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Tränen Jesu über die Verstocktheit der Menschen
Tränen Jesu über die Verstocktheit der Menschen
in Wort- und Begrifferklärungen 27.03.2019 17:23von Blasius • 3.929 Beiträge
James Tissot - Jesus weint über Jerusalem
Zweimal berichtet das Evangelium, dass unser Heiland geweint hat.
Das erste Mal, als er sich Jerusalem näherte und das Schicksal dieser Stadt bedachte.
Das zweite Mal, als man ihn zum Grabe des Lazarus führte.
Tränen sind Ausdruck der Erschütterung und der Trauer.
Erschütterung und Trauer aber erwachsen aus der Liebe, die sich verletzt und enttäuscht sieht.
Jesus weint.
Er weint erstens, weil der Mensch Gottes Heimsuchungen ablehnt.
Gott weint über die Verstocktheit des Menschen.
Jesus reitet ein in Jerusalem inmitten der jubelnden Volksmenge,
und beim ersten Anblick der Stadt überwältigt ihn die Trauer und der Schmerz.
Er denkt an das Schicksal dieser Stadt, denn er kennt ihr Schicksal,
und über dieses Schicksal weint er.
Gott wollte die Stadt heimsuchen. Heimsuchen heißt, er wollte ihr die Gnade anbieten,
er wollte sie aufrütteln, er wollte sie gewinnen, er wollte ihr das Heil und den Frieden bringen.
Heimsuchungen sind Gnadenangebote Gottes. Es sind äußere Ereignisse oder innere Erlebnisse, die den Menschen nach der Absicht Gottes wachrütteln sollen, die ihn heilsam erschüttern sollen, die ihn an Gott erinnern sollen, die ihn an seine Lebensaufgabe gemahnen sollen und die ihn auch mit Mut und Kraft erfüllen sollen. Solche Heimsuchungen hat Jesus der Stadt Jerusalem mehrfach beschert. Er ist wiederholt in der Stadt gewesen. Er sagt es ja selber: „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln!“ Und aus diesem Satz: „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln!“ erschließen wir, dass er mehrfach in Jerusalem seine Tätigkeit ausgeübt hat. Er hat dort gepredigt. „Er lehrte täglich im Tempel“, so haben wir eben im Evangelium gehört, er hat Wunder gewirkt. Aber die Bewohner, die Mehrheit der Bewohner und vor allem die Obrigkeit haben sich ihm verschlossen.
Und deswegen weint er, als er die Stadt vor sich sieht: „Wenn doch du an diesem deinem Tag erkenntest, was dir zum Frieden dient!“ Jerusalem müßte – jetzt zum letzten Mal – erkennen, was ihm zum Frieden dient, was Gott von ihm fordert. Es müßte also Jesus als den Messias erkennen und anerkennen. Dann würde die Bedingung für die Erlangung des Heiles erfüllt sein. Das ist aber unmöglich, weil ihm diese Erkenntnis verschlossen ist. „Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen.“ Es ist verborgen, weil Gott sein Gnadenangebot zurückgezogen hat. Jerusalem ist jetzt mit Blindheit geschlagen, so dass Jesus seinen Wunsch nicht erfüllen kann. Der Wunsch Jesu ist unerfüllbar geworden durch die Blindheit der Bevölkerung von Jerusalem.
Meine Christen, Gott weint nicht über jede Sünde. Zwar schlägt ihm jede Sünde eine Wunde. Die Striemen an seinem Körper sind die Male unserer Bosheit. Aber nur über eine Sünde weint der Herr: über die Sünde der Verstocktheit. Was ist Verstocktheit? Verstocktheit ist das mutwillige Beharren in der Abkehr von Gott und das trotzige Festhalten am Bösen – das mutwillige Beharren in der Abkehr von Gott und das trotzige Festhalten am Bösen. Diese Haltung steigert den Charakter der Sünde, die ja immer Selbstverschließung vor Gott ist, zu höchster Aktivität. Als Folge ergeben sich Unbußfertigkeit und Widerständigkeit gegen die Bekehrung.
Verstocktheit ist der Zustand des Willens, der mit Gott gebrochen hat und der unabänderlich an der Sünde festhält. Als Sünde wider den Heiligen Geist ist die Verstocktheit die bewußte Ablehnung aller auf die Willensänderung gerichteten Einflüsse Gottes. Wer die Wahrheit unterdrückt, weil sie ihn bloßstellt, der ist verstockt. Wer nicht erlöst werden will, der ist verstockt. Wer sich weigert, das Gute an Christus und seiner Kirche anzuerkennen, der ist verstockt. Wer die Sünde ableugnet, der ist verstockt. Wer das Böse gut nennt, der ist verstockt. Wer die Begriffe der Moral umfälscht, der ist verstockt. Der Verstockte widersetzt sich der Wahrheit; bei ihm ist die Gnade ohnmächtig.
Die Verstocktheit hat als Sünde ihren Grund im freien Willen des Menschen, als Unabänderlichkeit des Willens im Mangel an Gnade. Dauerndes Sündigen stumpft das Gewissen ab, macht gegen die Gnade gleichgültig und selbst widerspenstig, führt zum Versiegen der Gnade, zur Verstocktheit.
Freilich, so wenig, so wenig kann Gott von der Liebe auch zum Verstockten lassen, dass er über ihn weint. Was in der Schrift geschrieben steht, so haben wir heute in der Epistel gehört, das ist zu unserer Belehrung geschrieben. Die Ereignisse von damals haben ihre Bedeutung für uns. „Wenn doch du an diesem deinem Tage erkenntest, was dir zum Frieden dient!“ Frieden möchte jeder haben. Friede, also Harmonie, Ausgleich, Ruhe und Heil, Ordnung, Glück und Seligkeit, das alles ist ja in dem Begriff des Friedens in umfassendem Sinne enthalten. Frieden möchte jeder haben. Aber die Bedingung muss er erfüllen. „Wenn doch auch du an deinem Tage es erkenntest, was dir zum Frieden dient!“
Gott sucht die Seele heim, aber nicht an jedem Tag. Die Heimsuchungen Gottes haben ihre Stunde. Man spricht von einem „kairos“ mit dem griechischen Wort, von einem Augenblick, von einem Zeitpunkt, an dem Gott seine Gnade anbietet, und dann ist es vorbei. Dieser Tag, das ist der Tag, da Gott die Seele heimsuchen will. Dieser Tag kann auch eine Nacht sein. Die Nacht des Leids, die Nacht der Not. „Visitasti me nocte“ so beten wir Priester im Brevier. „Du hast mich in der Nacht heimgesucht.“
Die Heimsuchung geschieht durch äußere und durch innere Gnaden. Was sind äußere Gnaden? Äußere Gnaden sind Erlebnisse und Ereignisse, in denen Gott zu uns spricht. Ein Unfall, den wir erleiden, eine Gefahr, aus der wir errettet werden, ein Mißerfolg in unserer Arbeit, ein Gelingen bei unserem Bemühen, eine Krankheit, die uns überfällt, eine Genesung, auf die wir nicht zu hoffen wagten, ein Gottesdienst, der uns ergreift, ein Wort der Heiligen Schrift, das uns packt, eine Predigt, die uns anrührt – das sind äußere Gnaden. Wir sollten sie ergreifen, denn das sind die Gnadenstunden Gottes.
Dazu treten die inneren Gnaden. Das sind die Erleuchtungen, die Gott in uns bewirkt, die Antriebe der Gnade, die er uns schickt, die Einsprechungen, mit denen er an unsere Seele rührt, die Mahnungen, die Besserung des eigenen Lebens nicht aufzuschieben, die Warnungen, die Gelegenheit zur Sünde zu meiden. Das alles sind Heimsuchungen Gottes. Und an uns ergeht der Ruf: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“
Sündigen ist menschlich, aber in der Sünde verharren, das ist teuflisch. Und deswegen ergeht an uns der Aufruf: „Heute, wenn du seine Stimme hörst, verhärte dein Herz nicht!“ Haben wir nicht viele Heimsuchungen Gottes erfahren? Und was haben wir damit gemacht? Haben wir sie benutzt, oder haben wir sie verspielt? Das schrecklichste Unglück ist, wenn man sündigen kann, ohne dass das Gewissen sich rührt.
Das ist der Zustand der Verlorenheit. Der Entzug der Gnade erfolgt in der Auswirkung der Sünde und wegen der Sperrung gegenüber den Gnadenangeboten Gottes. Die Verstocktheit des Sünders ist der Entzug der Gnade. Freilich, wir müssen dazu sagen: Solange ein Mensch auf Erden lebt, wird Gott es immer wieder versuchen. Er wird auch versuchen, den Verstockten zu bekehren. Aber es kann sein, dass der Verstockte zur Bekehrung nicht mehr fähig ist.
Jesus weint, weil der Mensch die Heimsuchungen Gottes mißachtet. Jesus weint aber auch zweitens, weil der Mensch Gott nicht ernst nimmt. Er weint über den Unglauben des Menschen.
alles von Prälat Georg May weiter hier
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Liebe Grüße, Blasius
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