Papst Franziskus \ Audienzen & Angelus
„Sind wir dem Programm Jesu treu?“
Der Papst beim Angelus - RV
„Die Armen stehen im Zentrum des Evangeliums“: Das hat Papst Franziskus an diesem Sonntag einmal mehr betont. Und er stellte bohrende Fragen an die Kirche: „Sind wir heute in unseren Pfarreien und Verbänden dem Programm Jesu treu? Ist die Evangelisierung der Armen für uns wirklich die Priorität?“
Der Papst betete um die Mittagszeit den Angelus mit mehreren tausend Menschen auf dem Petersplatz. In einer kurzen Meditation wies er darauf hin, dass Jesus anders sei als die Gesetzeslehrer seiner Zeit:
„Er hat keine Schule für das Studium des Gesetzes geöffnet, sondern lief herum, um überall zu predigen und zu evangelisieren, in den Synagogen, auf der Straße, in den Häusern. Jesus ist auch anders als Johannes der Täufer, der das unmittelbar bevorstehende Gericht Gottes proklamiert, während Jesus die Vergebung des Vaters ankündigt.“
„Stellen wir uns doch einmal vor, wir gingen jetzt in die Synagoge von Nazareth“, bezog sich Franziskus dann auf das Tagesevangelium, das einen Auftritt Jesu in seiner Heimatstadt beschreibt. Er lud dazu ein, sich in die Zeitgenossen Jesu hineinzuversetzen und geistig bei Jesu Erscheinen in der Synagoge dabei zu sein.
„Was hier vorgeht, ist ein wichtiges Geschehen, das die Mission Jesu definiert. Er steht auf, um aus der Heiligen Schrift zu lesen, öffnet die Rolle des Propheten Jesaja und wählt den Abschnitt, in dem es heißt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe” (Lk 4,18). Und dann, nach einem Moment des erwartungsvollen Schweigens, sagt er zur allgemeinen Überraschung: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (V. 21).“
„Christ sein und Missionar sein, das ist dasselbe“
Den Armen die Frohe Botschaft bringen – darin also bestehe „die Mission Jesu“, schlussfolgerte der Papst. Und das sei auch die Mission der Kirche, ja jedes einzelnen Christen. „Christ sein und Missionar sein, das ist dasselbe! Das Evangelium verkünden mit Worten und, allem voran, mit dem Leben – das ist der wichtigste Daseinsgrund der christlichen Gemeinschaft und jedes einzelnen ihrer Mitglieder.“
Doch was bedeute es eigentlich, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen? „Es bedeutet, sich ihnen zu nähern, ihnen zu dienen, sie von der Unterdrückung zu befreien, und das alles im Namen und im Geist Christi. Denn er ist das Evangelium Gottes, er ist die Barmherzigkeit Gottes, er ist die Befreiung Gottes, er ist es, der arm geworden ist, um uns durch seine Armut reich zu machen.“
Zur Zeit Jesu hätten „die Ausgeschlossenen, die Häftlinge, die Unterdrückten“ wohl eher nicht „im Mittelpunkt der Glaubensgemeinschaft“ gestanden, bemerkte Franziskus. „Und wir fragen uns: Sind wir heute in unseren Pfarreien und Verbänden dem Programm Jesu treu? Ist die Evangelisierung der Armen für uns wirklich die Priorität? Aber Vorsicht: Es geht da nicht nur um soziale Hilfe, und noch weniger um politische Aktivität. Es geht darum, die Kraft des Evangeliums Gottes anzubieten: Sie ändert die Herzen, heilt die Wunden, verwandelt die menschlichen und sozialen Beziehungen in einer Logik der Liebe.
Ja, die Armen stehen im Mittelpunkt des Evangeliums!“
(rv 24.01.2016 sk)
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