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Die gute Gattin und Mutter
XV.
Veranstalte hin und wieder ein kleines Familienfest!
Wenn man auch zurecht über die Vergnügungssucht unserer Zeit klagt, so sollen und müssen doch die Feste der Kirche, sowie die allgemeinen weltlichen Feste in jeder Familie eine passende Feier finden. Denn dieses befördert das Familienleben und Familienglück. Wir sind nun einmal vom lieben GOTT so erschaffen, dass die äußeren Dinge einen großen Einfluss auf uns ausüben. Und wie unsere Heilige Katholische Kirche in überaus schöner Weise die einzelnen Festtage auf das ganze Jahr verteilt und dadurch unsere Herzen aufrichtet und mit neuer Kraft stärkt, die religiösen Pflichten gern und gewissenhaft zu erfüllen, so ist es sehr gut, wenn die ernsten und sehr oft recht schweren Pflichten des Familienlebens erleichtert werden durch solche Familienfeste. Denn die Erfahrung lehrt, dass in jenen Familien, wo solche Festlichkeiten begangen werden, die Liebe und die Anhänglichkeit unter den einzelnen Familienmitgliedern immer größer wird.
Außer diesen allgemeinen kirchlichen und weltlichen Festen aber soll jede Familie noch ihre besonderen häuslichen Feste haben. Zuerst verdient es gewiss der Jahrestag der Vermählung, dass er ein eigentliches Familienfest sei. Wie soll denn dieses Fest jedes Jahr auf freudige, aber doch fromme Weise von allen christlichen Eheleuten gefeiert werden? Hierüber spricht sich der Heilige Franz von Sales in seiner Philothea folgendermaßen aus:
„Zur Zeit des Heiligen Gregor von Nazianz begingen die Eheleute den Jahrestag ihrer Trauung festlich. Gar sehr wünsche ich, dass dieser Gebrauch auch unter uns eingeführt wäre, nur müssten dabei keine unpassenden Ergänzungen veranstaltet werden. Das beste wäre, wenn an diesem Tage (oder wenigstens am folgenden Sonntage) Mann und Frau zur Heiligen Beichte und Kommunion gingen. Mit mehr Eifer als gewöhnlich sollten sie dann zu GOTT um Segen beten, zugleich den Vorsatz erneuern, dass sie ihren Ehestand durch gegenseitige Liebe und Treue immer mehr zu heiligen sich bestreben wollen. So würden sie in GOTT gleichsam neu aufatmen und, um die Beschwerden ihres Standes zu tragen, neuen Mut und neue Kraft gewinnen.“
Gute Gattin, suche, so viel als an dir liegt, mit deinem Gatten dieser Ermahnung des Heiligen Bischofs vollkommen zu entsprechen! Sehr anzuraten ist es auch, an diesem Tage das Heilige Meßopfer darbringen zu lassen zur Danksagung für die zahlreichen Wohltaten, die GOTT der ganzen Familie erwiesen, zur Abbitte und Genugtuung für die begangenen Fehler und zur Erflehung weiteren Segens. Eine solche Feier macht den Jahrestag der Trauung zu einem Gedenktage für die ganze Familie.
Die Namenstage des Vaters und der Mutter sollen als Familienfest ebenfalls gefeiert werden, wenigstens am folgenden Sonntage und zwar nicht bloß durch die Kinder, sondern auch von Seiten der Eltern selbst. Es ist sehr schön, wenn der Mann seiner Frau und umgekehrt die Frau ihrem Mann am Namensfeste gratuliert, einige herzliche Worte und Glückwünsche bricht und ein kleines Geschenk damit verbindet, wenn es auch nur ein Blumenstrauß wäre. Es beweist dieses, dass man einander gedenkt und sich gern hat. Und zwar sollen dieses nicht nur die jungen Eheleute tun, sondern auch die älteren, denn die Liebe zwischen Eheleuten darf niemals abnehmen. Durch solche Aufmerksamkeiten wird auch die Achtung und Liebe der Kinder gegen Vater und Mutter vermehrt und befestigt.
Ferner wird passend ein Familienfest veranstaltet bei der ersten Heiligen Kommunion eines Kindes und bei der glücklichen Rückkehr eines Familienmitgliedes nach längerer Abwesenheit.
„Bei einem solchen Familienfeste werden einige Verwandte und Freunde eingeladen; da werde etwas Besseres aufgetragen als an gewöhnlichen Tagen; da werde ein schönes Lied gesungen...; da möge einer der Hausbewohner ein sinniges Gedicht vortragen; da unterhält man sich durch fröhliche Gespräche, unschuldige Spiele, und am Nachmittage nach dem Gottesdienste werde gemeinschaftlich ein Sparziergang gemacht, aber keine Ausgelassenheiten und nichts Unpassendes darf geduldet werden.“
„Das ist Familienleben! Das ist stille Häuslichkeit! So werden die Ehegatten ans Haus gefesselt! So gewinnen die Kinder das Elternhaus lieb! Es wird für sie zum leuchtenden Stern, der licht und freundlich über ihrem Haupte schwebt, der sie auch in der Fremde nie verlässt, der leise und warnend ihnen zuflüstert, wenn sie vom rechten Wege abirren wollen: Was würde der Vater, die Mutter dazu sagen?“
„Nur ein Glück, eines gibt’s hienieden. Fast für diese Welt zu gut und groß: Häuslichkeit! In deines Glückes Frieden liegt allein der Menschheit großes Los.“
Bei Kinderfesten möge die gute Gattin und Mutter es nie unterlassen, einige belehrende, herzliche Worte an ihre Kinder zu richten. Am Namenstage erinnere sie ihre Kinder an ihren Heiligen Namenspatron und halte ihnen deren Leben wie einen Spiegel vor Augen. Am Tage der ersten Heiligen Kommunion lege sie ihnen ans Herz, welch große Gnaden sie erhalten haben, und fordere sie auf, ihrem Göttlichen Erlöser stets treu zu bleiben.
Bei den weltlichen Festen, wo der Jugend gefahrvolle Vergnügungen geboten werden, müssen die Eltern ihre Wachsamkeit und ihre Aufsicht sorgfältig ausüben, um jede Gefahr von ihren Kindern und Untergebenen möglichst fernzuhalten. Sehr viele Jünglinge und Jungfrauen, die sonst brav leben, fallen bei solchen Gelegenheiten in schwere Sünden, weil sie ohne die nötige Aufsicht gelassen werden.
Auf solche Weise werden die Familienfeste ohne allen Zweifel sehr viel zur Erhaltung der Liebe und Anhänglichkeit unter den einzelnen Familienmitgliedern beitragen.
XVI.
Vergiss nie das IV. Gebot!
Christliche Gattin, die strenge Pflicht, die Eltern zu ehren und zu lieben, hört auch für dich niemals auf. Selbst wenn du nicht mehr unter ihrer Gewalt stehst, bist du ihnen doch Ehrfurcht und Liebe schuldig. Zwar hört die Pflicht des strengen Gehorsams auf, wenn du einen eigenen Herd gegründet und die vollkommene Selbstständigkeit erlangt hast, aber immer bist und bleibst du streng verpflichtet, sie zu ehren und zu lieben. Mag auch Alter und Gebrechlichkeit sie niederbeugen und in üble Laune bringen, mögen sie auch ihre Fehler und Schwächen haben, mag auch ihre Stellung und Bildung noch so gering sein: Immer musst du ihnen mit Hochachtung und Liebe begegnen, ihre Gebrechen und Fehler mit Geduld ertragen und niemals darfst du dich ihrer schämen.
Der König Salomon gibt dir, christliche Gattin, ein herrliches Beispiel der Ehrfurcht und Liebe gegen die Eltern. Die Heilige Schrift erzählt uns, dass dieser König, umgeben von den Großen des Reiches, die ihm die tiefste Ehrfurcht bezeigten, auf einem goldenen Throne gesessen habe, als seine Mutter eintrat, um ihm ein Anliegen vorzutragen. Was tut Salomon? Er erhebt sich sofort von seinem Throne, eilt ihr entgegen, neigt sich tief vor ihr und lässt sie auf seinem Throne Platz nehmen. Sodann gibt er Befehl, dass man für sie einen eigenen Thron zu seiner Rechten aufrichte, und nötigte sie, sich auf denselben niederzulassen. Und wie Bethsabee schüchtern ihr Anliegen vortragen will, unterbricht er sie mit den Worten: Bitte, meine Mutter, denn es geziemt sich nicht, dass ich dir etwas abschlage. (3. Kön. 2, 18.)
So ehrte der weiseste König seine Mutter! Und wie Salomon seine Mutter ehrte und liebte, so musst du, christliche Gattin, ebenfalls deine Eltern ehren und lieben, und zwar immer und überall; denn das IV. Gebot lautet ganz allgemein: „Du sollst Vater und Mutter ehren!“
Das fordert von dir GOTTES strenge Gebot. Das fordert von dir die Mengen und Größe der Wohltaten, die du deinen Eltern verdankst. Das fordert von dir dein zeitliches und ewiges Glück. Dieses strenge Gebot GOTTES findet sich an verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift auf das deutlichste ausgedrückt. Wer aber wollte die Menge und Größe der Wohltaten, die du deinen Eltern verdankst, nach Gebühr schildern? Denke nur mal, wieviel Sorgen, Mühen und Arbeit du ihnen bei Tag und Nacht verursacht hast! Wie oft sie auf Ruhe und Schlaf deinetwegen verzichtet, wie viele Schritte und Tritte sie deinetwegen getan, und wieviel Schweißtropfen sie für dich vergossen haben! Nirgends in aller Welt wirst du jemand finden, der alles das für dich tun wollte, was deine Eltern für dich getan haben. Ist es nun zu viel gefordert, wenn man dir sagt, du sollst und musst deine Eltern ehren und lieben, du sollst und musst mit ihren Schwachheiten und Fehlern Nachsicht haben, sie mit Schonung und Liebe behandeln und sie in der Not nach Kräften unterstützen?
Daher ehre und liebe immer deine Eltern, sowohl deine leiblichen als auch deine Schwiegereltern, in Wort und Tat und aller Geduld! Sei besonders im Alter ihre Freude und ihre Pflege, und tu alles, um ihnen die alten Tagen zu versüßen. Opfere dich gern für sie auf, wie sie sich gern für dich geopfert haben, und werde nie eine von solch ungeratenen Kindern, die kein Herz für die alten Eltern haben, und denen die Eltern zur Last sind. Vergiss auch nicht, nach ihrem Tode täglich für sie zu beten.
Erfüllst du so deine Pflichten gegen deine Eltern, dann kannst du zuversichtlich auf den Segen GOTTES hoffen und du brauchst nicht seinen Fluch zu fürchten, den Er 33 Mal in der Heiligen Schrift über ungeratene Kinder ausgesprochen hat. „Verflucht sei, wer Vater und Mutter nicht ehrt.“ „Das Auge, das seinen Vater verachtet und seine Mutter schief ansieht, sollen die Raben aushacken und die jungen Adler fressen“ (Sprich. 30, 17.), das heißt, eines gewaltsamen, schrecklichen Todes sterben. Das Sünden gegen das IV. Gebot schon hier auf Erden meistens sehr hart und streng vom lieben GOTT bestraft werden, und zwar bei verheirateten Kindern sehr oft durch ihre eigenen Kinder, zeigt die tägliche Erfahrung.
In Friesland kam eines Tages ein Sohn in heftigen Streit mit seinem Vater. Endlich ergriff der wutentbrannte Sohn den alten Vater bei seinen wenigen grauen Haaren, schleppte ihn über die Stiege hinab der Haustüre zu. Der Vater jammerte nicht, noch rief er um Hilfe, sondern schien alles geduldig zu leiden. - Nur als sie zur Schwelle der Haustüre kamen, rief er: „Halte Sohn! Jetzt ist es genug; ich bin bestraft; denn bis hierher habe auch ich meinen Vater an den Haaren geschleppt!“ - Entsetzt ließ der Sohn den Vater los, vermutlich auch darum, damit nicht auch ihm einst von seinen Kindern Gleiches mit Gleichem vergolten werde.
In einem Dörfchen des Siegerlandes ereignete es sich gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, dass ein Landmann seinen Sohn bei sich ins Haus verheiratete und ihm die Wirtschaft übertrug. Anfangs ging alles gut; der Vater wurde gut behandelt und auch von der Schwiegertochter in Ehren gehalten. Nach und nach fing man an, mit einiger Härte gegen ihn zu verfahren. Bis dahin hatte er noch immer am gemeinschaftlichen Tische mitgegessen; dann aber lies man ihn allein essen, weil, wie die Schwiegertochter sagte, seine Art zu essen Ekel errege. Man pflegte ihm anfangs noch sein Essen in einem irdenen Schüsselchen zu geben, weil er aber dasselbe ein paarmal zerbrach, indem der alte Mann zitterte und fast blind war, musste er aus einem hölzernen Näpfchen essen. Dieses ungebührliche Benehmen gegen den alten Vater hatte schon eine Zeitlang gedauert, als ein geringfügiger Vorfall dasselbe auf einmal änderte. Eines Tages bemerkte nämlich der hartherzige Mann, wie sein Söhnchen an einem Holze schnitzelte. „Was machst du da?“ fragte jener. „Ich schnitzele ein Näpfchen!“ entgegnete der Kleine. - „Ein Näpfchen?“ „Wozu und für wen?“ fragte der Vater weiter. „Ei, für dich, Vater!“ entgegnete der Knabe lächelnd, „wenn du einmal alt bist und zitterst und wie der Großvater allein hinter dem Ofen sitzen musst.“ Betroffen vernahm der Vater diese Antwort, und schweigend sah er seine Frau an, die hauptsächlich Schuld an dieser Härte war, womit der alte Mann behandelt wurde. Von dieser Zeit wurde dieser wieder an den gemeinschaftlichen Tisch gezogen und überhaupt mit gebührender Ehrfurcht und Liebe behandelt.
Christliche Gattin, sorge doch dafür, dass du durch Ehrfurcht und Liebe sowohl gegen deine leiblichen Eltern, als auch gegen deine Schwiegereltern den Segen GOTTES hier erwirbst und dich fortwährend so liebevoll gegen dieselben benimmst, wie du das einst von deinen eigenen Kindern wünschest. Betagte Schwiegereltern müssen wie die eigenen Eltern mit aller Ehrfurcht und Liebe behandelt werden. Wehe den jungen Eheleuten, welche ihre alten Eltern oder Schwiegereltern grob oder wegwerfend behandeln; die alles besser verstehen und mit den Gebrechen und Fehlern ihres Alters keine Nachsicht üben wollen und so denselben ihre alten Tage verbittern und sie vor der Zeit durch Kummer ins Grab bringen! „Der Segen des Vaters erbaut das Haus, der Fluch der Mutter aber reißt es nieder,“ ruft nicht ohne Grund die Heilige Schrift uns warnend zu. (Eccl. 3, 11.)
Darum sei du, gute Gattin, recht liebevoll sowohl gegen deine Eltern, als auch gegen betagte Schwiegereltern. Gib ihnen gern alles, was sie mit Recht wünschen können! Ertrage ihre Schwächen und Gebrechen, die Launen und Fehler des Alters mit christlicher Geduld und Nächstenliebe, achte nicht gering ihre guten Ratschläge und pflege sie recht liebevoll in der Krankheit. Befolge immer die schöne Mahnung der Heiligen Schrift: „Mein Kind, nimm dich deines Vaters an, wenn er alt wird, und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Nimmt er an Verstand ab, so halte es ihm zu gute und verachte ihn nicht in deiner Kraft; denn die Wohltat, die du deinem Vater erzeigst, wird nicht in Vergessenheit kommen, und für das Widerwärtige, was du von deiner Mutter zu erleiden hast, wird dir mit Gutem vergolten.“ (Eccl. 3, 14.)
XVII.
Sorge für deine Dienstboten und Untergebenen
stets recht gewissenhaft!
An deinen Dienstboten und an all deinen Untergebenen vertrittst du, christliche Gattin, die Stelle einer Mutter; du musst also für deren zeitliches und ewiges Wohl in ähnlicher Weise sorgen, wie eine Mutter es für ihre eigenen Kinder zu tun verpflichtet ist.
Die Sorge für das zeitliche Wohl verlangt 1. dass deine Dienstboten und Untergebenen den verdienten Lohn und die hinreichende Nahrung erhalten. Denn der Arbeiter ist seiner Nahrung und seines Lohnes wert. Deshalb sagt der Heilige Paulus: „Ihr Herren, was recht und billig ist, erweiset den Knechten, da ihr wisset, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habet.“ (Kol. 4, 1.) Die Gerechtigkeit verlangt, dass den Dienstboten und Untergebenen verabreicht werde, was ihnen vertragsmäßig zukommt. Liebe und Billigkeit fordert, dass in der Festsetzung des Lohnes und der Verabreichung der Nahrung nicht lang verfahren werde. Selbst der eigene Nutzen der Herrschaft macht eine gewisse Freigebigkeit ratsam; denn je freigebiger man rücksichtlich des Lohnes und des Unterhaltes ist, desto fleißiger werden in der Regel die Untergebenen ihren Arbeiten obliegen, und desto weniger werden sie zur Untreue versucht werden.
Die Sorge für das leibliche Wohl verlangt, 2. dass die Dienstboten und Untergebenen liebevoll behandelt werden. Denn auch diese sind Kinder des Himmlischen Vaters, Brüder in Christo, Miterben der Ewigen Glorie. Wenn es nun schon im Alten Bunde heißt: „Hast du einen Knecht, so sei er dir so wert, als du dir selbst bist. Halte ihn wie deinen Bruder“ (Eccl. 33, 31.), um wieviel mehr gilt dies im Neuen Bunde, dessen Stifter so eindringlich und mit so großem Nachdrucke spricht: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan, das habt ihr Mir getan.“ Zudem ist der Stand eines Dienstboten an sich schon drückend genug, dass man sich wohl hüten soll, ihn durch Lieblosigkeit und harte Behandlung noch drückender zu machen.
Eines Tages besprach sich der Heilige Franziskus von Sales mit einem Freunde über die Behandlung der Untergebenen. Nachdem der Heilige vor einer unschicklichen und tadelhaften Vertraulichkeit gewarnt hatte, sagte er: „Alles wohl erwogen, kann ich hinsichtlich der Dienstboten heute nur soviel sagen, dass sie unsere Nächsten und demütigen Brüder sind, welche wir der Pflicht der Nächstenliebe gemäß so lieben sollen, wie wir uns selbst lieben. Lieben wir sie also wie uns selbst, diese teuren Nächsten, welche uns so nahe und so benachbart sind, dass sie mit uns unter einem Dache leben, und behandeln wir sie wie uns selbst aber vielmehr – wie wir selbst behandelt werden möchten, wenn wir an ihrer Stelle wären... Freilich darf man ihre Fehler nicht übersehen, wenn solche erheblich sind, und ihnen auch die Zurechtweisung nicht erlassen; doch müssen wir auch das Gute anerkennen, welches durch sie geschieht. Es ist sogar ratsam, dass man zu ihrer Aufmunterung zuweilen seine Zufriedenheit bezeige und ihnen Beweise gebe, dass man Vertrauen zu ihnen habe und sie Brüdern oder Schwestern gleichhalte, deren Unglück man lindern oder deren Glück man befördern will.
Wie ein Windstoß, welcher die Segel schwellt, das Schiff schneller auf dem Wege fortbewegt als hundert Ruderschläge, also regt auch ein freundliches Wort und ein Zeichen des Wohlwollens einen Diener gewiss weit wirksamer an, uns um GOTTES willen zu dienen, als hundert rauhe, drohende und harte Befehle!“
Umso mehr aber verdient aber ein Dienstbote und Untergebener liebevolle Behandlung, wenn er sich durch Treue auszeichnet oder seine besten Lebensjahre, vielleicht seine Gesundheit im Dienste seiner Herrschaft hingeopfert hat.
Erkrankt ein Dienstbote oder Untergebener, so wird die gute Gattin ihn nicht lieblos verstoßen, sondern ihm mitleidige, tätige und opferfreudige Teilnahme bezeigen, und an ihm wie an ihren eigenen Kindern das leibliche Werk der Barmherzigkeit, die Krankenpflege, üben, oder wenigstens dafür sorgen, dass er von andern sorgsam verpflegt wird.
Die gute Gattin muss aber nicht bloß für das zeitliche Wohl ihrer Dienstboten und all ihrer Untergebenen sorgen, sondern noch ganz besonders auf ihr Seelenheil bedacht sein und alles tun, was in ihren Kräften steht, um sie auf dem Wege der Tugend zu erhalten oder, wenn sie denselben verlassen hätten, wieder darauf zurückzuführen. Diese Sorge für das ewige Wohl ist nach dem Heiligen Augustinus das eigentliche Merkmal einer echt christlichen Herrschaft, eines echt christlichen Hausvaters und einer echt christlichen Hausmutter. Die christliche Hausmutter muss daher nicht bloß Zeit und Gelegenheit geben zur treuen Erfüllung aller Christenpflichten, zum Beispiel des Sonntags und Feiertags der Heiligen Messe beizuwohnen, die Predigt und Christenlehre anzuhören, von Zeit zu Zeit die Heiligen Sakramente zu empfangen und so weiter, sondern auch die Lauen und Saumseligen dazu mit aller Entschiedenheit anhalten und alle durch Wort und Beispiel dazu aufmuntern; sie soll endlich durch gewissenhafte Beaufsichtigung und strenge Handhabung der häuslichen Zucht und Ordnung so viel als möglich jede Gelegenheit zur Sünde von ihnen sorgfältig fernhalten. Versäumen die Herrschaften die Heilige Pflicht, so hören sie auf, christliche Herrschaften zu sein. Denn „wenn jemand,“ sagt der Völkerapostel Paulus (1. Tim. 5, 8.), „für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen keine Sorge trägt, so hat er den Glauben verleugnet, und er ist ärger als ein Heide.“ Er hat den Glauben verleugnet, weil er die Werke des Glaubens nicht tut, weil er seiner Haushaltung nicht nach den Vorschriften des Glaubens vorsteht; er ist schlimmer als ein Heide, weil selbst die Heiden all ihre Hausgenossen zur Verehrung ihrer vermeintlichen Gottheit anzuhalten pflegten.
Die gute Gattin wird sich daher fortwährend alle Mühe geben, den weisen Ratschlägen des Heiligen Karl Borromäus zu folgen, der von den Hausherren und Hausfrauen folgendes sagt: „Sie müssen darauf achten, dass sich in ihrem Hause nicht eine einzige Person befinde, die nicht genügend in der Religion unterrichtet ist; sie müssen ihre Untergebenen ermahnen und anhalten, die Gebote GOTTES und der Kirche zu beobachten; sie müssen wachen, dass keiner von ihnen fluche, oder schwöre, oder etwas Unehrbares rede, oder gar tue; sie müssen schlechte oder gottlose Bücher aus ihrem Hause verbannen, sie sollen selbst die Arbeiter zur Tugend ermahnen und keinen annehmen, der ein ungeordnetes Leben führt und dem übrigen Hause Ärgernis geben könnte.“
Möchten doch alle Herrschaften diese Ratschläge wohl befolgen und wohl bedenken, wie leicht ihre eigenen Kinder von schlechten Dienstboten verführt und unglücklich gemacht werden! Möchten sie wohl bedenken, dass sie am Tage des Gerichtes auch wegen der Sünden, die ihre Dienstboten und Untergebenen begangen haben, und sie hätten verhindern können und müssen, zur strengen Rechenschaft gezogen werden! Wehe alsdann der Herrschaft, durch deren Nachlässigkeit auch nur ein einziger Untergebener unglücklich geworden ist! Tausendmal aber wehe allen jenen Herrschaften, die es sogar darauf anlegen, ihre Dienstboten und Untergebenen durch die schändlichsten Verführungskünste zu sittenlosen Menschen, zu willfährigen Werkzeugen ihrer Leidenschaften zu machen!
Christliche Gattin, sorge daher doch recht gewissenhaft für das zeitliche und ewige Wohl deiner Dienstboten und all deiner Untergebenen, und sei überzeugt, dass du hierdurch dir und deiner ganzen Familie GOTTES reichsten Segen zuziehst.
XVIII.
Befleißige dich immer einer wahren
und gediegenen Frömmigkeit!
Absichtlich rufe ich dir, christliche Gattin, nach allen übrigen Ermahnungen und Warnungen zuletzt zu: Befleißige dich immer einer wahren und gediegenen Frömmigkeit; denn nur dann, wenn die Gattin wahrhaft religiös und fromm ist, kann sie ihre zahlreichen und wichtigen Pflichten treu erfüllen, ihre oft großen Beschwerden und Leiden ergeben aus Liebe zu GOTT tragen, sich und andere glücklich machen. Nur die Gottesfürchtige, fromme Frau kann eine treue Gattin, eine fleißige, sparsame und umsichtige Hausfrau und eine gute Mutter sein. Nur in einer wahren Frömmigkeit findet die Gattin die nötige Kraft zur treuen Erfüllung all ihrer schweren Standespflichten.
„Der verständige Mensch,“ sagt unser Göttlicher Heiland, „baute sein Haus auf einen Felsengrund. Da fiel ein Platzregen und es kamen Wasserströme, es wehten die Winde, und es stürzte nicht ein, denn es war auf einen Felsengrund gegründet.“ (Matth. 7, 25.) Dieser Fels, auf dem das ganze Gebäude des christlichen Lebens aufgebaut sein muss, ist die Religion und Frömmigkeit. Ohne Religion und Frömmigkeit hat der Mensch keinen Halt im Leben, keine Stütze in den Stunden des Leidens und keine Hoffnung, wenn der Augenblick des Todes ihm naht. Ohne Religion und Frömmigkeit gerät alles auf Abwege und verliert alles seine Kraft; die Frömmigkeit allein befähigt zu ernster Berufstreue auch in schwierigen Verhältnissen. Wie sollte nun eine christliche Frau ihre zahlreichen und oft schweren Pflichten, die sie als Gattin und Mutter hat, treu erfüllen können ohne eine innige Frömmigkeit! Wie sollte sie ihre Kinder gut erziehen können, ohne selbst wahrhaft Gottesfürchtig und fromm zu sein! Kann man denn einem andern geben, was man selbst nicht hat? Nicht ohne Grund sagt daher der so beliebte Volksschriftsteller Alban Stolz: „Eine Mutter ohne Religion wirkt unter den Kindern wie ein Eisblock im Blumenbeet.“ Und an einer anderen Stelle: „Einer Mutter, welche unreligiös ist, gilt ganz sicher: Es wäre ihr besser, dass ihr ein Mühlstein am Halse hinge und sie läge in der Tiefe des Meeres versenkt, als dass sie Mutter geworden ist.“ „Der Unglaube des Weibes,“ schreibt Wasserburg, „ist wie ein Pesthauch, der die Atmosphäre des Hauses vergiftet, der sich wie Skrofeln (Halsdrüsengeschwulst) auf die Kinder forterbt.“
Ist die Mutter weltlich, hoffärtig gesinnt, so werden es auch die Kinder. Ist sie eigensinnig, reizbar, zornmütig, zanksüchtig, lügenhaft und genusssüchtig, so werden auch die Kinder in der Regel diese Eigenschaften besitzen. Ist sie nicht religiös, so werden die Kinder fast immer missraten und unglücklich. Nur wenn die Mutter ihren Kindern einen großen Abscheu vor aller Unehrlichkeit und Ungerechtigkeit, vor jeglicher Lüge und Untreue beibringt und ihnen Liebe zu allem Guten einflößt, kann man hoffen, dass diese brave, zuverlässige, fromme Menschen werden. Dieses ist aber nur möglich, wenn die Mutter selbst wahrhaft fromm ist. Nur dann kann sie nicht bloß ihrem Manne und ihrer Familie ein Engel im Glück und eine starkmütige Heldin und Trösterin im Unglück sein, sondern auch ihren Kindern eine gute Erzieherin.
Dieses erkannte wohl der Kaiser Napoleon 1. Daher gab er auf die Frage: „Was fehlt der französischen Nation hauptsächlich?“ Die kurze, aber vielsagende Antwort: „Brave Mütter!“ „O wie segenbringend wirkt der Keim,“ sagt Bischof Ketteler, „den eine fromme Mutter in die Seele des Kindes legt. Wenn die Mutter schon lange im Grabe liegt, der Sohn oder die Tochter aber, von den Stürmen des Lebens ergriffen, hin und hergeworfen wird und nahe daran ist, Glauben und Sitte einzubüßen und dem ewigen Verderben anheimzufallen, so wird die fromme, edle Gestalt seiner christlichen Mutter ihm noch erscheinen und ihn mit wunderbarer Gewalt auf die Bahn des Glaubens und der Tugend zurückführen.“
Daher muss die erste Zierde und der erste Schmuck jeder christlichen Frau eine innige Frömmigkeit sein, welche in der Liebe zu GOTT und im Gehorsam gegen die Gebote GOTTES und der Kirche besteht. Sehr viele Frauen haben sich zu jeder Zeit durch große Frömmigkeit ausgezeichnet. Der Kürze wegen erinnere ich nur an eine Helena, die das Kreuz im römischen Reiche aufpflanzte, eine Klothilde im Frankenreiche, eine Hermenilde in England, eine Endegunde in Spanien, eine Theodolinde in der Lombardei, eine Elisabeth in Deutschland, eine Damlernka in Polen, eine Olga in Rußland. Soll ich noch erwähnen eine Heilige Monika, die Mutter des Heiligen Augustin, eine Heilige Bathilde, die mit ihrem Sohne Chlotar die Sitten wiederherstellte, eine Irene, die dem Bilderstreite ein Ende machte und an der Bekehrung der Bulgaren mitwirkte, eine Heilige Amelberga, die Belgien eine ganze Familie von Heiligen geschenkt und die Religion zur schönsten Blüte gebracht hat, und noch viele andere Heilige Frauen der Vergangenheit!... Nein, ich will lieber darauf hinweisen, dass es auch in unseren Tagen, GOTT sei Dank, noch sehr viele Frauen gibt, die sich durch große Frömmigkeit auszeichnen, so dass sie fest entschlossen sind, aus Liebe zu GOTT eher alles zu erdulden, lieber alles, selbst ihr Leben zu opfern, als ihren Schöpfer, Erlöser und Seligmacher zu beleidigen.
Auch du, christliche Gattin, musst so deinen GOTT über alles lieben wegen Seiner Unendlichen Liebenswürdigkeit und wegen all der Wohltaten, die du von Ihm erhalten hast und noch fortwährend empfängst. Niemals wird ein menschlicher Verstand diese Liebenswürdigkeit GOTTES vollständig erkennen, niemals eine menschliche Zunge all diese Wohltaten nach Gebühr schildern. Wegen ihrer Größe und ihrer Anzahl und ihres täglichen Genusses werden diese natürlichen Wohltaten kaum mehr recht geachtet. Aber es bleibt ewig wahr: Jeder Bissen Brot, den wir essen, jeder Trunk Wasser, den wir trinken, jeder Atemzug, den wir tun, mit einem Worte, alles, was wir Gutes haben und besitzen, ist nichts anderes als ein unverdientes Geschenk unseres überaus Liebenswürdigen und Freigebigen GOTTES gegen uns.
Was soll ich aber erst sagen von den unendlich wertvolleren, übernatürlichen Gnaden und Wohltaten, die gerade wir vor Millionen armer Heiden und Ungläubigen tagtäglich in überreicher Fülle als Kinder der Heiligen Katholischen Kirche erhalten? Nicht zufrieden, das ganze Menschengeschlecht in der Person unserer Stammeltern an Kindes Statt angenommen zu haben, sandte GOTT VATER, nachdem diese durch ihren Ungehorsam das Recht der Kindschaft für sich und ihre Nachkommen verloren hatten, Seinen innigst geliebten Sohn in die Welt, sandte Ihn ungeachtet der zahllosen persönlichen Sünden, womit die Menschen Ihn beleidigten, sandte Ihn, damit Er durch Sein bitteres Leiden und Sterben uns wieder zu Seinen vielgeliebten Kindern mache und die goldenen Pforten des Himmels wieder eröffne. -
GOTT dem Sohne war es nicht genug, für uns unter unsäglichen Schmerzen am Kreuze gestorben zu sein, sondern Er wollte in Seiner Liebe zu uns, dass dieses blutige Kreuzesopfer bis zum Ende der Welt auf unseren Altären täglich erneuert würde, dass Er mit Gottheit und Menschheit unter uns im Allerheiligsten Altarsakramente als unser bester Freund und Allmächtiger Helfer in jeder Not zugegen wäre, und dass uns durch den Heiligen Geist die Früchte Seines bitteren Leidens und Sterbens fortwährend in den Heiligen Sakramenten mitgeteilt würden. Daher sandte Er uns die dritte Göttliche Person, den liebevollen Gnadenspender, GOTT den Heiligen Geist.
Und wer wollte all die Gaben und Gnaden angeben, die uns dieser Allerbeste Tröster fortwährend spendet? Wie oft hat Er dir vielleicht schon von neuem die Kindschaft GOTTES geschenkt durch das Heilige Bußsakrament?
Verdient nun eine so unbegreiflich große Liebe des HEILIGEN DREIEINIGEN GOTTES nicht unsere ganze Gegenliebe? Müssen wir nicht in Wahrheit gestehen, wir können die ALLERHEILIGSTE DREIFALTIGKEIT nie genug lieben? Lasst uns deshalb der Mahnung der Heiligen Schrift fortwährend immer mehr zu entsprechen suchen: „Du sollst den Herrn, deinen GOTT, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften.“ (Mark. 12, 30.)
Willst du, christliche Gattin, dieses wirklich tun, oder mit anderen Worten, willst du wahrhaft fromm sein, so musst du vor allem das Gebet lieben und fleißig üben. Denn das Gebet ist die Sprache der Liebe zu GOTT; es ist der natürliche Ausdruck der Religion und der Liebe GOTTES. Deshalb verrichte täglich dein Morgen-, Abend- und Tischgebet andächtig. Morgens und öfters im Tage erneuere die gute Meinung: Alles zur größeren Ehre GOTTES! So machst du alles zu ewigem Golde für den Himmel. Empfange regelmäßig und oft die Heiligen Sakramente und gehe, wenn möglich, auch werktags zur Heiligen Messe und lass keinen Tag vorübergehen, ohne für deine Gatten und deine Angehörigen etwas zu beten. Verrichte oft während des Tages Stoßgebetlein. In Versuchungen denke an Tod, Gericht, Himmel und Hölle, und sei immer bereit, eher zu sterben, als eine Todsünde zu begehen.
Solltest du aber je, was GOTT verhüte, das Unglück haben, schwer zu sündigen, so säume nie, durch sofortige vollkommene Reue und baldige Beichte deine Seele zu reinigen. Denn im Stande der Todsünde kannst du dir keine Verdienste für den Himmel erwerben, und du schwebst in der allergrößten Gefahr, für alle Ewigkeit ganz unglücklich zu werden.
Sorge auch dafür, dass alle deine Angehörigen ihre tagtäglichen Gebete andächtig verrichten, und soviel als möglich gemeinsam, und das wenigstens an den langen Winterabenden das Gnadenvolle Lieblingsgebet der lieben Muttergottes, der Heilige Rosenkranz, gemeinsam gebetet werde. Tu alles, was du kannst, damit die Gebote GOTTES und der Kirche in deinem Hause immer recht treu beachtet werden, und geh in allem immer mit einem musterhaften Beispiele voran. Lass eifrig aus Katholischen Erbauungsbüchern oder einem religiösen Wochenblatte vorlesen, um dich und deine Angehörigen im Heiligen Glauben zu befestigen und zu stärken. Dulde aber niemals, dass ein unpassendes Buch oder Blatt sich in deinem Hause befindet.
Eine gute Gattin wird es nicht unterlassen, mit ihrer ganzen Familie den schönen Maimonat der lieben Himmlischen Mutter zu weihen und gebührend zu feiern. Vor allem bestehe die Feier in folgenden vier Punkten:
1. Die Sorge dafür, dass ein Bild oder eine Statue der Muttergottes während des ganzen Monats mit Blumen und Kerzen beschmückt sei.
2. Sie verrichte mit ihrer Familie vor diesem mit Blumen geschmückten Bilde täglich wenigstens ein kurzes Gebet.
3. Sie beteilige sich mit ihren Angehörigen so viel als möglich an der Maiandacht, die in der Kirche gehalten wird.
4. Sie nehme sich gleich im Anfange des Monats vor, Maria zuliebe irgend einen bestimmten Fehler zu bekämpfen. Jeden Morgen erneuere sie diesen Vorsatz und erforsche sich jeden Abend, wie sie ihn gehalten hat.
Auf dieselbe Weise wird die gute Gattin im Junimonate zu Ehren des Liebevollsten Herzens Jesu verfahren.
Ziere die Wände deiner Wohnung mit religiösen Bildern, besonders mit dem Bilde des Heiligsten Herzens Jesu, Seiner Unbefleckten Mutter und des Heiligen Joseph. Das altehrwürdige Weihwasserkesselchen an der Türe soll dem Ein- und Austretenden zu einem frommen Kreuzzeichen Gelegenheit geben. Am Ehrenplatze aber muss das Bild des Gekreuzigten hängen zum Zeichen, dass der aus Liebe zu uns gekreuzigte Erlöser der Mittelpunkt des Hauses ist.
Leite deine Angehörigen an, GOTT Vater, den Schöpfer der Welt, den Heiligen Geist, den Liebevollen Gnadenspender und Allerbesten Tröster, das Heiligste, Dankbarste und Gütigste Herz Jesu, die liebe Gottesmutter und den Heiligen Joseph recht innig zu verehren, und geh ihnen mit gutem Beispiele voran. Empfiehl dich und dein ganzes Haus der Heiligen Familie und folge ihr als deinem Vorbilde in allen Tugenden immer mehr nach!
XIX.
Denke immer an die hohe Würde
einer guten Mutter!
Der grausame ägyptische König Pharao hasste die Israeliten und erließ darum den unmenschlichen Befehl, alle Knäblein, die ihnen geboren würden, zu töten. Der kleine Moses, der später so außerordentlich Großes für GOTT und sein Volk wirkte, wurde drei Monate lang von seiner Mutter verborgen gehalten. Als sie ihn aber nicht mehr länger verheimlichen konnte, nahm sie ein Binsenkörbchen, überzog es mit Harz, legte das Kind hinein und setzte es im Schilfe des Nilflusses aus an einer Stelle, wo die Tochter des Königs oft vorbeizugehen pflegte. In der Nähe aber blieb die Schwester des kleinen Moses, um den Ausgang der Sache abzuwarten. Siehe, da kam die Tochter des Pharao, und als sie das Kindlein fand, erbarmte sie sich desselben. Auf ihren Befehl beeilte sich die Schwester, eine hebräische Mutter, welche den Knaben ernähren sollte, zu holen, und sie rief die eigene Mutter des Kindes. Ihr übergab darauf die Königstochter den gefundenen Knaben mit den Worten: „Nimm diesen Knaben und ernähre ihn für mich, und ich werde dir deinen Lohn geben.“ (2. Mos. 2, 9.)
Nicht eine Königstochter, nicht ein irdischer Fürst, sondern der König aller Könige, der Allmächtige Herr Himmels und der Erde übergibt der christlichen Mutter ihre Kinder und spricht gleichsam jedesmal, wenn Er ihr ein Kind schenkt: „Nimm dieses Kind; erziehe es für Mich und Meinen Dienst, und Ich werde dir dafür einen überaus großen Lohn geben.“
Dieses, christliche Mutter, ist deine hohe Würde, dieses deine wichtige, unermesslich hohe Aufgabe. Du sollst all deine Kinder für den Himmel erziehen. O könntest du doch recht begreifen diese deine so hohe Würde, diesen deinen so erhabenen Beruf! Das Kostbarste, was GOTT besitzt, hat Er dir in deinen Kindern anvertraut; die Hoffnung des Himmels und der Erde, Sein eigenes Ebenbild, den Preis Seines Kostbaren Blutes, den Tempel des Heiligen Geistes hat Er deiner Obsorge übergeben, damit du jedes deiner Kinder nährest, (Die Mutter soll ihre Kinder, wenn es eben möglich ist, selbst ernähren; wie die Ärzte versichern, wird die Gesundheit sowohl von Mutter als Kind dadurch bedeutend gefördert. Ist aber dieses gar nicht möglich, so sei man doch möglichst vorsichtig in der Auswahl der Amme. Wie manchmal haben Kinder geistiges und leibliches Verderben von den Ammen eingesogen!) schützest und erziehest zu einem wahrhaft guten, braven Menschen und zum Erben des Himmelreiches.
Welch eine hohe Würde! Welch ein erhabener Beruf!
Vergiss, christliche Mutter, diese deine hohe Würde niemals! Die folgenden Belehrungen sollen dir helfen, sowohl deine Kinder gut zu erziehen, als auch alle deine übrigen großen Pflichten, die du als Familienmutter hast, treu zu erfüllen, damit du so deinem so ehrwürdigen Namen alle Ehre machst.
XX.
Die größte Wohltat für ein christliches Kind
ist eine fromme Mutter!
„Die größte Wohltat,“ sagt der Hochselige Bischof Freiherr von Ketteler, „die GOTT einem Menschen in der Natur zuwenden kann, ist ohne Zweifel das Geschenk einer wahrhaft christlichen Mutter. Ich sage nicht eine zärtliche, liebevolle Mutter; denn wenn die Mutter selbst vom Geiste der Welt erfüllt ist, so ist ihre Liebe dem Kinde nicht nützlich, sondern verderblich. Aber eine christliche Mutter ist unter allen GOTTES Gaben die größte. O, wenn ich so oft in der Welt das Glück der Kinder nach dem Reichtum der Eltern schätzen höre, wie empört sich da mein ganzes Innere! Unermesslich unglücklich ist das Kind, dass eine unchristliche, glaubens- und tugendlose Mutter hat, und wenn es auch in Purpur und Seide gebettet ist; unermesslich glücklich aber das Kind, das eine wahrhaft christliche Mutter hat, und wenn es in Lumpen aufwächst und in Lumpen dem Grabe zuwankt.
Mit einem großen christlichen Denker sage ich: Die Erziehung des Menschen wird größtenteils in den ersten sechs Jahren auf dem Schoße der Mutter vollendet. Was sich in späteren Jahren im Kinde entwickelt, hat die Mutter vielfach in den ersten Lebenstagen dem Herzen des Kindes eingepflanzt. Die Eindrücke, die in der frühesten Jugend der so weichen, biegsamen, für jeden Einfluss empfänglichen Seele des Kindes gegeben werden, werden so sehr zur andern Natur des Kindes, dass sie sich später nicht mehr verwischen lassen.
Schon hier sehen wir die Abgeschmacktheit jenes Erziehungssystems, das behauptet, der Mensch könne und müsse nur aus sich selbst entwickelt werden. Dann müsset ihr die Muttermilch vom Munde des Kindes abhalten, dann müsset ihr die Wärme des Mutterherzens vom Herzen des Kindes entfernen, dann müsset ihr das Kind zwischen vier nackten Wänden aufwachsen lassen, sonst wird es nimmermehr gelingen. Ja, Menschen die später die Würgengel und die Beglücker des menschlichen Geschlechtes geworden sind, haben oft am Herzen der Mutter den Keim zu diesen Taten eingesogen. Deshalb gilt auch vor allem der Mutter der Ausspruch des Herr: „Wer aber eines aus diesen Kleinen, die an Mich glauben, ärgert, dem wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“ Kein Ärgernis kann in seinen Folgen dem Ärgernisse gleichkommen, das die Mutter dem Kinde durch die ersten schlechten Eindrücke gibt. Sie sind wie Zweige der Sünde und des Verderbens, die dem zarten Stamme eingepfropft worden und dem ganzen Stamme die Richtung geben.
Wer die Erziehung aus der Erfahrung und nicht aus der Studienbude beurteilt, wird es bestätigen können. Solange ich den Beruf habe, als Seelsorger Kinder zu beaufsichtigen, habe ich solchen Kindern, die an dem Herzen einer schlechten Mutter gelegen, die sorgfältigste Pflege angedeihen lassen, aber noch bei keinem konnte ich mir den sicheren Trost geben, dass es von dem Verderben der Erziehung gänzlich befreit worden sei. Ja, wehe der Welt, der schlechten, unchristlichen Mutter wegen; das ist das größte Verderben, an dem wir leiden! Sie legen recht eigentlich die Axt an die Wurzel des Baumes. Sie hauchen der zarten Seele des Kindes den Geist der Welt, des Unglaubens, der Selbstsucht, der Unkeuschheit ein, an dem einst diese Blume, die GOTT gepflanzt, die Christus mit Seinem Blute getränkt, ersticken und verwelken wird. Aber so verpestend wie der Hauch der unchristlichen Mutter, wenn sie auch den Namen einer Christin trägt, auf das Kind wirkt, so Segenbringend wirkt auch der Keim, den die fromme Mutter in die Seele des Kindes legt. Wenn die Mutter schon lange im Grabe ruht, der Sohn aber von den Stürmen des Lebens hin- und hergeworfen wird und nahe daran ist, Glauben und Sitte einzubüßen, dem ewigen Verderben anheimzufallen, so wird die fromme, edle Gestalt seiner christlichen Mutter ihm noch erscheinen und ihn mit wunderbarer Gewalt auf die Bahn des Glaubens und der Tugend zurückführen.“
An der Sorge der Erziehung müssen zwar Vater und Mutter gemeinschaftlich Anteil nehmen; aber in den zarten Jahren des Kindes wird der Einfluss der Mutter bei weitem vorwiegend sein. „Unserm Geschlecht,“ sagt sehr schön Graf von Maistre, „kommt es ohne Zweifel zu, geschickte Geometer, große Geschichtsforscher, tüchtige Feldherren zu bilden; aber der sittliche Mensch muss auf den Knieen seiner Mutter in den ersten zehn Jahren gebildet werden. Hat es die Mutter sich zur Pflicht gemacht, der Stirn ihres Kindes den Göttlichen Charakter tief einzuprägen, so kann man gewiss sein, dass die Hand des Lasters ihn niemals ganz verwischen werde. Der junge Mann wird allerdings vom rechten Wege abirren können, allein er wird wieder auf den Punkt zurückkommen, von welchem er ausgegangen war, indem er an die von seiner Gottesfürchtigen Mutter erhaltenen Lehren denkt.“
Der Dichter Klemens Brentano schrieb 1836 an seine Nichte: „Die Kindergebete waren der einzige Faden, woran ich mich gerettet habe, alles andere hat nichts geholfen!“ -
Der amerikanische Staatsmann John Ramdolph bemerkt: „Ich wäre ein Gottesleugner geworden, wenn mich nicht etwas zurückgehalten hätte, nämlich die Erinnerung an die Zeit, da meine selige Mutter meine kleinen Hände in die ihren nahm, mich niederknieen und beten ließ: Vater unser, der Du bist in dem Himmel!“
Der Gesellenvater Kolping erklärt: „Wisst ihr, was mich inmitten aller Verderbnis aufrecht erhalten hat? Ich habe eine arme Mutter gehabt, aber eine Mutter, von der ich nichts gesehen und gehört, was ich nicht hätte ehren müssen. Wenn die Versuchung sich mir nahte, dann dachte ich an meine fromme Mutter, - und der Versucher wich von dannen. Und seit sie gestorben, ist mir erst klar geworden, was ich ihrer Erziehung und ihrem Gebete zu verdanken habe!“
Zu Adams, dem großen amerikanischen Präsidenten, sagte einst ein Herr: „Nun weiß ich, wie sie der Mann geworden, der sie sind.“ - „Wieso?“ - „Ich habe die Briefe gelesen, die ihre Mutter an den Sohn geschrieben hat.“
Thateaudriand, ein französischer Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts, bekannte nach seiner Bekehrung: „Ich verdanke meine jetzige christliche Überzeugung einzig und allein dem Gebete und der Mahnung meiner ehrwürdigen Mutter!“
Ein unglückliches Mädchen, das lieber freiwillig sterben wollte, als durch ein unkeusches Leben sich sein Brot verdienen, schrieb am Tage vor ihrem Tode: „Ich kann die Bahn der Sünde und des Lasters nicht betreten, denn meine arme tote Mutter sieht aus dem Jenseits auch mich herab.“
Ist´s nicht genug mit diesen Beispielen? Wer wollte nun noch in Zweifel ziehen, dass für jedes Kind unter allen Gottesgaben eine christliche Mutter die größte ist! Ohne allen Zweifel überglücklich ist das Kind, das an der Seite einer braven, verständigen, wahrhaft frommen Mutter heranwächst, einer Mutter, die es mit der so hohen Aufgabe, mit dem so wichtigen Amte der Kindererziehung recht ernst und gewissenhaft nimmt. Ein solches Kind kann dem lieben GOTT für diese größte Wohltat nicht dankbar genug sein.
Fortsetzung folgt!!!
XXI.
Vergiss nie die hohe Würde deines Kindes!
Willst du als gute Mutter all die Opfer, welche eine gute Kindererziehung verlangt, immer freudig und treu bringen, so musst du der hohen Würde deines Kindes fortwährend eingedenk sein.
Welche Würde hat denn ein christliches Kind?
Ein christliches Kind ist das herrlichste, edelste, vollkommenste Geschöpf auf Erden, es ist ein Ebenbild GOTTES, der Preis Seines Blutes, ein Tempel des Heiligen Geistes, ein Kind GOTTES und ein Erbe des Himmels.
Das Kind ist also zunächst ein Ebenbild GOTTES, des Unendlichen Weltenschöpfers, des Ewigen, des Unsterblichen, des alles Erhaltenen und Allweise Regierenden GOTTES. Der Sonne Licht blendet unser Auge, die Millionen und abermals Millionen von Sternen sehen wir staunend und bewundernd, das unermessliche Weltmeer erfüllt uns gleichzeitig mit Erstaunen und Entzücken; die Werke menschlicher Kunst betrachten wir als ausgezeichnete Leistungen; selbst vor der Tiere Schaffen und Treiben und vor dem Pflanzenreiche stehen wir voll Bewunderung: Und doch, was ist all das gegen ein einziges Kind, das GOTT nach Seinem Ebenbild erschaffen hat? Was sind alle anderen Schöpfungen gegen ein einziges mit Verstand und Vernunft begabtes Kind? Alle übrige tote Materie oder doch nur unverständige und vernunftlose Wesen. Das Kind allein ist ein lebendiges und vernünftiges Geschöpf.
Wenden wir unsern Blick hin, wohin wir wollen, überall sehen wir Treiben und Schaffen, überall Bewegung; aber all dieses Treiben und Schaffen, all diese Bewegung geschieht nach ewigen, unabänderlichen, von GOTT gegebenen Naturgesetzen, nirgends bewusste Selbstbestimmung. Sonne, Mond und Sterne verherrlichen GOTT. Meere und Flüsse, Berge und Täler verkündigen GOTTES Ruhm, Tiere der Erde, Fische des Meeres, Vögel des Himmels, Bäume des Waldes und Blumen des Feldes Preisen Seine Herrlichkeit: Alles aber aus Notwendigkeit, aus innerem, unbewussten Drange, nichts, nichts mit Freiheit. Nur der Mensch, das Kind kann tun und lassen, was es will, nur es allein kann GOTT Verherrlichen freiwillig und mit Bewusstsein, es allein besitzt freien Willen.
Betrachten wir alle Dinge, Himmel und Erde: Sie sind heute da und erfüllen uns mit Staunen und Bewunderung. Wie lange werden sie noch Dasein haben? Darauf wissen wir keine Antwort, das weiß nur Derjenige, welcher sie alle erschaffen hat, erhält und regiert; aber was wissen wir: Alles wird eines Tages vergehen, Himmel und Erde, wie die Heilige Schrift sagt, werden vergehen: Nur allein der Mensch, das Kind kann nicht vergehen, es lebt ewig, es hat eine unsterbliche Seele. Wenn alles Irdische vergangen sein wird, dann lebt die vernünftige, freie, unsterbliche Kinderseele noch fort. Welche Größe, welche Würde besitzt somit das Kind, da es nach dem Ebenbilde GOTTES erschaffen ist, da es mit Verstand, freiem Willen und mit einer unsterblichen Seele ausgestattet ist! „Die anderen Geschöpfe,“ sagt der Heilige Augustinus, „sind nur die Fußstapfen GOTTES, der Mensch ist der Ausdruck, das Bild GOTTES.“
In berühmten Bildergalerien befinden sich Bilder, die staunenerregende Summen gekostet haben, so hat zum Beispiel das Berliner Museum im Jahre 1884 ein Gemälde Dürrers von einer Nürnberger Familie um eine Million Mark gekostet. Und doch ist ein solches Bild von einem sterblichen Menschen gemacht, es ist, wenn auch noch so kunstvoll, nur auf Leinwand hingemalt und ohne Leben. Ein Kind dagegen ist ein lebendiges Porträt GOTTES, von Ihm Selbst gleichsam mit aller Sorgfalt verfertigt. Was Wunder, wenn deshalb das Kind einen solchen Wert hat, dass es mit allen Schätzen der Welt, mit allen Diamanten und Edelsteinen, mit allem Gold und Silber, nicht zu bezahlen ist! Denn GOTT Selbst, der alle Dinge nach dem eigentlichen Werte abschätzt, hat nicht ein noch so großes irdisches Gut hierfür hingegeben, sondern Sich Selbst bis zum letzten Tropfen Seines Kostbaren Blutes. Wie hoch, wie unendlich hoch muss somit ein Kind in den Augen GOTTES stehen! Welch ein wertvoller Schatz muss doch ein Kind sein! Scheint es nicht, als wenn ein Kind gerade soviel wert sei, als GOTT Selbst? Denn GOTT Selbst ist zur Erlösung des Kindes des qualvollsten Kreuzestodes gestorben.
Höher noch erscheint uns die Würde des Kindes, wenn wir betrachten, dass es bei der Taufe zu einem Tempel des Heiligen Geistes umgestaltet wurde, ein Kind GOTTES geworden und zum Erben des Himmels eingesetzt ist. Wer vermöchte die Herrlichkeit und Würde einer Seele zu beschreiben, die durch die Taufe des Heiligen Geistes, der Lieblingsaufenthalt der Heiligsten Dreifaltigkeit geworden ist? Und wer könnte erst nach Gebühr schildern, was das heißt, in Wahrheit ein Kind GOTTES sein? Ist dieses nicht die höchste Würde, die einem Menschenkinde zuteil werden kann? Ist es nicht der höchste Adel, in den es erhoben werden kann? Nicht die höchste Ehre, die es erlangen kann? Sie übertrifft himmelweit alles, was sonst die Erde Schönes und Herrliches bietet. Die Würde der Göttlichen Kindheit ist so groß, so erhaben, dass wir sie nie nach Gebühr schätzen können. Dies erwägend, pflegte der Heilige König Ludwig sich Ludwig von Poissi zu nennen, da er in diesem Städtchen durch die Taufe ein Kind GOTTES geworden und diese Würde ihm über alle Würden der Welt ging.
Dieser mehr als königlichen Würde entspricht auch ein mehr als königliches Erbe. Was soll ich aber von der Größe und dem Werte dieses Erbes sagen, da es über all unsern Begriff erhaben ist und unendlich mehr wert ist, als alle Königreiche und Schätze dieser Welt? Ist daher das reichste Fürstenkind ohne die Taufgnade nicht geradezu unendlich ärmer, als das Kind des ärmsten Tagelöhners, welches durch die Taufe mit der Heiligmachenden Gnade geschmückt ist und somit ein Tempel des Heiligen Geistes, ein Kind GOTTES und Erbe des Himmels ist!
Welch hohe Würde ein Kind in den Augen GOTTES hat, ersehen wir ebenfalls daraus, dass Er jedem Kinde einen Engel, einen Fürsten des Himmels, zum beständigen Beschützer gegeben, der es vor körperlichem und geistigem Schaden bewahrt.
Tief durchdrungen von der Würde des Kindes war der berühmte Kardinalerzbischof von Cheverus. Als er eines Tages in seiner Kathedrale zu Bordaux ein Kind aus fürstlicher Familie und ein ganz armes getauft hatte, sprach er zu den Anwesenden: „Diese beiden Kinder, das Fürstenkind und das arme, äußerlich so verschieden, sind gleich groß vor GOTT, gleich würdig vor Seinen Augen, gleich teuer Seinem Herzen. Beide sind zu gleicher Herrlichkeit bestimmt, nur auf verschiedenem Wege sollen sie dahin gelangen: Das reiche durch Ausübung von Barmherzigkeit, das arme durch ein geduldiges, arbeitsames Leben. Die Tugend des einen wird die Freigebigkeit, die Tugend des andern die Dankbarkeit sein, und schon heute sollen sie ihrer künftigen Bestimmung entsprechen. Im Namen des armen will ich bitten und danken, im Namen des reichen wollen sie sich großmütig und barmherzig zeigen.“
Tief durchdrungen von der Würde des Kindes war auch Leonidas, der Vater des berühmten Origenes. Als sein Sohn von der Taufe ihm gebracht wurde, empfing er denselben am Eingange seines Hauses knieend, ihn begrüßend als ein Kind GOTTES und feierlich gelobend, für GOTT denjenigen zu erziehen, der ihm von GOTT geschenkt sei.
Tief durchdrungen von der Würde des Kindes war der große Pädagoge der selige Overberg. „Sind diese da,“ pflegte er zu sagen, „nicht GOTTES Kinder, GOTTES Lieblinge, GOTTES Erben? Sind sie nicht meines Heilandes unschuldige, unmündige Brüder, der Preis Seines Blutes, Seines Heiligen Geistes Tempel? Sind sie nicht Pflegekinder der Engel, die Freude der Eltern, die Blume der Menschheit, die Hoffnung einer besseren Nachwelt? Wie, wenn der Heiland mir erschiene, um mir Seine Lieblinge zu empfehlen, könnte und würde Er mir da nicht sagen: Sieh hier die Wundmale Meiner Hände, Meiner Füße, Meiner Seite! Durch das Blut, welches aus diesen floss, sind die Seelen erkauft, welche Ich deiner Fürsorge anvertraut habe. „Heilige dich für sie, wie Ich Mich für alle geheiligt habe.“
Welche christliche Mutter könnte nun noch blind gegen die Würde ihrer Kinder sein? Wer muss nicht unwillkürlich in seinem Herzen ausrufen: Welche Würde hat doch ein Kind? Wohl hat aber der Dichter Recht, wenn er das Kind eine herrlich blühende Au, umwogt von stürmischer See, einen Himmelsgarten auf Erden nennt. Wohl sagt daher der beliebte Volksschriftsteller Alban Stolz mit Recht: „Drei Dinge hat uns GOTT aus dem Paradiese noch gelassen: Die Sterne des Himmels, die Blumen der Erde und das Auge des Kindes.“
Christliche Mutter! Wenn schon der heidnische Philosoph Plutarch schrieb: „Maxima debet puero reverentia,“ „Die größte Achtung verdient das Kind,“ mit wieviel größerem Rechte musst du dieses dann von deinen Kindern sagen, wenn du sie im Lichte des Glaubens betrachtest? Vergiss dieses niemals, damit du desto eher all die Opfer, welche eine gute Kindererziehung verlangt, immer mit Freuden bringst!
XXII.
Bedenke immer die Wichtigkeit und
Notwendigkeit einer guten Erziehung!
„Nichts geht über eine gute Erziehung,“ sagt Plutarch; „sie soll der Anfang, die Mitte und das Ende aller elterlichen Sorgen bilden. Glücksgüter sind trügerisch und hinfällig; die gute Erziehung ist ein unvertilgbares, Göttliches Gut!“
Was der heidnische Philosoph mit diesen Worten ausgesprochen hat, ist nur allzu wahr und gilt besonders noch für christliche Eltern. Die Erziehung ihrer Kinder ist die wesentlichste ihrer Elternpflichten, sie ist so wichtig und notwendig, dass sie die Hauptpflicht aller Eltern bildet und fortwährend ihre erste und größte Sorge sein muss. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer guten Erziehung wirst du, christliche Mutter, am besten einsehen, wenn du dir den Wert eines Kindes recht klar vorführst.
So unscheinbar auch das Kind uns erscheint, so birgt es doch einen rätselhaften Wert, unschätzbar groß, wenn es für den Himmel, grauenerregend, wenn es für die Hölle sich entfaltet. Noch ist es ein unaufgedeckter Schacht, in welchem vielleicht die edelsten Metalle verborgen sind; es kann aber auch ein verdeckter Krater sein, in dem die glühende Lava kocht, die einst alles ringsum verwüsten wird. Es kann einem fruchtbringenden Stamme gleichen, der ganzen Länderstrecken seinen Segen spendet; es kann aber auch wie ein wild flutender Gießbach alles um sich verwüsten und zerstören.
Wer hätte damals, als der Heilige Vincenz von Paul, ewig glückseligen und preiswürdigen Andenkens, noch die Schafe hütete, geahnt, dass durch ihn der reichste Segen allen Völkern der Erde zu teil kommen sollte, dass er bis zum Ende der Welt die größten Gnaden spenden würde durch die von ihm gegründeten Orden der Lazaristen-Missionspriester und der barmherzigen Schwestern?
Mastai Feretti wurde allgemein für ein unglückliches Kind gehalten, als er als 12jähriger Knabe die Schule besuchte, weil er an der schrecklichen Fallsucht litt. Wem in aller Welt wäre es damals in den Sinn gekommen, dass dieser einst als Statthalter GOTTES unter dem Namen Pius IX. eine Tätigkeit entfalten würde, die in der Kirchengeschichte aller Jahrhunderte fast beispiellos dasteht, dass er allein 29 Erzbistümer und fast 200 Bistümer gründen werde?
Wer hätte noch nichts von dem ehrwürdigen Priester Don Bosco gehört, der 1888 eines Heiligmäßigen Todes gestorben ist? Durch die Bemühungen dieses Mannes wurden 160 große Anstalten für die Erziehung verwahrloster Knaben gegründet, in denen man während 50 Jahre 10 Millionen armer und verlassener Kinder zu braven christlichen Arbeitern herangebildet hat, die ohne ihn wahrscheinlich verkommen und Verbrecher geworden wären. Und die von ihm ins Leben gerufene Genossenschaft der Salesianer für die Erziehung der Jugend und Ausbreitung des Glaubens entfaltet noch fortwährend ihre sehr segensreiche Tätigkeit in Europa und Amerika.
Am 10. November 1483 wurde einer Bürgersfamilie in Eisleben ein Kind geboren, welches in der Taufe den Namen des Heiligen Martin erhielt. Damals noch bekannte ganz Deutschland und fast ganz Europa einen und denselben Glauben und war durchglüht von einer Liebe wie die Kinder einer Familie. Aber durch jenes Kind wurde halb Europa und mehr als die Hälfte Deutschlands vom Mutterherzen unserer Heiligen Katholischen Kirche losgerissen und unsägliches Elend über unser teures Vaterland gebracht, so dass Melanchthon, einer der ersten sogenannten Reformatoren behauptet, mit Strömen von Tränen könne diese unheilvolle Trennung nicht genug beweint werden.
Da siehst du, gute Mutter, welch einen Wert, welch eine Bedeutung ein einziges Kind für sich und andere haben kann!
Wenn nun auch die angeführten Beispiele mehr Ausnahmen bilden, so lehrt doch die tägliche Erfahrung, dass jeder gute Mensch die Quelle von sehr großem Segen und jeder schlechte die Quelle von unsäglichem Elende ist. Jeder gute Mensch ist ein Muster und Vorbild für seine ganze Umgebung, welche er durch Wort und Beispiel zum Guten aneifert und vom Bösen abhält. Mag er im bescheidenen Kreise oder im verantwortlichen höheren Amte wirken, er wird nur Gutes stiften und über das Grab hinaus wird sein Andenken in Segen bleiben.
Welches Unheil richtet aber ein unerzogener Mensch an! Verwöhnt, verdorben, fähig zu jeder Schlechtigkeit wird er Kreuz und Leid, Kummer und Elend über alle bringen, mit denen er in Berührung kommt. Wie oft nämlich muss man hören, dass ein unsittlicher Mensch seine ganze Umgebung verpestet, und dass eine liederliche Frauensperson Hunderte in ihre Netze zieht!
So birgt das Kind, so unscheinbar es an und für sich ist, in der Tat einen rätselhaften Wert, unschätzbar, wenn es zum Guten, grauenerregend, wenn es zum Bösen sich entfaltet. Wovon hängt den hauptsächlich das eine oder das andere ab? Es hängt hauptsächlich von der Erziehung ab.
Was wird wohl aus diesem Kinde werden? Kann man bei jedem Kinde fragen. Wird es der Trost und die Stütze, die Ehre und Freude, das Heil und das Glück oder das größte Kreuz und Leid der Eltern und Angehörigen bilden? Wird es ein nützliches oder schädliches Glied der menschlichen Gesellschaft sein? Wird es seinem Stande Ehre machen, oder zum Ärgernis einer ganzen Gegend gereichen? Wird es endlich ein Bewohner des Himmels oder der Hölle sein? Welch wichtige und folgenschwere Fragen! Die Antwort lautet: „Das Kind wird im allgemeinen das, was die Erziehung aus ihm macht.“ Die schlechte Erziehung ist es, welche die Erde mit Verbrechern und Scheusalen anfüllt, die ein unsägliches Verderben und ein entsetzliches Elend anrichten, und die sowohl sich selbst als auch viele andere zeitlich und ewig unglücklich machen. Die gute Erziehung aber ist es, welche eine unversiegbare Quelle aller Tugenden enthält, die Erde mit Wohltätern der Menschheit und den Himmel mit Heiligen bevölkert.
Wie wichtig und notwendig ist daher die Erziehung zum Guten! Diese ist aber zunächst und vorzüglich in die Hände der Eltern gelegt, und diese können, wie der Töpfer seine Gefäße, das Leben der Kinder gestalten. „Die Herzen der Kinder sind wie Wachs, es lässt sich das Gute und Wahre ebenso leicht, als das Böse und Falsche in dieselben drücken. Die Kinder sind jungen Bäumchen ähnlich, denen man in der ersten Jugendzeit leicht eine gerade Richtung geben kann.“ „Wachsen sie krumm,“ sagt der Heilige Vincenz Ferrerius, „so hat eigentlich nicht der Baum, sondern der Gärtner die Schuld, weil es in seiner Macht stand, und auch Pflicht für ihn war, das Bäumchen gerade zu richten.“ -
Was vom Gärtner und Baume hier gesagt wird, gilt ganz genau von den Eltern in Bezug auf ihre Kinder. Wie wichtig und notwendig ist es darum, dass du, gute Mutter, mit deinem Gatten fortwährend alles aufbietest, um all deine Kinder gut zu erziehen!
XXIII.
Befolge immer treu die Grundsätze
der christlichen Erziehung!
Die Erziehung wird mit vollem Rechte die Kunst der Künste genannt. Je schwieriger nun dieselbe ist, umso wichtiger ist es, dass du, gute Mutter, dir die wahren Grundsätze der christlichen Erziehung wohl merkest und sie immer treu befolgest. Diese wahren Grundsätze sind enthalten in folgendem Satze: „Von frühester Jugend an leite die Kinder zum Guten an, und halte sie vom Bösen ab, und zwar: Durch Angewöhnung, Belehrung, Belohnung, Strafe, der regelmäßig die entsprechende Warnung und Drohung vorhergegangen sein muss, durch fleißiges Gebet und gutes Beispiel.“
I. Die Angewöhnung kann nicht früh genug geschehen, denn: „Jung gewohnt, alt getan.“ Was man oft tut, das wird zur Gewohnheit, und was zur Gewohnheit geworden ist, das lässt sich nur schwer wieder ablegen. Denn Kinder (Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass gerade das erste Kind mit aller Sorgfalt recht gut erzogen wird, denn nach ihm werden sich seine jüngeren Geschwister richten und bilden.) vom zartesten Alter an stets zu allen Tugenden, welche eine Zierde der Jugend bilden, angehalten werden, so werden ihnen diese zur zweiten Natur; sie wachsen als gute und tugendhafte Christen heran, ohne dass es nötig ist, sie lange und viel zu ermahnen und zu bestrafen. Dies erspart den Eltern viel Verdruss, den Kindern Rügen und Strafen, und das schöne Verhältnis, welches zwischen Kindern und Eltern herrschen soll, wird nicht getrübt.
Damit aber die Kinder von der frühen Jugend zum Guten angeleitet und vom Bösen abgehalten werden können, muss eine aufmerksame, beständige und genaue Aufsicht geübt werden. Diese Aufsicht muss in frühester Kindheit beginnen, und sie muss ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Vor allem muss die Mutter bei der Angewöhnung auf folgendes sehen:
1. Dulde von frühester Kindheit an keinen Eigensinn, sondern verlange immer einen schnellen und freudigen Gehorsam. (Sieh Kapitel 25.)
2. Bekämpfe den Zorn und die Rachsucht, erziehe die Kinder zur Versöhnlichkeit und dulde keinen Zank und Streit, keine Feindschaft unter ihnen. (Sieh Kapitel 26.)
3. Meide allen verderblichen Scherz! Lache zum Beispiel nicht, wenn die Kinder zum Scherze dich und andere schlagen, oder freche, unpassende Antworten geben. Dulde keine tückischen Spässe, welche gefährlich werden können, weder von deinen Kindern noch sonst von jemand; zum Beispiel jemand erschrecken, im Finstern oder sonst unvermutet einem etwas in den Weg legen oder halten, damit er fallen soll; den Stuhl zurückziehen, worauf man sich setzen will und so weiter. Durch dergleichen Spässe ist schon oft ein großes Unglück geschehen.
4. Unterdrücke jeglichen Neid und jede Missgunst! (Sieh Kapitel 27.)
5. Leite deine Kinder zur Verträglichkeit, Dienstfertigkeit und Nächstenliebe an; halte sie an, dass sie sich untereinander vertragen, dass bei einem erhaltenen Geschenke das eine Kind dem andern gern etwas mitteilt, und dass sie sich mit Freuden gegenseitig einen Dienst erweisen! Erziehe sie zur Artigkeit und Höflichkeit, auch gegen Dienstboten. Verlange, dass sie um alles, was sie haben wollen, schön bitten und für alles, was sie von Eltern, Geschwistern, Dienstboten oder fremden Personen erhalten, hübsch danken. Leite sie an zur Barmherzigkeit, besonders gegen Arme, Kranke, alte Leute, Krüppelhafte und Geistesschwache! Falls diese um ein Almosen bitten, sollen im allgemeinen die Kinder es überbringen. Besuchen Vater oder Mutter einen Armen oder Kranken, so sollen sie die Kinder, wenn nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen, mitnehmen, damit diese so Not und Elend mancher Menschen sehen und lernen, mit ihnen Mitleid zu haben und gegen den lieben GOTT dankbar zu sein, der sie vor einem solchen Unglück bewahrt hat. Bestrafe alle Tierquälerei und Zerstörungssucht!
6. Bekämpfe die Lügenhaftigkeit! (Sieh Kapitel 28.)
7. Erziehe deine Kinder zur Demut und mache sie nicht selbst hoffärtig und eitel durch unvernünftige Kleiderpracht und unvorsichtiges Lob. Zu anderen sollst du im allgemeinen nicht lobend über deine Kinder sprechen, wenn diese zugegen sind.
8. Reize nicht die Gaumenlust der Kinder und dulde nicht, dass sie unmäßig und wählerisch im Essen werden. Leite sie zur Mäßigkeit, Enthaltsamkeit und Genügsamkeit an, und du wirst sie glücklich machen. Gib ihnen kein Geld für Naschwerk, halte sie vom Genusse aller geistigen Getränke möglichst fern und bekämpfe die ungezügelte Vernügungslust, welches ein Krebsübel unserer Zeit ist. Erziehe sie zur Sparsamkeit, zur Einfachheit in Kost und Kleidung und zur unschuldigen Fröhlichkeit. Heiterkeit und Frohsinn ist sowohl ein Zeichen von Gesundheit als auch von kindlicher Unschuld. Daher soll man sich freuen, wenn die Kinder munter und fröhlich sind, mag auch ihr geräuschvolles Spiel und ihr kindlicher Mutwille uns zuweilen lästig werden; nur gegen Unarten schreite man immer kräftig ein.
9. Bewahre deine Kinder vor Betrügen und Stehlen! Erziehe sie zur Redlichkeit im Kleinsten, lass das Kind selbst zurücktragen, was es in einem Geschäfte zu viel bekommen hat, und befiehl ihm, wenn es etwas gefunden hat, sich nach dem Eigentümer zu erkundigen, um es zurückzugeben.
10. Leite deine Kinder zur Arbeitsamkeit und Pünktlichkeit an! Gewöhne sie an eine passende Beschäftigung, übertrage ihnen schon im frühen Alter kleine, leichte Arbeiten und Dienstleistungen, welche ihrem Alter und Stande angemessen sind, ohne ihnen jedoch die notwendige Erholung und die Zeit zum Spielen (Sollen die Kinder auch Spielzeug haben? Gewiss, aber nicht zu vielerlei und nur passendes. Zu derselben Zeit sollen sie nur ein Spielzeug haben, und die übrigen sind stets in einer gewissen Ordnung aufzubewahren. Dadurch werden die Kinder an Ordnung gewöhnt, und dem Verschwenden und mutwilligen Verderben wird vorgebeugt. Die allereinfachsten Spielsachen sind die besten; dieselben müssen fest und dauerhaft sein. Auch hier vermeide man den übertriebenen Luxus; denn es ist dem Kinde wirklich einerlei, ob sein Spielzeug 20 Pfennige oder 20 Mark gekostet hat. Im Sommer verschaffe man den Kindern einen Sandhaufen, und gebe ihnen einige Blechlöffel, eine kleine Schaufel und einen kleinen Schubkarren. Die Kinder werden nicht müde, sich damit zu beschäftigen. Ein passendes Spielzeug für Knaben sind ferner Baukasten mit verschieden gesägten Hölzchen oder regelmäßig geformten Steinchen, während für Mädchen Puppen und Puppenwagen das passendste Spielzeug sind. Aber ein schlecht gewählten und unpassendes Spielzeug ist die Peitsche. Denn was soll ein Kind mit der Peitsche? Ein solches Spielzeug bringt nur Schaden mit sich für das Kind. Durch das Spielen mit der Peitsche gewöhnt sich das Kind an Lärm, an Herumschlagen und Geschrei, ja an Misshandlung anderer. Zuerst schlägt der Knabe sein Steckenpferd, dann den Stuhl, den Ofen, bald aber alles, was in seiner Nähe ist, unschuldige Tiere, seine Kameraden, Geschwister und so weiter. Statt gutherzig und sanft zu werden, wird das Kind ausgelassen und roh. Darum fort mit diesem Spielzeug aus der Kinderstube!) zu nehmen. Die Spielzeit muss aber mit zunehmendem Alter immer mehr beschränkt werden und immer mehr einer verständigen, regelrechten Arbeit Platz machen. Bei jeder Beschäftigung, die du den Kindern anweisest, halte darauf, dass sie zur bestimmten Zeit verrichtet und nicht vergessen wird. Gerade diese erste Gewöhnung an Pünktlichkeit und Arbeitsamkeit ist den Kindern oft fürs ganze Leben von größtem Nutzen.
11. Erziehe deine Kinder zu einer gediegenen Frömmigkeit! (Sieh Kapitel 29.)
12. Wache sorgfältig über die Unschuld der Kleinen und der Großen und halte streng auch bei den kleinen Kindern auf äußere Schamhaftigkeit. (Sieh Kapitel 30.)
Mit der Angewöhnung ist oft, besonders wenn die Aufsicht nicht eine Aufmerksame und beständige war, eine Abgewöhnung verbunden. Diese muss fest und beharrlich durchgeführt werden, bis das Übel beseitigt ist. Weil aber bekanntlich das Ablegen einer schlechten Gewohnheit immer mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden ist, so mögen doch die Eltern und überhaupt alle, die das wahre Wohl der Kinder anstreben, alles aufbieten, damit diese nur gute Gewohnheiten sich aneignen. Denn sorgt man dafür, dass die Kinder niemals zu tun anfangen, was sie irgend einmal zu tun aufhören müssen, so erspart man ihnen die große Schwierigkeit des Ablegens und Abgewöhnens.
II. Mit der Gewöhnung ist die Belehrung zu verbinden, wodurch das Kind lernt, was recht und unrecht ist, was es tun und was es meiden soll. Die Belehrung muss zur richtigen Zeit und mit wohlüberlegten Worten (So darf eine Mutter aus falscher, törichter Scham es nicht unterlassen, ihrer Tochter zur Zeit, wo das monatliche Unwohlsein zum ersten Mal eintritt, die nötige Belehrung zu geben, indem sie dieselbe mit der Versicherung beruhigt, dass diese Erscheinungen in diesem Alter bei allen Mädchen eintreten und von da an sich jeden Monat wiederholen. Darauf gibt sie ihrer Tochter an, wie sie sich hierbei zu verhalten hat. Zugleich sagt sie ihr, darüber spricht man nicht mit andern, und wenn andere das tun wollten, so dürfe sie nicht davon wissen wollen und solche mit aller Entschiedenheit als gefährliche Menschen meiden.) gegeben werden; sie soll nicht in Gestalt von Strafpredigten geschehen, ein Wort hier, eine Ermahnung dort, lässt sich leicht an Vorkommnisse und Begebenheiten anknüpfen. (Wenn zum Beispiel bei einem schweren Gewitter dem Kinde von der Majestät und der Allmacht GOTTES gesprochen wird, und wie Er es allein in der Hand habe, dass kein Unglück durch Blitz und Hagelschlag geschehe, so wird diese Belehrung ganz anders die Willigkeit zur Anbetung und Anrufung GOTTES nahelegen, als wenn dasselbe gesagt würde im Verlauf des Unterrichts des Katechismus. Desgleichen lässt sich dem Kinde eine sehr eindringliche Belehrung geben, wenn es gerade eine Leiche gesehen hat, oder eines seiner Eltern gefährlich krank ist. Ähnlich so die Belehrung über bestimmte Sünden, welche gerade vor den Augen und Ohren eines Kindes in ihrer vollen Hässlichkeit und ihren Folgen sich gezeigt haben, zum Beispiel Schlägerei oder große Betrunkenheit. Soll die Belehrungen sich festsetzen und wirksam werden, so ist besonders alles breite Schwätzen zu vermeiden. Ein Kind kann keine weitläufigen Erörterungen verdauen.)
Damit aber die Belehrung über das Schädliche, Gefährliche und Verbotene auch dann von Kindern Heilig gehalten werde, wenn sie sich ohne Aufsicht wissen, so soll man sie oft erinnern, dass GOTT überall zugegen ist, alles sieht, was man tut, auch wenn man alleine ist, dass Er unsere geheimsten Gedanken kennt, das Gute belohnt und das Böse bestraft, und dass ihr Schutzengel immer gegenwärtig ist; man soll sie beharrlich anhalten, die Selbstüberwindung auch in erlaubten Dingen zu üben. Derartige Übungen können schon bei kleinen Kindern angewandt werden, indem man sie anleitet, solches, welches für die Gesundheit weder notwendig noch besonders nützlich ist, sondern nur der Sinnlichkeit schmeichelt, aus Liebe zu GOTT, um den leidenden Seelen im Fegfeuer zu Hilfe zu kommen, für einige Zeit nicht zu essen, oder weniger davon zu nehmen.
III. Die Belohnung und das mit Klugheit gespendete Lob sind ebenfalls recht wirksame Mittel, um das Kind vom Bösen abzuhalten und zum Guten anzuspornen. Wenn auch beides nicht zu oft angewandt werden soll, sondern nur dann, wenn es verdient ist, so muss man doch sagen, dass die Macht der Belohnung und des Lobes oft unterschätzt und zu wenig berücksichtigt wird. Haben die Kinder es wirklich verdient, so muss man ihnen auch die Freude der Anerkennung bereiten. Doch in den meisten Fällen ist das belohnende Wort der Eltern vollständig genügend; mit anderen Belohnungen, wie Geschenken, sei man sparsam. Aber nicht oft genug kann man die Kinder hinweisen, dass der liebe GOTT und ihr Schutzengel große Freude an ihnen haben, wenn sie recht folgsam und brav sind, und dass sie hierfür einen hundertfältigen Lohn im Himmel erhalten werden. Von großer Wichtigkeit ist es, dass man sich wohl hüte, durch Loben oder Belohnen die Kinder eitel und stolz zu machen.
Ebenso sehr muss man sich in acht nehmen, ein Kind vor dem andern zu bevorzugen. Ein parteiisches Verfahren ist eine Ungerechtigkeit; denn alle Kinder haben genau dieselben Rechte und dieselben Ansprüche. Es klingt geradezu empörend, wenn es zum Beispiel heißt: „R. ist der Liebling der Mutter,“ oder: „R. ist der Liebling des Vaters.“ Das Wort Liebling soll unter Geschwistern niemals gehört werden; es hat immer etwas Gehässiges für die übrigen Kinder. Und was wird meistens aus einem verhätschelten Liebling? Zunächst der Störenfried der Familie und der Quälgeist seiner Geschwister, und nachher oft die Schande und das größte Kreuz der parteiischen ungerechten Eltern.
Zur Belohnung sollen nicht Gegenstände genommen werden, die den Kindern schädlich sind oder zum Bösen missbraucht werden können, wie zum Beispiel Geld. Aber sehr gut kann man zur Belohnung nehmen das Nützliche und Notwendige, was man den Kindern verschaffen muss oder will: Neue Bücher, Spielsachen, Besuche bei Verwandten und so weiter. Stellt man dieses den Kindern in Aussicht für ihr gutes Betragen und ihren Fleiß, so wird all dieses ihnen doppelt lieb und wert sein.
Lässt sich aber ein Kind durch Lob und Belohnung nicht zum Guten anhalten und vom Bösen abhalten, dann ist seine Bestrafung eine unerlässliche Notwendigkeit. Der Bestrafung soll aber die Androhung der Strafe vorhergehen.
IV. Die Drohung darf vor allem nicht zu häufig angewandt werden, sondern nur dann, wenn es notwendig ist. Was aber angedroht wird, muss, falls das Gebot oder Verbot übertreten wird, immer unfehlbar sicher ausgeführt werden. Daher darf man nie unbesonnen und ohne Überlegung drohen, nie mit etwas, was unwahr ist, zum Beispiel bei kleinen Fehlern: „Du kommst in die Hölle,“ nie mit etwas, was man nicht erfüllen kann oder will. So ist es ganz verkehrt, wenn Eltern drohen: „Ich schlag dich tot, ich jag´dich fort,“ und so weiter; denn erstens lügen sie, und zweitens verursachen solche Drohungen zuletzt gar keine Furcht, weil das Kind halb merkt, dass sie nicht aufgeführt werden.
Am besten ist es, keine bestimmte Strafe anzudrohen; denn man muss ja doch jeden Fall für sich allein abwägen und beurteilen, um nicht ungerecht zu werden. So möge die Mutter dem fehlenden Kinde zum Beispiel sagen: „Ich habe dich schon oft ermahnt, du sollst dieses nicht tun, und du tust es doch immer wieder; wenn es noch einmal vorkommt, erhältst du eine Strafe, damit du dann sicher daran denkst.“ Was sie nötigenfalls anordnen werde, sagt sie nicht, denn es wird sich nach den Umständen richten, und wenn das Kind fragte: „Welche Strafe werde ich denn erhalten?“ so müsste die Mutter ihm erwidern: „Das wirst du sehen“ - Bei einem solchen Verfahren setzt man sich nicht der Gefahr aus, unüberlegte Strafen anzudrohen, die man niemals ausführen darf oder kann.
Es gibt auch Mütter, die nicht anders zu drohen wissen als: „Wart, ich sag´s dem Vater.“ Diese Handlungsweise ist verkehrt; denn zunächst wird diese Drohung meistens nicht ausgeführt, und dann ist es auch unrecht, die nötige Züchtigung dem Vater immer zuzuschieben. Oder soll dieser, wenn er müde von der Arbeit nach Haus kommt und sich schon darauf gefreut hat, mit den Seinigen eine angenehme Erholungsstunde zu haben, statt dessen das traurige Geschäft der Züchtigung immer vornehmen müssen! Die Mutter muss selbst die nötige Bestrafung vornehmen, und sie darf nur dann mit dem Vater drohen und diesen zu Hilfe nehmen, wenn es gilt, bei einem sehr großen Eigensinne oder bei einem größeren boshaften Vergehen, eine körperliche Züchtigung anzuwenden, die allerdings vom Vater nachdrücklicher gegeben werden kann.
XXIV.
Befolge immer treu die Grundsätze
der christlichen Erziehung!
(Fortsetzung)
V.
Helfen die mahnenden und drohenden Worte nichts, so muss ganz notwendig zur Strafe gegriffen werden. Freilich fällt den Eltern oft schwer, ihr Kind empfindlich zu strafen, denn ihr liebevolles Herz fühlt ja doppelt die Strafen; aber sie sind im allgemeinen so notwendig, dass ohne eine jegliche Strafe eine gute Erziehung gar nicht denkbar ist. Denn wie der Weinstock, falls er gute und reichliche Früchte bringen soll, beschnitten werden muss, so dass er blutet, so muss man auch bei der Erziehung seine Zuflucht zum Bestrafen nehmen, wenn die übrigen Erziehungsmittel nicht den erwünschten Erfolg hatten.
Im Betreff der Strafe ist folgendes zu merken:
1. Körperliche Züchtigung ist nicht auszuschließen, wenn sie auch nur selten und im allgemeinen nur dann, wenn alle anderen Mittel versagt haben, zur Anwendung kommen soll. Es gibt aber gewisse Fehler, die nur durch eine angemessene körperliche Züchtigung gebessert werden können, nämlich angewohnte Lügenhaftigkeit, grober Ungehorsam, hartnäckige Fehler gegen die Sittlichkeit, anhaltender Leichtsinn und jene Roheit, die fremdes Eigentum mutwillig verdirbt und Tiere absichtlich quält. Daher rät auch der Heilige Geist mit den nachdrücklichen Worten allen Eltern, die Rute zu gebrauchen, wo es Not tut. „Schlägst du den Sohn mit der Rute, so wird er nicht daran sterben (das heißt er wird’s wohl fühlen, aber Schaden wird er nicht leiden), seine Seele aber wirst du von der Hölle erlösen.“ (Sprichw. 23, 13.) „Wer die Rute spart, hasset seinen Sohn.“ (Sprichw. 13, 24.) „Rute und Strafe geben Weisheit; der Knabe aber, dem sein Wille gelassen wird, macht seiner Mutter Schande.“ (Sprichw. 29, 15.)
2. Die Strafe soll vernünftig und gerecht sein.
a) Vernünftig ist sie, wenn sie nicht zu oft, nicht ohne Überlegung, nicht in blinder Leidenschaft angewandt wird, und wenn jede Misshandlung und Grausamkeit vermieden wird. Schlagen an den Kopf kann sehr leicht Gehirnleiden, Gehörfehler und andere Schäden zur Folge haben. Das beste körperliche Züchtigungsmittel ist und bleibt die Rute, aus dünnen, festen Reisern zusammengebunden; aber auch damit schlage man nicht auf den Kopf, sondern auf den Rücken oder in die flache Hand.
b) Gerecht ist die Strafe, wenn jede parteilichkeit (Auch die Stiefkinder dürfen nicht anders behandelt werden als die eigenen. Wer Stiefkinder übernimmt, muss ihnen wahrhaft und vollständig Vater und Mutter ersetzen; auch nicht der mindeste Unterschied darf zwischen den Stiefkindern und den eigenen Kindern bemerkbar sein, sowohl bei der Bestrafung als auch in allem übrigen.) vermieden wird und die Strafe der Größe der Fehler entspricht. Niemals darf ein Kind gestraft werden, wenn es nur durch Unwissenheit oder durch ein Unglück gefehlt hat. Wenn zum Beispiel ein Kind eine Arbeit nicht recht gemacht hat, weil es dieselbe nicht besser verstand, wenn es etwas zerbrochen oder verloren hat, nicht aus Bosheit oder Mutwillen und großer Nachlässigkeit, sondern nur durch ein Unglück, so gebührt ihm dafür keine Strafe. Einem Fehler aus Unwissenheit soll nur eine Belehrung folgen; im Falle einer verzeihlichen Nachlässigkeit nur eine Erinnerung; bei großer Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit aber geziemt sich schon ein Tadel oder eine Drohung. Handelt es sich um Fehler aus böser Neigung oder Gewohnheit, zum Beispiel um Lügen, um Zanken, Schimpfen, Naschen, Stehlen, da darf die Strafe nicht ausbleiben, noch viel weniger, wenn sich Eigensinn oder Bosheit zeigen sollte.
Leider wird der Erfolg der Strafe oft in Frage gestellt dadurch, dass manche Eltern nicht gleichmäßig beim Strafen verfahren. Heute bei schlechter Laune bestrafen sie streng, was ein andermal bei guter Laune gar nicht bestraft worden ist. Ein solches Verfahren lässt die Strafe als ungerecht erscheinen und wirkt gegen die Eltern erbitternd.
Sollen die Strafen die gewünschte Besserung bewirken, dann müssen die Kinder ferner deutlich fühlen, dass dieselben aus Heiliger Pflicht, mit voller Gerechtigkeit, ohne Zorn und Leidenschaft vollzogen werden.
Was sollen daher die Eltern tun, wenn ein Kind durch schlechtes Betragen sie plötzlich aufgeregt und zornig gemacht hat?
Sie dürfen nicht sofort strafen, sondern sie müssen dem Kinde nur sagen: „Du bekommst deine Strafe später.“ Diese Ankündigung und die Ungewissheit, was für eine Strafe es bekommt, und die Angst davor wirken oft ebensoviel, als die Strafe selbst. Wenn der Vater oder die Mutter es dann bei vollständig wiederhergestellter Gemütsruhe nach strenger Gerechtigkeit abstraft und zuvor noch dem Kinde für seine Besserung vor einem Kreuz knieend etwas betet und ihm sagt: „Nur ungern strafe ich dich, aber der liebe GOTT verlangt es von mir,“ so wird das Kind deren Notwendigkeit erkennen und sich ohne allen Zweifel bald bessern.
Vor allem aber müssen die Eltern in der Erziehung und Bestrafung einig sein. Niemals darf Vater oder Mutter ein Kind in Schutz nehmen gegen die vernünftige und gerechte Strafe, welche Mutter oder Vater verhängen will; oft fehlen in dieser Beziehung oft die Mütter in ihrer blinden Liebe zum größten Schaden für die Erziehung. Selbst wenn der Vater auch mal zu streng strafte, so dürfte die Mutter das weinenden Kind nicht in Schutz nehmen, sondern dem Vater dieses unter vier Augen liebevoll sagen.
Ebenso wenig sollen die Eltern von Verwandten, Großeltern (Die Großeltern, unverheiratete Tanten, verwöhnen gern die Enkel. „Sie haben,“ sagt Alban Stolz, „nicht so dass Bewusstsein der Verantwortlichkeit bezüglich der Kindererziehung wie die Eltern; die Kleinen sind ihnen oft nur ein angenehmes Spielzeug und Zeitvertreib, die einzigen Wesen, bei welchen noch für abgelebte alte Personen neue Liebe vielleicht zu gewinnen ist. Darum suchen manche die Enkel an sich zu locken, indem sie deren Sinnlichkeit durch Zuckerwert, törichte Schmeichelreden und dergleichen befriedigen und ihren Unarten nicht wehren, um ihnen recht lieb zu bleiben und sie an sich zu binden. Aber auch wenn sie einigen Erziehungsernst haben, so fehlt es oft an der Kraft zu strafen. Die unmittelbare Folge hiervon ist, dass bei solchen Kindern die Liebe zu den Eltern und der willige Gehorsam abnimmt. Die Eltern sollen deshalb genau abwägen, ob mehr guter oder schlechter Einfluss auf die Kinder zu erwarten ist, wenn dieselben viel in Umgang mit einem der Verwandten kommen.“) oder Dienstboten oder zufälligen Besuchern Parteinahme für ihre bestraften Kinder dulden.
Auch dürfen Vater und Mutter den anderen Erziehern ihrer Kinder keine Hindernisse in den Weg legen, sondern sie sollen die Erziehung und den Unterricht in der Kirche und Schule tatkräftig unterstützen und mit anderen, besonders ihrem Pfarrer, bei schwierigen Fällen Rücksprache nehmen und sich bei ihnen Rat holen. Eltern, Seelsorger und Lehrer müssen immer Hand in Hand gehen, sonst können Erziehung und Unterricht nicht gedeihen. Sobald du, gute Mutter, auch nur ein Wort gegen Schule und Lehrer oder andere Erzieher sprichst, schadest du der Erziehung und dem Unterrichte deines Kindes. Es sei dir darum das Wort und die Handlungsweise der Erzieher deiner Kinder Heilig. Verstehst du in gewissen Punkten ihre Absicht nicht, so hüte dich ja um deines lieben Kindes willen, in dessen Gegenwart dich über dieselben auszulassen, sondern besprich dich mit ihnen, und du wirst sehen, dass sie das Beste mit deinem Kinde wollen.
Niemals dürfen Eltern in Gegenwart ihrer Kinder vermeintliche oder wirkliche Fehler anderer Erzieher tadeln, oder ein Kind gegen Vorwürfe und Strafen, die es im Unterrichte erhalten hat, in Schutz nehmen, sondern die Kinder müssen ein für allemal wissen: „Für jede Bestrafung, die ich in der Schule erhalte, bekomme ich zu Hause, wenn es bekannt wird, eine weitere Strafe.“
3. An GOTTES Segen ist alles gelegen. „Weder wer pflanzt, noch der, welcher begießt, ist etwas, sondern GOTT, der das gedeihen gibt.“ (1. Kor. 3, 7.) Diesen Segen GOTTES musst du, gute Mutter, über die Kindererziehung herabflehen durch das Gebet. Bete daher täglich um GOTTES Segen in der so schwierigen und so wichtigen Erziehungskunst; empfiehl jeden Tag alle deine Kinder dem Liebevollsten Gnadenspender, GOTT dem Heiligen Geist, dem Heiligsten Herzen Jesu, der lieben Gottesmutter, dem Heiligen Joseph und den Heiligen Schutzengeln deiner Kinder. Vergiss niemals, dass das beharrliche Gebet alles vermag. Verliere deshalb, gute Mutter, niemals den Mut, auch wenn es dir scheint, als ob alle deine wohlgemeinten Maßnahmen wenig oder gar keinen Erfolg hätten, sondern nimm um so eifriger zum Gebete deine Zuflucht. Schau hin auf die Heilige Monika! Sie hat 17 Jahre ausgeharrt im Gebete für ihren Sohn Augustinus. Hätte sie die Geduld verloren, so würden wir vielleicht keinen Heiligen Augustinus haben. Daher fahre du trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten in der Erziehung zu beten fort, verliere niemals den Mut, und der liebe GOTT wird’s wohlmachen!
Hier möchte ich an einen sehr alten, überaus schönen Gebrauch erinnern, von dem ich wünschen möchte, dass er bei allen Katholischen Familien zur Geltung komme, nämlich an den Gebrauch, dass Väter und Mütter ihre Kinder segnen. Sehr segensreich ist dieser Gebrauch. Denn erstens befestigt dieser Segen das Ansehen der Eltern bei den Kindern. Dadurch aber wird die gute Zucht und der Gehorsam in der Familie befördert. Zweitens kann leicht ein unbeachtes, allzu hartes Wort der Eltern so gutgemacht werden. Drittens ist es sehr trostvoll für die Kinder, sich von den Eltern gesegnet zu wissen, weil sie dann mit um so größerem Vertrauen auf GOTTES Schutz und Hilfe beseelt werden. Die Wirkung und Kraft des Elternsegens spricht der Heilige Ambrosius mit folgenden Worten aus: „Wer von seinen Eltern gesegnet wird, ist von GOTT gesegnet.“
Wie soll denn der Elternsegen erteilt werden? Vor dem Schlafengehen der Kinder erteilt ihnen täglich den Segen, „indem ihr,“ wie P. Zyprian Fröhlich sagt, „eure Kinder (wenigstens die Kleinen) vor euch niederknien oder in ehrerbietiger Haltung vor euch hinstehen lasset; alsdann legt ihr ihnen die rechte Hand auf´s Haupt, indem ihr dabei saget: „GOTT segne dich, mein Kind; darauf macht ihr ihnen mit dem Daumen der rechten Hand das Heilige Kreuzzeichen auf die Stirn und sprechet dabei: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes,“ worauf das Kind „Amen“ sagen soll und „Vergelts GOTT!“ - Das ist überhaupt der richtigere Dankesausdruck des Christen statt dem kalten „Danke“. - Manche Eltern besprengen die Kinder beim Segnen mit Weihwasser. Ihr könnt auch stillschweigend dem Kinde das Heilige Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnen, oder das Heilige Kreuz nur über die Kinder machen, besonders dann, wenn sie nicht zu Hause sind, im Dienst, in der Stadt, in der Kaserne, über dem Meere, oder im Fegfeuer: O, der Elternsegen geht über Berg und Tal und findet die Kinder überall, wo sie sind, ja er holt eure Kinder aus dem Meeresgrunde des Verderbens, auf welchen sie durch ihre Sünden und Leidenschaften geraten sind. Sendet also euren abwesenden Kindern täglich den Heiligen Segen und schreibet unter jeden Brief an sie neben dem „Es grüßt dich,“ auch „Es segnet dich dein Vater, deine Mutter.“
4. Das wirksamste, das wichtigste und notwendigste Mittel der Erziehung ist das gute Beispiel. Alle Angewöhnungen, alle Belehrungen, alle Ermahnungen, kurz, alle übrigen Erziehungsmittel werden erfolglos bleiben, wenn die Eltern sich nicht Achtung, Liebe und Folgsamkeit bei ihren Kindern durch eigenen tadellosen Wandel bewahren und ihnen in jeder Tugend mit gutem Beispiele vorangehen. Vergeblich ermahnen sie ihre Kinder zur Verträglichkeit, zur Nachsicht oder Geduld, wenn sie selbst zänkisch, gebieterisch und ungeduldig sind und den Hausfrieden nicht zu wahren wissen. Vergebens verlangen sie von ihren Kindern Wahrheitsliebe, wenn sie selbst die Unwahrheit sagen und vielleicht sogar bei besonderen Veranlassungen ihre Kinder zum Lügen auffordern. Vergebens suchen sie ihren Söhnen und Töchtern Liebe zur Tugend und Achtung gegen die Religion und alles Heilige einzuflößen, wenn sie selbst ihre Christenpflichten übertreten, zum Beispiel Freitags Fleisch essen, die Sonntagsheiligung oder den Sakramentenempfang vernachlässigen, mit einem Worte, wenn sie selbst nicht wahrhaft tugendhaft und religiös sind. Von späterer Verführung abgesehen, werden in der Regel die Kinder das, was die Eltern sind. Zwar gibt es Ausnahmen, aber als Ausnahmen bestätigen sie nur die Regel: „Der Apfel fällt nicht weit vom Baume.“ Es wird immer wahr bleiben, dass die Kinder ihren Eltern wie von Gesicht, so auch in der Denkart und Handlungsweise ähnlich sind, dass die Kinder das Spiegelbild der Eltern darstellen.
Sehr schön sagte der Heilige Isidor: „Auf die Eltern blickt das Kind mit festem, sicherem Auge, wie der Schüler auf die vorgelegte Musterschrift. Ihr Beispiel ist die Präge, die dem zarten Herzen den Stempel aufdrückt, die Gußform, in der es seine Gestalt empfängt. Je nach dem eigenen Wandel malt die Vater- und Mutterhand in die Kinderseele das entzückende Gottesbild oder Satans häßliches Zeerbild. Von diesem Wandel hängt zumeist des kindlichen Geistes Herzensveredelung oder Entartung, wahre Bildung oder Verunstaltung ab.“ - Denn die Kinder sind nicht nur treue Nachahmer, sondern auch scharfe Beobachter.
Von dem Bischof Mermillod wird uns folgendes erzählt. Als er noch apostolischer Vikar in Genf war, besuchte er nach seiner Gewohnheit eines Abend das Allerheiligste. Nachdem er seine Andacht beendigt hatte und nach einer ehrfurchtsvollen Verbeugung vor dem Altare die Kirche verlassen wollte, trat eine protestantische Dame aus einem Beichtstuhl, wo sie sich verborgen hatte, ihm in den Weg und sagte: „Hochwürdigster Herr, wollen sie gütigst mein auffallendes Benehmen entschuldigen. Ich habe in letzter Zeit viele ihrer Predigten angehört und wollte mich nun persönlich überzeugen, ob sie selbst das auch glauben, was sie predigen. Da ich aus ihrer Haltung vor dem Altare das soeben entnehmen konnte, so wünsche ich Katholisch zu werden. Wollen sie mir hierzu gütigst die nötige Anleitung geben!“
Auffallend zwar, aber ganz vernünftig war das Verhalten dieser Dame, und geradeso beobachtet, urteilt und handelt bekanntlich die Jugend. Sie bewahrheitet vor allem das Sprichwort: „Worte belehren, Beispiele reißen hin.“ Denn kraft des Nachahmungstriebes kommt das Kind fast unwiderstehlich dazu, das Benehmen der Erwachsenen, die ihm Autorität sind, nachzuahmen. Für alle Eltern ist es deshalb Heilige Pflicht, sich selbst als Vorbild ihren Kindern hinzustellen, sie müssen sein, was die Kinder werden sollen, tun, was diese tun sollen, unterlassen, was diese unterlassen sollen. Ohne dieses Vorbild werden ihre Worte in den Wind gesprochen.
Wie das gute Beispiel das Kind zum Guten anspornt, ebenso mächtig, ja noch mächtiger reißt das schlechte Beispiel wegen unserer verdorbenen Natur es in den Abgrund des Bösen. O welch eine entsetzliche Verantwortung muss dann alle Eltern treffen, die ihren Kindern ein schlechtes Beispiel geben! Ihnen gilt ganz besonders das schreckliche Wehe unseres zukünftigen Richters: „Wehe der Welt um der Ärgernisse willen! Wehe dem Menschen, durch den Ärgernis kommt; es wäre ihm besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“
Christliche Mutter, sorge dafür, dass der Liebe Heiland, der Göttliche Kinderfreund, nicht nötig hat, ein solches Wehe über dich auszusprechen wegen schlechten Beispiels und überhaupt wegen Vernachlässigung der Kindererziehung! Daher befolge immer treu die Grundsätze der Christlichen Erziehung und suche fortwährend alles zu tun, was ich dir in den folgenden Kapiteln noch ans Herz legen werde. Sei überzeugt, dass alsdann deine Kinder mit zunehmendem Verstande immer mehr einsehen, welch große Wohltaten du ihnen erwiesen hast, und das sie deshalb bis über das Grab hinaus dankbar sein und dein Andenken ihr ganzes Leben segnen werden!
Fortsetzung folgt!
XXV.
Dulde niemals bei deinen Kindern
Eigensinn; gewöhne sie an Gehorsam!
Welche Freude und welches Glück für Eltern, gehorsame Kinder zu haben, die nicht bloß jedem Winke willig folgen, sondern ihnen schon von den Augen absehen, was sie wünschen, und es unaufgefordert freudig erfüllen!
Christliche Mutter! Du wünschest sicherlich, dass auch deine Kinder so folgsam werden, nun wisse, es liegt ganz in deiner Hand und in der deines Gatten, ob die Kinder so brav und willig werden: Denn der Gehorsam ist ebenso Sache der Angewöhnung, wie auch der Eigensinn.
Manche Eltern glauben, mit der Erziehung zum Gehorsam müsse man warten, bis das Kind zum gehörigen Gebrauche seiner Vernunft gelangt sei. „Es kann ja noch nicht gehorchen, es versteht´s noch nicht,“ so sprechen viele Eltern und lassen auf diese Weise den Eigensinn des Kindes immer größer werden, bis es zuletzt zu spät ist. Welch ein Unverstand! Wenn auch das kleine Kind nicht belehrt werden kann, warum es seinen Eltern folgen muss, so kann es doch sehr gut an den Gehorsam gewöhnt werden, und dieses ist von der allergrößten Wichtigkeit. Denn in der Seele des Kindes befindet sich, wenn es auch von der Erbsünde gereinigt ist, noch immer die böse Begierlichkeit. Wenn dieselbe auch durch die Heilige Taufe gemindert ist, so sind doch die bösen Neigungen und Begierden noch immer vorhanden, welche nach und nach erwachen. Werden diese nicht beizeiten unterdrückt, so schlagen sie immer tiefere und tiefere Wurzeln und arten in Gewohnheiten aus, die oft nie mehr abgelegt werden und das größte Unheil anrichten.
Ein junges Bäumchen kann leicht noch gerade gerückt werden, ist das krumme junge Bäumchen aber zu einem großen, starken, krummen Baume geworden, so kann ihn niemand mehr gerade biegen. Ebenso geht es mit den bösen Neigungen des Menschen. Unter diesen bösen Neigungen ist der Eigenwille, der Eigensinn jene, die sich am ersten zeigt und die immer stärker wird, je mehr man ihr nachgibt, und zuletzt eine solche Stärke erhält, dass sie nur mit der größten Mühe und oft gar nicht überwunden werden kann. Wie wichtig und notwendig ist es daher, dass der Eigensinn in der frühesten Jugend, sobald er sich nur zeigt, gebrochen wird.
Deshalb fordert auch die Heilige Schrift die Eltern auf, den Eigensinn ihrer Kinder so frühzeitig als eben möglich zu bekämpfen: „Lass ihnen ihren Willen in der Jugend nicht, beuge ihren Nacken und schmeidige ihre Lenden, solange sie noch jung sind.“ (Eccl. 30, 11. 12.) Denn „das Kind, dem sein Wille gelassen wird, macht seiner Mutter Schande.“ (Sprichw. 29, 15.)
„Solange sie noch jung sind,“ heißt es; denn Hirscher lehrt, „Gehorsam ist mehr als jede andere Tugend Sache der Angewöhnung.“ Christliche Mutter, beginne daher früh mit dem Brechen des Eigensinnes, weil es das Schwerste in der Erziehung ist und überhaupt nur in der frühesten Jugend gelingen kann.
„In der Wiege schon muss die Brechung des Eigenwillens anfangen, und mit dem zweiten Lebensjahre soll sie vollendet sein. Warum sind oft Eltern gezwungen, ihren widerspenstigen Sohn und ihre trotzige Tochter zu züchtigen? Nur darum, weil in den ersten Jahren dem Kinde aller Wille gelassen wurde; später wollten die Eltern den Gehorsam mit Gewalt erzwingen, aber es ging nicht mehr, es war zu spät.
Deshalb sollen die Eltern, sobald sie merken, dass das kleine Kind durch Weinen seinen Willen durchsetzen will, wo es der Mutter vernünftiger erscheint, ihm nicht zu willfahren, sein Geschrei und seine Tränen ganz unbeachtet lassen. Das Kind verlangt noch mehr Speise, - die Mutter ist überzeugt, dass es genug habe und gibt ihm nichts; - das Kind fängt an zu weinen und zu schreien, - da darf die Mutter ihm ja nichts reichen, muss es ruhig aufschreien lassen. Gibt sie nach, dann weiß das Kind, dass es durch sein Weinen etwas erreicht hat, und es wird’s nächstens immer so und noch schlimmer machen, und gar bald ist es so weit gekommen, dass das Kind der Mutter gar nicht mehr folgt, sondern die Mutter dem Willen des Kindes blind gehorcht.“
Christliche Mutter, lass daher deine Kinder vom zartesten Alter an erfahren, dass dein Wille für sie ein Zwang ist, dem sie sich absolut weder durch Bitten und Tränen noch durch Schmeicheln und Geschrei nicht zu entziehen vermögen. Wissen die Kinder, dass kein Widerstand hilft, so versuchen sie auch keinen. Wozu sich abmühen und anstrengen, wenn man vorher weiß, dass doch alles vergebens ist? Hat sich einmal in das Kind die Überzeugung eingelebt, dass es deinen Willen tun muss, so wird es sich jeden Kampf dagegen sparen und dir damit Aufregung und Verdruss. Diese Überzeugung muss dem Kinde schon in den ersten Jahren beigebracht werden und fortwährend gleichmäßig danach gehandelt werden.
Das Kind wird größer, es kann bereits sprechen und spielt recht vergnügt; nun kommt die Zeit zum Mittagessen; da möchte es lieber noch spielen - : Du darfst dich in keine Unterhaltung oder auch nur Auseinandersetzung einlassen; ob es schreit oder nicht schreit, ob es tritt, mit den Händen um sich schlägt, sich krümmt und reckt, - nichts darf dich bewegen, seinem Willen nachzugeben, es muss mit dem Spielen sofort aufhören, und bei fortgesetztem Trotze und Eigensinn muss es die Rute fühlen, wenn es auch noch so klein ist. Der Schmerz der Züchtigung schadet ihm gar nichts; sollte es deshalb allzu laut und lange weinen, so trage es ruhig in ein abgelegenes Zimmer und lass es dort, bis es sich ausgeweint hat. Fürchte dabei gar nicht, das Kind möchte sich durch ein längeres Schreien einen Schaden zufügen. Das ist gar nicht zu besorgen, wenn es ihm weh tut, wird es von selbst schon aufhören. Machen törichte Leute dir den Vorwurf: Wer kann so hartherzig sein, ein unschuldiges, kleines Kind so lange schreien zu lassen, so bleibe dabei ganz ruhig und sage ihnen höchstens: „Für mein Kind habe ich zu sorgen, und ich will es mit GOTTES Hilfe so tun, dass ich es einst vor GOTT verantworten kann.“
Hat die erste Züchtigung das Kind noch nicht gebessert, so muss bei weiteren Anzeichen von Trotz dieses Verfahren immer wiederholt werden, bis das Kind seinen trotzigen Sinn abgelegt hat. Würdest du aber seiner Laune willfahren, so würde es bald immer durch Schreien sein Köpfchen durchzusetzen suchen und notwendig eigensinnig werden.
Nicht genug kann hier betont werden, dass Vater und Mutter in der Erziehung zum Gehorsam ganz einig sein müssen. Hat die Mutter etwas befohlen, so darf der Vater, und wäre es auch nur im Scherze, den Befehl nicht tadeln oder sogar dem Kinde zuliebe aufheben. Ihm und dem Kinde soll dieser Befehl Heilig sein. Das Gleiche gilt für die Mutter. Haben Vater und Mutter verschiedene Ansichten über erteilte Anordnungen, Strafen oder sonst irgend etwas, das die Erziehung betrifft, so sollen sie sich im stillen, wenn sie allein sind, darüber besprechen, aber in Gegenwart der Kinder dürfen die Eltern nur wie aus einem Munde gebieten und verbieten, damit nicht der eine niederreißt, was der andere aufbaut.
Nie darf die Mutter Klagen oder Murren über den Vater oder dieser über die Mutter anhören, und sollte ein Kind ohne genügenden und wichtigen Grund wagen, dergleichen vorzubringen, so verdient es eine Strafe. Es versteht sich von selbst, dass noch viel weniger die Eltern in Gegenwart der Kinder einander tadeln dürfen.
Damit deine Kinder immer wirklich erfahren, dass nicht ihr Wille, sondern dein Wille zu geschehen habe, ist beim Befehlen die allergrößte Vorsicht nötig. Du musst bei deinen Kindern jedesmal, ehe du einen Befehl gibst, überzeugt sein, dass du seine Ausführung erzwingen kannst; du darfst nichts befehlen, was du nicht unter allen Umständen durchsetzen kannst. Daher darfst du nicht zuviel und nicht zu vielerlei befehlen, und du musst immer vorher überlegen, ob das, was du befehlen willst, das Richtige ist und von den Kindern befolgt werden kann. Wenn du nämlich unüberlegte Befehle gibst, so kann es vorkommen, dass du etwas befiehlst, was den Kindern schadet oder sonst Unheil anrichtet, und was du somit zurücknehmen musst – und dieses schadet im allgemeinen immer deinem Ansehen und damit den Kindern.
Oft ist es besser, dem Kinde die Wahl zwischen zwei Dingen zu lassen, als eines direkt zu befehlen. Weint und schreit zum Beispiel das Kind, weil ihm etwas nicht nach seinem Köpfchen geht, so ist es gewagt, ihm bloß Schweigen zu gebieten, weil man dieses nicht erzwingen kann. In einem solchen Falle ist es besser zu sagen: „Höre, das Weinen kann ich hier nicht gebrauchen; entweder musst du damit aufhören, oder hinüber in jenes entlegene Zimmer gehen; da kannst du weinen, solange du willst.“ Jetzt hast du es in der Hand, deinen Willen auszuführen, schweigt das Kind nicht, so wird der Schreier in das entlegene Zimmer transportiert, und er wird sich für die Zukunft merken, dass er nicht eigensinnig sein darf und so Gehorsam lernen.
Um deine Kinder im Gehorsam zu üben, darfst du ihnen nicht einmal alles Erlaubte, um was sie bitten, immer gewähren, sondern du musst hin und wieder zu einer Bitte „nein“ sagen können, und ist das Wörtchen einmal gesprochen, so muss es auch unerbittlich dabei bleiben. Sehr anzuraten ist es, die Kinder alsdann aufzufordern, aus Liebe zu GOTT oder den armen Seelen gern darauf zu verzichten. Denn von der größten Wichtigkeit ist es, dass die Kinder an Entsagung und Enthaltsamkeit auch im Erlaubten aus Liebe zu GOTT frühzeitig gewöhnt werden, damit sie später desto eher die Kraft haben, sich von allem Unerlaubten fernzuhalten.
Gewöhne deine Kinder auch an einen schnellen und pünktlichen Gehorsam, ohne noch lange, besonders bei kleinen Kindern, die Gründe der Befehle auseinanderzusetzen. Es muss Hausgesetz sein: „Was Vater und Mutter befohlen haben, das muss geschehen und zwar sogleich, und geschieht es nicht auf das erste Wort, so wird der Befehl nur einmal mit Nachdruck wiederholt, und folgt darauf das Kind nicht sofort, zeigt es Eigensinn, so ist die Strafe so sicher als zwei mal zwei vier ist.“ „Ein gutes Kind gehorcht geschwind,“ dies goldene Sprüchlein muss den Kindern recht tief eingeprägt werden und auf dessen Befolgung muss von dir, gute Mutter, unnachsichtig gedrungen werden, damit deine Kinder in allem Erlaubten ohne Widerrede und ohne Zögern gehorchen lernen. Damit dieses aber geschehe, müssen die Eltern sich vor zwei Fehlern besonders hüten: 1. Sie dürfen nicht zu viel, nicht ohne Überlegung und nicht aus bloßer Laune ge- und verbieten; 2. Sie dürfen sich das einmal Versagte weder durch Bitten oder Tränen noch durch Schmeicheln oder Geschrei nachträglich wieder abtrotzen lassen. Die Eltern müssen nur das Notwendige ge- und verbieten und alsdann aber auch unerschütterlich auf ihrem Willen beharren.
Je kleiner die Kinder sind, desto unstatthafter ist die Anführung von Gründen. Fragen kleine Kinder nach dem Warum? so erwidere man ihnen: „Weil du folgen musst,“ oder „Weil deine Mutter oder dein Vater es haben will.“ - Ist bei einem Kinde die Vernunft vollständig erwacht, machen sich bei ihm Verstand und Gewissen geltend, so muss das Kind allmählich immer mehr angeleitet werden, dass es den Eltern nicht bloß aus Zwang und Gewohnheit, sondern auch aus eigenem Antriebe und aus Pflichtgefühl im Hinblick auf das IV. Gebot folgt. Belehrung, Mahnung und Warnung sind alsdann die wichtigsten Erziehungsmittel, damit Verstand und Gewissen siegen über die widerstrebende Natur und aus dem Kinde ein charakterfester Jüngling oder eine charakterfeste Jungfrau werde. Die heranwachsenden Kinder müssen von den Eltern auch immer mehr an Selbstständigkeit gewöhnt werden; doch sollen auch solche nichts, was im Hauswesen, in der Arbeit, in Anschaffungen von einiger Bedeutung ist, auf eigene Faust tun, sondern nur mit Einwilligung ihrer Eltern. Das eigentliche Befehlen muss bei erwachsenen Kindern seltener werden, und während den kleinen Kindern nur sehr selten ein Grund angegeben werden soll, warum ihnen etwas befohlen wird, sollen den älteren Kindern die Gründe mehr mitgeteilt und der Befehl in gelinderer Weise, meistens in der Form eines Wunsches, gegeben werden. Ferner sollen die Eltern im allgemeinen mit ihren erwachsenen Kindern die häuslichen Angelegenheiten besprechen und danach streben, dass diese ebenfalls vertrauensvoll und bescheiden ihre Ansichten und Wünsche angeben.
Noch verkehrter als dieses unzeitige Begründen von Befehlen ist die Hinzufügung von schmeichlerischen Versprechungen oder langen Strafandrohungen. Der Befehl sei ruhig, kurz, wohl überlegt und mit Festigkeit.
Darf man den einmal gegebenen Befehl niemals zurücknehmen?
Nie darf es ohne wichtige Gründe geschehen, zum Beispiel wegen unbegründeter Bitten der Kinder; aber wenn wichtige Gründe und Umstände angeführt werden, die man vorher nicht kannte oder nicht berücksichtigt hat, so muss man bereitwillig darauf eingehen und den Befehl demgemäß ändern oder vollständig zurücknehmen. Dieses schadet dem Ansehen der Eltern nicht, und der Gehorsam wird dadurch auch nicht geschädigt, sondern gefördert; denn das Kind sieht, dass die Eltern nicht aus Laune oder Willkür etwas befehlen oder verbieten.
Auf einen Punkt möchte ich noch aufmerksam machen, wovon hauptsächlich bei größeren Kindern der schnelle und freudige Gehorsam abhängt. Wollen Eltern auch bei ihren größeren Kindern einen schnellen und freudigen Gehorsam, so müssen sie sich die nötige Hochachtung bei ihnen bewahren. Vater und Mutter müssen sich in ihrem ganzen Tun und Lassen so benehmen, dass die Kinder in ihnen immer die Stellvertreter GOTTES verehren und Ehrfurcht und Hochachtung vor ihnen haben können. Diese Hochachtung muss aber verloren gehen, wenn Eltern miteinander in Unfrieden leben oder ihre Kinder wegen Fehler bestrafen, die sie selbst vor ihnen begehen. Wird zum Beispiel das Kind wegen einer Lüge bestraft und hört dann, wie die Mutter selbst den Vater belügt, oder wird es bestraft, weil es stiehlt und nascht, und sieht dann, wie Vater und Mutter sich nichts daraus machen, andere Leute zu betrügen und zu hintergehen, so muss das Kind die notwendige Achtung und Ehrfurcht vor den Eltern verlieren, und es wird nicht mehr freudig und schnell gehorchen, sondern nur aus Furcht vor der Strafe.
Die Eltern verlieren die notwendige Achtung auch durch zu große Vertraulichkeit mit ihren Kindern, indem sie mit denselben zu viel scherzen und lachen. Eltern erlauben oft den Kinder, den „unartigen Papa“ oder die „böse Mama“ im Scherze zu schlagen, zu schelten und mit unpassenden Namen zu nennen, und sind später erstaunt, wenn ihre Kleinen es an der schuldigen Achtung fehlen lassen, ungehorsam sind und sich sogar ungeziemende Freiheiten erlauben.
Ferner, wie können Kinder vor Vater und Mutter die nötige Hochachtung bewahren, wenn sie deren geringschätzige und rohe Behandlung der eigenen Eltern sehen? Wo der Großvater oder die Großmutter hinter den Ofen gesetzt werden und sich nicht rühren dürfen, wofern sie nicht beschimpft und rücksichtslos behandelt werden wollen, da werden die Kinder den Respekt und die Ehrfurcht vor den eigenen Eltern gewiss bald verlieren und sich ungehorsam und widerspenstig zeigen. Auch wird gewöhnlich solchen Eltern, wenn sie alt werden, von ihren Kindern ausgezahlt, was sie an ihren eigenen Eltern früher gesündigt haben. (Sieh Kapitel 16.)
Die Eltern werden bei ihren Kindern die Ehrfurcht ebenfalls verlieren, wenn sie sich selbst ehrfurchtslos und ungehorsam gegen zeitliche und weltliche Obrigkeit zeigen. Denn wenn die Kinder sehen, dass die Eltern nichts nach zeitlichen und weltlichen Vorgesetzten, die doch auch Stellvertreter GOTTES sind, fragen, wie kann dann Vater und Mutter hoffen, dass ihre Kinder noch lange in ihnen die Stellvertreter GOTTES respektieren?
Endlich schaden manche Eltern ihrem Ansehen sehr durch eine gewisse Geschwätzigkeit und übel angebrachte Offenherzigkeit, indem sie die Torheit ihrer eigenen Jugend in Gegenwart der Kinder erzählen.
Siehe, gute Mutter! Wohl weiß ich recht gut, dass alles das, was ich dir in diesem Kapitel gesagt habe, keineswegs gering und leicht ist. Allein bedenke, dass es von der frühzeitigen Erziehung zum Gehorsam großenteils abhängt, ob du selbst an deinen Kindern große Freude erleben wirst, oder ob sie für dich das größte Kreuz bilden und ganz unglückliche Menschen werden. Daher dulde niemals bei deinen Kindern Eigensinn und erziehe sie vom zartesten Alter an zu einem schnellen und freudigen Gehorsam!
Zum Schluss diese sehr wichtigen Kapitels will ich noch an einem Beispiele zeigen, wie verderblich bei der Erziehung die Nachgiebigkeit der Eltern gegen die Kinder ist.
Willi, der Erstgeborene von fünf Geschwistern, beherrschte schon als Kind von 2 Jahren das ganze Haus. Wonach er das Händchen ausstreckte, wurde ihm gegeben; und wenn es unserm kleine Weltbürger zu schreien beliebte, so war alles stets zu Diensten. Tat aber jemand nicht, was dieser kleine Prinz begehrte, so fing er jämmerlich zu schreien an und wälzte sich zuweilen vor Zorn auf dem Boden, bis er seinen Willen durchgesetzt hatte. Bei Tisch hörte man von ihm selten ein anderes Wort als: „Ich will das haben, dieses mag ich nicht“ und so weiter, und die unvernünftige Mutter willfahrte blindlinks dem eigensinnigen Knaben. Der Vater sah bald ein, dass es so nicht weiter gehen dürfe. Aber so oft er entschieden auftreten wollte, trat ihm die „zärtliche“ Mutter immer entgegen mit den Worten: „Wie kannst du so hartherzig sein: Ich gebe ihm, was er haben will; dann ist er zufrieden und wir haben Ruhe.“
War Willi am Spiel, so ließ er sich nicht stören, auch wenn die Mutter rief: „Willi, komm und hole mir das, dann kannst du wieder spielen.“ Er spielte ruhig weiter, und die Mutter rief dann gewöhnlich: „Nun, so komm doch, ich habe etwas Schönes für dich, etwas Gutes.“ Aber auch dann kam der Kleine oft noch nicht; und die unverständige Mutter ließ in ihrer Affenliebe diesen Ungehorsam und Eigensinn ungestraft durchgehen.
Was Wunder, wenn auf diese Weise der Eigensinn großgezogen wurde? Was Wunder, wenn Willi den Eltern und Lehrer ungehorsam war und immer seinen Kopf durchsetzen wollte?
Das dieses eigensinnige Benehmen des Ältesten von fünf Geschwistern einen sehr schlimmen Einfluss auf seine jüngeren Brüder und Schwestern ausübte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
Als herangewachsener Jüngling lehnte sich Wilhelm gegen geistliche und weltliche Autorität auf, geriet öfters in Schlägereien, ging mehrmals aus der Lehre laufen und desertierte als Soldat zum großen Leidwesen der Eltern und zu seinem eigenen Schaden. Er wurde in der Fremde, im Ausland, ein ganz unglücklicher Mensch, der fortwährend in Streit mit andern lebte, weil er glaubte, alles müsse nach seinem Willen gehen.
Und wer ist schuld an allem diesem?
Allein die Eltern, die ihr Kind so gewöhnt, so erzogen haben, die Trotz und Eigensinn in ihm großgezogen haben. Daher mache du es doch nicht so, gute Mutter, sondern dulde niemals bei deinen Kindern Eigensinn und verlange immer einen schnellen und freudigen Gehorsam und zwar vom zartesten Alter an!
XXVI.
Bekämpfe immer den Zorn!
Unter diejenigen Fehler und bösen Neigungen, welche von frühester Jugend an bekämpft und ausgerottet werden müssen, gehört auch der Zorn. Dieser pflegt sich bei den Kindern durch Weinen, Schlagen, Stoßen, Zanken und Streiten zu zeigen. Es gibt viele Kinder, die gleich zu schreien anfangen, die mit Händen und Füßen um sich schlagen, die im Gesichte blau und rot werden, wenn man ihnen nicht gleich tut, was sie haben wollen.
Das Verkehrteste, was Eltern solchen Zornesausbrüchen gegenüber tun können, ist den Willen des Kindes zu erfüllen, um den kleinen Schreihals zur Ruhe zu bringen. Denn das Kind merkt alsdann, dass es auf solche Weise seinen Willen durchsetzen kann, und es wird deshalb in der Zukunft immer versuchen, durch Schreien und ungebührliches Weinen seinen Willen durchzusetzen. Dadurch aber wird einerseits, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, der Eigensinn großgezogen, anderseits der Zorn immer tiefere Wurzeln schlagen. Daher dürfen die Eltern sich bei solchem Gebahren ihrer Kinder niemals schwach zeigen, sondern sie müssen das Schreien und die Tränen ganz unbeachtet lassen, oder am besten den kleine Schreihals in einem abgelegenen Zimmer sich ausweinen lassen; oft ist auch eine empfindliche körperliche Züchtigung am Platze. Stampft zum Beispiel das Kind mit den Füßchen, oder wirft es sich auf die Erde, dann muss es die Rute fühlen, wenn es auch noch so klein ist. Der Schmerz der Züchtigung schadet ihm gar nichts, aber es wird dadurch von einem sehr schlimmen Fehler geheilt. Hat die erste Züchtigung noch nicht ganz geholfen, so muss bei weiteren Anzeichen von Zorn die Rute immer zur Hand sein, bis das Kind seinen zornigen Sinn vollständig abgelegt hat. Möchten doch die Eltern bei dem schmerzvollen Weinen und Zucken ihrer Kleinen niemals schwach zeigen! Denn es ist doch tausendmal besser, das eine oder andere mal diesen Schmerz standhaft auszuhalten, als später, wenn das Kind größer geworden, zehnmal öfter und härter zu strafen, oder selbst den erwachsenen Sohn, die erwachsene Tochter wegen der Zornausbrüche unglücklich zu sehen.
Um den Zorn nicht allmählich großzuziehen, ist die Verhütung von Neckereien, Zank und Streit und die Anleitung zur Versöhnlichkeit von der größten Wichtigkeit. Viele Eltern tun das gerade Gegenteil. Wie oft kann man sehen, das törichte Eltern ihre Freude daran haben, wenn Kinder sich necken, verspotten, zum Zorn reizen, oder wenn Erwachsene und sie selbst durch Neckereien kleine Kinder absichtlich zum Zorn reizen und dann, wenn eines ihrer Kleinen in Feuer und Flamme ausbricht, sich durch Schlagen und Stoßen zu rächen sucht, an dessen Aufbrausen sich weiden! Dergleichen ist nie und unter keiner Bedingung gestattet. Möchten doch die Eltern bedenken, dass Kinder, welche von Natur nicht zum Zorn neigen, auf diese Weise dazu erzogen werden! Möchten doch alle, die sich gern das billige Vergnügen machen, ein Kind zu necken, zu reizen und dann über seinen Zorn zu lachen, sich hiervon abhalten lassen im Bewusstsein, dass sie das namenlose Unglück, welches sehr leicht daraus entstehen kann, zu verantworten haben!
Nicht selten kann man noch ein anderes törichtes Benehmen der Eltern beobachten. Das kleine Kind hat sich an einen Gegenstand, zum Beispiel einen Stuhl gestoßen und schreit fürchterlich. „Der böse Stuhl,“ sagt die Mutter, und sie gibt dem Kinde, damit es vom schreien ablasse, einen Stock in die Hand, damit es den Stuhl dafür züchtige. Und was ist die Folge einer solchen törichten Handlungsweise? Von selbst schlägt bald das kleine Kind um sich, wenn der Bruder oder die Schwester oder sonst jemand ihm etwas zuleide getan hat, und Zorn und Rachsucht werden großgezogen. Solange das Kind noch klein ist, lachen die Eltern und größere Geschwister darüber und lassen es ruhig geschehen. Was ist aber das traurige Ende? Der Zorn und die Rachsucht haben zuletzt tiefe Wurzeln gefasst, sind zur zweiten Natur geworden, und Zank und Streit ist deshalb unter den Geschwistern und in der Familie an der Tagesordnung.
Und was soll man erst dazu sagen, wenn Eltern ihre Kinder geradezu auffordern, sich von andern Kindern nichts gefallen zu lassen und sich an ihren Beleidigern zu rächen? Oder wenn Eltern ihre Kinder in ihre eigenen Feindschaften hineinziehen, ihnen zum Beispiel unter Androhung von Schlägen verbieten, mit des Nachbarn Kindern zu spielen, weil der Vater oder die Mutter gegen den Nachbar gerade aufgebracht ist? Heißt das nicht, absichtlich in die zarten Kinderherzen Hass, Rachsucht und Zorn streuen?
Christliche Mutter, sei du verständiger! Meide allen verderblichen Scherz, dulde keinen Zorn und erziehe zur Versöhnlichkeit!
Für die Erziehung zur Versöhnlichkeit ist es von der größten Wichtigkeit, dass die Eltern die Streitigkeiten zwischen den Kindern immer auf gerechte Weise schlichten und dabei auf Versöhnung dringen. Es wäre ungerecht, und es müsste den unschuldigen Teil notwendig zum Zorne reizen, wenn die Eltern über zwei sich zankende Geschwister herfielen und ohne Untersuchung beide gleich hart bestrafen würden oder, was noch schlimmer wäre, nur das ältere Kind abstrafen würden mit der Erklärung: „Du bist älter, du musst also auch verständiger sein, also nicht zanken.“ Durch eine solche verkehrt Handlungsweise würde das jüngere Kind streitsüchtig, das ältere mit Recht erbittert. Jeder Streit, auch unter kleine Kindern, muss gerecht geschlichtet werden; der Störenfried soll nicht bloß seine Strafe erhalten, sondern auch gezwungen werden, den beleidigten Bruder oder die Schwester um Verzeihung zu bitten.
Zeigt sich aber, dass das gekränkte Kind nicht gern oder willig verzeihen will, dann soll es gezwungen werden, seine Hand zum Frieden zu reichen; die Eltern aber sollen sich diesen Mangel an Versöhnlichkeit sehr gut merken und eifrig auf Besserung dieses Fehlers bedacht sein. Niemals dürfen sie aber zulassen, dass ein Kind wegen einer Kränkung sich selber an einem seiner Geschwister zu rächen sucht. Selbstrache muss durch schwere Strafe verwehrt sein, sonst ist es um den Frieden und die Eintracht der Kinder untereinander für immer geschehen.
Die christlichen Eltern sollten in der Anleitung zur Versöhnlichkeit auch noch einen Schritt weiter gehen und das Kind in der Friedensliebe im Hinblick auf unsern Göttlichen Heiland üben. Den Erwachsenen würde die Übung dieser Tugend lange nicht so schwer vorkommen, wenn sie dieselbe als Kind gelernt hätten.
Endlich ist es sehr zu empfehlen, dass die Eltern ihren aufbrausenden Kindern zeigen, welch ein verderbliches Laster der Zorn ist; wie der Zorn nicht nur der Gesundheit sehr schädlich ist, sondern auch zu vielen anderen Sünden, zu Feindschaften, sogar zu Mord und Totschlag leicht führt und den Aufbrausenden oft in zeitlichen und ewiges Verderben stürzt.
Liebe, gute Mutter, befolge das, was dir zur Bekämpfung des Zornes ans Herz gelegt worden ist, damit an deinen Kindern die Verheißung der Ewigen Wahrheit sich erfülle: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erbreich besitzen.“ (Matth. 5, 4.)
XXVII.
Unterdrücke den Neid und die Missgunst!
Nicht alle Kinder haben gleich starke Neigung und Anlage, neidisch zu werden. Einige sind gar nicht unzufrieden, wenn auch die Schwester einen Apfel oder von den Nüssen mehr bekommt; andere hingegen haben immer ihre Augen auf die Teller der Geschwister gerichtet, ob diese nicht mehr erhalten, ob deren Stück Kuchen nicht größer ist, und ärgern sich oft so sehr über eine kleine Bevorzugung derselben, dass sie anfangen zu weinen. „Sei still!“ sagt dann meistens die Mutter, „hier bekommst du noch ein Stück dazu,“ und gibt dem Kinde noch etwas, damit es aufhöre zu weinen; das ist ein großer Fehler! Auf solche Weise müssen notwendig Neid und Missgunst bei den Kindern großgezogen werden.
Mache du, gute Mutter, es nicht so, sondern unterdrücke frühzeitig jede Äußerung des Neides und der Missgunst. Wenn die Kleinen am Tische voreilig ihre Teller hinhalten, um vor den andern nicht zu kurz zu kommen; wenn sie das ihnen zugeteilte Obst zählen, weil sie fürchten, weniger als die andern bekommen zu haben; wenn sie die ihnen gekauften Sachen gegeneinander unwillig vergleichen, - so sind dieses sichere Zeichen eines neidischen Herzens, und du darfst das nicht ungestraft oder wenigstens nicht ungerügt lassen. Du sollst ihnen sagen, falls sie ihre Geschwister recht lieb hätten, so würden sie sich freuen, wenn diese etwas mehr oder etwas Besseres erhielten, und ihnen zeigen, wie hässlich es sei, sich zu ärgern über das Glück anderer. Schon tiefer eingewurzelt ist der Neid, wenn die Kinder missgünstige Besorgnisse äußern, wie zum Beispiel: „Nicht wahr, dies gehört allein mir?“ - „Anna bekommt nichts davon.“ - „Franz darf nicht davon essen.“ - Dass die Mutter bei solchen Äußerungen nicht ruhig zuhören darf, versteht sich von selbst. Sie muss mit aller Entschiedenheit gegen dieselben auftreten.
Damit aber solche missgünstigen Gesinnungen nicht aufkommen, soll die Mutter jedem Kinde seine Sachen geben, und keines darf dem andern ohne Erlaubnis etwas nehmen, damit sie so die Unverletzbarkeit des Eigentumes frühzeitig kennen lernen; zugleich aber sollen sie angehalten werden, sich gegenseitig das ihnen Angehörige zu leihen, empfangene Geschenke und Esswaren untereinander zu teilen und immer eine wohlwollende Nächstenliebe zu üben, die sich auch über den Besitz und das Glück anderer freut.
Die Mutter soll ihren Kindern ferner zeigen, 1. dass der Neid das dümmste und törichtste Laster ist; denn es bringe dem Neidischen auch nicht den geringsten Nutzen und Vorteil, sondern nur Schaden, da er sich selbst die Zufriedenheit raubt und sich das Leben mit seiner giftigen Missgunst verbittert; 2. dass der Neid verabscheuungswürdig vor GOTT ist, weil der Neidische dem Teufel nachahme und ihm ähnlich werde; und 3. dass aus dem Neide sehr viel Böses entstanden ist und noch fortwährend entsteht.
Auf diese Weise müssen die Kinder daran gewöhnt werden, es ruhig und zufrieden hinzunehmen, wenn sie nicht dasselbe bekommen wie andere, auf diese Weise müssen sie lernen, auf niemand neidisch zu sein. Geschieht das nicht, dann werden sie auch bald die hässliche Schadenfreude zeigen. Denn wer sich über eines andern Glück ärgert, wird sich bald über dessen Unglück freuen. Die Mutter aber darf ihren Kindern keine Schadenfreude ungestraft durchgehen lassen. Wenn diese bei der Bestrafung ihrer Geschwister boshaft lachen oder sie sogar deshalb verspotten, so gebührt ihnen dieselbe Züchtigung, an der sie Wohlgefallen hatten.
Es ist aber nicht genug, dass die Mutter mit aller Entschiedenheit der geringsten Neigung zum Neide entgegentrete, sie muss sich auch sorgfältig hüten, den Neid in den Herzen der Kinder wachzurufen. Dies geschieht oft dadurch, dass die Mutter, besonders noch die Stiefmutter, die Kinder ungleich und parteiisch behandelt, das eine vor dem andern bevorzugt. Christliche Eltern müssen all ihren Kinder mit gleicher Liebe zugetan sein, allen mit demselben Maße messen, sie dürfen unter ihren Kindern keine sogenannten Lieblinge haben; Schönheit und andere Vorzüge dürfen die Mutter nie zur Parteilichkeit verleiten, sonst wird das Haus zu einem Orte des Neides, der Missgunst, des Hasses und der Feindschaft. Möchten doch alle Eltern dieses bedenken, zumal da sie außerdem sich eines großen Unrechtes schuldig machen, wenn sie wegen mangelnder geistiger Befähigung oder wegen körperlicher Gebrechen ein Kind zurücksetzen; denn alle Kinder haben auf die Liebe der Eltern die nämlichen Ansprüche und dieselben Rechte!
Der Neid kann ebenfalls wachgerufen werden durch schadenfrohe Äußerungen. Wenn die Kinder oft anhören, wie der Vater oder die Mutter über Nachbarsleute, Verwandte und so weiter neidische, missgünstige Reden führen, wenn Eltern vor ihren Kindern über die Reichen losziehen, oft ihre Unzufriedenheit darüber ausdrücken, dass sie nicht ebenso reich seien, nicht ebenso viel Glück in ihren Unternehmungen, in ihrem Geschäfte wie dieser und jener haben, kurz, wenn die Kinder zu Haus fast täglich und stündlich nicht anderes als neidische, missgünstige, lieblose Reden über den Nächsten hören, müssen dann nicht Neid, Missgunst und Lieblosigkeit auch in den zarten, für alles empfänglichen Kinderseelen Wurzel fassen? Handle du, gute Gattin, nicht so töricht, sondern präge deinen Kindern als goldene Regel wiederholentlich ein, dass man, um glücklich und zufrieden zu werden, auf solche schauen soll, denen es schlechter geht wie uns, und nicht auf solche, von denen man glaubt, dass es ihnen besser gehe. Lehre deine Kinder auf GOTT vertrauen, aber verschone sie mit unzufriedenen und missgünstigen Reden und leite sie an, oft an das Los der Kranken, Armen und Notleidenden zu denken, so wirst du gewiss zufriedene Kinder erziehen und sie vor Neid und Missgunst bewahren.
Hüte dich denn, liebe, gute Mutter, durch neidische,missgünstige Äußerungen oder Parteilichkeit deine Kinder Neid und Missgunst zu lehren! Tu vielmehr alles, was du kannst, um ihnen von frühester Jugend an die diesem so traurigen und verabscheuungswürdigen Laster entgegengesetzte Tugend, die wohlwollende Nächstenliebe, einzuflößen, jene Liebe, die immer nach dem Worte des Göttlichen Heilandes handelt: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das sollt ihr ihnen auch tun.“ (Matth. 7, 12.)
« Ausgewählte Texte, übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Marianne Schlosser (Acta humaniora) | FÜR DEN TAG UND DIE WOCHE Wagnis der Freude » |
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