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Sinn und Zweck der heiligen Zeichen
Predigt von Hw. Dr. Georg May v. August 2012
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Und er nahm den Taubstummen beiseite, legte seinen Finger in dessen Ohren und berührte die Zunge mit Speichel. Er sah zum Himmel auf, seufzte und sprach: „Effata – tu dich auf!“
Jesus hatte es nicht nötig, Zermonien zu gebrauchen, wenn er mit der Kraft seiner göttlichen Allmacht und mit der Liebe seines göttlichen Herzens einen Kranken gesund machte. Der Aussätzige sprach mit Recht zu ihm: „Wenn du willst, kannst du mich gesund machen!“ Es kommt allein auf seinen Willen an, denn im Willen ruht seine Kraft. Dementsprechend sagte Jesus dem Aussätzigen: „Ich will, sei rein!“ Und der Aussatz wich von ihm.
Obwohl es also allein auf seinen Willen ankommt, gebraucht der Herr sichtbare Zeichen und Worte, mit denen er die Kranken heilte. Kraft strömt von ihm aus, wenn man nur den Saum seines Gewandes berührt. Kraft strömt von ihm aus, wenn er die Kinder segnet.
Der Herr war auf solche Äußerlichkeiten seines Heilstuns nicht angewiesen, aber den Hilfesuchenden tat sie wohl und sie tat ihnen auch not, denn der Mensch ist nun einmal so veranlagt, dass über die Sinne, über das Sinnfällige und über das Sinnliche die Erkenntnisse in seinen Geist strömen. Der Weg jeder menschlichen Erkenntnis geht über die Sinne. Erst recht müssen die Sinne eine Brücke sein zum Unanschaulichen, zum Göttlichen, zum Jenseitigen.
Wo der Mensch Heiliges erfassen will, da muss es sich ihm in heiligen Zeichen darbieten. Darum schreibt der hl. Augustinus einmal: „Es gibt keine religiöse Gemeinschaft auf Erden, ob es eine richtige oder eine falsche ist, die nicht die gemeinsame Teilnahme an Zeichen zu ihrem Inhalte hat.“
So ist es auch in unserer Kirche. Man hat die katholische Kirche „versinnlichten Geist“ genannt. Und das ist nicht ganz falsch, auch wenn es manche nicht in Bewunderung, sondern in Missachtung sagten. Wer eine rein geistige, ganz aller äußeren Zeichen bare Religion als Ideal anpreist, der erhebt sich über unsern Heiland Jesus Christus und zeigt sich als menschenfremd und weltfremd, als naiv, weil er sich über den Herrn erhebt.
Der Herr spendet nicht nur körperliche Wohltaten in äußeren Zeichen, sondern auch die Gnadengeschenke werden uns durch äußere Zeichen vermittelt.
Die Gliedschaft in seiner Kirche geschieht durch die Übergießung mit Wasser und das Aussprechen der heiligen Worte. Und die Gemeinschaft der Heiligen auf Erden wird zusammengefügt durch eine Speisung, durch die Speisung mit seinem Leibe, die der Herr uns gewährt. In einem heiligen Mahle werden wir zu einer Gemeinschaft zusammengefügt.
Wie sinnvoll und ergreifend sind die Zeichen, die der Herr uns vermacht hat. Die Kirche hütet sie – sieben dieser Zeichen, die wir als Sakramente bezeichnen. Sakramente sind heilige Zeichen, die durch die Macht Christi Gnade dem Empfänger verleihen, wenn er entsprechend vorbereitet, disponiert ist. Die Verbindung eines äußeren Zeichens mit innerer Gnade kann nur durch Christus geschehen. Deswegen ist der Kreis der sieben Sakramente abgeschlossen. Wir können nicht ein achtes oder neuntes hinzufügen, sondern es sind nur sieben, die der Herr auserwählt hat, um in ihnen äußeres Zeichen und innere Gnade zu verbinden.
Aber die Kirche hat einen anderen Weg gefunden, um durch ihr Gebet den Menschen Gnade zu vermitteln. Sie hat sichtbaren Dingen und Handlungen eine geistige Bedeutung gegeben und erfleht ihnen eine geistige Kraftausstrahlung durch ihr Gebet. Die beiden Dinge hat sie getan: Eine geistige Bedeutung Handlungen und Gegenständen zuerkannt und erfleht durch ihr Gebet den Gebrauchenden, den Empfängern Gnade.
Die Kirche nennt die wichtigsten von ihr eingesetzten Zeichen Sakramentalien, gewissermaßen „kleine“ Sakramente. Es sind heilige Dinge und heilige Handlungen. Sakramentalien sind Gegenstände oder Handlungen, deren sich die Kirche in einer gewissen Nachahmung der Sakramente bedient, um kraft ihrer Fürbitte vor allem geistliche Wirkungen zu erlangen. Um kraft ihrer Fürbitte vor allem geistliche Wirkungen zu erlangen.
Die Sakramentalien bestehen aus zwei großen Gruppen: Aus heiligen Handlungen und heiligen Gegenständen. Die Handlungen sind entweder Beschwörungen oder Segnungen oder Weihungen.
Durch die Beschwörung soll eine Person oder eine Sache dem Einfluss des bösen Geistes entzogen werden. Die Kirche nimmt das Böse ernst. Und deswegen hat sie Beschwörungen, Exorzismen eingesetzt, die eine Person oder Sache dem Einfluss des Bösen entziehen soll.
Die Segnungen sind entweder invokativ oder konstitutiv. Invokativ, das heißt anrufend, erbittend; konstitutiv heißt mitteilend, begründend.
Invokativsegnungen sind solche, in denen der Segen Gottes für eine Person erfleht wird. Zum Beispiel der Reisesegen.
In der Konstitutivsegnung wird über einen Gegenstand der Schutz Gottes herabgerufen und derselbe dem profanen Gebrauch entzogen. Zum Beispiel eine Medaille.
Noch höher steht die Weihung oder Konsekration. Hier wird ein Gegenstand von der Kirche durch heilige Salbung unwiderruflich und feierlich dem profanen Gebrauch entnommen und für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt. Eine Kirche wird konsekriert.
Gegenstände, heilige Gegenstände sind Ihnen bekannt: Kreuze, Statuen, Medaillen, der Rosenkranz, das Skapulier, die Kräuterbüschel, die wir am 15. August weihen; das sind solche heilige, geheiligte Gegenstände.
Der häufigste dieser Gegenstände ist das Weihwasser.
Das Weihwasser hat eine dreifache Bedeutung. Es soll uns an die Taufe erinnnern, denn mit Wasser wurden wir getauft. Es soll den bösen Feind abwehren, weil wir dabei den Dreifaltigen Gott anrufen. Und es soll Gottes Segen erflehen.
Als der Dichter Clemens Brentano nach langer Irrfahrt zum Glauben seiner Kindheit zurückgefunden hatte, da wollte er den Ernst und die Tiefe seiner Bekehrung gerade in der Hochschätzung der kleinsten kirchlichen Zeichen kundtun. So bat er, als er in Frankfurt ankam, seine Schwägerin um ein Weihwasserkesselchen und erklärte sein Ersuchen mit den Worten: „Siehst du, wenn ich in der Nacht wach werde, greife ich gleich nach dem Weihwasser und segne mich. Das tröstet mich. Und dann kann ich besser für mich und alle Sünder bitten und für die ganze Welt und sie segnen.“ Im Weihwasser, meine lieben Freunde, begegnen sich die erlöste Seele und die erlöste Natur im Zeichen des Kreuzes.
Wenn die Kirche als Gesamtheit den Einzelnen mit Segnungen und Gnade bereichern will, muss dieser auch empfänglich sein. Er muss sich innerlich aufschließen. Er muss sich bereiten und seinerseits bitten, dass ihm die fromm hingenommene Gabe der Kirche zum eigenen Gewinn und Nutzen für Zeit und Ewigkeit gereiche.
Wenn also der Katholik gläubig und andächtig das Weihwasser nimmt, wenn er geweihte Palmzweige oder Kräuterbüschel in seiner Wohnung aufsteckt, wenn er den Blasiussegen empfängt, um sich vor Halskrankheiten zu schützen, wenn er in seinem Wagen das Bild des Riesen Christophorus anbringt, wenn er eine geweihte Muttergottesmedaille um den Hals trägt, dann will er nichts anderes damit ausdrücken, als dass er sein schwaches Gebet vereinigt mit dem mächtigen Fürbittgebet der ganzen Gemeinschaft der Heiligen.
Das ist es: Er vereinigt sein flehendes Rufen mit dem Rufen der ganzen Gemeinschaft der Heiligen, damit Gott ihn hört und in den Nöten unterstützt.
Der Beitrag des Menschen zur Erlangung göttlicher Hilfe ist unentbehrlich und unersetzlich. Der tote Gegenstand allein bewirkt nichts. Die Sakramentalien sind Gnadenmittel, nicht Talismane. Wer von einer geweihten Medaille einen unfehlbaren Schutz erwartet, unabhängig von seiner vielleicht Gott abgewandten Gesinnung und von seinem sündhaften Seelenzustand, der gleicht einem Autofahrer, der an seinem Wagen ein Hufeisen anbringt und meint, dadurch geschützt zu sein.
Die heiligen Zeichen offenbaren unser religiöses Leben. Sie stützen es aber auch. Sie wecken es. Und sie steigern es. Sie sind eine Schutzwehr für die innersten Leistungen der Seele in Glaube, Hoffnung und Liebe. Unsere Kirche hat den Hochmut von einzelnen oder auch die Volksverachtung ganzer Religionsgemeinschaften niemals mitgemacht, die nur rein geistig die Menschen zu erreichen versuchen. Die Kirche weiß, dass viele Menschen durch das sinnliche und durch das sinnenhafte Element zum Geistigen erhoben werden.
Als die schottische Königin Maria Stuart zur Hinrichtung geführt wurde, da hatte sie in ihrer Hand ein Kruzifix, das sie küsste. Der protestantische Offizier, der sie begleitete, war taktlos genug, es ihr zu verweisen. „Madame, nicht in der Hand, im Herzen muss man Christus tragen!“ Die Königin antwortete ihm ernst und würdevoll: „Mylord, es ist gut, sein Bild in Händen zu haben, um ihn desto sicherer im Herzen zu tragen!“
Die ganze Skala edler Gefühle, deren ein Menschenherz fähig ist, wird durch heilige Zeichen zum Erklingen gebracht. Denken Sie an den wunderbaren Brauch, am Feste des hl. Johannes, Wein zu weihen und dabei zu sprechen: „Trinke die Liebe des heiligen Johannes.“ Es kommt also nicht auf das irdische Getränk an, sondern auf das, was damit gemeint ist – die Liebe. Die sündige Weltliebe ist vor der göttlichen Liebe, die uns die Gnade vermittelt, entflohen
Unzählig sind die sinnbildlichen Zeichen, deren sich die Kirche in ihrer großen Erziehungsaufgabe bedient. Allsonntäglich haben wir diese Zeichen vor Augen. Wir sehen die Kerzen am Altar. Sie erinnern uns an das Ewige Licht, an das Licht, das Christus ist. Wir sehen die rote Lampe. Sie ist wie ein Vorbeter. Sie ermuntert uns, in der Zwiesprache mit dem gegenwärtigen Herrn zu bleiben. Der Weihrauch beim feierlichen Hochamt ist ein Sinnbild der Gebete, die wie Weihrauch zu Gott emporsteigen sollen.
Die Kirchenfarben sind sprechende Symbole, die uns immer wieder ewige Wahrheiten vor Augen führen. Der Ernst der sehnsüchtigen Erwartung und die Buße werden vorgebildet in der violetten Farbe: Ernst der Erwartung und Buße des Lebens. Das schimmernde Weiß der Hochfeste erinnert uns an die Herrlichkeit des Herrn (er wurde verklärt auf dem Berge Tabor), und an die Reinheit der Heiligen. Die grüne Farbe bildet die sprossenden Saaten ab und erinnert uns daran, dass wir einem ewigen Frühling entgegengehen, einem nie endenden ewigen Leben. Im tiefen Schwarz werden wir gemahnt, dass der Tod entscheidet, ob ewige Freude oder ewige Pein unser Los sein wird. Sie ist auch Zeichen der Trauer, am Sterbetag des Herrn und aller derer, die uns im Tode vorangegangen sind.
Wie vieles aus dem schönen Bereich der heiligen Zeichen könnten wir noch nennen: Die Weihnachtskrippe, die Dreikönigsbräuche, die Flurumgänge, den Maialtar, die Osterspeisen, die Wetterkerze, Allerseelenlichtlein, sie alle erhellen mit einem Strahl unser irdisches Leben, indem sie auf Gott verweisen.
Gewiss gibt es auch innere und innerste Frömmigkeit, die nach außen nicht sichtbar wird. Aber ist nicht schon der gesammelte Ausdruck eines Menschen, der betet, genug Zeichen eines geistigen Geschehens? Erst recht gilt dies von der Gebetshaltung, wenn man die Hände faltet. Die Händefaltung bedeutet, dass wir vor Gott gebunden und dass wir von ihm gänzlich abhängig sind und dass wir uns ihm ergeben.
Im Knien drücken wir die demütige Erwartung der göttlichen Hilfe aus und auch unsere Unwürdigkeit und Unterworfenheit unter Gott. Das Aufgeben des Kniens, meine lieben Freunde, in unserer Kirche ist ein verdächtiges Zeichen. Im Ausbreiten der Arme, wie es der Priester bei der heiligen Messe übt, liegt eine Nachahmung des gekreuzigten Heilandes vor. Die Messe ist ja die sakramentale Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers, und da ziemt es sich, dass der Priester die Wirklichkeit des Heilandes auch in einem Zeichen nachahmt. Das Senken des Hauptes und das Klopfen an die Brust zeigen, dass ein Herz zerknirscht und schuldbewußt ist und innig um Hilfe ruft.
Was wirklich in der Seele Leben hat, das wird unfehlbar sicher auch nach außen in Erscheinung treten.
Ein zeichenscheuer Mensch wird bald auch an innerem Besitz verarmen. Und ein zeichenloses Volk ist in Gefahr, ein glaubensloses Volk zu werden.
Das wissen die Feinde des Glaubens sehr gut. Sie zerstören die Symbole des Christentums und sind überzeugt, dass sie damit auch die Inhalte der Religion treffen, dass nach den Symbolen auch die Ideale und die Ideen ihnen ins Grab folgen. Andere verbieten religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit. Vor allem in öffentlichen Gebäuden. Das Kreuzeszeichen ist ja das große Schutzmittel, das Zeichen der Gläubigen, der Schrecken der bösen Geister. Wir stellen es auf in unseren Häusern, wir tragen es an unserem Leibe. Gegen das Kreuzeszeichen richtet sich deswegen der verschärfte Hass der Feinde Gottes. Sie wollen es austilgen, beseitigen, verschwinden lassen. Die Erinnerung an Christus und an Gott soll ausgelöscht werden. Deswegen fort mit den Kreuzen aus den Schulstuben. Fort mit den Kreuzen aus den Gerichtssälen. Fort mit den Kreuzen aus den Zimmern der Kranken. In Saudi-Arabien, meine lieben Freunde, ist es verboten, wenn man ein Haus baut, die Fenster durch ein Kreuz in vier Teile teilen zu lassen. Das ist verboten! Immer wieder hören wir und lesen wir, wie heilige Zeichen in der Öffentlichkeit geschändet, zerstört, abgetragen werden. In Abensberg in Niederbayern wurden einer Christusfigur Arme und Beine abgeschlagen. In Dinkelsbühl wurden die Überreste eines Märtyrers aus dem Grabe gerissen und zerstreut.
Meine lieben Freunde: An äußeren Zeichen hängt die Religion allein nicht. Aber die äußeren Zeichen sind eine wertvolle Ergänzung unserer wahren Gläubigkeit. Wir müssen die äußeren Zeichen der Religion schätzen. Es hängt mehr von ihnen ab, als es scheint. Sie sind ein Ausdruck des Öffentlichkeitsanspruchs unserer Religion. Christus soll als der Herr überall anerkannt werden.
Der schottische Schriftsteller Bruce Marshall hat viele Jahre in Frankreich gelebt. Er schreibt in einem seiner Bücher: „Die Religion liegt in diesem Lande deswegen so darnieder, weil man sie aus der Öffentlichkeit verdrängt hat!“ Wenn die Übung der Religion nur noch dem privaten Gebrauch und dem stillen Kämmerlein überlassen wird, besteht die Gefahr des lautlosen Sterbens. Dann werden Regierung und Parlament, Schule und Gericht der Religionslosigkeit ausgeliefert.
Ich habe einmal gelesen, wie ein Soldat im Kriege ins Lazarett eingeliefert wurde; in seiner Tasche befand sich ein fünfter Teil des Rosenkranzes. Die Krankenschwester wurde darauf aufmerksam und fragte ihn, was das bedeute, dass da nur zehn statt fünfzig Perlen in seiner Tasche seien. Der Soldat gab zur Antwort: „Ich habe im Schützengraben den Rosenkranz gebetet. Und als meine Kameraden das sahen, hat mich einer um den anderen – vier – um einen Teil des Rosenkranzes angegangen und so habe ich den Rosenkranz unter sie verteilt.“
Frühere Generationen haben Bilder der Heiligen an ihren Häusern angebracht. –Sie haben das Kreuz des Herrn auf die Straßen gestellt. Hat unsere Generation noch den Mut dazu?
Amen.
http://www.glaubenswahrheit.org/predigte...mente/20120812/
Hw. Georg May feierte vor 2 Tagen seinen 90. Geburtstag!
http://www.kathpedia.de/index.php?title=Georg_May
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