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Die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, + 19.11.1231 - Fest: 19. November
Die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, + 19.11.1231 - Fest: 19. November
in Unsere Fürsprecher 19.11.2021 17:31von Blasius • 3.920 Beiträge
Die heilige Elisabeth, in Ungarn geboren, kam mit vier Jahren nach Thüringen. Dort ist sie auf Schloss Wartburg groß geworden. Zu keiner Zeit hat sie sich etwas darauf eingebildet, dass sie Königstochter war und Fürstin werden sollte. Als Mädchen war sie einfach und gläubig zugleich, und oft hat sie ihre kleine Krone, den Ring und die Perlenschnur vor einem Kreuz Jesus Christus ehrend zu Füßen gelegt.
Sehr früh ist Elisabeth die Frau des Landgrafen Ludwig von Thüringen geworden. Sie lebten in einer sehr glücklichen Ehe, so wie zwei Königskinder, die sich sehr lieb haben, und bekamen drei Kinder. Selten sind ein Mann und eine Frau so froh übereinander gewesen als Ludwig und Elisabeth von Thüringen im Kreis ihrer Kinder. So groß war das Glück, dass Elisabeth alles Liebe und Gute den leidgeprüften Menschen ihrer Zeit weitergeben wollte.
Elisabeth wurde zum leuchtenden Vorbild der schenkenden und dienenden Nächstenliebe. Alles gab sie mit Liebe her, Geld und Gut, Getreide und Brot, Speise und Kleider und sich selbst dazu, denn sie scheute weder Wind noch Wetter noch Hitze noch Frost noch Weg noch Steg, um überall im Land den Armen und Notleidenden zu helfen. Die Fürstin Elisabeth selbst reinigte den Kranken die verlausten Betten und die schmutzigen Zimmer, nahm sich der Waisen an und ließ ein Spital für Aussätzige bauen, und als sie einmal einen Hund sah, der einen allzu schweren Karren keuchend mit letzter Kraft den Berg hinauf zog, da löste sie dem Tier die Riemen und spannte sich selbst vor den Wagen.
Die Legende erzählt, dass Ludwig einmal Elisabeth auf einem Gang im Schnee überraschte und sie scherzend fragte, was sie so schwer unter dem Mantel trägt. Lächelnd gab Elisabeth den Scherz zurück und sagte, es seien Rosen mitten im Winter. Und als Ludwig lieb den Mantel zurückschlug, war Elisabeths Scherzwort zur Wirklichkeit geworden. Rosen, weiß und rot, blühten mitten im Winter im Korb unter ihrem Mantel.
So erzählt die Legende, und wenn es auch nur Legende ist, so spricht sie doch Wahrheit, denn wo immer ein Mensch, von Gott angeleitet, anderen, die in Not und Armut und Krankheit und Gebrechen und Kummer und Sorgen leben, mit Rat oder Tat am Leib oder an der Seele hilft, da blühen Rosen, weiß und rot, sogar mitten in Eis und Schnee.
Viel Leid ist später über Elisabeth gekommen. Früh starb ihr Mann. Von harten Menschen wurde sie aus dem Haus vertrieben. In einem Stall hat sie gewohnt. Eine Frau, der sie zuvor viel Gutes ohne Ende erwiesen hatte, stieß sie verächtlich in eine Pfütze am Weg. Man nahm ihr die Kinder und tat ihr viel andere böse Dinge an. Doch das alles trug Elisabeth nach Art der Christen als starke Frau, aber als man ihr verbot, Almosen zu spenden, und sie sich dem Gebot fügen musste, da wollte ihr Herz vor Kummer brechen.
Wie muss man doch diese herrliche Frau selig preisen, deren größtes Leid darin bestand, dass sie anderen nicht mehr helfen durfte!
Die heilige Elisabeth starb am 17. November 1231 in Marburg.
Liebe Grüße, Blaius
RE: Die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, + 19.11.1231 - Fest: 19. November
in Unsere Fürsprecher 19.11.2021 17:33von Blasius • 3.920 Beiträge
Das Leben des heiligen Elisabeth nach Ferdinand Heitemeyer von 1889:
Im Garten Gottes blühen die schönsten Blumen: Das Veilchen der Demut, die Lilie der Keuschheit, die Rose der Liebe, das Immergrün der Hoffnung, der Rittersporn des Starkmutes, die Sonnenblume himmlischen Strebens, die Passionsblume der Leidensfreudigkeit und tausend andere, die das Auge und Herz des Beschauers erfreuen. Ein solcher Gottesgarten voll der lieblichsten und duftigsten Tugendblüten war das Herz der heiligen Elisabeth. Bis in die spätesten Zeiten wird der Glanz und Duft dieser schönsten Blüte Deutschlands hochgeschätzt und geliebt sein.
Der fromme König Andreas II. von Ungarn und seine edelmütige Gemahlin Gertrud von Meran und Andechs wurden im Jahr 1207 durch die Geburt eines holden Kindes erfreut, das in der heiligen Taufe den Namen Elisabeth, d.h. „die Gottgeweihte“, empfing. Schon früh zeigte sich die Gnade Gottes an dem Kind, denn kaum fing es an zu sprechen, so ertönte der süße Name Jesus von seinen Lippen und es war seine Lust, die Tränen der Armen durch herzliches Mitleid und reichliche Gaben zu trocknen. In dem Kind schien dem ganzen Land ein Glücksstern aufgegangen zu sein, denn Friede und Segen ergoss sich seit seiner Geburt über das Königreich.
Im Jahr 1211 erschien eine Gesandtschaft des mächtigen und berühmten Landgrafen Hermann I. von Thüringen und Hessen unter Führung des edlen Ritters Walter von Varula am Hof des Königs von Ungarn, und bat für den jungen elfjährigen Landgrafen Ludwig um die Hand der kleinen Elisabeth. König Andreas willigte ein und übergab dem Gesandten sein vierjähriges Kind, damit es, der Sitte jener Zeit gemäß, am Hof ihres Verlobten erzogen würde. In einem goldgestickten Gewand, in einer silbernen Wiege liegend und mit reichen Schätzen ausgestattet, von dreizehn ungarischen Edelfräulein und vielen Rittern begleitet, kam Elisabeth glücklich auf der Wartburg bei Eisenach an. Ungemeiner Jubel herrschte am Hof des Landgrafen und alle bewunderten die Schönheit und Anmut des Kindes. Unter großen Feierlichkeiten, die die berühmtesten deutschen Meistersänger mit ihren Liedern verherrlichten, fand die Verlobung des elfjährigen Prinzen Ludwig mit Elisabeth statt.
Mitten unter den Freuden des Hoflebens entfaltete Elisabeth die schönsten Tugenden. Alle ihre Gedanken und Bestrebungen waren auf Gott gerichtet. So oft sie konnte, kniete sie am Altar der Schlosskapelle nieder und überließ sich frommen Gebeten und Betrachtungen. Fand sie die Kapelle verschlossen, so küsste sie andächtig das Schloss, die Tür und äußere Mauer aus Liebe zu Jesus, der im Tabernakel wohnte. Gern ging sie mit ihren Gespielinnen auf den Gottesacker und mahnte sie: „Erinnert euch, dass wir einst nichts als Staub sein werden! Darum lasst uns Gott lieben! Kniet nieder und sprecht mit mir: „Herr, durch deinen grausamen Tod und durch deine geliebte Mutter Maria erlöse diese armen Seelen von ihrer Pein! Herr, durch deine heiligen Wunden mach uns selig!“ Wer zu ihr von Gott und seinen heiligen Geboten redete, dem schenkte sie ihre volle Aufmerksamkeit. Nichts lernte sie so gern, als Gebete und betete täglich eine Anzahl derselben. Wurde sie am Tag daran verhindert, dann holte sie in der Nacht das Versäumnis nach. Den engelreinen Jüngling Johannes wählte sie zu ihrem besonderen Beschützer und schlug niemand eine Bitte ab, der sie im Namen dieses heiligen Apostels anflehte. Eine grenzenlose Barmherzigkeit hegte sie gegenüber allen Armen und Kranken. Alles Geld und alle Lebensmittel, die sie erhaschen konnte, brachte sie den Notleidenden. Sie ließ dafür ein Vaterunser oder Ave Maria beten.
Mit dem Tod des Landgrafen Hermann begann für die neunjährige Elisabeth eine schwere Prüfungszeit. Während seines Lebens durfte niemand die zärtlich von ihm geliebte Königstochter in ihren frommen Andachtsübungen stören, als er aber gestorben war, hatte sie von der Witwe, der Landgräfin Sophie, und deren hoffärtigen Tochter Agnes vieles zu leiden und bekam die bittersten Vorwürfe wegen ihrer Demut, Einfalt und Gottinnigkeit. Voll Spott und Gift sagten sie ihr, sie habe nichts Fürstliches an sich und eigne sich wohl zu einer einfältigen Dienstmagd oder Klosterfrau, nicht aber zu einer Fürstin.
Einst befahl die Landgräfin am Mariä Himmelfahrtstag den beiden Prinzessinnen Agnes und Elisabeth, ihre schönsten Kleider anzulegen, ihre goldenen Kronen aufzusetzen und mit ihr nach Eisenach zum Hochamt in die Liebfrauenkirche zu gehen. Dies geschah. Kaum aber knieten alle drei vor dem großen Kruzifix, als Elisabeth schweigend ihre Krone abnahm, auf dem Boden niederkniete, und den Zipfel ihres Mantels mit Tränen benetzte. Sophie und Agnes machten ihr bittere Vorwürfe, doch Elisabeth erwiderte sanftmütig: „Vor meinen Augen hängt mein Gott und König mit einer scharfen Dornenkrone, und ich elendes Geschöpf sollte vor ihm mit einer kostbaren, goldenen Krone erscheinen? Sollte ich ihn verhöhnen? Ach, das kann ich nicht!“
Elisabeth duldete alle Kränkungen und Feindseligkeiten der Landgräfin und ihrer Tochter gottergeben. Während sie mit dem Plan umgingen, die ungarische Königstochter in ein Kloster zu stecken oder zu ihrem Vater heimzuschicken, erhob Elisabeth ihre Hände zu Gott und sprach: „Herr, dein Wille geschehe!“ Dann wartete sie ruhig ab, was Ludwig beschließen würde. Ludwig aber blieb seiner Verlobten getreu und er liebte sie wegen ihrer Tugend und Frömmigkeit von Tag zu Tag mehr. Einst sprach er zum Grafen Varula, indem er seine Hände gegen den nächsten Berg ausstreckte: „Wenn dieser Berg da ganz von Gold wäre und mir allein gehören sollte, aber ich müsste Elisabeth dafür lassen, - ich täte es nicht. Ich liebe sie und werde sie heiraten.“
Sobald Ludwig das zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, nahm er im Jahr 1220 die dreizehnjährige Elisabeth unter großen Feierlichkeiten zur Ehe. Ein so frommes, schönes und glückliches Ehepaar hat die Welt selten gesehen. Ihre innige Liebe zueinander tat der Liebe Gottes keinen Abbruch, beide ermunterten sich zu Werken der christlichen Nächstenliebe und nannten sich, wie in der frühen Kindheit, nur Bruder und Schwester.
Ludwig war ein Mann von seltener Schönheit, seine blonden Haare wallten reich über Nacken und Schultern, seine Wangen blühten im Rot der Unschuld, sein Auftreten war würdevoll, Anmut und Heiterkeit lagen auf seinem Antlitz. Mit seiner leiblichen Schönheit und Würde wetteiferte seine Frömmigkeit. Täglich hörte er die Heilige Messe. Er war ein Beschützer der Unschuld, ein strenger Richter über die Gottlosen, ein Freund der Frommen, ein freigebiger Wohltäter der Armen. Oft besuchte er das Kloster Reinhardsbrunn, das seine Vorfahren gebaut hatten, beschenkte und tröstete die Kranken im Kranken- und Pilgerhaus, das damals bei jedem Kloster stand, und ahmte in viele Stücken dem Leben der Mönche nach. Sein Volk liebte ihn sehr, und im ganzen Land herrschte Eintracht und Sicherheit.
Elisabeth vereinte mit ihrer Jugend Hoheit und Würde. Von bräunlichem Angesicht, schwarzem Haar, schlankem Wuchs, würdevollem Gang, nahm sie durch ihre freundlichen Mienen und ihr gütiges herablassendes Wesen alle Herzen für sich ein. Unter ihren fürstlichen Kleidern trug sie ein Bußgewand, jeden Freitag und jeden Tag in der Fasten ließ sie sich aus Liebe zum leidenden Heiland von einer vertrauten Magd geißeln, den Andachtsübungen und der Armenpflege widmete sie sich nach Herzenslust und erbaute durch ihre innige Andacht bei jedem Gottesdienst das Volk. Oft stand sie in der Nacht auf und betete lange und inbrünstig. In Speisen und Getränken tat sie sich viel Abbruch. Oft stand sie von der reichsten Tafel hungrig und durstig auf, oder, wenn es ihr Gemahl nicht bemerkte, nahm sie nur Wasser und Brot.
So streng und hart Elisabeth sich selbst behandelte, so liebreich war sie gegenüber ihren Mitmenschen, besonders gegenüber den Dürftigen und Siechen. Soviel ihr Gemahl ihr auch an Geld und Lebensmitteln überließ, es reichte ihrer Freigebigkeit nicht zu. Zuweilen beraubte sie sich ihrer eigenen Kleider, um den Notleidenden helfen zu können. Als sie einst schon alles fortgegeben hatte, flehte sie ein Dürftiger noch dringend um ein Almosen an. Da nahm sie einen ihrer mit Edelsteinen besetzten Handschuhe und gab ihn dem Dürftigen. Ein junger Ritter kaufte ihn den Handschuh ab und steckte ihn als Unterpfand des göttlichen Schutzes an seinen Helm. Auf dem Todesbett versicherte er, dass er seine Rettung in den Schlachten, seinen Ruhm und seine Siege diesem Andenken der heiligen Elisabeth verdanke.
Nicht zufrieden, den Armen an ihrer Pforte Gaben auszuteilen, suchte sie auf weiten und beschwerlichen Wegen die Bedürftigen in ihren Hütten auf, scheute nicht den Schmutz und die verpestete Luft, pflegte die Kranken, tröstete die Bekümmerten, hob die Kinder der Armen aus der Taufe, wachte bei den Leichen und folgte ihnen zum Grab. Besonders nahm sie sich der Aussätzigen an, die von den Gesunden sorgfältig gemieden wurden. Sie wusch ihnen Hände und Füße, kniete demütig vor ihnen nieder und küsste ihre Wunden und Geschwüre. Eines Tages schleppte sie einen Aussätzigen in ihr Schloss, reinigte ihn und legte ihn, da sonst kein Platz mehr übrig war, in das Bett ihres Gemahls. Inzwischen kehrte der Landgraf zurück und seine Mutter klagte ihm zürnend: „Komm und schau, ich will dir ein Wunder von deiner Elisabeth zeigen!“ Aufgeregt eilte er in sein Schlafgemach und fragte: „Frau, wer ist da in meinem Bett?“ Zugleich riss er die Decke weg und – o Wunder! – statt des Aussätzigen erblickte er in seinem Bett das Bild des Gekreuzigten. Sprachlos vor Erstaunen steht er da, weint, küsst Elisabeth und spricht: „Meine liebe Schwester, solche Gäste lege nur oft in mein Bett, das ist mir wohl zu Dank. Lass dich von niemand in der Ausübung deiner Tugenden irre machen!“
Als sie einst den Berg hinabging und Fleisch, Brot und Eier für ihre Armen unter dem Mantel trug, begegnete ihr Ludwig und fragte sie neugierig: „Lass sehen, was du trägst!“ Während er ihren Mantel zurückschlug, sah er nur rote und weiße Rosen, die schönsten, die er je gesehen hatte, und doch war die Zeit der Blumen längst vorüber. Über ihrem Haupt schwebend sah er ein leuchtendes Kruzifix, weshalb er an dieser Stelle daraufhin eines aufrichten ließ.
Im häuslichen Kreis war Elisabeth immer heiter und wohlgemut, spann mit ihren Dienerinnen Wolle und verfertigte Leinen für ihren Bedarf und für die Armen. Ihren Gemahl liebte sie mit unaussprechlicher Zärtlichkeit, saß neben ihm am Tisch und begleitete ihn trotz ungestümer Witterung auf seinen kleinen Reisen. Musste er auf längere Zeit die Wartburg verlassen, so legte sie schwarze Witwenkleider an bis zu seiner Heimkehr. Oft unterhielt sie sich mit ihrem Gemahl über die Liebe zur Armut um Christi willen. Sie pflegte dann ärmliche Kleider anzulegen, ihr Haupt mit einem zerrissenen Schleier zu bedecken und im prophetischen Geist sprach sie: „So werde ich einhergehen, wenn ich um Gottes Willen arm und elend sein werde.“ Einst überraschten sie vornehme Herren in ihrem ärmlichen Anzug. Ihr Gemahl geriet in die peinlichste Verlegenheit, sie aber trat nach kurzem Gebet unbefangen vor die Herren und diese konnten sich nicht sattsehen an der reizenden Schönheit, an dem Prachtgewand von himmelblauer Seide und dem Perlengeschmeide der Tochter ihres Königs. Wie zärtlich sorgt doch Gott für die Seinigen! Gerührt über diesen Gnadenerweis Gottes rief der fromme Landgraf aus: „Wahrlich, unser Gott ist ein sehr guter Gott! Es ist ehrenvoll, einem solchen Herrn zu dienen, der den Seinen so getreulich zu Hilfe kommt. Auch ich will von diesem Tag an immer mehr sein Knecht sein.“ Er hielt Wort und bemühte sich, seiner heiligen Gattin möglichst ähnlich zu werden.
Um diese Zeit kamen die ersten Franziskanerbrüder nach Deutschland und kehrten auf der Wartburg ein, erzählten gar vieles von ihrem Ordensstifter, dem heiligen Franziskus von Assisi, und wie auch Weltleute an ihrem Orden teilnehmen könnten; denn der Heilige Vater habe für diese den Dritten Orden gestiftet. Elisabeth erbat sich und erhielt von ihrem Gemahl die Erlaubnis, sich in diesen Orden aufnehmen zu lassen. Sie war das erste Mitglied dieses segensreichen Ordens in Deutschland. Der heilige Franziskus schickte der Fürstin, die die Armut so lieb hatte, seinen alten Mantel als Unterpfand seiner Hochachtung, und Elisabeth trennte sich erst im Tod von diesem kostbaren Andenken.
Mit ungefähr siebzehn Jahren verlor Elisabeth ihren Beichtvater. Ihr Gemahl wandte sich an den Papst um einen guten Seelenführer. Dieser empfahl ihr den frommen und gelehrten Meister Konrad von Marburg, dessen gewaltiger Feuereifer und musterhafter Wandel viel zur Unterdrückung der albigensischen Ketzerei beigetragen hatte. Elisabeth legte ihm im Jahr 1225 das Gelübde des Gehorsams ab für alle Dinge, die nicht dem Recht der heiligen Ehe widerstrebten, sowie auch das Gelübde, für den Fall, dass sie ihren Gemahl überlebe, im keuschen Witwenstand zu verbleiben.
Als der Landgraf im Jahr 1225 mit dem Kaiser auf dem Reichstag zu Cremona in Italien weilte, entstand im Thüringer Land eine furchtbare Hungersnot, so dass die Leute Gras und Wurzeln aßen und die Wege mit Leichen bedeckt waren. Voll des innigsten Mitleids verteilte Elisabeth den ganzen Schatz des Landgrafen unter die Armen, ließ die Vorratskammern öffnen und speiste täglich 900 Arme, ließ zu dem Krankenhaus am Fuß der Wartburg noch zwei Krankenhäuser in Eisenach bauen und ging täglich selbst den beschwerlichen Weg, „Kniebrecher“ genannt, um die Kranken zu pflegen, die Betten zu reinigen, den Sterbenden im Todeskampf beizustehen. Zuletzt verkaufte sie noch ihre Edelsteine und Kostbarkeiten, um keinen Armen abweisen zu brauchen. Als der Landgraf heimkehrte und die Verwalter über die Verschwendung seiner Gemahlin klagten, wies er sie mit den schönen Worten zurück: „Wenn mir nur Eisenach mit der Wartburg und Naumburg bleibt, dann kann meine Elisabeth in Gottes Namen verschenken, wem, was und wann sie will. Almosen macht niemand arm.“
Gott hatte die frommen und edelmütigen Edelleute mit einem Söhnlein und drei Töchtern beschenkt. Barfuß trug Elisabeth jedes Kind beim ersten Ausgang selbst zur Kirche, um es Gott aufzuopfern. Aber bald wurde das Familienglück getrübt; denn der Kaiser erließ einen Aufruf zu einem Kreuzzug in das Heilige Land. Im Herbst 1227 musste Ludwig den Kaiser begleiten und übertrug die Regierung seinem Bruder Heinrich. Der Abschied Elisabeths von ihrem teuren Gemahl war ein herzzerreißender, da sie ahnte, dass sie ihn nicht wiedersehen werde. Schon bald erkrankte Ludwig und starb zu Otranto in Italien eines seligen Todes. Wer möchte die Trauer schildern, die die liebende Gattin bei der Todesnachricht ergriff? Nur im Gebet fand sie Stärke, den bitteren Leidenskelch zu trinke, den Gott ihr darreichte. Sie sollte den Kelch bis zur Hefe leeren.
Heinrich, der Bruder des verstorbenen Landgrafen, verstieß sofort Elisabeth mit ihren vier Kindern wie eine nichtswürdige Verbrecherin von der Wartburg und erklärte sie aller Güter verlustig. Weinend stieg die verlassene Witwe mitten im rauen Winter von der Wartburg herab, ihr jüngstes Kind auf den Armen, die anderen drei von ihren Frauen geführt. Vergebens klopfte sie an alle Türen in Eisenach. Niemand öffnete ihr; denn alle fürchteten den Zorn des neuen Landesherrn, der den strengen Befehl erlassen hatte, weder Elisabeth noch ihre Kinder in ein Haus aufzunehmen. Vor Frost erstarrt, von Hunger gequält, erlaubte ihr endlich ein Wirt, in einem Schweinestall zu übernachten. Die Königstochter, die in einer silbernen Wiege nach Eisenach kam, saß dort jetzt auf einem Haufen halbverfaulten Strohs. In ihrer Not betete sie zu Gott und ein wunderbarer Friede ergoss sich in ihre Seele. Um Mitternacht hörte sie in dem von ihrem Gemahl Ludwig gestifteten Franziskanerkloster zur Mette läuten. Sogleich eilte sie mit ihren Kindern zur Kirche und bat nach der Andacht die Mönche, ein Te Deum zu singen, um Gott zu danken für die Trübsal, die er über sie verhängte. Bis zu Tagesanbruch blieb sie in der Kirche. Dann bettelte sie an den Türen um ein Obdach und Speise und Trank für ihre Kinder. Nach langem vergeblichen Umherlaufen erbarmte sich ihrer ein armer Priester, aber auch da vertrieben sie ihre Feinde. Arme Leute nahmen ihr nun heimlich ihre Kinder ab und verpflegten sie, sie selbst ernährte sich mit Spinnen. Als Elisabeth einst mit einer schweren Bürde über einen schmutzigen Bach ging, trat ihr ein boshaftes Bettelweib entgegen, die viele Wohltaten von ihr empfangen hatte, stieß sie in das Wasser und sagte spottend: „Da liege, du Närrin! Du hast es nicht verstanden, Landgräfin zu sein; jetzt hast du, was dir gebührt!“ Elisabeth ertrug diese Schmach geduldig und sagte beim Aufstehen lächelnd: „Das ist dafür, dass ich einst Gold und Edelsteine trug.“ Jesus erschien ihr, tröstete sie und nannte sie seine Schwester und Freundin. Die Mutter Gottes nahm ihre Hände zwischen die ihrigen und sprach: „Willst du meine Tochter sein, so will ich deine Mutter sein!“
Nach einiger Zeit erfuhren Elisabeths Verwandten ihre unwürdige Behandlung, und ihr Oheim Egbert, Bischof von Bamberg, wies ihr das Schloss Bodenstein zum Wohnsitz an, trug väterliche Sorge für sie und ihre Kinder und gedachte sie dem Kaiser Friedrich II., der seine Gemahlin vor kurzem verloren hatte, zu vermählen. Aber die verstoßene Bettlerin hatte sich bereits einem edleren Bräutigam, Jesus Christus, verlobt.
Nach einiger Zeit kehrten die thüringischen Ritter aus dem Gelobten Land zurück und brachten die Leiche ihres geliebten Landesherrn von Otranto nach Bamberg, von da nach Reinhardsbrunn. Empört über die schmachvollen Unbilden, die man ihrer Landesfürstin angetan hatte, zwangen sie Heinrich, das Witwengut herauszugeben, ein Leibgeding von 500 Mark Silber zu zahlen, und ihrem Sohn Hermann die Nachfolge zu sichern. Elisabeth umarmte ihren ehemaligen Todfeind und ließ keinem ihrer Beleidiger das Unrecht vergelten.
Um ihrem Heiland möglichst gleichförmig zu werden, verließ Elisabeth ihren Palast und bezog eine arme Lehmhütte neben der Franziskanerkirche zu Marburg, legte am Karfreitag die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab, ließ sich ihr schönes Haar abschneiden, empfing das graue Büßerkleid, umgürtete sich mit einem Strick, und flehte zu Gott inbrünstig um drei Gaben, nämlich um Kraft, Schimpf und Verleumdungen der Menschen geduldig zu ertragen, dann um gänzliche Verachtung aller irdischen Güter, endlich um Abnahme ihrer übermäßigen Liebe zu ihren Kindern. Ihr frommer, aber auch sehr strenger Beichtvater Konrad unterstützte sie in ihrem Streben nach Vollkommenheit. Ihr Sohn Hermann wurde zur Erziehung auf das Schloss Kreuzberg gebracht, ihre Töchter fanden Unterkunft im Kloster Altenburg, wo die jüngste, Gertrud, später Äbtissin wurde; die älteste heiratete den Herzog von Brabant, die mittlere starb früh. Auch von ihren ältesten und vertrautesten Leidensgefährtinnen Isentrude und Guda musste sie sich trennen. Nach dem Beispiel ihres seraphischen Vaters Franziskus lebte fortan die Königstochter in der äußersten Armut, um dem Heiland möglichst gleichförmig zu werden. Wie früher waren die Armen und Kranken ihre liebsten Freunde. Sie ließ zu Marburg ein Hospital bauen und verrichtete dort täglich die niedrigsten und ekelhaftesten Dienste. Sie küsste sogar die scheußlichsten Wunden und tat für die Elenden mehr, als eine Mutter für ihre Kinder tun kann. Für diese außerordentliche hingebende Liebe belohnte sie Gott mit der Wundergabe. Ein taubstummer und gelähmter Junge lag einst vor der Tür des Spitals, das sie mit Tagesanbruch zu besuchen pflegte. „Was fehlt dir, mein liebes Kind?“ fragte sie zärtlich. Da der Junge auf ihre wiederholten Fragen schwieg, sprach sie traurig: „Im Namen Jesu sage mir, was dir fehlt!“ Der Junge stand auf, lobte Gott und war von all seinen Leiden befreit. – Ein an Händen und Füßen Verstümmelter rief ihr einmal zu: „Eilet, Frau! Ich bin aus Reinhardsbrunn, wo euer Gemahl begraben liegt. Aus Liebe zu seiner Seele helft mir! Betet für mich!“ Mit überirdischer Zärtlichkeit sah Elisabeth den Unglücklichen an, und siehe, von Stunde an war er gesund. – Ein Blinder bat um ihr Gebet. „Bete du selbst mit!“ entgegnete sie und ließ ihn neben sich hinknien. Je inniger sie betete, desto heller wurden seine Augen, bis er ganz deutlich sah. Dann erhob sie sich und sprach: „Nun musst du Gott dienen, fleißig arbeiten und jede Sünde meiden.“ – Zur Winterzeit wünschte ein Kranker einen Fisch. Elisabeth ging zur nächsten Quelle und betete: „O Herr Jesus Christus, ist es dein Wille, so gib mir einen Fisch für den armen Kranken!“ Sogleich fand sie in dem Eimer, mit dem sie Wasser schöpfte, einen großen Fisch, den sie dem Armen mit Freuden brachte.
Um diese Zeit kamen Gesandte ihres Vaters, der von ihren Leiden gehört hatte, und luden sie ein, an den königlichen Hof zu Budapest zu kommen. Als der ungarische Gesandte sie in der niedrigen Lehmhütte, in gesticktem Kleid, beim Wollspinnen antraf, weinte er bitterlich und sprach: „Hat man je eines Königs Tochter Wolle spinnen sehen? Wer hat euch in dieses Elend versetzt?“ „Niemand – antwortete Elisabeth freundlich – als der reichste Sohn des himmlischen Vaters, der mich durch sein Beispiel gelehrt hat, den Reichtum zu verachten und die Armut mehr zu lieben, als alle Schätze der Welt. Dabei fehlt es mir an nichts und ich bin ganz glücklich. Sagt meinem Vater, er solle sich meinetwegen nicht betrüben, sondern sich vielmehr freuen, dass er eines seiner Kinder im Dienst des Königs des Himmels und der Erde hat. Nur um eins bitte ich, dass er für mich bete und beten lasse, ich will es auch für ihn tun mein Leben lang.“
Mehr und mehr schälte sich Elisabeth von der Welt los und teilte ihre Zeit zwischen Gebet und Betrachtung und christlichen Liebeswerken. Öfters erschien ihr ein Engel, der einst zu ihr sprach: „Ich bringe dir keine Krone mehr; denn du leuchtest vor Gott, der dich selbst mit göttlichen Ehren krönen will.“ Oft zeigte sich ihr der göttliche Heiland selbst von Angesicht zu Angesicht und tröstete sie. Erwachte sie aus ihren Verzückungen, dann glänzte ihr Angesicht wunderbar und ihre Augen leuchteten gleich Sonnenstrahlen. Dauerten solche Verzückungen länger, dann bedurfte sie keiner irdischen Nahrung mehr; die heilige Kommunion allein reichte für sie hin. Sie weinte viel, aber es waren mehr Tränen der Wonne, als der Trauer.
Die Stunde nahte, nach der sich Elisabeth so lange gesehnt hatte, die Stunde der ewigen Vereinigung mit ihrem himmlischen Bräutigam. Jesus Christus erschien ihr lichtumflossen und sprach zu ihr mit sanfter Stimme: „Komm zu mir, du auserwählte Braut, meine süße, liebe Freundin, gehe ein in die Wohnung, die dir von Ewigkeit bereitet ist. Ich will dich selbst hineinführen.“ Voll Freuden ging Elisabeth noch einmal zu ihren Kranken und Armen, segnete sie und teilte, was sie noch hatte unter sie aus. Dann begab sie sich zu ihrem kranken Beichtvater und nannte ihm die Stunde ihres Todes. Vier Tage später ergriff sie ein heftiges Fieber und quälte sie 14 Tage. Nach Empfang der heiligen Sterbesakramente schenkte sie der treuen Dienerin Guda ihre letzte und liebste Habe, den armen Mantel des heiligen Franziskus und sprach den Wunsch aus, in der Hospitalskirche begraben zu werden. Dann geriet sie in Verzückung, sang wunderbar schön, und ihr Antlitz verklärte sich derart, dass die Umstehenden den Glanz kaum ertragen konnten. Freudig rief sie aus: „O Maria, komm mir zu Hilfe! Der Augenblick ist da, wo der Allmächtige seine Freunde zur Hochzeit ladet. Es naht der Bräutigam, die Braut zu holen.“ Dann hieß sie mit leiser Stimme alle Still sein, neigte ihr Haupt wie zu sanftem Schlummer und ging hinüber zu den Chören der Engel und Heiligen in der Nacht des 19. November 1231. Sogleich verbreitete sich in der Hütte ein außerordentlicher Wohlgeruch und in den Lüften hörte man einen himmlischen Gesang. Die Heilige hatten eben ihr 24. Lebensjahr erreicht.
Unbeschreiblich war die Trauer des Volkes und das Wehklagen der Armen über das Hinscheiden ihrer größten Wohltäterin. Die Spuren früherer Leiden waren vom Angesicht der Leiche verschwunden, die Wangen waren sanft gerötet. Unter wunderbarem Gesang aus der Höhe wurde die Leiche begraben. Unzählige Wunder verherrlichten ihren Namen: Blinde wurden sehend, Lahme gehend, Fallsüchtige, Verwachsene, Rasende, Verwundete wurden geheilt, Tote erweckt. Daher erhob sie schon vier Jahre nach ihrem Tod Papst Gregor IX. zur Ehre des Altares. Unbeschreiblich war die Freude des deutschen Volkes über diese Ehre. Mehr, als eine Million Menschen strömten aus den deutschen Ländern, aus Ungarn, Böhmen, Frankreich, Spanien und Italien zusammen, um der Erhebung der Leiche beizuwohnen. Ein lieblicher Wohlgeruch stieg aus dem Grab empor. Der heilige Leib war noch ganz unversehrt. Kaiser Friedrich setzte der Heiligen eine goldene Krone aufs Haupt und führte ihre drei Kinder zum Opfer. Aus den reichen Spenden wurde eine prachtvolle Kirche gebaut. Zu Ehren der heiligen Elisabeth wurden in allen Ländern Europas und selbst jenseits des Meeres Kirchen, Klöster und Spitäler erbaut und noch heute eifert der Elisabethen-Verein der Heiligen in Werken der christlichen Liebe und Barmherzigkeit nach.
Trittst du jetzt in die schöne Elisabethen-Kirche zu Marburg, so findest du nicht mehr zahllose Pilgerscharen, du siehst keinen Priester am Altar, in der schönen Grabkapelle bemerkst du noch die Spuren von den Knien der Pilger, aber vergebens suchst du die Gebeine der Heiligen. Ein Nachkomme der heiligen Elisabeth, Landgraf Philipp von Hessen, der vom katholischen Glauben abfiel und Luthers Lehre annahm, riss unter gemeinem Spott und Hohn die Reliquien seiner Ahnfrau aus ihrer Ruhestätte und niemand weiß, wohin sie gekommen sind. Auch auf der Wartburg zeigt sich keine Spur mehr von dem Walten der Heiligen. Doch in dem Herzen des katholischen Volkes lebt die Verehrung der lieben heiligen Elisabeth fort und ihr schönes Beispiel hat schon Tausende zur Nachfolge und dem Weg der christlichen Liebe und des Erbarmens gegenüber Armen und Kranken entflammt. Heilige Elisabeth, bitte für uns, dass wir dir mehr und mehr in Werken christlicher Barmherzigkeit nachfolgen!
Die heilige Elisabeth gelangte zu dem hohen Grad der Vollkommenheit, indem sie folgende 12 Lebensregeln ihres Beichtvaters Konrad genau befolgte:
1. Ertrage geduldig Verachtung in freiwilliger Armut.
2. Lass dir die Armut am Herzen liegen.
3. Lass fahren menschlichen Trost und die Lüste des Fleisches.
4. Sei barmherzig gegenüber dem Nächsten.
5. Danke Gott dafür, dass er dich durch seinen Tod von der Hölle und dem ewigen Tod erlöst hat.
6. Trage dein Kreuz in Geduld aus Liebe zum Gekreuzigten.
7. Habe Gott stets in deinem Herzen und in deinen Gedanken.
8. Weihe Leib und Seele ganz deinem Gott.
9. Erinnere dich, dass du ein Geschöpf Gottes bist, und bestrebe dich, ewig mit ihm vereinigt zu werden.
10. Was du willst, dass es dir die Menschen tun, tue auch ihnen.
11. Denke immer an die Kürze des menschlichen Lebens. Strebe immerfort nach dem himmlischen Leben.
12. Bereue stets deine Sünden und flehe zu Gott, dass er sie dir vergebe.
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Liebe Grüße, Blasius
RE: Die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, + 19.11.1231 - Fest: 19. November
in Unsere Fürsprecher 19.11.2021 17:35von Blasius • 3.920 Beiträge
Die heilige Elisabeth von Thüringen
Von Reinhold Schneider, aus „Die großen Deutschen“, Deutsche Biographie, herausgegeben von Hermann Heimpel, Theodor Heuß und Benno Reifenberg, im Propyläen-Verlag bei Ullstein, Berlin 1956
Auf dem Marburger Schrein, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts, etwa zwanzig Jahre nach Elisabeths Tod, ihre Gebeine aufnahm, ist ihr Leben in acht entscheidenden Szenen vergegenwärtigt:
Landgraf Ludwig, ihr Gemahl, hält in betenden Händen das Kreuz und lässt sich vom Bischof von Hildesheim weihen;
die Gatten, Ludwig als Pilger gekleidet, sehen einander in der Abschiedsstunde mit wissendem Todesernst in die Augen;
die Witwe streift einem sich duckenden Armen ein Gewand über;
sie empfängt von heimkehrenden Kreuzfahrern den Ring des toten Gatten und in einem Säckchen, das der erste Gepanzerte eben vom Sattel seines Pferdes nimmt, die Gebeine;
sie beugt sich den herandrängenden Armen zu, gebend mit der Rechten, mit der Linken nehmend aus dem Vorrat der Dienerin;
kniend lässt sie sich von einem Priester mit der Kutte des Dritten Ordens des Franziskus bekleiden, so wie sie die Bettler bekleidet hat;
untergehend in der Welt der Armen, kniet sie vor einem trinkenden Aussätzigen, umgeben von Bettlern, die ihre Becher halten;
ganz in Sorge und Liebe verwandelt, speist sie mit dem Löffel einen blinden Greis, umschart von emsig essenden Bettlern.
Es ist nichts gesagt von der Geburt der Königstochter in Ungarn (1207), nichts vom Tod in dem von ihr gegründeten Siechenhaus in Marburg (1231), aber Gültigeres kann nicht gesagt werden von der Überfülle der Liebe, des Leidens, der Freude, die in dieses jugendliche Leben gefasst ist und aus ihm noch immer in die Welt strömt. Elisabeth war Fürstin und Heilige, gesegnet und beschwert mit Herrschaften und verzehrt von dem Wunsch, Schwester der Ausgestoßenen, der von Elend Zerstörten, der Unerträglichen zu sein; sie war so sehr Mutter aller – und immer der Erniedrigten –, dass sie Mutter ihrer Kinder nicht mehr sein konnte; in solchem Grad Braut Christi, dass sie es bereute, Gattin des geliebten Gatten geworden zu sein; zwei Schwerter kreuzten sich in ihrem Herzen, aber sie strahlte vor Freude und weinte vor Glückseligkeit.
Gaudens in tribulatione: das ist das immer wiederkehrende Zeugnis; ihre unzerstörbare Heiterkeit war nur der Unerschöpflichkeit ihrer Tränen zu vergleichen (lacrimas infinitas); sie ist – das muss zu Anfang gesagt werden – eine in gewisser Hinsicht befremdende, bestürzende Existenz. Ihr Leben lässt sich so wenig ins Idyll verkehren wie das des Franziskus. Sie steht nicht allein in der Landes-, sondern in der Weltgeschichte, und zwar an bedeutender Stelle; und sie steht in der Heilsgeschichte. Die beiden Bereiche sind in ihrem Leben nicht voneinander zu scheiden; die Wirkungen fluten aus dem einen in den anderen hinüber und wieder zurück. Das Weltliche, das Geschichtliche in ernsterem Sinne ruft die Heiligkeit hervor, und die Heiligkeit erweist sich als eine die Geschichte tragende Kraft. Eine Heilige wird für den Gläubigen unermesslich mehr bedeuten als für den, der seinen Glauben nicht teilt und teilen kann; aber auch diesen, der die paradoxen Voraussetzungen der christlichen Existenz nicht annimmt, müsste Elisabeth bewegen. Was die Frau in der Geschichte vermag – und was sie nicht vermag; was ihre wirkliche Berufung ist als geschichtliche Person und in welchem Maße Gang und Bestand der Geschichte auf sie angewiesen sind; das leuchtet in ihr auf. Sie hat nie aufgehört, geschichtliche Person zu sein, auch heute nicht; sie ist noch immer in der Macht, unaufhebbare Gegensätze wenn auch nicht zu versöhnen, doch zu heilen; mit ihr beugt sich das Hohe in die Niedrigkeit; mit ihr steigt das Niedrige empor. Wohl kann und muss zu einer jeden Stunde von einer Wende der Zeit, des Lebensgefühls gesprochen werden; aber in der Spanne, die Elisabeth zugemessen war, sind zwei Machtformen, Papsttum und Kaisertum, zu einem Streit angetreten, dessen Wiederholung zur Natur, zum Kosmos, zum Mitmenschen aufgestiegen, die nicht mehr entbehrt werden können. Vielleicht darf diese Behauptung gewagt werden, wenigstens hinsichtlich der Reinheit und Folgerichtigkeit: In Elisabeth ist die erste gotische Gestalt erschienen – so wie die zu ihren Ehren errichtete Kirche in Marburg die erste gotische Kirche in Deutschland ist. Wir dürfen die Blüten der Legende, die sie umrankt, nicht knicken; sie sind zu innig um sie geschlungen; wohl aber müssen wir sie ein wenig zur Seite biegen, um die Schmerzen zu ahnen, die Elisabeth verschwieg. Nicht die Wunder sind das Wesentliche, sondern die Liebe und der Glaube und die weltgeschichtliche Sendung.
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