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Was bringt der Glaube?
Die Frage: Was bringt mir das? Oder: Was bekomme ich dafür? stellen wir oft und handeln danach. Sie ist allgemein menschlich. Wenn wir zum Bäcker gehen, wollen wir Brot, beim Friseur einen schönen Kopf und beim Arzt Gesundheit. Wer nun fragt: Was bringt mir der Glaube, darf nicht von vornherein als profitgieriger, berechnender Egoist abgetan werden, der sogar mit Gott ein Geschäft machen will und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, der nicht weiß, dass der Glaube vor allem ein Geschenk ist, für das man dankt, der nicht bedenkt, dass Liebe zuerst gibt und nicht aufs Bekommen schaut.
Auch die Apostel stellen diese Frage
Aber die Frage ist nicht so unberechtigt, wie es zunächst scheint. Auch Petrus stellt sie Jesus: „Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt“ (Mk 10,28). Und Jesus weist die Frage nicht zurück: „Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben“ (Mk 10,29-30).
Jesus verspricht einen Lohn schon hier, in diesem Leben. Viele meinen dagegen, ein Gläubiger müsse immer nur geben, verzichten, sich überwinden; alles sei verboten, was Spaß macht. Das ist allerdings eine Täuschung. Auch wenn Jesus von Verfolgungen und vom Kreuztragen spricht, dürfen wir nicht vergessen, dass der Glaube auch Freude und Zuversicht schenkt und diese das Schwere überwiegen.
Die Wahrheit dieser Behauptung bestätigt ein Blick auf das Leben großer Heiliger. Sie haben trotz schwerer Krankheit oder quälendem Schmerz in einem frohen und zufriedenen Glauben durchgehalten. Diese gelassene Gläubigkeit ist mehr als großer Besitz und auch nicht mit viel Geld zu kaufen. Lesen wir einmal die Biographie eines Heiligen und wir werden sehen, dass sie ihren Glauben nicht gegen viel irdischen Gewinn eintauschen würden. Der Glaube: Was bringt er? Er ist selbst schon reicher Gewinn, der hilft, Schwierigkeiten zu überwinden und Leid zu ertragen. Der Glaube lässt jeden Menschen, den Sterbenskranken ebenso wie den Ungeborenen als Ebenbild Gottes, berufen zum ewigen Leben, erkennen. Dass nur der Glaubende die Würde jedes Menschen erkennen und begründen kann, zeigt ein Blick in die Tagespresse: Die Kirche und die Gläubigen lehnen Abtreibung und die sogenannte „Sterbehilfe“ ab, während die Glaubensdistanzierten in der Regel beim Töten leichtfertiger umgehen. Im Licht des Glaubens erkennt der Mensch seine einmalige, unveräußerliche Würde. Wenn die religiöse Grundkonstitution wegrutscht, erkrankt auf die Dauer die ganze Gesellschaft. Freilich wird man diese Zusammenhänge nicht wahrhaben wollen und anderen Ursachen zuschreiben, etwa der finanziellen Not. Es mangelt jedoch mehr an geistiger und geistlicher Orientierung als an Geld. Wenn der „glücklich Gottlose“, wie sich der Atheist ausgibt, für sein Leben und darüber hinaus keinen Sinn findet, ist er bei allem Vermögen, das er vielleicht hat, bei allem Erfolg und bei aller Berühmtheit, letztlich arm und bedauernswert.
In dieser Welt gibt es den hundertfachen Gewinn für alles, was man scheinbar verliert, sagt Jesus zu Petrus, und „in der kommenden ewiges Leben“. Vom französischen Philosophen und Mathematiker B. Pascal stammt das Wort: „Es ist von entscheidender Wichtigkeit für das ganze Leben zu wissen, ob die Seele sterblich oder unsterblich ist.“ Der Glaube verleiht uns die Zuversicht, ewig zu leben bei Gott; deshalb bemühen sich die Gläubigen, – einem liturgischen Gebet zufolge – das Unvergängliche mehr zu lieben als das Vergängliche, das heißt, das Ewige und Bleibende mehr als das Zeitliche. Dieses Streben nach der Vollendung bei Christus fasst der Apostel Paulus in die Worte: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor 15,19). Der Glaube gibt angesichts der Endlichkeit dieses Daseins und angesichts der Vergänglichkeit aller irdischen Werte eine Hoffnung, die über die Todesgrenze hinausreicht und diese Hoffnung bringt Licht und Zuversicht schon in dieses vergängliche Leben. Beim Ausfall dieser hoffnungsvollen Zukunft droht die Gefahr der Herrschaft des Genussprinzips, wie es Paulus (1 Kor 15,32) formuliert: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot.“
Dass der Glaube nicht nur aus Geboten und Verboten besteht, wie manche meinen, sondern seelischen Frieden, innere Ordnung aus der Zuversicht im Vertrauen auf Gott bewirkt, kann man aus dem Lebenslauf gläubiger Gestalten entnehmen. Gläubige Menschen erleben selbst die Wahrheit dieser Behauptung. Skeptiker mögen zur Bestätigung sich eine Biographie eines Heiligen besorgen. Es gibt viele wahre und zuverlässige Lebensbeschreibungen von Heiligen (nicht legendäre und ausgeschmückte Erzählungen!). Hier sei an einen Rat eines amerikanischen Bischofs erinnert: Auf die Frage, was ein Katholik im Jahr des Glaubens tun solle, gab er zur Antwort: unter anderem die Biographie eines Heiligen lesen.
Was bringt der Glaube? Die Frage sei anders formuliert: Was fehlt, wenn der katholische Glaube verschwindet bzw. keine prägende Wirkung mehr auf die Gesellschaft ausüben würde? Es fehlten die Feste Weihnachten und Ostern, sogar der Sonntag würde zum Arbeitstag: Die Gesetze der Wirtschaft übernähmen die Regie, also die Frage: Wie viel bringt es ein? Es gibt so vieles, was sehr wertvoll ist, aber nicht in barer Münze berechnet werden kann wie Liebe, Treue, innerer Friede, Unschuld, Zufriedenheit und Freude. Sie folgen aus diesen geistlichen Haltungen, wie jeder bestätigen kann, der aus dem Glauben lebt.
Der Glaube bringt denen viel, die ihn leben und sich selbst einbringen. Rückschauend auf zum Teil schwere und bittere Erfahrungen in ihrem Leben sagen oft ältere Menschen: „Wenn ich den Glauben nicht gehabt hätte, hätte ich nicht durchgehalten.“
Und zum Schluss etwas zum Nachdenken: Ein Mann aus der westlichen Welt besuchte Mutter Teresa, die Sterbende in ihrer letzten Stunde von der Straße holte und betreute. Der Besucher: „So etwas würde ich nicht um eine Million tun.“ – Mutter Teresa: „Ich auch nicht.“ – Ihr brachte der Glaube mehr als mit Münzen zu bezahlen ist, nämlich Liebe, die sich geliebt weiß und schenken kann.
Anton Ziegenaus,
em. Professor für Dogmatik