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#1

Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung

in Nachrichten 21.09.2013 20:05
von blasius (gelöscht)
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Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung



Papst Franziskus hat der Jesuitenzeitschrift „Civilta Cattolica“ ein langes Grundsatzinterview gegeben. Der Pontifex spricht darin über sein Verständnis der Kirche, über seine Art, Entscheidungen zu treffen, über die Kurie, den Umgang mit Homosexuellen, die Rolle von Frauen in der Kirche und vieles mehr. Wer die beiden Interview-Bücher mit Papst Benedikt XVI. kennt, wird sich daran erinnert fühlen. Es ist ein weitausgreifendes Gespräch, auf Deutsch erschienen in den „Stimmen der Zeit“. Hier eine Zusammenfassung.


Frauen in der Kirche

Franziskus hat eine deutliche Öffnung für Frauen in Führungspositionen der Kirche signalisiert. „Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden.“ Was der Papst dabei nicht will, ist eine „Männlichkeit im Rock“, denn die Frau habe „eine andere Struktur als der Mann“. Franziskus deutet damit an, dass mehr kirchliche Verantwortung für Frauen nicht unbedingt den Zugang zu Weiheämtern bedeutet. Doch gilt es aus seiner Sicht, über das Ausmaß und das 'Wie' weiblicher Einbindung in kirchliche Entscheidungen besser nachzudenken. „Eine gründliche Theologie der Frau“ fehle vorerst. Jedenfalls: „Die Kirche kann nicht sie selbst sein ohne Frauen und deren Rolle. Die Frau ist für die Kirche unabdingbar. Maria – eine Frau – ist wichtiger als die Bischöfe.“


Entscheidungsfindung

Franziskus steht dazu, sich in seinen Entscheidungen beraten zu lassen. Zwar höre er jetzt manche, die ihm sagen, man solle nicht zu viel beraten, sondern entscheiden. „Ich glaube jedoch, dass die Konsultation sehr wichtig ist.“ Der richtige Ort dazu sei - für ihn als Papst - das Konsistorium und die Synode, doch wünscht sich Franziskus diese Veranstaltungen „weniger starr“. Zu der von ihm eingesetzten „outsider-Beratungsgruppe“ der acht Kardinäle sagte er, dieses Gremium sei nicht allein seine Entscheidung gewesen, „sondern Frucht des Willens der Kardinäle, wie er bei den Generalkongregationen vor dem Konklave zum Ausdruck gebracht wurde“. Nachsatz: „Und ich will, dass es echte, keine formellen Beratungen geben wird.“ Das ist ein klares Bekenntnis zur Kollegialität: Konsistorien setzen sich im Wesentlichen aus Kardinälen zusammen, Synoden aus Bischöfen.


Die römische Kurie

Die Einrichtungen des Heiligen Stuhles – Glaubenskongregation, Kleruskongregation, Kirchengerichte, um nur einige zu nennen – sieht der Papst in einer eindeutigen Rolle des Dienstes. „Sie müssen den Ortskirchen helfen oder den Bischofskonferenzen. ... Wenn man sie nicht richtig versteht, laufen sie Gefahr, Zensurstellen zu werden.“ Franziskus erwähnt die vielen in Rom eintreffenden „Anklagen wegen Mangel an Rechtläubigkeit“. Solche Fälle sieht der Papst besser in den jeweiligen Ortskirchen aufgehoben, „Rom“ solle da nur Hilfestellungen bieten.


Das Kirchenbild des Papstes

Wie sieht Franziskus die Kirche? Sein bevorzugtes Bild der Kirche ist eines, das das II. Vatikanische Konzil prägte: die Kirche als das heilige Volk Gottes. Das Volk sei das Subjekt. Mehr noch: „Das Ganze der Gläubigen ist unfehlbar im Glauben“. Das „Fühlen mit der Kirche“ sei also keines, das sich auf die Theologen beziehe oder nur dem „hierarchischen Teil der Kirche“ gelte, sondern könne sich gewissermaßen auf den „übernatürlichen Glaubenssinn“ des ganzen pilgernden Volkes Gottes verlassen. Um Missverständnissen vorzubeugen, fügt der Papst hinzu: Diese Form der Unfehlbarkeit aller Gäubigen ist nicht Populismus. Im Volk Gottes gebe es eine „Mittelklasse der Heiligkeit“, an der alle teilhaben könnten. Abermals zeichnete Franziskus das Bild einer „Kirche für alle“, die sich nicht in sich selbst verschließen dürfe.

„Diese Kirche, mit der wir denken und fühlen sollen, ist das Haus aller - keine kleine Kapelle, die nur ein Grüppchen ausgewählter Personen aufnehmen kann. Wir dürfen die Universalkirche nicht auf ein schützendes Nest unserer Mittelmäßigkeit reduzieren. Und die Kirche ist Mutter. Die Kirche ist fruchtbar, und das muss sie sein. Schau, wenn ich negative Verhaltensweisen von Dienern der Kirche oder von Ordensmännern oder -frauen bemerke, ist das Erste, was mir in den Sinn kommt: ,eingefleischter Junggeselle!‘ oder ,alte Jungfer!‘. Sie sind weder Väter noch Mütter. Sie sind nicht imstande gewesen, Leben weiterzugeben.”


Was braucht die Kirche heute?

Eine gut ausgerüstete Erste-Hilfe-Station, antwortet Papst Franziskus, wörtlich: „,ein Feldlazarett“. „Ich sehe ganz klar“ - fährt er fort - „dass das, was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, die Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen - Nähe und Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Man muss einen schwer Verwundeten nicht nach Cholesterin oder nach hohem Zucker fragen. Man muss die Wunden heilen. Dann können wir von allem Anderen sprechen." Zu oft habe sich die Kirche in „kleine Vorschriften“ einschließen lassen. Die wichtigste Sache sei aber die erste Botschaft: „Jesus Christus hat dich gerettet.”


Die „heißen Fragen“

Aus diesem Grund warnte der Papst davor, nur Fragen wie Abtreibung, homosexuelle Ehen und Verhütung zu erörtern. Die Ansichten der Kirche dazu seien bekannt, man müsse „nicht endlos davon sprechen“. Doch erneuerte Franziskus auch seine Überzeugung: Eine moralische Verurteilung etwa von Homosexuellen von seiten der Kirche ist nicht in Ordnung. In seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires habe er Briefe von Homosexuellen bekommen, die sich von der Kirche verurteilt fühlten, sagte er in dem Interview: “Aber das will die Kirche nicht”, so Franziskus. “Es darf keine spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben.“ Gott begleite die Menschen durch das Leben, „und wir müssen sie begleiten und ausgehen von ihrer Situation. Wir müssen sie mit Barmherzigkeit begleiten.“

Die Diener der Kirche müssten sich der Menschen annehmen. Organisatorische und strukturelle Reformen seien zweitrangig: „Die erste Reform muss die der Einstellung sein“. Die Diener des Evangeliums müssten „in die Nacht der Menschen hinabsteigen können, in ihr Dunkel, ohne sich zu verlieren. Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre“. Speziell die Bischöfe müssten „die Herde auch begleiten können, die weiß, wie man neue Wege geht“.


Die Liturgiereform des Konzils

Die Früchte des zweiten Vatikanums waren, sagt Franziskus, „enorm. Es reicht, an die Liturgie zu erinnern. Die Arbeit der Liturgiereform war ein Dienst am Volk, wie eine neue Lektüre des Evangeliums“. Papst Benedikts Entscheidung, die Messe nach den alten Büchern wieder zuzulassen, nannte Franziskus gleichwohl „weise“. „Ich finde aber das Risiko einer Ideologisierung des „Ordo vetus“ (also der „alten Messe“), seine Instrumentalisierung, sehr gefährlich.“


Das Suchen und Finden Gottes

Abermals warnte Papst Franziskus davor, sich im Glauben allzu sicher einzurichten. Wenn jemand behaupte, er sei Gott mit absoluter Sicherheit begegnet, sei aber nicht berührt „von einem Schatten der Unsicherheit“, dann laufe etwas schief.

„Wenn einer Antworten auf alle Fragen hat, dann ist das der Beweis dafür, dass Gott nicht mit ihm ist. ... Die großen Führer des Gottesvolkes wie Moses haben immer Platz für den Zweifel gelassen. ... Unser Leben ist uns nicht gegeben wie ein Opernlibretto, in dem alles steht.“ Tradition und der Rückblick auf die Vergangenheit hätten im Glauben sehr wohl ihren Platz, nämlich insofern sie

„uns zu dem Mut verhelfen, neue Räume für Gott zu öffnen. Wer heute immer disziplinäre Lösungen sucht, wer in übertriebener Weise die ´Sicherheit´ in der Lehre sucht, wer verbissen die verlorene Vergangenheit sucht, hat eine statische und rückwärts gewandte Vision. Auf diese Weise wird der Glaube eine Ideologie unter vielen.“ Er selbst habe die folgende lehramtliche Gewissheit: „Gott ist im Leben jedes Menschen. ... Auch wenn das Leben einer Person ein Land voller Dornen und Unkraut ist, so ist doch immer ein Platz, auf dem der gute Same wachsen kann.“


Die Jesuiten

An den Jesuiten haben Jorge Mario Bergoglio drei Dinge berüht, die ihn letztlich zum Eintritt in den Orden bewogen: der Sendungscharakter, die Gemeinschaft und die Disziplin. Dabei sei er „von Geburt an ein undisziplinierter Mensch“. Und die Gemeinschaft: „Ich sehe mich nicht als einsamer Priester“; so der Papst: „Ich brauche Gemeinschaft“. Er nennt das Beispiel seiner Wohnstatt: die Papstwohnung im Apostolischen Palast nennt er einen „umgekehrten Trichter“: groß, aber mit schmalem Eingang. „Man tritt tropfenweise ein. Das ist nichts für mich. … Ich muss mein Leben zusammen mit anderen leben.“ Einer seiner Lieblingsheiligen, fast unbekannt, gehörte dem Jesuitenorden an: der selige Peter Faber aus Savoyen, einer der ersten Weggefährten des heiligen Ignatius. Als Jesuitenprovinzial hat Bergoglio eine Ausgabe von Fabers Schriften erstellen lassen. Was ihn beeindruckt an diesem „reformierten Priester“ Peter Faber, wie ihn ein Mitbruder nannte? „Der Dialog mit allen, auch mit den Fernstehenderen und Gegnern, die schlichte Frömmigkeit, vielleicht eine gewisse Naivität, die unmittelbare Verfügbarkeit, … die Tatsache, dass er ein Mann großer und starker Entscheidungen und zugleich fähig war, so sanftmütig, so sanftmütig zu sein…“.

Die Grundtugend der Jesuiten, die Papst Franziskus nach eigenem Bekunden versucht in sein Leitungsamt einzubringen, ist die „Unterscheidung“. Es geht darum, Großes und Kleines im rechten Maßstab und aufeinander bezogen zu sehen. Mit Franziskus klingt das so: „Man kann große Projekte haben und sie verwirklichen, indem man auf wenige kleine Dinge als Grundlage setzt“. Der Papst zitiert - den bald heiliggesprochenen - Johannes XXIII. mit seiner Maxime „Alles sehen, vieles übersehen, wenig korrigieren“. Und er fügt hinzu, dass die Unterscheidung „immer in der Gegenwart des Herrn“ erfolgt, indem man auf Zeichen achtet, auf Dinge hört und mit Menschen fühlt, besonders mit den Armen. Die Unterscheidung – und damit die Entscheidung – brauche grundsätzlich Zeit. Aber ihn selbst habe die Unterscheidung in den letzten Monaten als Papst dazu angespornt, einiges „sofort zu erledigen“, was er eigentlich später habe tun wollen.


Der Papst privat

Franziskus erzählt vom Tag seiner Wahl. Beim Mittagessen an jenem Mittwoch, dem 13. März 2013, sei ihm „das Risiko, gewählt zu werden“ bewusst geworden. Und da habe er einen „tiefen und unerklärlichen Frieden und einen inneren Trost“ gespürt, zugleich „ mit einer völligen Dunkelheit, einer tiefen Finsternis“. Er sagt, er habe große Schwierigkeiten, Interviews zu geben: Er spüre, dass ihm die richtigen Antworten erst einfallen, nachdem er die Antwort schon gegeben habe. Mit dem Papst zu sprechen, notiert der Interviewer Antonio Spadaro, ist „wie wenn man einem Vulkanstrom von Ideen zuhört, die sich miteinander verknüpfen“.

Über sein persönliches Gebet gibt der Papst preis, er schätze ganz besonders die abendliche Anbetung, auch wenn er zerstreut sei oder sogar beim Beten einschlafe. „Abends von sieben bis acht bin ich vor dem Allerheiligsten für eine Stunde der Anbetung. Aber ich bete auch im Geist, wenn ich beim Zahnarzt warte.“ Die erste Frage des Interviews ist vielleicht die schwierigste. „Wer ist Jorge Mario Bergoglio“? Der Papst überlegt, dann gibt er die Antwort: „Ich bin ein Sünder. Das ist die richtigste Definition. … Ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.“

(rv 20.09.2013 gs)


Dieser Text stammt von der Webseite http://de.radiovaticana.va/news/2013/09/...sung/ted-730142
des Internetauftritts von Radio Vatikan
http://de.radiovaticana.va/archivio.asp

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#2

RE: Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung

in Nachrichten 21.09.2013 20:30
von Kristina (gelöscht)
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Übersetzungsfehler ?
(Das Kirchenbild des Papstes)
"Schau, wenn ich negative Verhaltensweisen von Dienern der Kirche oder von Ordensmännern oder -frauen bemerke, ist das Erste, was mir in den Sinn kommt: ,eingefleischter Junggeselle!‘ oder ,alte Jungfer!‘. Sie sind weder Väter noch Mütter. Sie sind nicht imstande gewesen, Leben weiterzugeben.”

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#3

RE: Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung

in Nachrichten 21.09.2013 21:20
von blasius (gelöscht)
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Liebe Kristina,

welch ein Bild.....

Zitat:

Ein Dialog ist immer möglich

Elitebewusstsein sollte vermieden und Armut ausgemerzt werden. „Dass es niemandem am Nötigsten fehle und allen Würde, Brüderlichkeit und Solidarität gewährleistet wird – das ist der zu beschreitende Weg”, machte der Papst deutlich.

„Zwischen der egoistischen Gleichgültigkeit und dem gewaltsamen Protest gibt es eine Option”, so Franziskus. Sein Rat sei immer: „Dialog, Dialog, Dialog.”


http://www.bild.de/politik/ausland/jorge...60850.bild.html

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#4

RE: Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung

in Nachrichten 21.09.2013 23:35
von Aquila • 7.222 Beiträge

Lieber blasius

Jeder kann sich bez. diesem Interview seine Meinung bilden.

Viel fragen sich sicherlich auch besorgt

"Wohin steuert Papst Franziskus" ?

Wohin steuert Papst Franziskus ?

Wenn die Sitten- und Morallehre zur "Zweitrangigkeit""
herunterdialogisiert wird, ja gleichsam gar das stete
Aufzeigen des Baby-coastes der mörderischen Abtreibung
und der Verhöhnung der Ehe durch die sog. Homo"ehe" als gleichsam
"nicht nötig" erachtet wird bis hin zur
Behauptung, "Spiritualität darf sich nicht in das persönliche Leben einmischen",
( man beachte das neutrale Wort "Spiritualität" )
dann bleibt eine "schmerzlose" Rumpf-Verkündigung "light"
im Fahrwasser des Zeitgeistes.
Unser Herr und Gott Jesus Christus mischt sich massiv und konsequent
in das persönliche Leben ein....und mahnt unentwegt zur
U m k e h r
und animiert nicht zum alles schönredenden "Dauerdialog"
"Die Botschaft des Christus ist ein Frontalangriff."....
auf den Geist der Zeit !
siehe dazu @Kristina's Hinweis auf Hw Milch's Predigt.

Die Botschaft des Christus ist ein Frontalangriff

Wenn von Verstärkung der weiblichen Präsenz in Führungspositionen
wörtlich:

"Die katholische Kirche steht heute vor der Herausforderung,
über den „spezifischen Platz der Frau" nachzudenken.
Das gilt „gerade auch dort,
wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird"
.

die Rede ist,
dann lediglich aus freier Interpretation
ohne traditionelles Fundament....
für die Zukunft ein grosses Fragezeichen....


und Dein Hinweis, liebe @Kristina,
auf die wenig respektvollen Bezeichnungen des Papstes
für Ordensleute lässt eine seiner
"Perlen"

Schlecht über andere zu reden, bedeute oftmals, eigene Schwächen nicht sehen zu wollen

blass aussehen !

Bekanntermassen hat uns unser Herr und Gott Jesus Christus
an Pfingsten den
Heiligen Geist
als Beistand zur Verkündigung des wahren Glaubens gesandt...

Hochfest Pfingsten

und nicht den "Geist des Dialoges" zur
"zeitgemäss demokratischen Beurteilung" desselben !


Dialogkultur



Freundliche Grüsse und Gottes Segen


zuletzt bearbeitet 22.09.2013 01:16 | nach oben springen

#5

RE: Das große Papstinterview: eine Zusammenfassung

in Nachrichten 27.09.2013 22:54
von blasius (gelöscht)
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Liebe Kristina,

eigentlich brauchen wir keine Meinung, denn.... es ist.....




Ein Papst auf neuen Wegen



Von Stephan U. Neumann

Leitungsautorität in der Kirche, die Rolle der Frau, das Verhältnis von der Botschaft Jesu Christi und der kirchlichen Moral - Papst Franziskus hat sich in einem Interview auch kritischen Fragen gestellt.

Wer ist Jorge Mario Bergoglio?“ Seit Papst Franziskus sein Amt vor einem halben Jahr angenommen hat, stellen sich Medien und Gläubige, Vertreter anderer Religionen und Konfessionen sowie Kirchenführer diese Frage. Für die einen passt der frühere Erzbischof von Buenos Aires weder in das Bild, das man sich dort von ihm gemacht hatte, noch allgemein in das eines Papstes. Überwiegt bei den einen ungläubiges Staunen, macht sich bei anderen Unbehagen breit. Angesichts ungewohnter Gesten, des unbefangenen Zugehens auf die Menschen und unkonventioneller Entscheidungen heißt es hinter vorgehaltener Hand manches Mal: Wer glaubt er denn, wer er ist?

Antonio Spadaro, Chefredakteur der italienischen Jesuitenzeitschrift „La Civiltà Cattolica“ hat mit dieser Frage sein Interview mit Franziskus I. eröffnet. „Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.“ Die päpstliche Antwort klingt im ersten Moment in ihrer Demut nach den schon
oft gehörten Bescheidenheitsfloskeln, die meist dazu dienen, die Macht der Kirchenleitung zu verschleiern. Der Papsttitel „servus servorum“ („Diener der Diener“) ist da nur ein Beispiel, wie absolutistische Machtfülle in Fragen von Lehre und Kirchenrecht kleingeredet wird.

Dass Jorge Maria Bergoglio sehr deutlich eigene Fehler benennt und daraus auch als heute mächtigster Mann der katholischen Kirche Konsequenzen zieht, zeigt sich in dem Gespräch, das Spadaro stell-vertretend für zwölf Kollegen der Jesui¬tenzeitschriften verschiedener Länder und zwei weitere Journalisten führte, mit denen er gemeinsam Fragen gesammelt hatte. „Mein Führungsstil als Jesuit hatte anfangs viele Mängel … Ich war erst 36 Jahre alt - eine Verrücktheit!“, erinnert Bergoglio sich an seine Zeit als Provinzial der argentinischen Jesuitenprovinz. Mit seinem autoritären Entscheidungsstil habe er sich den Ruf, ultrakonservativ zu sein, eingehandelt, obwohl er „nie einer von den ‚Rechten‘ gewesen“ sei. Als Erzbischof von Buenos Aires habe er sich deshalb alle vierzehn Tage mit den Weihbischöfen und mehrmals im Jahr mit dem Priesterrat getroffen, um nach offenen Diskussionen „die besten Entscheidungen zu fällen“. Aufgrund dieser Erfahrungen spricht sich der Papst für weniger starre Beratungen der Weltbischofssynoden aus. Das von ihm berufene ¬Gremium von acht Kardinälen aus allen Erdteilen, das erstmals Anfang Oktober zusammentritt und ihn bei der Reform der vatikanischen Behörden beraten soll, sei keine einsame Entscheidung von ihm gewesen, sondern die Konsequenz der Beratung der Kardinäle vor der Papstwahl.

Unfehlbare Gläubige

Nach verschiedenen Affären und Skandalen um die sogenannte Vatikanbank, um vom Papstschreibtisch verschwundene Schriftstücke und angesichts der Frage, wer noch Zugang zum Papst hat und wer diesen kontrolliert, gab es vor allem bei den Kardinälen, die Bistümern vorstehen und nicht Teil der vatikanischen Verwaltung sind, Unmut. „Die römischen Dikasterien (Kongregationen, Räte und die anderen Ämter) stehen im Dienst des Papstes und der Bischöfe“, stellt der Papst nun fest. In deutlichen Worten beklagt er ein weit verbreitetes Denunziantentum: „Es ist eindrucksvoll, die Anklagen wegen Mangel an Rechtgläubigkeit, die in Rom eintreffen, zu sehen.“ Anstatt sich jedoch zu Zensurstellen zu entwickeln, sollte die Kurie die Bischöfe und die Bischofskonferenzen dabei unterstützen, ihre Fragen und Probleme vor Ort zu lösen. Dass diese Relativierung der vatikanischen Behörden dort sehr wohl verstanden wird, zeigt eine Äußerung von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller. Der Präfekt der Glaubenskongregation betonte umgehend, dass die Bischofskonferenzen keine dritte Instanz zwischen Papst und Bischöfen seien und dass hier keine Kompetenzen „föderalistisch“ aus der Zentrale abgegeben worden seien. Aus dem Papstinterview geht jedoch eindeutig hervor, dass Franziskus I. auf die Vielfalt und Eigenständigkeit der Ortskirchen setzt und die Konferenzen auf Länder¬ebene als Beratungsgremien aufwerten will. Der Kurie bleibt eine vermittelnde, dienende Rolle.

Für gemeinschaftliche Beratungen sind die orthodoxen Kirchen für den Papst vorbildhaft: „Von ihnen kann man noch mehr den Sinn der bischöflichen Kollegialität und die Tradition der Synodalität lernen.“ Dieser Wunsch nach gemeinschaftlichem Entscheiden gerade auf den „unteren“ Ebenen entspringt seinem bevorzugten Bild von Kirche als dem Volk Gottes, welches das Zweite Vatikanische Konzil geprägt hatte. „Das Ganze der Gläubigen ist unfehlbar im Glauben. Es zeigt diese Unfehlbarkeit im Glauben durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes Gottes auf dem Weg.“ Damit will Franziskus I. keinem Populismus das Wort reden. Doch nach Jahren, in denen unterschiedliche Meinungen gleich als Relativismus verdammt wurden, macht der Papst deutlich, dass er die Zukunft nicht in einer „kleinen Kapelle“ Ausgewählter sieht, sondern in einer dynamischen, nach außen auf die Menschen zugehenden Kirche. „Wir dürfen die Universalkirche nicht auf ein schützendes Nest unserer Mittelmäßigkeit reduzieren.“
Offene Kirchentüren reichen Franziskus nicht. Als barmherzige Mutter und als Hirtin müsse die Kirche auch zu denen gehen, „die nicht zu ihr kommen, die ganz weggegangen oder die gleichgültig sind“. Wer aber die Wunden der Menschen heilen und ihre Herzen erwärmen will, darf weder rigoristisch auf die buchstabengetreue Einhaltung moralischer Vorschriften pochen noch in eine laxe Gleichgültigkeit verfallen. „Wir können uns nicht nur mit der Frage um die Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit Verhütungsmethoden. Das geht nicht“, ist sich der Papst sicher, ohne die moralischen Ansichten über Gut und Böse aufzugeben. Man müsse sich jedoch auf das Wesentliche konzentrieren. „Die wichtigste Sache ist aber die erste Botschaft: ‚Jesus Christus hat dich gerettet‘.“

Der medial verbreitete Eindruck, mit Papst Franziskus habe sich in Glaube und Moral vieles geändert, ist falsch. Auch er löst das Problem nicht, wie amtliche Lehre und das reale Leben der Menschen besser zusammenfinden können oder wie sich das Lehrgebäude angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse historisch weiterentwickeln muss. Gerade auch bei der Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche ist er konventionellen, ja traditionalistischen Vorstellungen verhaftet: „Ich fürchte mich aber vor einem ‚Machismo im Rock‘, denn Frauen sind anders strukturiert als Männer. Die Reden, die ich über die Rolle der Frau in der Kirche höre, sind oft von einer Männlichkeits-Ideologie inspiriert.“ Mit dem Hinweis auf Maria und der Mahnung, Funktion und Würde nicht zu verwechseln, schließt er einen Zugang zum Priesteramt der Frau faktisch aus. Nicht zuletzt betont Franziskus I., dass Reformen, auf die viele Gläubige angesichts der Abbrüche bei der Kirchenbindung drängen, genügend Zeit brauchten.

Gott in jedem

Neu ist aber, dass er dazu auffordert, über „den spezifischen Platz der Frau gerade auch dort, wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird“, nachzudenken - was immer das heißt. Die Theologie ist für ihn nicht ein Gegenspieler des päpstlichen Lehramts. Vielmehr helfe sie der Kirche, im eigenen Urteil zu wachsen. Die Wissenschaften führten insgesamt zu einem tieferen Verständnis von Mensch und Welt. Sehr inspiriert zeigt er sich von Kunst und Kultur. Dostojewskij und Hölderlin nennt er als bevorzugte Autoren. Neben Mozart, Beethoven und Bach bekennt er, auch Wagners „Ring“ und „Parsifal“ - wenn auch nicht immer - zu lieben. In die Welt des Films wurde Bergoglio von seinen Eltern eingeführt. Fellinis „La Strada“ und der Film „Roma città aperta“ (Rom, offene Stadt) haben ihn besonders bewegt. Jorge Mario Bergoglio ist ein Mensch, dem die „Klage darüber, wie barbarisch die Welt heute sei“, fremd ist. Weil Gott in jeder Person ist, will Papst Franziskus mit allen Menschen neue Wege suchen und finden, um die Botschaft Jesu Christi in dieser Welt zu verkünden. Denn „Gott kommt im Heute entgegen“


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Gott in uns, liebe Grüße, blasius

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