Hl. Augustinus (354-430), Bischof von Hippo (Nordafrika) und Kirchenlehrer
Erörterungen über die Psalmen, Ps 65 (64)
„Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war“
Zwei große Städte sind es; die eine heißt Babylon,
die andere Jerusalem.
Der Name Babylon bedeutet soviel wie „Verwirrung“,
Jerusalem bedeutet „Vision des Friedens“.
Seht euch genau die große Stadt der Verwirrung an,
um besser die Vision des Friedens erkennen zu können;
ertragt die erste, doch streckt euch aus nach der zweiten.
Was erlaubt uns, diese zwei großen Städte voneinander zu unterscheiden?
Können wir schon jetzt die eine von der anderen trennen?
Die eine ist mit der anderen vermischt seit dem Morgengrauen des Menschengeschlechts, und sie gehen ihren Weg dergestalt bis zum Ende der Zeiten.
Jerusalem wurde geboren mit Abel, Babylon mit Kain [...] Die beiden gegenständlichen Städte wurden später gebaut, doch sie stellen symbolhaft die beiden ungegenständlichen Städte dar, deren Ursprünge bis zum Anfang der Zeiten zurückreichen und die hier unten bestehen bleiben sollen bis zu ihrem Ende. Der Herr wird sie dann trennen, wenn er die eine zu seiner Rechten und die andere zu seiner Linken aufrichten wird (vgl. Mt 25,33) [...]
Doch etwas gibt es, was schon jetzt die Bürger Jerusalems von den Bürgern Babylons unterscheidet: Es sind das zwei Arten der Liebe. Die Liebe zu Gott macht Jerusalem aus, die Liebe zur Welt Babylon. Fragt euch, wen ihr liebt, und ihr werdet wissen, von wo ihr stammt. Wenn ihr euch als Bürger Babylons wiederfindet, dann reißt aus eurem Leben die Begierde aus und pflanzt in euch die Liebe ein. Wenn ihr euch als Bürger Jerusalem wiederfindet, dann ertragt geduldig die Gefangenschaft und hofft auf eure Befreiung. Denn viele Bürger unserer heiligen Mutter Jerusalem (vgl. Gal 4,26) waren vorher Gefangene Babylons [...]
Wie aber kann in uns die Liebe zu unserer Heimat Jerusalem erwachen, deren Erinnerung durch die Länge der Verbannung verlorengegangen ist (vgl. Ps 137(136))? Der Vater selbst ist es, der uns von dort schreibt und in uns durch seine Briefe, nämlich die Heiligen Schriften, das Heimweh der Rückkehr brennen lässt.
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