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_Was machen Südkorea, Taiwan und Singapur besser als China und Italien

in Nachrichten 13.03.2020 19:00
von Blasius • 3.929 Beiträge



(Rom) Das Coronavirus breitet sich weiter aus, jedenfalls in Europa und besonders in Italien.

Auf viele Fragen gibt es noch keine Antworten, beispielsweise auf die Frage, warum Italien am stärksten betroffen ist von allen Ländern weltweit. Umstritten ist auch eine Reihe von Gegenmaßnahmen. Ein Vergleich mit ostasiatischen Ländern (nicht nur China) lohnt, dazu noch die Aufforderung an die Verantwortungsträger, Antworten zu geben.

Die Regierung in Rom hat Italien zum Sperrgebiet erklärt. Ein ganzes Land wurde unter Quarantäne gestellt. Die Volksrepublik China, wo das Coronovirus zum Ausbruch gelangte, dachte nie an eine vergleichbare Maßnahme. Wie das?

Die italienischen Bischöfe haben in allen Diözesen, einschließlich jener des Papstes, in Rom selbst, alle Messen untersagt. Diese und andere „Vorsichtsmaßnahmen“ stoßen auf erhebliche Skepsis.

Der Italienischen Bischofskonferenz wird Regierungshörigkeit vorgeworfen. Die Kirche sei aber kein verlängerter Arm des Staates, sondern ein in ihrem Bereich eigenständiges und souveränes Subjekt. Mehrere Priester wandten sich an die Öffentlichkeit, so Don Gabriele Mangiarotti, und fordern wegen und gegen das Coronavirus „mehr Messen statt weniger“ . Andere wie das Institut Mater Boni Consilii entdecken die Bedeutung der Sünde im Zusammenhang mit körperlichen Krankheiten wieder.

Es tut sich also vielleicht etwas an der geistlichen Front.

Schwer erklärliche Zahlen
Unbeantwortet bleibt vorerst, warum die Zahlen von Erkrankten und Toten zwischen den Ländern solche Unterschiede aufweisen. In Italien wurde gestern die Marke von 10.000 positiv getesteten Personen überschritten. Die Zahl der Toten steigt Richtung 700. Mehr als 1.000 Menschen gelten als geheilt. Selbst die fünfstellige Erkrankungsziffer bedeutet aber, daß keine 0,02 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. In der Lombardei, der am stärksten betroffenen Region in Europa, sind es auch nur 0,06 Prozent. In Codogno, dem bisher festgestellten Ausgangspunkt für die Epidemie in Italien wurde gestern erstmals keine Neuerkrankung gemeldet. Ein Hoffnungsschimmer.

Fragen wirft ein internationaler Vergleich auf (die Zahlen beziehen sich alle auf gestern): Die Volksrepublik China verzeichnete 80.757 Erkrankte und 3.136 Tote. Die Mortalitätsrate liegt damit bei 3,88 Prozent oder mehr als 38-mal höher als bei einer üblichen Wintergrippe. Ein ähnliches Verhältnis weist auch der Iran auf mit 8.042 Kranken und 291 Toten (Sterblichkeitsrate: 3,61 Prozent). In Italien gab es gestern 10.149 Erkrankungen, aber 631 Tote, was einer Sterblichkeitsrate von 6,21 Prozent entspricht. Das ist 61-mal höher als bei der üblichen Winterinfluenza. Nun kommen erst die verblüffendsten Zahlen: Südkorea, das einige Zeit die höchste Zahl an Erkrankungen im Vergleich zur Bevölkerung aufwies, zählt 7.513 Kranke und nur 54 Tote oder 0,72 Prozent. Das entspricht zwar immer noch dem Siebenfachen einer Influenza, liegt aber deutlich unter den Werten der vorgenannten Länder. In der Bundesrepublik Deutschland gab es bis gestern 1.467 Fälle und nur zwei Tote (das sind 0,14 Prozent, also der Anteil einer normalen Grippewelle).

Warum diese Unterschiede?

Die ergriffenen Maßnahmen werden sich von Land zu Land bis zu einem bestimmten Punkt unterscheiden. Sie können die massiven Unterschiede aber nicht erklären. In den meisten Fällen ist das Coronavirus – wie ein Grippevirus – eine Art bedauerlicher “Gnadenstoß” für meist betagte und hochbetagte Menschen, die bereits geschwächt sind oder an anderen Krankheiten leiden. Das Virus allein ist nicht tödlich. Erst die Kombination ergibt eine tödliche „Dosis“, und diese Kombination wirkt, wenn sie eintritt, überall gleich – staatliche Maßnahmen hin oder her.

Ein Hinweis der italienischen Regierung zu den veröffentlichten 631 Todesfällen wirft zusätzlich Fragen auf:

„Diese Zahl kann aber erst bestätigt werden, sobald das Nationale Gesundheitsinstitut (ISS) die Todesursache festgestellt haben wird.“

Riccardo Cascioli, der Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana schreibt dazu:

“Heißt das, daß im Zweifel alles dem Coronavirus zugeschoben wird? Was müssen wir uns also erwarten? Müssen wir feststellen, daß die Zahl der Coronavirus-Toten stark aufgebläht wurde? Vor allem: Nach welchen Kriterien wird die Todesursache dem Covid-19 oder einer anderen fortgeschrittenen Krankheit zugeschrieben?“

Keine Bewunderung für das totalitäre China angebracht

Manche Bedenken läßt auch die offene Bewunderung für die totalitäre Volksrepublik China aufkommen, die wiederholt in diesen Tagen anklingt. Die westlichen Staaten wollen Demokratien bleiben, aber sie versuchen die rotchinesischen Eindämmungsmethoden nachzuahmen. Der Hinweis, es gehe um Effizienz, greift nur bedingt, denn ein Rechtsstaat und eine Demokratie zeichnen sich gerade durch die Achtung der Grundrechte aus, über die eine Regierung nicht beliebig verfügen kann.

Vielleicht ist es daher empfehlenswert, den Blick nicht so sehr auf das kommunistische Regime in Peking, sondern auf andere asiatische Staaten zu lenken, die ebenso erfolgreich oder sogar erfolgreicher das Coronavirus bekämpfen, über die aber kaum berichtet wird. Dazu gehören Taiwan, der freie Teil Chinas, aber auch Singapur und vor allem Südkorea.

Obwohl Südkorea zahlenmäßig eine gewisse Zeit noch stärker betroffen war als die Volksrepublik China, ist es dem ostasiatischen Land gelungen, die Ausbreitung des Coronavirus schneller unter Kontrolle zu bringen als Peking, und das ganz ohne Einsatz von totalitären Methoden oder die Blockade ganzer Regionen und auch ohne Lahmlegung ganzer Wirtschaftszweige, wie das nun auch in Europa geschieht.

Während die Kommunisten in der Volksrepublik China als erste Maßnahme eine Nachrichtensperre verhängten und Meldungen über das Virus unter Zensur stellten, sorgte Taiwan umgehend für volle Transparenz und eine effiziente Information seiner Bürger. Durch seine Verschleierungspolitik trifft das kommunistische Regime wahrscheinlich sogar maßgebliche Schuld, daß sich das Virus überhaupt außerhalb Chinas ausbreiten konnte. Dieses Verhalten sollte man den Machthabern in Peking bei Gelegenheit in Rechnung stellen.

Taiwan hat aus der SARS-Krise von 2002/2003 gelernt. Passagiere aus Wuhan wurden in Taipeh bereits kontrolliert, noch bevor Peking überhaupt den Ernst der Lage zugegeben hatte. Wer aus der Provinz Hubei die Insel betrat, wurde seit Ende Januar in Quarantäne genommen. Ab Februar galt das für alle Reisenden aus der Volksrepublik, auch jene, die über Hong Kong oder andere Destinationen indirekt Taiwan erreichten. Dergleichen gilt in Europa noch immer nicht. Aus Italien kann man beispielsweise Österreich zwar nicht mehr direkt anfliegen, aber problemlos über den Umweg Frankfurt und andere Drittländer. Eine Nichtbeachtung der Quarantäne oder falsche Angaben werden in Taiwan mit Strafen von 10.000 Dollar sanktioniert.

Die Maßnahmen waren erfolgreich. Bis gestern zählte Taiwan nur 47 Fälle auf 22 Millionen Einwohner.

Ähnliches gilt für Singapur, das aufgrund seiner ebenfalls mehrheitlich chinesischen Bevölkerung enge Kontakte zum übrigen chinesischen Raum unterhält. Wie in Taiwan wurde frühzeitig auf Abschottung gegenüber Rotchina geachtet. Mit Erfolg: Bisher wurden auf fünf Millionen Einwohner nur 166 Fälle registriert, von denen 93 bereits geheilt sind. Wie auf Taiwan gibt es bisher keinen Todesfall.

Nun mag man einwenden, daß Taiwan und Singapur als Inselstaaten mehr und bessere Möglichkeiten haben, sich abzuschotten. Allerdings haben beide Staaten auch mehr Verbindungen zu Festlandchina. Entscheidender scheint, daß die SARS-Erfahrung in beiden Ländern zu erhöhter Wachsamkeit führte, sodaß sie Ende Januar bereits Maßnahmen ergriffen, die in Europa erst Wochen später anliefen.

Damit wird ein Blick nach Südkorea unumgänglich, wo es einem Land gelungen ist, das Coronavirus unter Kontrolle zu bringen, obwohl es sich bereits im Land sehr schnell ausbreitete. Obwohl Südkorea gleich hinter der Volksrepublik China kommt, was Erkrankungen betrifft, geht die Zahl der Neuerkrankungen inzwischen rapide zurück. Auch die Regierung von Seoul hat nicht auf totalitäre Methoden zurückgegriffen. Sie hat keine „roten Zonen“ errichtet und nicht ganze Städte und Provinzen wie in der Volksrepublik China, und nun auch in Italien, abgesperrt. Die Bewegungsfreiheit der Bürger wurde nie eingeschränkt, ausgenommen der eng gezogene Raum der besonders betroffenen Gebiete wie die Stadt Daegu.

Die angewandten Methoden waren die von Taiwan und Singapur. Südkorea begann frühzeitig das Coronavirus aufzustöbern, die Ansteckungskette zu rekonstruieren und alle Kontaktpersonen der Betroffenen ausfindig zu machen. Das Land mit 52 Millionen Einwohnern läßt sich sehr gut mit den großen EU-Staaten wie Italien vergleichen. Die Behörden setzten auf Geolokalisierung über die Mobiltelefone, um schnellen Kontakt mit den potentiell Betroffenen herzustellen. Während an den Grenzen systematisch kontrolliert wurde, boten die südkoreanischen Behörden frühzeitig auch im Landesinneren an, daß sich alle testen lassen können, die es wollen. Dazu wurden entlang der Straßen mobile Teststellen errichtet, sodaß ein Test möglich wurde, ohne aus dem Auto zu steigen, in etwa das, was nun auch an tschechischen und österreichischen Grenzen gemacht wird. Kurze Zeit darauf wurde der Testperson das Ergebnis auf das Mobiltelefon mitgeteilt. Wer sich angesteckt hatte, mußte sofort sich auf direktem Weg in häusliche Quarantäne begeben, ebenso alle Familienangehörigen. Die behördliche Registrierung als Betroffene erfolgte automatisch. Wer gegen die Quarantäneauflagen verstößt, dem drohen saftige Geldstrafen. Auch Gefängnis ist möglich.

App-Entwickler lieferten ein Programm, das jedem auf seinem Smartphone die aufgetretenen Fälle ohne Nennung persönlicher Daten lokalisiert, ebenso deren Bewegungen und Aufenthaltsorte. Alle sehen somit, ob eine Gegend, ein Ort, eine Stadt, eine Straße, ein Gastlokal betroffen sein könnten oder nicht. Die Privatinitiative verknüpfte sich mit dem Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen. Die Regierung griff diesbezüglich erst später ein und bietet nun auch ihrerseits eine eigene App, die Menschen, die sich in Quarantäne befinden, laufend informiert und zugleich den Behörden ständig den genauen Standort der Personen anzeigt. Damit wird die Einhaltung der Quarantäne überwacht.

Die Kehrseite der privaten Apps ist ein verbales „Lynchen“ von manchen Betroffenen in sozialen Netzwerken. Anhand der von der privaten App angegebenen Daten können Betroffene mit einiger Recherche ausfindig gemacht werden. Manchen werden von Bekannten nun Vorhaltungen gemacht, sich verantwortungslos verhalten und andere gefährdet oder angesteckt zu haben. Gaststätten, die vermehrt von Erkrankten besucht wurden, werden natürlich gemieden.

Wenn also ein Problem in den drei asiatischen Ländern besteht, dann ist es eine mögliche Verletzung der Privatsphäre, nicht so sehr durch den Staat, sondern von privater Seite. Taiwan, Singapur und Südkorea haben aber gezeigt, daß richtiges und vor allem frühzeitiges Handeln entscheidend ist – und es dafür keines totalitären Regimes bedarf, sondern schneller und effizienter Reaktion.

Text: Andreas Becker/Giuseppe Nardi
Bild: MiL

Liebe Grüße, Blasius


zuletzt bearbeitet 13.03.2020 19:01 | nach oben springen


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