakramentale Gegenwart: diese aber hörte mit der letzten hl. Kommunion Mariä auf Erden auf. Er lebte und lebt noch in ihr mystischerweise als Haupt des mystischen Leibes, dessen Glieder alle Christen sind. In Maria jedoch ist dieses Leben viel erhabener, weil sie im mystischen Leib Christi die ehrenvollste Stelle einnimmt. Er lebt in ihr durch seinen göttlichen Geist, d.h. durch den Hl. Geist, den er seiner Mutter mitteilt. Und dieser Geist bewirkt in ihr ähnliche Gesinnungen wie in der menschlichen Seele Christi. Kraft der Verdienste und Gebete des Heilandes wird also Maria vom Hl. Geist geheiligt und verherrlicht, wird Jesus so ähnlich wie nur möglich gemacht, so dass sie als vollkommenste, lebende Nachbildung Christi erscheint: "Haec est imago Christi perfectissima quam ad vivum depinxit Spiritus Sanctus."
Treffliche Worte sagt Olier darüber: "Was Christus seiner Kirche ist, das ist er in vorzüglichster Weise seiner heiligsten Mutter. So ist er ihr innere Gottesfülle. Wie er sich für sie in eigenartiger Weise als für die ganze Kirche hinopferte, so schenkt er ihr auch sein göttliches Leben in reichlicherem Maß als der ganzen Kirche. Er verleiht es ihr sogar aus Dankbarkeit, in Anerkennung des von ihr erhaltenen Lebens. Allen seinen Gliedern versprach er ja hundertfache Vergeltung für jede hienieden ihm bewiesene Liebestat. Darum will er auch seiner Mutter das von ihrer Liebe und Frömmigkeit erhaltene menschliche Leben hundertfach vergelten. Und dieses Hundertfache ist das unendlich wertvolle, unschätzbare göttliche Leben... Dieses Leben Jesu in Maria muss darum in diesem Sinne aufgefasst werden: Jesus Christus, unser Alles, lebt in der allerseligsten Jungfrau mit der Fülle göttlichen Lebens, sowohl jenes Lebens, das er von seinem Vater empfangen, als jenes anderen, das er den Menschen durch die Lebensaufgabe seiner Mutter erwarb und verdiente. In ihr lässt er alle Schätze seiner Reichtümer, den Glanz seiner Schönheit und die Wonnen des göttlichen Lebens hervortreten... In ihr wohnt er mit seiner ganzen Machtvollkommenheit, in ihr wirkt er mit ganzer Ausdehnung seines göttlichen Geistes. Mit ihr ist er ein Herz und eine Seele, ein Leben." - Fortwährend findet dieses Leben durch ihn seine Ausbreitung in ihr, "er liebt in ihr, lobt in ihr, betet in ihr Gott, seinen Vater, an, als in einem würdigen Ersatz seines Herzens. In ihr breitet er sich aus und vervielfältigt sich mit Wonne."
1592. Jesus lebt in Maria mit seiner Fülle, nicht nur, um sie zu heiligen, sondern um durch sie die anderen Glieder seines mystischen Leibes zu heiligen: ist sie ja, wie der hl. Bernhard sagt, "der Kanal, durch den uns alle Verdienstgnaden ihres göttlichen Sohnes zufließen: Totum nos habere voluit per Mariam".
Es ist daher Jesus sehr wohlgefällig und zugleich auch unserer Seele sehr zuträglich, uns an Jesus, der in Maria lebt, zu wenden. "Was gibt es wohl für Jesus Christus Süßeres und Angenehmeres, als an diesem Ort seiner Wonnen, auf diesem Gnadenthron, inmitten dieses verehrungswürdigen Glutofens heiliger Liebe zum Wohl aller Menschen aufgesucht zu werden? Welch reichlichere Gnaden- und Lebensquelle kann es geben als diesen Ort, wo Jesus wie in der Lebensquelle aller Menschen und wie in der Nährmutter seiner Kirche lebt?"
Mit Recht können wir daher von Vertrauen erfüllt sein, wenn wir zu Jesus beten, der in Maria lebt.
1593. Welches ist der Gegenstand dieses Gebetes?
Das innere Leben mit allem, was dazu gehört. Das innere Leben als Teilnahme an jenem Leben, das Jesus seiner Mutter mitteilt, und dessen Mitteilung wir von seiner Güte auch für uns erflehen.
A) Jesus, der in Maria lebt, ist der Quell dieses Lebens. Wir bitten ihn also demütig, er möge in uns eingehen und in uns leben, versprechen ihm auch, uns seinem Wirken bereitwillig zu überlassen: "Veni et vive in famulis tuis."
a) Wie zu Maria kommt er zu uns durch seinen göttlichen Geist, durch die bleibende Gnade: so oft diese sich in uns vermehrt, nimmt auch der Geist Jesu in uns zu; so oft wir folglich einen übernatürlichen, verdienstlichen Akt verrichten, kommt dieser göttliche Geist zu uns und verähnlicht unsere Seele derjenigen Jesu wie auch der Seele Mariä. Welch mächtiger Beweggrund, unsere verdienstlichen Akte aus Liebe zu Gott zu verrichten, zu vermehren und intensiver zu gestalten!
b) Er wirkt in uns durch die beistehende Gnade, die er uns verdient hat und uns durch seinen göttlichen Geist mitteilt; er bewirkt in uns das Wollen und das Vollbringen: "operatur in nobis velle et perficere." Er wird der Antrieb all unserer Regungen, unserer inneren Gesinnungen, so dass unsere Handlungen ihren Ausgang einzig aus Jesus nehmen, der uns sein eigenes Leben, seine Gesinnungen, seine Neigungen, seine Wünsche mitteilt. Dann dürfen wir mit dem hl. Paulus sagen: "Ich lebe, doch nicht ich, sondern Jesus lebt in mir."
c) Damit dem so sei, müssen wir uns als treue Diener, in famulis tuis, von ihm führen lassen und bei seiner Tätigkeit in uns mitwirken. Mit aller Aufrichtigkeit sollen wir wie die allerdemütigste Jungfrau sagen: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort: Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum." Bleiben wir nur unseres Elendes und unserer Ohnmacht und bewusst und folgen wir schnell auch den geringsten Einsprechungen der Gnade. Das ist für uns ehrenvolle Dienstbarkeit, "cui servire regnare est", eine Knechtschaft der Liebe, Unterwürfigkeit gegen Jenen, der uns zwar Herr, aber auch Vater und Freund ist und der uns nichts befiehlt, was nicht zum Wohl unserer Seele gereicht. Öffnen wir daher Jesus und seinem göttlichen Geist recht weit unsere Herzen, damit er darin herrsche, wie er im Herzen unserer Mutter unumschränkte Herrschaft besaß!
1594. B) Jesus ist der Quell aller Heiligkeit. Wir bitten ihn also, in uns zu leben und zu wirken: "in spiritu sanctitatis tuae", um uns seine innere Heiligkeit mitzuteilen.
In ihm ist eine zweifache Heiligkeit: die substanzielle oder wesentliche Heiligkeit, die aus seiner hypostatischen Vereinigung hervorgeht, und die mitgeteilte Heiligkeit, die einfach die erschaffene Gnade ist. Wir bitten ihn um Mitteilung dieser Heiligkeit. Es ist das zunächst Abscheu vor der Sünde und Trennung von allem, was dazu führen könnte, äußerstes Fernhalten der Geschöpfe und alles selbstischen Strebens. Es ist aber auch Anteilnahme am göttlichen Leben, innige Vereinigung mit den drei göttlichen Personen, eine Liebe zu Gott, die stärker als jede andere Liebe ist, kurz, positive Heiligkeit.
1595. Aus uns selbst aber sind wir unfähig, sie zu erwerben, darum flehen wir ihn an, zu uns zu kommen in der Fülle seiner Kraft oder seiner Gnade: "in plenitudine virtutis tuae." Und im Misstrauen bezüglich möglicher Empörung unsererseits fügen wir noch mit der Kirche bei, er möge unsere aufrührerischen Fähigkeiten seiner Herrschaft unterwerfen: "etiam rebelles ad te probitius compelle voluntates."
Wir erflehen somit eine wirksame Gnade, jene, die bei aller Achtung unserer Freiheit auf die geheimen Triebfedern des Willens einwirkt, um diesen zur Einwilligung zu bewegen; eine Gnade, die nicht vor unserem instinktiven Widerwillen oder unserem törichten Widerstand Halt macht, sondern sanft und doch stark das Wollen und das Vollbringen in uns bewirkt.
1596. C) Ohne Nachahmung unseres göttlichen Vorbildes kann aber die Heiligkeit nicht erworben werden, darum bitten wir ihn, uns in der Vollkommenheit seiner Wege wandeln zu lassen: "in ferfectione viarum tuarum", d.h. uns sein Verhalten, sein Tun, seine äußeren und inneren Handlungen in ihrer ganzen Vollkommenheit nachahmen zu lassen. Mit anderen Worten, wir bitten darum, lebendige Nachbilder Jesu zu werden, ein anderer Christus, damit wir unsern Jüngern wie der hl. Paulus sagen können: "Seid meine Nachfolger, wie ich ein Nachfolger Christi bin: imitatores mei estote sicut et ego Christi. Ein hohes Ideal, so vollkommen, dass wir aus uns es nicht verwirklichen können! Doch Jesus wird unser Weg: "Ego sum via", ein leuchtender, lebendiger Weg, sozusagen ein wandelnder Weg, der uns nach sich zieht: "Es ego, cum exaltatus fuero a terra, omnia traham ad me ipsum." (Joh. 12,32) Wir wollen uns also fortreißen lassen von dir, o göttliches Vorbild. Wir wollen uns bemühen, deine Tugenden nachzuahmen.
1597. D) Deshalb fügen wir hinzu: "in veritate virtutum tuarum." Die Tugenden, um die wir bitten, sind echte, nicht scheinbare. Unter einem Anstrich von rein äußerlichen Tugenden verbergen manche Menschen heidnische, sinnliche, stolze Gesinnungen. Das entspricht nicht wahrer Heiligkeit. Was Jesus uns bringt, sind innere Tugenden, kreuzigende Tugenden, wie Demut, Armut, Abtötung, vollkommene Lauterkeit des Geistes und des Herzens wie auch des Leibes. Mit Gott vereinigende Tugenden, wie Glaubensgeist, Vertrauen und Liebe. Auf diese Weise wird die christliche Seele herangebildet und der Christ in einen anderen Christus umgewandelt.
1598. E) DieseDiese Tugenden hat Jesus hauptsächlich in seinen Geheimnissen geübt und darum bitten wir, an der Gnade seiner Geheimnisse teilnehmen zu dürfen: "in communione mysteriorum tuorum." Freilich gehören alle Haupthandlungen des göttlichen Meisters zu diesen Geheimnissen, jedoch besonders die von Olier in seinem Catéchisme chrétien dargestellten sechs großen Geheimnisse: Die Menschwerdung, die uns zur Entäußerung von jeglicher Eigenliebe auffordert, um uns in Vereinigung mit Jesus ganz dem Vater zu weihen: "Ecce venio ut faciam, Deus, voluntatem tuam." Kreuzigung, Tod und Begräbnis Jesu, die ebensoviele Stufen jener gänzlichen Hingabe ausdrücken, wodurch wir die böse Natur zu kreuzigen, zu ertöten und auf immer zu begraben suchen. Auferstehung und Himmelfahrt als Sinnbild vollkommener Losschälung vom Geschöpflichen und als Symbol des überirdischen Lebens, das wir zu führen wünschen, um in den Himmel zu kommen.
1599. F) Selbstverständlich können wir zu solcher Vollkommenheit nur dann gelangen, wenn Jesus in uns kommt, um alle feindlichen Mächte, nämlich das Fleisch, die Welt und den bösen Geist, zu beherrschen. "Dominare omni adversae potestati." Gegen die schweren Angriffe dieser drei Feinde müssen wir uns fortwährend verteidigen. Wir können diese Feinde, solange wir auf Erden weilen, nie ganz ausrotten. Jesus aber hat sie besiegt. Er kann sie knebeln und unterjochen, indem er uns wirksame Gnaden verleiht, um diesen Gegnern Widerstand zu leisten.
1600. Gewiss wird er uns gern diese Gnade schenken, erklären wir ja, dass wir mit ihm ein und dasselbe Ziel und Ende verfolgen, nämlich die Ehre seines Vaters, die wir unter dem Einfluss des Hl. Geistes fördern wollen: "In spiritu tuo ad gloriam Patris." Er kam in die Welt, um seinen Vater zu verherrlichen, "Ego honorifico Patrem"; so möge er denn sein Werk in uns vollenden, uns seine innere Heiligkeit mitteilen! Dann können auch wir mit ihm und durch ihn diesen selben Vater verherrlichen und in unserer Umgebung zu seiner Verherrlichung beitragen. So werden wir dann in Wahrheit Glieder seines mystischen Leibes, echte Gottesverehrer sein: Jesus wird in unseren Herzen leben und herrschen zur größeren Ehre der anbetungswürdigen Dreifaltigkeit.
Dieses Gebet ist daher ein Gesamtbegriff des geistlichen Lebens und eine kurze Zusammenfassung unseres Buches.
Gott preisend, schließen wir es ab und fordern auch unsere Leser auf, mit uns den Gott der Liebe, den überaus liebreichen Vater zu preisen, der uns an seinem Leben teilnehmen lässt und uns in seinem Sohn die Fülle aller Segnungen verlieh.
BENEDICTUS DEUS ET PATER DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI; QUI BENEDIXIT NOS IN OMNI BENEDICTIONE SPIRITUALI IN CAELESTIBUS IN CHRISTO.
Je größer die Not in einer Familie ist, desto hilfsbereiter und gütiger wird die Mutter sein. Und immer wenn wir Christen in hoher Bedrängnis sind, greift unsere himmlische Mutter wirksam ein. So war es bei der Hochzeit zu Kana, so war es in dem Glaubensdurcheinander der alten Kirche, so war es bei den gefährlichen Bedrängnissen durch die Türken, so war es in der traurigen Zeit der Glaubensspaltung, und so ist es auch heute in der modernen Zeit des Abfalls vom Glauben. Mit Recht pilgern und wallfahren wir also zu den Gnadenorten unserer mächtigen und wunderbaren Mutter, feiern ihre Feste im Kirchenjahr und beten ihr zur Ehre die wunderschönen Andachten besonders im Monat Mai und natürlich – möglichst täglich – den Rosenkranz.
Als vor 500 Jahren der Protestantismus die Hälfte unseres Volkes von der einen katholischen Kirche losriss und auch der treugebliebene Teil noch in der Gefahr schwebte den katholischen Glauben zu verlieren, berief und beauftragte Maria einen wahren Apostel, den Jesuitenpriester Jakob Rehm. Dieser durch und durch glühende Verehrer der Gottesmutter Maria führte zunächst in Dillingen und danach in Ingolstadt die Marianische Kongregation ein und bildete auf diese Weise begeisterte Marienapostel heran. Er wollte herausfinden, welcher Titel seiner himmlischen Mutter am liebsten wäre. Und als bei einem Treffen die Studenten die Lauretanische Litanei sangen, erschien ihm bei der Anrufung „Mater admirabilis“ lächelnd die „wunderbare Mutter“ selbst. Sogleich ließ Pater Jakob Rehm diese Anrufung stets dreimal nennen. Diese „dreimal wunderbare Mutter“ war es dann, die durch ihre jungen Anhänger den weiteren Abfall vom katholischen Glauben aufhielt und den kirchlich-katholischen Geist erneuerte.
In unserer Zeit, die deutlich vom Glaubensabfall geprägt ist, bitten wir nun erneut unsere himmlische Mutter um ihre Hilfe. Sie möge den Menschen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben, den Menschen, die Gott und die Kirche beschimpfen, und den armen Menschen, die vom Glauben fast nichts mehr wissen, ihren Sohn Jesus Christus bringen. Gehen wir zu ihr und bringen wir ihr ein Opfer mit, damit wir in der Glaubensnot unseres Volkes auf ihre mütterliche und mächtige Hilfe hoffen können. Maria wird uns hören und erhören, weil wir zusammen mit all unseren Mitmenschen in unserem Land ihr vor über 60 Jahren geweiht wurden.
1. "Wohl dem, der sich des Schwachen und Armen annimmt; zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten." (Psalm 41,2) Wer ist dieser Schwache und Arme? Kein anderer, als unser göttlicher Heiland, der in einem anderen Psalm von sich spricht: "Ich aber bin arm und gebeugt." (Psalm 70,6a) Arm war er fürwahr an zeitlichen Dingen, und von seiner Geburt im armen Stall bis zu seinem Tod am Kreuz fühlte er die Armut in ihrer ganzen Bitterkeit. Aber selig, wer Einsicht hat, "wer an ihm sich nicht ärgert", wer da erkennt, dass unter dem Schleier dieser Armut alle Schätze des Himmels verborgen sind. Dies erkennen die Klugen und Weisen dieser Welt nicht, aber Tausende und abermals Tausende erleuchteter Gotteskinder erkannten es, verachteten alle Güter der Erde wie Spreu, und hielten die Armut Jesu Christi für ihren größten Reichtum.
2. So sehr liebte Jesus die Armut, dass er nach seiner glorreichen Himmelfahrt, wo er sie nicht mehr persönlich üben konnte, sie wenigstens in den Armen fortüben will. Dies erklärte er deutlich, als er sprach: "Was ihr einem aus meinen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan", mir, der ich in jedem Armen verborgen bin. Wer also hat Einsicht über den Dürftigen und Armen? Wer da erkennt, dass unter dem zerrissenen Gewand des Armen Christus verborgen ist, und ihn in den Armen verehrt, ihm dient, ihn tröstet und ihm in Liebe hilft.
3. Hilfst du dem Armen aus natürlichem Mitleid, so wirst du auch nur eine natürliche, nämlich eine zeitliche Belohnung für deine Wohltat empfangen. Hast du aber Einsicht und erkennst den Herrn Jesus in ihm, dann wird er am bösen Tag, am Tag des Todes, der für die meisten böse ist, dich erlösen, denn laut wird dein Almosen dann für dich rufen. Wie auch könnte der Herr dich verdammen, den du, als ihn hungerte, speistest, als ihn dürstete, tränktest, als er nackt war, kleidetest? Markus 9,41: "Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört - amen, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen."
Schmerzhafte Mutter Gottes Maria, wir erinnern dich an die großen Leiden, die dein Herz verwundeten, als der alte Simeon dir vorhersagte, dass deine Seele ein Schwert verwunden werde und bitten dich inständig, du wollest uns von Gott die Gnade erflehen, dass wir unsere Sünden erkennen und bereuen, denn sie sind jenes Schwert, durch das dein und deines Sohnes Herz durchbohrt worden ist. Amen.
Zu Gott auf die Fürbitte der heiligen Olympias
Unter den verschiedenen Ständen, aus denen Du, o Vater, Deine Kinder Dir erwählst, ist wohl auch der Witwenstand sehr ehrwürdig. Verleihe doch auf die Fürbitte der heiligen Olympias allen, die auf diesem Weg gehen, dass sie unangefochten oder doch unverletzt das versuchungsvolle Erdenleben zubringen, mit reiner Seele stets Dir dienen, durch Deinen mächtigen Schutz in allen Trübsalen des Lebens aufrecht erhalten werden und dereinst zu Dir dem Vater aller Menschen gelangen. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Im Jahr 1096 wurde am heutigen Tag der sehr alte und herrliche Tempel zu Sinesca im spanischen Bistum Valentia, den die Muslime zu ihrem islamischen Aberglauben lange gebraucht hatten, von Berengar, Erzbischof von Tarragona, und anderen Bischöfen gereinigt, und durch Anrufung Jesu Christi und der seligsten Jungfrau und Mutter Gottes, feierlich eingeweiht.
Zu Gott auf die Fürbitte des heiligen Johannes von Matha
O Gott, der Du Deinem Diener Johannes von Matha die Gnade zur Stiftung des Ordens der allerheiligsten Dreifaltigkeit verliehen hast, durch den die Gefangenen aus der Gewalt der Ungläubigen erlöst wurden: gib, wir bitten Dich, dass wir durch seine Fürbitte und Verdienste vom Joch der Sünde befreit werden. Durch Jesus, Christus, unsern Herrn. Amen.
Die heilige Olympiades, geboren um das Jahr 368, stammte aus einer erlauchten Familie, deren Mitglieder hohe Würden am kaiserlichen Hof zu Konstantinopel bekleideten. In zartem Alter schon verlor sie ihre Eltern und wurde Erbin eines unermesslichen Vermögens. Theodosia, die Schwester des heiligen Amphilochus, eine verständige und tugendhafte Matrone, leitete ihre Erziehung und hielt sie zu allem Guten, besonders aber zur Gottesfurcht an. Glänzender Abkunft, überreich mit Glücksgütern gesegnet, seltene Körperschönheit mit den herrlichsten Geistesgaben vereinigend war sie eine Erscheinung, dergleichen man seit langem nicht mehr gesehen hatte, und es konnte nicht fehlen, dass um diese Perle der Jungfrauen die edelsten Männer der Hauptstadt warben. Olympiades schenkte Nebridius, dem Präfekten von Konstantinopel, Herz und Hand. Aber schon zwanzig Monate nach der Hochzeit wurde ihr der Gatte durch den Tod entrissen. Und wie sie vordem der Schmuck der Jungfrauen gewesen ist, zeigte sie sich jetzt als die Zierde der Witwen, indem sie alle irdischen Güter zu den Füßen des Kreuzes legte und vorzog, statt der Lust und Ehre der Welt zu frönen, mit dem Heiland ein abgetötetes Leben zu führen. Vergebens gelangten die dringendsten Anträge der Wiederverehelichung an sie, vergebens suchte der Kaiser Theodosius selbst sie zur Verbindung mit einem seiner Neffen zu bereden. Sie lehnte alles ab und erklärte, wie sie fest entschlossen sei, im Witwenstand zu bleiben. Das verdross den Kaiser, und er ließ sich von der Leidenschaft zu einem unwürdigen Eingriff in die persönliche Freiheit hinreißen und nahm der Wehrlosen Vermögen in Beschlag. Sie aber, weit entfernt, sich darüber zu beklagen, richtete an ihn ein rührendes Schreiben, das ihre christliche Ergebung aufs Schönste beurkundete. Nach geraumer Zeit aber erst wurde sie in ihre Rechte wieder eingesetzt. Sie war 23 Jahre alt, als sie ihre Güter zurückbekam, und nun überließ sie sich ganz dem Drang ihres Herzens, Gott als christliche Witwe nach der Vorschrift des Apostel Paulus zu dienen. Von schwächlichem Körperbau ergab sie sich gleichwohl den strengsten Kasteiungen. Bei all ihrem Reichtum verwendete sie auf den Haushalt nur das unumgänglich Notwendige und widmete alles Übrige den Zwecken der Wohltätigkeit. Den Bischöfen sendete sie bedeutende Summen zur Verteilung unter die Armen ihrer Sprengel, und es fand sich in dem großen römischen Reich kaum eine Provinz, wohin die Gaben ihrer Mildtätigkeit nicht drangen. Sie beschenkte die Kirchen, die Klöster, die Krankenhäuser, die Verbannten und erkaufte zahllosen Sklaven die Freiheit. Da sie wusste, dass der Mensch nicht allein vom Brot des Leibes leben kann, sondern auch des Brotes der Seele bedarf, benützte sie die Gelegenheiten, die ihre Liebeswerke ihr boten, allen, die ihrer teilhaftig wurden, Worte des Heils ans Herz zu legen. Noch sehr jung war sie von Nectarius, dem Patriarchen zu Konstantinopel, ihrer Tugenden wegen als Diakonissin zum Dienst der Kirche bestellt worden. Von den besten Männern ihrer Zeit, einem Gregor von Nyssa, einem Amphilochus, einem Gregor von Nazianz, einem Epiphanius, wurde sie hochverehrt. Chrysostomus, mit dem sie innig befreundet war, und Palladius sprechen in ihren Werken mit Entzücken von der frommen Witwe. Im Jahr 404 wurde sie in die Verfolgung mit hineingezogen, die die Bosheit der Kaiserin Eudoxia gegen den heiligen Chrysostomus erregt hatte. Man beschuldigte sie mit anderen, den Brand gestiftet zu haben, der bald nach der Verbannung des großen Patriarchen und Kirchenlehrers die Hauptkirche der Stadt verzehrte, und zu Anfang des Frühlings 405 erhielt sie den Befehl, Konstantinopel zu verlassen. Ihre Güter wurden öffentlich verkauft, ihre Landhäuser dem Pöbel zur Plünderung überlassen, zerstreut die Genossenschaft der Jungfrauen, die sich vor Jahren ihrer Leitung untergeben hatten. So musste auch sie, wie die meisten Diener des Herrn, durch das Feuer der Trübsal gehen, um ganz gereinigt zu werden. Geduldig, ja frohen Mutes, ertrug sie alle diese Bedrängnisse im Hinblick auf den Erlöser, der für uns sein Blut vergossen hat. Man weiß nicht, wo und wann sie starb. Doch scheint so viel gewiss, dass sich ihr Lebensziel nicht über das Jahr 410 hinaus erstreckte.
Die selige Maria von den Engeln war die Tochter des Grafen Johannes Donatus Fontanella von Baldissero aus Turin und der Gräfin Maria Tana von Santena aus Chieri. Sie wurde als das jüngste von zehn Kindern am 7. Januar 1661 zu Turin geboren. Marianna, so hieß die Selige in der Welt, besaß einen sehr lebhaften Geist, hatte ein vorzügliches Gedächtnis, ein sanftes Gemüt und einen überaus frommen Sinn. Es bereitete ihr große Freude, von Gott oder von den Heiligen erzählen zu hören. Das Leben der Heiligen nachzuahmen, schien ihr das Edelste. Danach verlangte sie so sehr, dass sie sich einmal eine Tasche voll Brot und eine Flasche Wein verschaffte, um ähnlich wie die heilige Theresia mit ihrem kleinen Bruder zu fliehen und sich in die Wüste zu begeben, was sich allerdings nicht ausführen ließ. Gern weilten ihre Gedanken bei Jesus, dem Gekreuzigten. Je mehr sie sich damit beschäftigte, desto mehr wurden ihr weltliche Gedanken, auch Unterhaltungen mit ihren Angehörigen lästig, obwohl sie eine zärtliche Liebe zu ihnen trug. Deshalb benützte sie die Gelegenheit des Eintritts ihrer Schwester in das Kloster der Zisterzienserinnen zu Saluzzo, um des gleichen Glückes teilhaftig zu werden. Gott wollte sie jedoch nicht in diesem Kloster haben, sondern zwang sie durch eine hartnäckige Krankheit nach einem Jahr, wieder ins Elternhaus zurückzukehren. Die Mutter wollte sie verheiraten. Mariannas Sinn blieb indes auf das Klosterleben gerichtet. Bei Gelegenheit der Ausstellung des Grabtuches Christi in Turin, zeigte ihr Gott den Weg, den sie einschlagen sollte. Es standen nämlich zwei Unbeschuhte Karmeliten in ihrer Nähe, von denen einer Marianna auf den Karmelitenorden aufmerksam machte und sie über deren Lebensweise aufklärte. Erleuchtet vom Heiligen Geist, erkannte Marianna deutlich, dass dies der ihr von Gott zugewiesene Beruf sei. Nach vielem Beten und Bitten siegte sie auch über das Widerstreben der Mutter, worauf ihr am 19. November 1676 die Freude und der Trost zuteil wurde, im Kloster der heiligen Christina zu Turin eingekleidet zu werden. Nochmals machte die Mutter einen Versuch, Maria von den Engeln, wie sie nun hieß, wieder in das elterliche Haus zurückzuführen. Der liebe Heiland sagte ihr: "Dies geschieht zur Strafe für deine Untreue; aber hoffe auf mich, denn ich bin barmherzig." Am 26. Dezember 1677 durfte sie die heilige Profess ablegen. Wir würden an kein Ende kommen, wollten wir ihre Tugenden auch nur annähernd aufzählen. Nicht selten schlief sie auf bloßem Boden, während sie den Kopf auf einen Stein legte. Ihr Schlaf dauerte nie länger als vier Stunden. Die Nacht von Donnerstag auf Freitag durchwachte sie vollständig. Ein oder mehrere Male des Tages geißelte sie sich, bis Blut floss. Tagsüber trug sie raue Bußkleider und -Ketten. Am Fest der Kreuzerhöhung 1685 kündigte ihr der Herr selbst schwere Leiden an. Er zeigte ihr ein großes Kreuz und sprach: "Meine Tochter, hast du Mut, es zu umfassen?" Die Selige antwortete: "Ja, Herr, mit deiner Hilfe; aber du bist ja nicht an diesem Kreuz?" Darauf versetzte Jesus: "Das ist das Zeichen, dass du von nun ab meine fühlbare Gegenwart nicht mehr kosten und mich nicht anders als auf dem Weg des Glaubens finden wirst." Die Erscheinung ließ ihr eine große Sehnsucht nach Leiden zurück, weshalb auch das ärgste, innere Martyrium, das nun folgte, sie nicht brechen konnte. Ohne Rücksicht auf die vielen Krankheiten, mit denen sie Gott heimsuchte, tat Maria alles, um sich der Gemeinde, der sie als Novizenmeisterin und viermal als Priorin vorstand, nützlich zu machen. Ihr ist auch das Gelingen der Stiftung zu Moncalieri zu verdanken. Im Jahr 1717 lehnte sie eine Wiederwahl ab, weil sie ihr Ende nahe fühlte. Trotz der heftigen Schmerzen ihrer Krankheit kam kein Wort der Klage aus ihrem Mund. Gottergeben betete sie: "O Herr, lass mich leiden oder sterben!" Ein anderes Mal sprach sie: Geliebter Jesus, willst du mir noch mehr Leiden geben, so tue es!" Am 16. Dezember erhob sie sich plötzlich und breitete die Arme aus, als wollte sie jemand umfassen. Als die Krankenwärterin fragte, was sie doch wolle, gab sie zur Antwort: "Mein geliebter Jesus, mein geliebter Jesus! Lass mich meinem geliebten Jesus entgegengehen!" Die lieben Schwestern noch einmal mit gewohnter Güte anblickend, entschlief sie ohne Kampf im 57. Jahr ihres Lebens, im 40. Jahr ihrer heiligen Profess.
1. Nur durch den Umgang mit Jesus können wir vollkommen, himmlisch gesinnt und glückselig werden. Er muss das beständige Ziel unserer Gedanken, der Ruhepunkt unseres Herzens und die ganze Liebe unserer Seele sein. Die höchste Ehre für ein erschaffenes Wesen ist diese Gnade, mit dem König des Himmels umzugehen und ihn zu lieben. Dies ist die seligste Beschäftigung der heiligen Engel in Ewigkeit. Dieser glückselige Umgang mit Jesus ist geistig und innerlich. Jeder auch, der ihn wahrhaft sucht, findet ihn, denn nicht vergeblich ruft er: "Kommt zu mir, ihr alle!" Dass wir ihn aber finden werden, verheißt er uns selbst, da er abermals spricht: "Ich liebe alle, die mich lieben, und wer mich sucht, der wird mich finden." (Sprichwörter 8,17)
2. Durch diesen seligen Umgang in Liebe wird eine Seele in kurzer Zeit wunderbar umgewandelt. Denn es ist nicht möglich, dass, wer mit wohlriechenden Spezereien umgeht, nicht selbst einen lieblichen Wohlgeruch anzieht. Noch kann auch das Eisen lange im Feuer bleiben, ohne selbst feurig zu werden. Ebenso wenig aber kann eine Seele längere Zeit mit den göttlichen Geheimnissen sich beschäftigen, die unendliche Liebe Jesu betrachten und liebevolle Ansprache mit ihm halten, ohne von seinem himmlischen Licht bestrahlt und von seiner Liebe durchdrungen zu werden. Wie verächtlich kommt einer von dieser seligen Liebe durchdrungenen Seele alles Irdische vor, wenn sie zum Himmel emporblickt.
3. Diese heilige Liebe und dieser himmlische Umgang ist das wahre Band der Vollkommenheit. Nicht nur weil wir dadurch allein vollkommen werden, sondern auch, weil wir dadurch in die Gemeinschaft mit allen Auserwählten aller Zeiten, mit allen Engeln und glorreichen Himmelsbürgern, ja mit dem ewigen Vater selbst, der seinen Eingeborenen unendlich liebt, und mit dem Heiligen Geist kommen, der seine heiligste Menschheit im Schoß der unbefleckten Jungfrau bildete, und selbst diese heilige Liebe uns einflößt. Wenige sind, die diesen seligen Umgang mit Jesus suchen. Du aber sei von der Anzahl dieser Wenigen. Erwecke deinen Glauben, und öffne dein Herz seinen göttlichen Strahlen. "Mach auf, meine Schwester und Freundin, meine Taube, du Makellose." (Hohelied 5,2)
Erhöre o heilige Jungfrau das Rufen deines Schützlings und erwirke uns allen bei Gott kraft deiner Fürsprache durch deines lieben Sohnes reiche Verdienste, dass wir von allem Übel des Leibes und der Seele bewahrt, in all unserm Tun und Lassen gesegnet und in unserer Sterbestunde reichlich getröstet werden. Amen.
Zu Gott
Wie gut bist Du doch, o mein Gott, zu Deinen treuen Kindern. Es bewegt sich alles in so vielfältigem Wechsel um sie. Bald ist Friede, bald Aufruhr, bald Freude, bald Kummer, bald Versuchung, bald Ruhe, in und um sie herum, und doch stehen sie aufrecht, gehalten durch Deine kraftvolle Hand, und sehen heiteren Blickes in den Sturm, wie in den Sonnenschein. Ich möchte auch mit ganzer Seele Dir angehören, damit ich recht fühlen kann, wie gut es bei Dir ist, mag es am Kreuz sein, oder in Deiner Herrlichkeit. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
An diesem Tag wurde im Jahr 533 von Belisarius, Heerführer des orientalischen Kaisers Justinianus, durch den Beistand der seligsten Jungfrau über die Vandalen in Afrika ein namhafter Sieg erhalten, da Gilimer, der Vandalen König, mit den Völkern seines Bruders Zanzon die Stadt Karthago belagern wollte, von dem Belisarius aber, der ihm entgegen ging, aufs Haupt geschlagen wurde, so dass Afrika nach 95 Jahren wieder unter die Botmäßigkeit der Römer gekommen ist. Diese Veränderung schrieben die Christen der Fürbitte der seligsten Jungfrau zu.
So nahe ist heute das Weihnachtsfest herangerückt, dass derjenige, der scharfe Ohren hat, von weitem das Gloria der Engel auf Betlehems Fluren schon hören kann, und wer helle Augen besitzt, sieht bereits das göttliche Kind, Maria und Josef, Ochs und Esel und die Hirten, wie sie sich eilends auf den Weg machen zu der Krippe im Stall. Noch sechsmal schlafen, dann ist Weihnachten.
Es ist ja so, dass sich hinter der Krippe das Kreuz von Golgatha deutlich abhebt, und die heutige Legende wird uns daran erinnern, dass aus der glücklichen Mutter, die vor der Krippe kniet, später die Schmerzensmutter wurde. Nicht die Freude hat uns erlöst, sondern das Leid, und erst aus dem Leid erblüht des Christen Freude.
So tritt heute Sankt Adelheid vor uns hin, jene Frau auf dem deutschen Kaiserthron, die viel Kreuz und Leid getragen hat und die deswegen, wie andere Mütter auch, der Schmerzensmutter ähnlich ist.
Als Königskind kam Adelheid zur Welt, aber mit sechs Jahren verlor sie den Vater, König Rudolf II. von Burgund, durch den Tod. Wie arm ist doch ein Kind, das keinen Vater mehr hat, arm selbst dann, wenn es in Samt und Seide gekleidet geht und ein Krönlein auf dem Haupt trägt. So begann vor der Zeit das Leid in Adelheids Leben.
Mit sechzehn Jahren wurde Prinzessin Adelheid mit dem König Lothar II. von Italien vermählt. Da war sie eine Königin, obwohl sie noch ein Kind war. In einem Alter, da sich bei den jungen Menschen Jugendlust und Jugendfreude recht entfalten, begann bei Adelheid bereits der bittere Ernst des Lebens, denn gebieterisch traten die Pflichten an sie heran, Pflichten dem Gatten und dem Volk gegenüber, dessen Herrscherin sie war. Allzu früh auch wurde die Königin Mutter eines lieben Mädchens, das in der heiligen Taufe den Namen Emma erhielt. Wohl sind Mutterfreuden schön, aber Mutterlast drückt auch schwer.
Erst drei Jahre war Adelheid Königin, als der königliche Gatte starb. Ein Nachbarfürst, der Herzog Berengar von Ivrea, soll ihn vergiftet haben, weil er selbst König von Italien werden wollte. Mit sechs Jahren hatte Adelheid den Vater verloren, und mit neunzehn Jahren war sie eine Witwe.
Es sollte noch schlimmer kommen. Herzog Berengar versuchte nämlich, die Witwe zu zwingen, seinen Sohn Adelbert zu heiraten, und als sich Adelheid entschieden weigerte, auf den Plan einzugehen, nahm ihr der Bedrücker Schmuck und Geschmeide weg, setzte sie am Gardasee hinter Schloss und Riegel und behandelte sie wie eine Verbrecherin.
Eines Nachts jedoch entwich die Gefangene. Im schwankenden Kahn fuhr sie ein mitleidiger Fischer über den See. An den folgenden Tagen hielt sich die leidgeprüfte Frau vor Berengars Häschern, die mit Hunden hinter ihr her waren, hungernd und frierend, das Kindlein Emma im Arm, im feuchten Schilf am See und in Höhlen und hinter Büschen verborgen.
Doch dann kam der edle Otto der Große, an den sich Adelheid durch einen Boten gewandt hatte, der Bedrängten zu Hilfe, rückte mit Heeresmacht heran, besiegte den Übeltäter Berengar, und am hochheiligen Weihnachtsfest des Jahres 951 vermählte sich Otto mit Adelheid. Es war für die Verfolgte ein schönes Weihnachtsfest. Die verstoßene Königin von Italien wurde deutsche Königin, und zehn Jahre später erhielt sie aus den Händen des Papstes neben dem Gatten die kaiserliche Krone aufs Haupt gesetzt.
Adelheid war eine gute, fromme, wohltätige, heilige Kaiserin, und deswegen musste sie auch als Kaiserin viel Leid tragen, denn das Kreuz bleibt den Christen treu, und am treuesten folgt es den Heiligen Schritt für Schritt.
Von den vier Kindern, die Adelheid dem Gatten schenkte, starben zwei im jugendlichen Alter. Es war ein hartes Geschick, denn mit jedem Kind, das eine Mutter begraben muss, wird auch ein Stück von ihr begraben, und erst vierzig Jahre war Adelheid alt, als sie zum zweiten Mal Witwe wurde. Bald darauf entzweite sich Adelheids Sohn Otto II. mit der Mutter, und Adelheid wurde vom kaiserlichen Hof verbannt. Unglück auf Unglück traf in der Folgezeit den ungeratenen Sohn, und unter den Schicksalsschlägen litt niemand mehr als die ferne Mutter, denn das Leid der Kinder drückt doppelt schwer das Herz der Mütter. Kaiserin Adelheid konnte nur weinen und beten, bis endlich Otto ein Einsehen bekam und reuig die Mutter heimrief.
Doch da hatte sich Adelheids Leidenskelch bereits randvoll gefüllt und lief über. Bald darauf starb die Heilige im Jahre 999, nachdem sie vorher auch noch Otto hatte begraben müssen. Alle Mütter haben es schwer, und je mehr eine Mutter der Schmerzensmutter gleicht, desto schwerer hat sie es. Es ist gut, dass Sankt Adelheid uns kurz vor Weihnachten an diese Tatsache erinnert. Hinter der Krippe steht schon das Kreuz.
1. "Ich kenne meine Schafe", spricht der Herr, "und meine Schafe kennen mich." (Johannes 10) Kein Schaf der Herde Jesu ist, wer diesen guten Hirten nicht kennt, denn seine heilige Erkenntnis ist ein Kennzeichen seiner Schafe. Diese Erkenntnis kommt nicht vom Hörensagen, sondern sie ist die Frucht der Betrachtung seiner unendlichen Liebe und der Beherzigung seines heiligsten Lebens, seiner himmlischen Lehre, seines Leidens und seines Versöhnungstodes, wodurch wir allmählich zu einer lebendigen und fruchtbaren Anschauung seines Geistes und seines Herzens eingeführt werden. Kennen wir alles, was im Himmel und auf Erden ist, und kennen Jesus nicht, so kennen wir nichts und abermals nichts.
2. Diese Erkenntnis ist gleich einer Blüte, aus der die Frucht der Liebe hervorgeht. Die Liebe Jesu aber ist der Grund unserer Seligkeit, denn der himmlische Vater liebt uns nur darum, weil wir seinen eingeborenen Sohn lieben, wie der Herr selbst durch die Worte bezeugt: "Der Vater liebt euch, weil ihr mich geliebt habt." Denn Jesus ist der erste Gegenstand der Liebe des ewigen Vaters. Unendlich mehr liebt er ihn, als alle Wesen der Schöpfung zusammengenommen. Ja er liebt auch nichts anderes, außer um seinetwillen. Da also die Liebe uns mit Jesus vereint, liebt er uns als seine Glieder, und macht uns auch nur darum der ewigen Seligkeit teilhaft.
3. "Ich bin die Tür," spricht Jesus, "wer durch mich eingeht, der wird selig werden." (Johannes 10) Niemand kann ohne die Verdienste Jesu Christi selig werden. Niemand aber kann an diesen unendlichen Verdiensten Anteil erhalten, außer durch die liebende Nachfolge Jesu. Und niemand endlich kann Jesus nachfolgen, ohne ihn zu kennen, den der ewige Vater allen Auserwählten als Vorbild aufgestellt hat. "Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben." (Römer 8,29) Es ist also die Erkenntnis Jesu Christi der Anfang des ewigen Lebens, und je vollkommener sie ist, um so fruchtbarer ist sie für das ewige Heil. 1. Johannes 2,3: "Wenn wir seine Gebote halten, erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben."
O heilige Jungfrau Maria, die du um deiner Demut willen würdig befunden warst, die Mutter deines Gottes zu werden, die du aber deshalb zugleich eine Mutter, eine Zuflucht, eine Fürsprecherin der Sünder bist, bitte Gott für mich. Empfiehl mich deinem Sohn, der dich so innig liebt, der dir nichts abschlagen kann, um was du ihn bittest. Sage ihm, dass er mir verzeihe, dass er mir seine heilige Liebe verleihe und mich selig mache, damit ich ihn mit dir vereinigt eines Tages von Angesicht zu Angesicht im Himmel sehen und lieben kann. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
Heute ist der achte Tag des Festes der Unbefleckten Empfängnis Mariä. Die Tagzeiten dieses letzten Tages sollen nach Verordnung der Kirche den Tagzeiten des ersten Tages gleich sein. Nur bei großen Festen wird die Feierlichkeit ganze acht Tage hindurch fortgesetzt, dergleichen viele Feste der seligsten Jungfrau, besonders ihrer Unbefleckten Empfängnis, sind. Die katholische Kirche hat in Anordnung der Oktaven bei höheren Festen dem alten Gesetz gefolgt, worin acht Tage für die Hauptfeste bestimmt waren, und der letzte ebenso feierlich, als der erste soll gehalten werden.
Für den heutigen Tag wird folgende Legende erzählt:
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde zu Genua aus der edlen Familie Strata eine Tochter geboren, die Maria Viktoria genannt, vortrefflich erzogen, und da sie erwachsen war, einem Edelmann aus dem Hause Fornari zur Ehe gegeben wurde.
Beide Gatten lebten in Glück und Frieden, in Frömmigkeit und Gottesfurcht, in Milde und Freigebigkeit gegenüber den Armen. Mehrere Jahre waren solcher Weise dahingeschwunden und der Himmel hatte ihren Ehebund mit vier Kindern gesegnet. Da geschah es, dass der Gemahl Viktorias in eine Krankheit verfiel, von der er nicht mehr genesen sollte. Seine christliche Ergebung, mit der er dem Tod entgegensah, minderte in etwas den Schmerz seiner Angehörigen und nächsten Verwandten. Am tiefsten und schwersten aber empfand Maria Viktoria diesen herben Schlag, der durch die Sorge für die Kleinen noch gemehrt wurde. Überdies war sie guter Hoffnung und das fünfte Kind hatte dermaßen, noch ehe es das Licht der Welt erblickt, schon den Vater und damit für alle Zukunft die nötige Stütze verloren.
Im Übermaß ihrer Schmerzen nun warf sich Maria Viktoria vor dem Bild der allerseligsten Jungfrau nieder und flehte sie an, ihren Kindern Mutter zu sein und mit ihnen sie die arme Witwe, in ihren gütigen Schutz zu nehmen. Die Trösterin der Betrübten konnte dieses kummervolle Herz nicht lange ohne Trost lassen. Sie würdigte sie einer Erscheinung und gab ihr die Versicherung, dass sie alle, Mutter und Kinder unter die Ihrigen aufnehme. Die Kinder würden insgesamt ihrem göttlichen Sohn im Ordensstand dienen, und Viktoria selbst würde die Stifterin eines Ordens werden, der dem Dienst der Mutter des Herrn besonders geweiht sein solle. Durch diese Erscheinung und Versicherung wurde Viktoria, die nur aus Gehorsam und gegen ihre immer gehegte Absicht, Nonne zu werden, in den Ehestand getreten war, mit einer so außerordentlichen Freude erfüllt, dass nicht bloß ihre Tränen von da an zu fließen aufhörten, sondern sie auch, noch ehe sie den Platz verließ, das Gelübde der Keuschheit machte, so wie dass sie nie Seide an ihren Kleidern tragen und allem weltlichen Umgang entsagen wolle. Sie schnitt auch ihre Haare ab, die sehr schön waren, und widmete sich ganz den frommen Übungen. Alle ihre Gedanken waren nun immer dahin gerichtet, wie sie den Orden stiften könnte, der insbesondere bestimmt sein sollte, die Mutter Gottes zu ehren. Je mehr sie diesem Ziel zuschreiten wollte, desto mehr Schwierigkeiten begegnete sie, und der Satan erregte ihr so große Hindernisse, dass sie, hätte sie nicht eine allmächtige Gnade unterstützt, unfehlbar unterlegen wäre. Zuletzt war sie Siegerin über alles, was Satan und Welt in den Weg legten, und nachdem ihre Kinder alle in verschiedene Orden getreten waren, nahm sie mit vier Gefährtinnen den Schleier aus den Händen des damaligen Erzbischofs von Genua und späteren Kardinals Spinola (am 5. August 1604). Sie nannten sich Nonnen der Verkündigung Mariä, weil sie Profess taten, die heiligste Jungfrau in allen Geheimnissen ihres Lebens und in allem, was sich auf sie bezog, zu ehren insbesondere aber im Geheimnis der Verkündigung, da sie dieses in den Besitz des vorzüglichsten aller ihrer Titel, der der Titel „Mutter Gottes“ ist, gesetzt hat. Papst Paul V. approbierte in der Folge diesen Orden. Und bereicherte ihn mit mehreren Gnaden und apostolischen Segnungen.
Verschieden von diesem Orden der Verkündigung Mariä, den Viktoria Strata gegründet hat, ist der, den Amadeus Graf von Savoyen, der grüne Ritter genannt, im Jahre 1356 gestiftet hatte, ebenfalls zwar zur Ehre und unter dem Schutz der seligsten Jungfrau, aber mit ganz anderem Endzweck. Es war ein Ritterorden, wie solche in damaliger Zeit mehrere auftauchten. Der Stifter setzte die Zahl der Ritter zum Andenken an die fünfzehn Geheimnisse aus dem Leben Mariens, die im Rosenkranz verherrlicht werden, auf fünfzehn fest. Ebenso sollten fünfzehn Priester für sein und der Ritter geistliches Wohl Sorge tragen. Die besondere Verehrung der Gottesmutter war allen Teilnehmern zur strengsten Pflicht gemacht.
In Erinnerung an die hohe Würde, die Maria dadurch gewann, dass sie die Mutter Gottes geworden und im Andenken an die Hilfe, die sie ob ihrer Mutterschaft uns zu gewähren vermag, bete in Andacht ein Ave Maria.
1. Gott liebt nicht wie die Geschöpfe, deren Liebe beschränkt und endlich ist. Seine Liebe ist gleich ihm selbst unendlich. Er liebt sich selbst in den vernünftigen Wesen, die mit seinem Ebenbild geschmückt sind, und zieht sie auf eine Weise zu sich, die seiner unendlichen Güte und Weisheit, und zugleich dem Bedürfnis des Geschöpfs gemäß ist. Darum ließ er in seiner heiligen Menschheit gleich einer himmlischen Angel in das Meer dieser Welt sich herab, die Seelen durch die Herrlichkeit seiner Liebe zu fangen, und sie vom Fleisch zum Geist, von seiner Menschheit zu seiner Gottheit emporzuziehen. Niemals wären wir zur wahren Erkenntnis Gottes, niemals zur wahren Freude des Herzens gelangt, wenn nicht er selbst uns sichtbar erschienen wäre.
2. Seine heilige Erkenntnis aber ist nicht müßig in der Seele, der sie innewohnt. Notwendig bringt sie die Liebe hervor, aus der alle Tugenden quellen. Denn eine solche Seele sehnt sich in zarter Dankbarkeit, alles zu tun, was sie ihrem geliebten Heiland als wohlgefällig erkennt. Ja willkommen sogar sind ihr Trübsale und Leiden, ihre Liebe ihm dadurch zu bezeigen. Je getreuer sie aber sich opfert, um so mehr nimmt diese heilige Erkenntnis und Liebe in ihr zu, und sie leuchtet in der Finsternis dieser Welt als ein wahres Licht im Herrn, und ist mitten unter Schmerzen voll seliger Freude. Dahin sei das ganze Verlangen unseres Herzens gerichtet.
3. Von einer solchen Seele gelten die Worte des Propheten: "Sie wird blühen gleich einer Lilie, blühen wird sie und grünen und vor Freude frohlocken, . . . denn sie wird die Herrlichkeit des Herrn schauen und die Zierde unseres Gottes." (Jesaja 30) So nämlich grünt und blüht, von der Sonne der Gerechtigkeit bestrahlt, eine heilige Seele an allen Tugenden, und frohlockt vor seliger Liebe und Freude über den innerlichen Anblick ihres göttlichen Geliebten, den sie immer um so deutlicher erkennt, als sie tiefer in das Geheimnis seiner heiligen Menschwerdung eindringt. Ergib dich dieser heiligen Betrachtung! Jesaja 60,5a: "Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit."