Grüss Gott und herzlich Willkommen im KATHOLISCHPUR- Forum....

#6

RE: Vater unser

in Grundgebete 04.11.2013 20:38
von Aquila • 7.034 Beiträge

Weitere Auszüge aus
Das Gebet des Herrn"
des
hl. Gregor v. Nyssa:

-

Dritte Rede: "Geheiligt werde dein Name! Zu uns komme dein Reich."
[....]
Das höchste und notwendigste Gut besteht nun darin,
daß der Name Gottes durch mein Leben verherrlicht werde.
[....]
So muß ich denn, glaube ich, vor allem darum beten und das zur Hauptangelegenheit meines Gebetes machen,
daß der Name Gottes durch mein Leben nicht gelästert, sondern verherrlicht und geheiligt werde.
Durch dich demnach, will der Herr sagen, soll mein herrlicher Name, den du anrufst, geheiligt werden,
„auf daß die Menschen die guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist“ (Matth. 5, 46).

[....]
Denn unmöglich kann Gott durch uns anders verherrlicht werden als dadurch,
daß die Tugend, die wir betätigen, auf die göttliche Macht, als auf die Ursache und Quelle des Guten hinweist.

[....]

Wenn wir also die Bitte stellen, es möge das Reich zu uns kommen, so flehen wir damit Gott dem Sinne nach ungefähr also an:
gerettet möge ich werden vom Untergang,
befreit werden vom Tode,
losgelassen aus den Fesseln der Sünde;
nicht mehr solle herrschen über mich der Tod,
nicht mehr soll wirksam sein die Zwangsherrschaft des Bösen,
nicht soll Gewalt über mich haben der Feind,
nicht die Sünde mich gefangennehmen;
nein, kommen soll zu mir dein Reich, auf daß von mir zurückweichen oder vielmehr in das Nichts übergehen die Leidenschaften, die mich jetzt zu beherrschen und zu knechten suchen!

Denn wie der Rauch vergeht, so werden sie vergehen, und wie Wachs vor dem Αngesichte des Feuers, so werden sie verschwinden.
Weder läßt der Rauch, sobald er in die Luft emporgestiegen,
eine Spur von seinem Wesen zurück; noch wird das Wachs,
wenn es ins Feuer geworfen ist, mehr gefunden,
sondern auch dieses wird, nachdem es mit seinem Stoff die Flamme genährt hat,
in Dunst und Luft verwandelt, und der Rauch tritt in völliges Nichts über.

Ähnlich wird, wenn das Reich oder die Herrschaft Gottes zu uns kommt, alles, was bisher die Herrschaft geführt hat, in das Nichts gestürzt werden.
Denn die Finsternis verträgt nicht die Gegenwart des Lichtes;
nicht bleibt die Krankheit im Körper, wenn die Gesundheit einzieht.
Und so weicht die Leidenschaftlichkeit,
wenn mit dem Reiche Gottes Leidenschaftslosigkeit in die Seele eingetreten ist;
dahin ist der Tod und verschwunden die Verderbnis, wenn das Leben in uns zur Herrschaft gelangt ist und die Unverderbbarkeit die Oberhand gewonnen hat."
[....]


-


zuletzt bearbeitet 04.11.2013 20:54 | nach oben springen

#7

RE: Vater unser

in Grundgebete 05.11.2013 22:14
von Aquila • 7.034 Beiträge

Weitere Auszüge aus
"Das Gebet des Herrn"
des
hl. Gregor v. Nyssa:

-

Vierte Rede: "Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden;
unser tägliches Brot gib uns heute
!
"

a) "Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden."

Nachdem nun der Mensch durch das Gift des Ungehorsams,
das er reichlich in sich aufgenommen, in schwere tödliche Krankheit gefallen
und verurteilt war, das herrliche Leben des Paradieses zu verlassen,
da erschien der wahre Arzt, um,
wie es die anfangs dargelegte ärztliche Theorie verlangt,
das Übel durch entgegengesetzte Mittel zu heilen;
weil wir dadurch von Krankheit ergriffen wurden,
daß wir uns vom Willen Gottes trennten,

so heilt er uns dadurch von unseren Leiden,
daß er uns wieder mit dem Willen Gottes vereinigt
.

So aufgefaßt, bewirken die Worte des Gebetes die Heilung unserer Seelenkrankheit.
Wer nämlich ausruft:
Dein Wille geschehe“,
betet, wie wenn seine Seele gleichsam von Schmerzen heimgesucht wäre.
Der Wille Gottes aber ist das Heil der Menschen.
Wenn wir uns nun entschließen, zu Gott zu sagen:
Dein Wille geschehe auch in mir“,
so müssen wir vorher jenem Leben widersagen,
das im Gegensatz zum göttlichen Willen steht,

und ungefähr folgende Meinung mit unserem Gebete verbinden:
„Während meines früheren Lebens trieb ein Wille, der dem deinigen, o Gott,
entgegengesetzt war, in mir sein Unwesen und ich war ein Knecht des höllischen Zwingherrn,
so daß ich gleichsam wie ein Henker die Blutbefehle jenes bösen Feindes an mir selbst ausführte; erbarme dich über meine Verkommenheit und gib,
daß endlich dein heiliger Wille in mir geschehe!
nämlich in den dunklen Winkeln der Höhlen, sobald man ein Licht hineinbringt,
die Finsternis verschwindet, so weicht, wenn dein Wille in mir geschieht,
alsbald jene schlechte, ungehörige Regung des Willens!“
Denn die Mäßigung wird das zügellose leidenschaftliche Begehren des Herzens stillen,
die Demut den Hochmut vernichten, die Bescheidenheit die Krankheit der Selbstüberhebung heilen, die Tugend der Liebe auch die längste Reihe von Lastern aus der Seele vertreiben.
Vor ihr flieht der Haß, der Neid, der Groll, der Zorn, die verdrießliche Stimmung,
die Hinterlist, die Heuchelei, die Erinnerung an Kränkungen, das Verlangen nach Rache, das Aufwallen des Herzblutes, der gehässige Blick:
überhaupt die ganze Schar der Laster wird durch die Gesinnung der Liebe in die Flucht geschlagen.
Zumal vertreibt der Wille Gottes, wenn er in uns zur Entfaltung kommt,
den zweifachen Götzendienst:
den Wahnsinn mit den Götterbildern und den mit Silber und Gold, die ein Prophetenwort
„die Götzenbilder der Heiden“ nennt.
Es geschehe also dein Wille“,
damit der Wille des Teufels zunichte werde.

Weshalb beten wir aber, daß von Gott her uns der Wille zum Guten zuteil werde?
Deshalb, weil die menschliche Natur zum Guten zu schwach ist, nachdem sie die Kraft hiezu durch die Sünde einbüßte.
Denn keineswegs mit derselben Leichtigkeit,
mit welcher sich der Mensch zum Bösen wendet,
kehrt er von diesem wieder zum Guten zurück, wie sich auch am Leib ein ähnliches Verhältnis bemerken läßt;
nicht auf die gleiche Weise und nicht mit derselben Leichtigkeit
wird nämlich das Gesunde krank und das Kranke gesund.
[...]
Dem entspricht es auf geistigem Gebiete, daß wir zum Fortschreiten auf der Bahn des Bösen, keinen Helfer benötigen,
weil das Böse in unserem verderbten Willen wie von selbst zur vollen Entfaltung sich entwickelt; soll sich aber die Wagschale zum Guten neigen, so brauchen wir die Hilfe Gottes, damit er das Wollen bis zum Vollbringen geleite.
Darum geht unsere Bitte dahin:
Da dein Wille, o Herr, die Mäßigung selbst ist, ich aber fleischlich gesinnt und unter die Herrschaft der Sünde verkauft bin, so möge der Wille zum Guten durch deine Kraft in mir hergestellt werden:
die Gerechtigkeit, die Frömmigkeit, die Zügelung der Leidenschaften!“
Denn der Begriff Wille schließt sämtliche Tugenden keimhaft in sich und der Wille Gottes enthält alles Gute, was wir nur denken können.


[....]

Doch was bedeutet der Zusatz:
"Wie im Himmel, also auch auf Erden"?
[....]
Wenn nun das Leben da droben kein Übel und keine Sünde kennt,
das armselige Leben hienieden aber in mannigfache Leidenschaften und Mühseligkeiten versenkt ist, so wird offenbar jenes überirdische Leben,
weil rein von jeglicher Unvollkommenheit,
in seinem makellosen Zustand durch die Erfüllung des Willens Gottes erhalten
- denn wo nichts Böses ist, muß mit Notwendigkeit Gutes sein -
unser Leben auf Erden dagegen ist dadurch,
daß es aus der engen Verbindung mit dem sittlichen Guten austrat,
auch
aus dem Willen Gottes ausgetreten.
Deshalb werden wir durch das Gebetswort aufgemuntert,
unser Leben so von allem Bösen zu reinigen,
daß nach dem Vorbild des Lebens im Himmel auch in uns der göttliche Wille
restlos zur Geltung und Herrschaft komme
.
Wir sagen mit unserer Bitte gleichsam zu Gott:
"Wie von den Thronen, Mächten und Gewalten und überhaupt
von dem ganzen überirdischen Heere dein Wille geschieht
und das Böse in keiner Weise die Entfaltung des Guten hindert,
so gelange das Gute auch in uns zur vollen Verwirklichung,
damit nach Beseitigung jeder Unvollkommenheit dein Wille
einen wohlbereiteten Weg in unsere Seele finde
!"


-

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#8

RE: Vater unser

in Grundgebete 07.11.2013 00:11
von Aquila • 7.034 Beiträge

Fortsetzung.....
Auszüge aus
"Das Gebet des Herrn"
des
hl. Gregor v. Nyssa:

-


b) unser tägliches Brot gib uns heute

Lassen wir uns also durch die gegebene Erörterung belehren,
um was wir für heute und um was wir für später bitten müssen!
Das Brot gehört für den Gebrauch des heutigen Tages,
das Reich Gottes aber zur seligen Hoffnung.
Mit dem Worte „Brot“ will der Herr alles zusammenfassen,
was wir für den Leib bedürfen.
Wenn wir um dieses bitten, so wird dem Beter zum Bewußtsein kommen,
daß er hiermit um Vergängliches bittet,
während hingegen,
wenn wir um ein Gut der Seele flehen, unsere Bitte auf Immerwährendes und Ewiges abzielt.
Auf Letzteres sollen wir aber zumeist unseren Blick richten,
voll der Zuversicht,
daß doch mit dem Wichtigeren auch alles Übrige, dessen wir bedürfen, zugleich erreicht wird.

Der Herr versprach nämlich:
Bittet um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit,
und dieses alles wird euch dazugegeben werden
“ (Matth. 6, 33).
In Christo Jesu, unserem Herrn,
dem die Herrlichkeit und die Macht sei von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

-


zuletzt bearbeitet 07.11.2013 00:17 | nach oben springen

#9

RE: Vater unser

in Grundgebete 07.11.2013 23:22
von Aquila • 7.034 Beiträge

Fortsetzung der Auszüge aus
Das Gebet des Herrn"
des
hl. Gregor v. Nyssa:

-

Fünfte Rede "Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!
Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
!"


a) Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!

"Wer kennt nicht die bildliche Wendung der Schrift,
durch die Fenster sei der Tod eingedrungen (Jer. 9, 21)?
Die Sinne, durch welche die Seele nach außen wirkt und alles, was ihr behagt,
erfaßt, hat nämlich die Heilige Schrift Fenster genannt, durch welche,
wie es weiter heißt, der Tod Eingang findet.

Und tatsächlich gewährt z. B. das Auge dem Tode vielfach Eingang,
so wenn der Mensch durch dasselbe einen Zornigen erblickt
und zur gleichen Leidenschaft sich entzünden läßt,
oder einen Glücklichen, der es nicht verdient, und in Neid gerät,
oder einen Hochmütigen, und in Haß aufflammt,
oder eine ungewöhnlich schöne Körpergestalt,
und ganz in Verlangen nach dem Gegenstand seines Wohlgefallens aufgeht.
Ähnlich öffnet auch das Ohr dem Tode die Fenster,
durch das, was es hört, und nimmt viele Leidenschaften in die Seele auf:
Furcht, Jammer, Zorn, Lust, Begierde, ausgelassene Heiterkeit und ähnliches.
Die Befriedigung des Geschmacksinnes ist sozusagen die Mutter aller Übel;
denn wer wüßte nicht, daß die unbeschränkte Sorge für den Gaumenkitzel
so ziemlich die Wurzel aller Fehltritte im Leben ist?
Ihr entspringen Weichlichkeit, Trunkenheit, Schlemmerei, Verschwendung, Völlerei, Blasiertheit, Nachtschwärmerei, der tierische und unvernünftige Trieb zu entehrenden Lastern.
Ebenso erzeugt der Tastsinn Verirrungen schlimmster Art;
denn alles, was Unzüchtige mit ihrem Körper treiben, sind Krankheiten,
welche der Tastsinn hervorruft; sie einzeln aufzuzählen, würde zu weit führen;
auch würde es gegen den Anstand verstoßen, wollte man in einer ernsten Rede alle Vorwürfe aufnehmen, welche gegen den Tastsinn erhoben werden können.

Wer könnte aber die Unzahl der Sünden aufzählen,
die im Geiste und im Willensvermögen begangen werden?

Die Schrift sagt:
Von innen heraus kommen die bösen Entschlüsse“
und fügt auch eine Aufzählung der Gedanken bei, welche uns verunreinigen können (Matth. 15, 19).
Wenn uns demnach dergestalt die Netze der Sünde umstricken
― durch alle Sinneswerkzeuge und die Regungen der Seele ―,
„wer wird sich“, um mit der Schrift zu reden, „rühmen, ein reines Herz zu haben?“ (Sprichw. 20, 9). „Wer ist frei geblieben von Schmutz?“ (Job 14, 4).
Eine Befleckung ihrer Reinheit droht der Seele durch die Lust,
welche sich vielfach und auf mancherlei Weise in das menschliche Leben einschleicht:
durch Seele und Leib, durch Gedanken, durch Empfindungen, durch die Bewegungen des Willens, durch die leiblichen Tätigkeiten.

Wer hat da eine Seele, die von diesem Schmutz ganz rein bliebe?
Wie sollte er nicht vom Hochmutsdünkel berührt,
wie nicht vom Fuße des Stolzes getreten worden sein?
Wen hat nicht die Hand zum Sündigen und damit zum Wanken gebracht?
Wessen Fuß ist nicht dem Bösen nachgelaufen?
Wen hat das unbezähmte Auge nicht befleckt,
wen das unbewachte Ohr nicht verunreinigt, der Geschmacksinn nicht gefesselt?
Und wessen Herz hat allen törichten Regungen Widerstand geleistet?
Da nun diese Zustände bei den mehr tierisch Gesinnten schlimmer,
bei den für ihr Heil Besorgteren zwar milder sind,
die Gebrechen der Natur aber bei allen Menschen,
weil sie an der gleichen Natur teilnehmen, tatsächlich sich vorfinden,
so müssen wir alle vor Gott niederfallen und ihn anrufen, er möge uns unsere Schulden vergeben.
[....]
Solltest du nicht vielmehr dich selbst ernstlich prüfen,
wie du dich gegen deinen Herrn benommen hast,

der dich erschaffen und durch die Geburt ins Dasein geführt
und an den Wundern der Welt hat teilnehmen lassen, der dir die Sonne hingesetzt,
daß du dich ihrer erfreuest,
und dir alle Mittel zum Leben aus den Elementen gewährt hat:
aus Erde, Feuer, Luft und Wasser; der dir die Fähigkeit des Denkens,
die Sinne zur Aufnahme der Außenwelt, die Gabe, Gutes und Böses zu unterscheiden,
verliehen hat? Wie nun?
Leistest du einem solchen Herrn Gehorsam und gibst du ihm keinen Grund zur Klage?
Hast du dich nicht seiner Botmäßigkeit entzogen?
Bist du nicht zur Sünde übergelaufen und hast seine Herrschaft mit der des bösen Feindes vertauscht?
Hast du nicht das Haus deines Herrn, soweit es auf dich ankam,
der Verödung preisgegeben und die Stätte verlassen,
wo du auftragsgemäß hättest arbeiten und wachen sollen?
Und begehst du nicht durch unerlaubte Taten, Worte und Gedanken
so viele Beleidigungen sogar vor seinem Angesichte,
da er allgegenwärtig ist und alles sieht?
Und in einem derartigen Zustand befindlich und mit so vielen Schulden beladen,
vermeinst du deinem Mitknechte eine gar große Gunst zu erweisen, wenn du ihm etwas von seinen Verfehlungen nachsiehst
!
Wenn wir also Gott um Barmherzigkeit und Verzeihung anflehen wollen,
so müssen wir unserem Gewissen das Vertrauen zu dieser Bitte dadurch verschaffen,
daß wir vor dieselbe unser Leben als Anwalt hinstellen und in Wahrheit sagen können:
Auch wir haben denen vergeben, die uns schuldig waren.



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#10

RE: Vater unser

in Grundgebete 08.11.2013 23:26
von Aquila • 7.034 Beiträge

Schliesslich noch der letzte Auszug aus den Darlegungen
"Das Gebet des Herrn"
des
hl. Gregor v. Nyssa:

-

b) Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Was will nun das bedeuten, was sich an die besprochenen Worte sogleich anschließt?
Es dürfte gut sein, auch an diesem nicht vorüberzugehen,
sondern es zu betrachten, damit wir, wohl unterrichtet,
unsere Bitte zu dem, zu dem wir beten, mit dem Herzen und nicht bloß mit den Lippen emporsenden:
Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
“ Was, meine Brüder, bedeuten diese Worte?
Wie mir scheint, gebraucht der Herr
für den bösen Feind verschiedene Namen, indem er ihm nach seinen verschiedenen schlimmen Kraftäußerungen auch verschiedene Bezeichnungen gibt:
Teufel, Beelzebub, Mammon, Fürst der Welt, Menschenmörder, der Böse, Vater der Lüge usw
.
Doch auch „die Versuchung“ weist auf etwas hin, was zu ihm gehört.
Diese unsere Vermutung wird durch den Zusammenhang bestätigt;
denn auf die Worte:
Führe uns nicht in Versuchung!“ läßt der Herr folgen: „Erlöse uns von dem Bösen“, gerade wie wenn durch beides der nämliche bezeichnet würde.
Denn wenn bloß derjenige, der nicht in Versuchung gerät,
dem Bösen vollständig entrinnt, so nähert sich auch jener,
der in Versuchung geraten ist, notwendig dem Bereiche des Bösen;
also sind „Versuchung“ und „der Böse“ ihrem Wesen nach ein und dasselbe.

Wozu mahnt uns die Lehre, die uns damit das Gebet erteilt?
Wir sollen frei werden von allem, was man in dieser Welt wahrnimmt,
in Übereinstimmung mit dem, was der Herr an einer anderen Stelle sagt:
Die ganze Welt liegt im argen“ (Joh. 5, 19).
Darum muß sich jeder, der vor dem Bösen bewahrt bleiben will,
notwendig von der Welt entfernen.
Denn die Versuchungen hätten nicht die Macht,
die Seele gefangenzunehmen,
wenn sie nicht das Tun und Treiben der Welt den Naschhaften,
wie einen Köder an gefährlichem Angelhaken hinhielten.

Noch deutlicher kann uns der Gedanke durch andere Gleichnisse werden.
Furchtbar ist oft das Meer im Wogenschwall, aber nicht für solche,
welche entfernt von ihm wohnen;
verheerend wirkt das Feuer, aber nur für den Brennstoff, der in seine Gewalt fällt;
schrecklich wütet der Krieg, aber nur für jene, welche an den Schlachten teilnehmen.
Wie nun alle, die den Unfällen und Schrecknissen des Krieges entgehen wollen,
bitten und flehen, in keinen Krieg verwickelt zu werden, und jene,
die das Feuer fürchten, nicht in die Flammen zu geraten,
und wer Angst vor dem Meere hat, keine Seefahrt unternehmen zu müssen,
so muß auch jeder, der die Tyrannei des Bösen fürchtet, bitten und rufen,
ihm nicht überliefert zu werden.
Nachdem jedoch, wie schon bemerkt, das Wort Gottes sagt,
daß die Welt im argen liege,
die Dinge der Welt aber die Anlässe zu den Versuchungen bieten,
so fleht, wer bittet, vor dem Bösen beschützt zu werden, gut und passend zugleich,
er möge frei von Versuchungen bleiben.

Denn keiner wird den Angelhaken verschlucken,
wenn er nicht in Lüsternheit die Lockspeise an sich gezogen und verkostet hätte.
Wohlan, erheben auch wir uns und rufen zu Gott:
Führe uns nicht in Versuchung!
“ das heißt,
laß uns nicht in die Verderbnisse des Lebens geraten,
sondern erlöse uns vor dem Bösen“,
der die Herrschaft in dieser Welt führt
und vor dem wir beschützt werden mögen durch die Gnade Christi.
Denn ihm gebührt Ehre und Herrlichkeit zugleich mit dem Vater und dem Heiligen Geiste,
jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.


-


zuletzt bearbeitet 08.11.2013 23:44 | nach oben springen


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