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Willst du besser beten, bete mehr!
Mutter Teresa von Kalkutta: kontemplativ mitten in der Welt
aus Vision 2000/3 2016
Im September findet die Heiligsprechung von Mutter Teresa statt. P. Leo Maasburg hat sie jahrelang begleitet und aus der Nähe erlebt. Wir haben ihn gefragt: Wie betet eine Heilige? Was kann man von ihr lernen?
Welchen Stellenwert hatte das Gebet im Leben von Mutter Teresa?
P. Leo Maasburg: Ein junger Priester stellte ihr einmal die Frage: „M. Teresa was ist eigentlich Ihr Geheimnis?“
Sie blickte ihn etwas schief an und antwortete: „Das ist sehr einfach: Ich bete.“ Tatsächlich gehörte das Gebet für M. Teresa zum Leben wie das Atmen. Wenn sie nicht gerade eine Arbeit verrichtete oder im Gespräch war, sah ich sie beten. Der Rosenkranz war immer in ihren Händen. Sie selbst sagte: „Ich glaube, es gibt niemanden, der Gott so nötig hat wie ich. Ich fühle mich so nutzlos und schwach. Weil ich mich nicht auf mich selbst verlassen kann, verlasse ich mich auf Ihn, 24 Stunden am Tag. Ich liebe das Beten. Der Drang zu beten ist immer mit mir. Das Gebet erweitert das Herz, bis es bereit ist, Gottes Geschenk seiner selbst zu empfangen. Wir wollen so gerne richtig beten, aber dann scheitern wir. Wenn du besser beten willst, bete mehr. Wenn wir fähig sein wollen zu lieben, müssen wir mehr beten.“
Ich erinnere mich, dass sie bei einer Reise an einer Tankstelle lange auf den Tankstutzen schaute, durch den das Benzin in den Tank floss, und dann sagte: „Schau, Father, das ist wie das Blut im Körper: Ohne Blut gibt es im Körper kein Leben. Ohne Benzin im Auto kein Fahren. Aber auch: Ohne Gebet ist die Seele tot.“
Und wie hat M. Teresa gebetet?
Maasburg: M. Teresa antwortete auf diese Frage: „Gott spricht zu mir – und ich spreche zu ihm. So einfach ist es. Das ist Gebet.“ Gebet sei Kontakt von Herz zu Herz: „Wenn ich zu Jesus bete, dann von meinem Herzen zu Jesu Herz. Wenn ich zur Gottesmutter bete, von meinem Herzen zu Marias Herz.“ M. Teresas zentraler Satz zum Gebet lautete: „Gott spricht in der Stille unseres Herzens, und wir lauschen. Dann, aus der Fülle unseres Herzens sprechen wir, und Er lauscht. Und das ist Gebet.”
„Gebet entsteht nicht von selbst“, sagte sie. „Wir müssen die Mühe auf uns nehmen zu beten.“ Sie lehrte keine komplizierten Gebetstechniken, hat aber stets daran erinnert, dass wir uns bewusst sein müssen, was wir tun, wenn wir beten. Für M. Teresa war das Gebet ein kindlicher Kontakt, wie ihn ein Kind mit seinem Vater hat, aber keineswegs oberflächlich, sondern „von Herz zu Herz“.
Wie macht man das konkret?
Maasburg: Wie Paulus lehrte M. Teresa, dass wir „immer beten“ müssen. Dieses „immer beten“ hat sich bei ihr im Rosenkranz manifestiert, den sie ständig in der Hand hielt und „bediente“. Oft habe ich beobachtet, wie sie die Perlen des Rosenkranzes schnell durch die Finger gleiten ließ. Ich erinnere mich etwa an eine Fahrt in die Berge Zentralindiens, wo eine Universität eröffnet wurde. Ich saß auf einer Stufe unter ihr und hatte ihre Hände mit dem Rosenkranz auf Augenhöhe. So konnte ich beobachten, wie sie stundenlang die Perlen durch die Finger zog, aber in einer Geschwindigkeit, die für ein ganzes „Ave Maria“ eindeutig zu kurz war. Ich vermute, dass sie Gebetsseufzer zu jeder Perle des Rosenkranzes ausgestoßen hat, kurze Anrufungen, wie „Mein Jesus Barmherzigkeit“ oder „Jesus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner“.
Viele werden nun einwenden: Man kann nicht dauernd beten, man muss auch tätig sein. „Ora et labora“, so lautet das Motto der Benediktiner…
Maasburg: Gebet ist nicht gleich Arbeit und Arbeit ist nicht Gebet, aber wir können lernen „to pray the work“ – die Arbeit zu beten. M. Teresa war sehr verliebt in Jesus, folglich wollte sie 24 Stunden am Tag mit ihrem Geliebten sein. Und sie war mit Ihm, wenn sie alles, was sie tat nicht für „etwas“ tat, sondern für „jemanden“ – für Ihn. „Das habt ihr mir getan“, sagt Jesus in seiner Gerichtsrede (Mt 26, 45). Wenn wir einem Hungrigen zu essen geben oder einen Kranken pflegen – was immer wir tun, wir können es für „etwas“ tun (etwa für Geld oder aus Ehrgeiz) oder für Ihn, weil wir Ihm in den Hungrigen, Kranken, Heimatlosen begegnen. Wenn wir jede Arbeit für Ihn und mit Ihm und zu Ihm gewandt tun, lernen wir „die Arbeit zu beten“. Es war M. Teresas Weg, dazu zu kommen, „ohne Unterlass zu beten“ (1 Thess 5,17).
Eine Folge dieses „24 Stunden mit Jesus sein“ war, dass sie und ihre Schwestern sich zu „Kontemplativen in der Welt“ entwickelten. Dabei sehen sie in allen Ereignissen und Erfahrungen des Alltags das Wirken Gottes in der Welt. Für sie war der Dienst an den Armen keine Unterbrechung des Gebets. Es war dessen praktische Ausprägung.
Hatte die eucharistische Anbetung einen festen Platz in ihrem Leben?
Maasburg: Die Schwestern halten täglich mindestens eine Stunde Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten. 1972, nach der großen Überschwemmung in Bangladesch, hatte M. Teresa ihre Schwestern sofort dorthin geschickt, um zu helfen. Die Not war immens. Die Arbeit hat den Schwestern Übermenschliches abverlangt. So wurden sie gebeten, ausnahmsweise die Arbeit nicht für ihre Gebetszeiten zu unterbrechen. M. Teresa entschied dagegen: „Nein, die Schwestern werden für die Anbetung und die Heilige Messe nach Hause kommen.“ Das verstanden viele Helfer angesichts der Katastrophe nicht. Aber für M. Teresa war klar: Die Kraft ihrer Schwestern versiegt, wenn sie nicht täglich durch Messe und Anbetung genährt wird. Für sie war klar, dass die Kraft für ihren Dienst nur aus dem Kontakt zu Gott kommt. „Father“, sagte sie zu mir, „ohne Gott sind wir zu arm, um den Armen zu helfen, aber wenn wir beten, legt Gott Seine Liebe in uns. Schau, die Schwestern sind arm, aber sie beten. Die Frucht des Gebets ist die Liebe. Die Frucht der Liebe ist der Dienst. Nur wenn du betest, kannst du den Armen wirklich dienen.“
Diese Überzeugung war für sie so zentral, dass sie auf ihre „Visitenkarte“ diesen Text schreiben ließ:
„Die Frucht der Stille ist das Gebet, die Frucht des Gebets ist der Glaube, die Frucht des Glaubens ist die Liebe, die Frucht der Liebe ist der Dienst, die Frucht des Dienstes ist der Friede.“
Auch der liebevolle Zusammenhalt in der Familie hat seine Wurzel im Gebet: „Eine Familie die zusammen betet, bleibt vereint“. Dieser mit ihr identifizierte Satz stammt zwar nicht von M. Teresa, sondern von Father Payton, einem amerikanischen Priester, der ein großer Apostel des Familiengebets war. M. Teresa hat ihn sich zu eigen gemacht, denn das Gebet und die Einheit in der Familie waren ihre großen Herzensanliegen. Immer wieder stellte sie ihren Gesprächspartnern die Frage: „Wo beginnt die Liebe?“ – um dann selbst die Antwort zu geben: „Die Liebe beginnt zu Hause, in der Familie.“ Das Gebet ist dazu die Quelle der Kraft.
Hat sie auch gemeinsam mit anderen Rosenkranz gebetet?
Maasburg: Zum Teil ja. Aber auch allein. Dazu kamen noch Laudes, Vesper, Komplet – allein, wenn sie auf Reisen war; mit uns, wenn wir sie begleiteten; mit den Schwestern, wenn sie in einem Haus war. Im höheren Alter schlief sie manchmal beim Beten ein. Kaum aber, dass sie aufgewachte, hat sie weitergebetet.
Hat sie Menschen in ihrer Umgebung zum Gebet eingeladen?
Maasburg: Ja. Jede Autofahrt begann mit einem Gebet, und kaum waren wir auf freiem Land oder hatten eine längere Fahrt vor uns, begann sie, den Rosenkranz vorzubeten. Kindern brachte sie bei jeder Gelegenheit ein kurzes, oft selbst spontan erfundenes Gebet bei. Etwa: „Jesus in meinem Herzen, ich glaube an Deine zärtliche Liebe für mich, ich liebe Dich.“
Sie hat darauf hingewiesen, dass jedes Gebet ein Gespräch mit Gott ist: „God speaks in the silence of our heart“ – Gott spricht in der Stille unseres Herzens. „Und aus der Fülle unseres Herzens, sprechen wir dann zu Gott.“ Unser Gebet ist also Antwort auf den Anruf Gottes. Beten als Dialog, der sich aus einer gegebenen Gnade ergibt, in erster Linie das Dank- und Lobpreisgebet: Das hat sie versucht, uns beizubringen.
Was kann man als Laie von M. Teresa lernen?
Maasburg: Die Stille. Der Mensch braucht Zeiten, in denen er auf den Herrn hört, Ihn kennenlernt: in der Anbetung oder in der Meditation der Heiligen Schrift. Es geht darum, Christus selber immer neu kennenzulernen. So wird Er für mich immer lebendiger. Ich muss versuchen, mich aus dem Lärm des Lebens herauszunehmen. Dann wird mein Umgang mit den Menschen inniger, besser. Wenn ich Jesus kenne, erkenne ich Ihn auch in meinen Brüdern und Schwestern. Dann wird mein Umgang mit ihnen eine neue Form des Gebets. „Verwandle Deine Liebe zu Jesus in tätige Liebe,“ erklärte M. Teresa.
Wie macht man das praktisch?
Maasburg: In der U-Bahn den Rosenkranz beten. Wenn ich längere Stiegen hinuntergehe, kann ich das Glaubensbekenntnis beten – Jesus ist ja vom Himmel herabgestiegen und Mensch geworden. Fährt man mit einem Lift hinauf, kann ich zum Heiligen Geist beten, der mich hinauf in die Liebe Gottes hebt. Für den Computer kann ich ein Passwort wählen, das mich an ein Gebet erinnert oder an eine Person, für die ich beten soll. All das kann für eine Gebetskultur hilfreich sein.
http://www.vision2000.at/?nr=2016/3&id=3009
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