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Der Pfarrer von Ars - Predigten
Die Lauheit
„Möchtet ihr wissen, wie der Zustand einer lauen Seele ist? Eine laue Seele ist in den Augen
Gottes noch nicht völlig tot, weil der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, die ihr geistliches Leben ausmachen, in ihr noch nicht völlig erloschen sind.
Aber es ist ein Glaube ohne Eifer, eine Hoffnung ohne Festigkeit, eine Liebe ohne Glut...
Nichts rührt oder erschüttert den lauen Christen. Er hört das Wort Gottes, ja, aber er langweilt sich oft dabei. Er hört mit Unlust, aus Gewohnheit, wie einer, der schon genug davon weiß oder schon genug tut. Längere Gebete gefallen ihm nicht ... Seit zwanzig Jahren ist er voll von guten Wünschen, ohne aber seine Gewohnheiten irgendwie geändert zu haben. Er ist wie einer, der einen auf dem Triumphwagen Stehenden beneidet, selbst aber keinen Schritt tut, um hinaufzusteigen.
Jedoch möchte er nicht wegen der irdischen Güter auf die ewigen verzichten. Aber er sehnt
sich nicht danach, diese Welt zu verlassen und in den Himmel zu kommen, und wenn er seine Zeit ohne Kreuz und ohne Schmerz verbringen könnte, hätte er nie den Wunsch, die Erde zu verlassen. Wenn ihm das Leben lang und erbärmlich vorkommt, dann nur, weil nicht alles nach seinen Wünschen geht. Schickt Gott ihm Kreuz und Leid, um ihn irgendwie vom Leben zu lösen, wie er sich dann quält und er sich beklagt, wie er mürrisch wird und oft fast bis zur Verzweiflung kommt.
Anscheinend will er nicht anerkennen, dass Gott ihm diese Prüfungen zu seinem Besten schickt, um ihn vom Leben loszulösen und zu sich hin zu ziehen. ‘Was habe ich getan, um das zu verdienen?’ denkt er bei sich selbst, ‘viele andere, die mehr verschuldet haben als ich, erleiden das nicht.’
Im Glück treibt sich der laue Christ nicht an, er vergisst Gott sogar, aber sich selbst vergisst er
nicht. Er kann sehr gut von allem erzählen, was er angestellt hat, um zu Erfolg zu kommen, und er meint, viele andere hätten nicht dasselbe erreicht.
Er wiederholt das gern und hört gern, wenn andere darüber reden, es ist für ihn immer wieder eine Freude. Zu denen, die ihm schmeicheln, ist er freundlich; wer ihm aber nicht den schuldigen Respekt erweist oder für seine Wohltaten nicht dankbar ist, dem zeigt er eine kühle, verdrießliche Miene, womit er ihm seine Undankbarkeit vorzuhalten und ihm zu zeigen scheint, dass er das Gute, das er ihm erwiesen hat, nicht verdient...
Ein lauer Christ erfüllt noch einigermaßen regelmäßig seine Pflichten, wenigstens nach außen
hin...
Aber es ist wenig Freude, viel Feigheit und viel Gleichgültigkeit dabei, wenig Vorbereitung und
keine Änderung des Lebens. Man sieht deutlich, dass er seine Pflichten nur aus Gewohnheit erfüllt, weil es so Brauch ist, weil Feiertag ist ...
Sein Geist ist so von den Dingen der Erde besetzt, dass der Gedanke an Gott keinen Platz
darin hat. ...Er ist ein Armer, der trotz seines Elends nichts haben will, der seine Armut liebt. Er
ist wie ein Kranker, der fast verzweifelt ist, aber die Ärzte verschmäht.
Ein lauer Christ begeht, wenn ihr so wollt, keine schweren Sünden. Aber eine üble Nachrede, eine Lüge, eine Regung des Hasses, der Abneigung und der Eifersucht, eine kleine Verstellung kostet ihn nicht viel...
Wenn er eine gute Tat verrichtet, ist seine Absicht oft nicht ganz lauter. Bald tut er es, um
jemandem zu Gefallen zu sein, bald aus Mitleid und bisweilen, um der Welt zu gefallen ...
Wir sagen also: Wer ein laues Leben führt, hört nicht auf, viele gute Werke zu tun, die Sakramente zu empfangen und regelmäßig am Gottesdienst teilzunehmen, aber man sieht bei alldem nur einen schwachen und matten Glauben, eine Hoffnung, die bei der geringsten Prüfung versagt, und eine Gottes- und Nächstenliebe, die ohne Feuer und ohne Freude ist. Alles, was er tut, ist nicht ganz verloren, aber es fehlt wenig daran.“
(Zum 18. Sonntag nach Pfingsten)