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Widersprüchliche Fraktionen in der Kirche – Sind Gegensätze auf Bischofssynode überwindbar?
(London) In England ruft ein Kardinal zur Verteidigung des Ehesakraments bis zum Martyrium auf, während gleichzeitig ebenfalls in England ein anderer Kardinal der Kirche und den Katholiken auf die Finger klopft und sie wegen einer „zu harten und strengen“ Sprache gegenüber Ehebrechern und Homosexuellen kritisiert. Können die Botschaften von zwei Kardinälen gegensätzlicher sein?
Auf internationalem Parkett wurde am vergangenen Wochenende erneut deutlich, daß das Kardinalskollegium zu den heißen Eisen, die durch die Bischofssynode im vergangenen Oktober aufs Tapet gebracht wurden, gespalten ist.
Der amerikanische Kardinal Raymond Burke, im Herbst 2014 auf päpstliche Anweisung aus der Römischen Kurie entfernt und seither Kardinalpatron des Souveränen Malteserordens, hielt sich in England auf und sprach unter anderem auf einer Tagung von Organisationen zum Schutz der ungeborenen Kinder und zur Verteidigung der Familie. Der Kardinal ist für seine klare und eindeutige Sprache bekannt.
Aussagen Tagles eine Vorahnung auf Haarspaltereien im Schlußdokument der Bischofssynode?
Gleichzeitig hielt sich auch der philippinische Kardinal Luis Tagle in England auf, der in progressistischen Kreisen als aufgehender Stern des Kardinalskollegiums gilt und entsprechend gefördert wird. Ganz im Gegensatz zu Kardinal Burke verurteilte Kardinal Tagle die „harte und strenge“ Sprache der Kirche und von Katholiken gegen Ehebruch und Homosexualität. „Seine Schlußfolgerungen liefern uns, wie ich meine, eine Vorahnung der Haarspaltereien, die sich bereits mit Blick auf die Bischofssynode im Oktober abzeichnen“, so Chiesa e postconcilio.
Die Kirche hat zu allen Zeiten im Beichtstuhl und gegenüber Hilfesuchenden den „Einzelfall“ betrachtet. Eine solche Praxis nun einzufordern, wie Kardinal Tagle, vermittelt einen falschen Eindruck von der bisherigen Praxis der Kirche und legt die Vermutung nahe – will man im Kardinal nicht nur einen Wortgaukler sehen – , daß es in Wirklichkeit nicht um eine neue Praxis, sondern eine andere Lehre zu Ehe und Homosexualität geht. Die Kirche hat in ihrer Seelsorge immer den Einzelfall gesehen, diesen aber nicht von der Lehre abstrahiert, die ihr von Christus anvertraut und nicht von ihr erfunden wurde.
Die Ansprachen der beiden Kardinäle zeigen nicht nur Scharmützel, sondern einen offenen Bruch, der unüberbrückbar scheint, weshalb nicht absehbar ist, worauf die Kirche bei der Bischofssynode am kommenden Oktober entgegengeht.
Eine Zusammenfassung der beiden Ansprachen von LifeSiteNews:
Raymond Leo Kardinal Burke
In einer Rede auf einer Tagung der Society for the Protection of Unborn Children und der Voice of the Family sagte Kardinal Burke, daß unsere Gesellschaften nicht als „christlich genannt werden können“ und es daher eine Bewegung zur Neuevangelisierung von Grund auf brauche.
„In unseren Tagen muß unser Zeugnis von der Schönheit der Wahrheit über die Ehe rein und heroisch sein“, so Burke. „Wir müssen bereit sein zu leiden, so wie die Christen im Lauf der Jahrhunderte gelitten haben um die heilige Ehe zu ehren und fördern.“
Der Kardinal forderte auf, die heiligen Märtyrer John Fisher, Thomas Morus und Johannes den Täufer sich zum Vorbild zu nehmen. Drei Männer, die „für die Verteidigung der Treue und Unauflöslichkeit der Ehe zu Märtyrern wurden“.
„Der christliche Glauben und seine Praxis müssen von Neuem gelehrt werden, wie das in den ersten christlichen Jahrhunderten und zur Zeit der Evangelisierung unserer Heimatländer geschehen ist“, so Burke.
Verwüstung durch Homosexualisierung und milliardenschwere Porno-Industrie
„Der christliche Charakter der Kultur kann nicht mehr vorausgesetzt werden, auch wenn es für Jahrhunderte so gewesen sein mag.“ Die Christen, die sich dieser entscheidenden Mission annehmen, „müssen der Heiligkeit der Ehe, der Treue, der Unauflöslichkeit und der Offenheit für Nachkommen im Ehebund besondere Aufmerksamkeit schenken“.
In der aktuellen Situation werde auf der ganzen Welt versucht, eine systematische Trennung der Zeugung vom Sexualakt durchzusetzen. „Es genügt an die Verwüstung zu denken, die durch eine milliardenschwere Porno-Industrie tagtäglich in unsere Welt gebracht wird, oder an die unglaublich aggressive Förderung der Homosexualität, die nur ein tiefes Unglücklichsein, auch Verzweiflung unter den Betroffenen und die Zerstörung der Gesellschaft provozieren kann, wie es immer in der Geschichte der Fall war“, so Kardinal Burke.
Heiligkeit, Treue, Unauflöslichkeit der Ehe von zentraler Bedeutung für die Neuevangelisierung
„Für die Umwandlung der westlichen Kultur ist die Verkündigung der Wahrheit über den Ehebund in seiner ganzen Fülle von entscheidender Bedeutung, ebenso die Korrektur der Verhütungsmentalität, die Angst vor dem Leben und der Fortpflanzung hat.“ Diese Evangelisierung müsse bei der Kirche selbst beginnen. „Wenn es keine Neuevangelisierung in der Ehe und der Familie gibt, wird sie auch nicht in der Kirche oder in der Gesellschaft generell stattfinden.“
Kardinal Burke stellte fest, daß die westlichen Kulturen „schwer verwirrt sind und im Irrtum, was die grundlegende Wahrheit der Ehe und der Familie anbelangt“, und daß diese Verwirrung auch in die Kirche eingedrungen ist.
Die Kirche, so der Kardinal, „erlebt unter dem Druck einer völlig säkularisierten Kultur eine wachsende Verwirrung und auch der Irrtum ist in sie eingedrungen. Das schwächt das Zeugnis der Kirche auf ernste Weise, wenn es dieses nicht zum Nachteil für die gesamte Gesellschaft völlig kompromittiert“.
Verwirrung und Irrtum in die Kirche eingedrungen
Mit der Bischofssynode sind „diese Verwirrung und der Irrtum für die Welt sichtbar geworden“. Der unsägliche Zwischenbericht, der der Kirche nahelegte, die „homosexuelle Orientierung“ zu „akzeptieren und aufzuwerten“, war „ein Manifest, eine Art Aufwiegelung“ der Bischöfe und ein Druck, der auf sie ausgeübt werden sollte, damit sie die „immerwährende Lehre der Kirche aufgeben“, so der Kardinal.
Burke machte das erste Auftreten dieser „Verwirrung“ und dieses „Irrtums“ auf offizieller Ebene mit der Rede von Kardinal Walter Kasper beim Kardinalskonsistorium im Februar 2014 fest, jenes deutschen Theologen, der bereits vor Jahrzehnten zu einer der bedeutendsten Stimmen der progressistischen Fraktion gehörte. Obwohl das Kardinalskollegium in Aufruhr geriet wegen der Rede Kaspers, mit der er die Kirche dazu aufforderte, die eucharistische Ordnung und ihre Moral- und Sakramentenlehre zur Unauflöslichkeit der Ehe aufzugeben, lobte Papst Franziskus am folgenden Tag den Kardinal für seine Theologie der „Freude“ und „auf den Knien“.
Luis Antonio Kardinal Tagle
Am selben Wochenende kritisierte der Erzbischof von Manila, Luis Kardinal Tagle an einem anderen Ort, aber auch in England die „harte“ und „strenge“ Sprache der Kirche, wenn sie über die Sünde des Ehebruchs und der Homosexualität spreche. Kardinal Tagle nahm am 2. Flame Youth Congress in Wembley teil. Im Anschluß daran sagte er dem Daily Telegraph, daß die Kirche wieder neu ihre Lehre von der „Barmherzigkeit“ lernen müsse.
Der Kardinal wurde soeben von Papst Franziskus zum Vorsitzenden der Catholic Biblical Federation ernannt, dem unter anderen die Katholischen Bibelwerke Deutschlands, Österreichs und der Schweiz angehören. Tagle wird von aufmerksamen Beobachtern mit Nähe zu einem bestimmten Lager bereits als möglicher Papabile für das nächste Konklave ins Gespräch gebracht.
Kirche muß bei Sexualität sozialen und psychologischen Entwicklungen Rechnung tragen
Dem Daily Telegraph sagte er, die Kirche müsse in der Diskussion über die Sexualität den jüngsten sozialen und psychologischen Entwicklungen Rechnung tragen. Wörtlich sagte er: „Wir müssen zugeben, daß diese ganze Spiritualität, dieses Wachsen in der Barmherzigkeit und die Anwendung der Tugend der Barmherzigkeit etwas ist, das wir immer mehr lernen müssen. Zum Teil sind es auch die Veränderungen der kulturellen und sozialen Sensibilität, die dazu führen, daß das, was in der Vergangenheit eine akzeptable Form war, Barmherzigkeit zu zeigen… heute, wegen unserer modernen Mentalität, nicht mehr auf dieselbe Weise gesehen werden könnte.“
„Ich denke, daß sich auch die Sprache bereits geändert hat. Die harten, in der Vergangenheit gebrauchten Worte gegenüber schwulen, geschiedenen und getrennten Personen, gegenüber Kindermüttern usw. waren früher sehr schwerwiegend“, so der Kardinal.
Kirche hat zur Ausgrenzung von Homosexuellen, Geschiedenen, Kindermüttern u.a. beigetragen
„Viele Menschen, die diesen Gruppen angehörten, wurden abgestempelt und das hat zu ihrer generellen Ausgrenzung aus der Gesellschaft geführt. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich habe gehört, daß in einigen Kreisen, christlichen Kreisen, das Leid, das diese Menschen erlitten haben, als legitime Konsequenz ihrer Fehler betrachtet und in diesem Sinn vergeistigt wurde“.
„Wir sind aber froh, diesbezüglich Veränderungen zu sehen und zu hören“, so Tagle.
Der Kardinal hob den Einsatz von Kirchenvertretern hervor, die sich mit Nachdruck bemühen, die „pastorale Praxis“ der Kirche zu ändern und die Zulassung zur Kommunion von Personen, die in „irregulären“ sexuellen Verbindungen leben, zu erreichen. Tagle fügte hinzu, daß dadurch die Lehre der Kirche nicht verändert werde. Gleichzeitig bekräftigte er den Vorschlag von Kardinal Kasper, der die Grundlage für die Diskussion sein müsse und die Behandlung von jedem Fall als „Einzelfall“.
Kardinal Kaspers Vorschlag richtig: Nicht eine Formel für alle, sondern Einzelprüfung
„Hier ist, jedenfalls für die katholische Kirche, ein pastoraler Ansatz, der in der Beratung, im Sakrament der Versöhnung erfolgt, wo die einzelnen Personen und die einzelnen Fälle einzeln oder individuell behandelt werden, so daß die Hilfe, die pastorale Antwort der Person auf angemessene Weise gegeben werden könne.“
„Jede Situation von wiederverheirateten Geschiedenen ist ausreichend einzigartig. Am Ende eine generelle Regel zu haben, könnte kontraproduktiv sein. Meine Position in diesem Moment ist es, zu fragen: ‚Können wir alle Fälle ernstnehmen und ist es in der Tradition der Kirche, daß die Wege Fall für Fall individuell behandelt werden?‘ Das ist eine Frage, und ich hoffe, die Menschen wissen das zu schätzen, auf die es nicht leicht ist, mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu antworten. Wir können nicht für alle eine einzige Formel haben.“
Text: Giuseppe Nardi