Am vorletzten Tag des Rosenkranzmonates feiert man heute, vornehmlich im Jesuitenorden, das Fest eines Mannes, der als inniger Marienverehrer ungezählte Male den Rosenkranz gebetet hat. Alfons Rodriguez ist der Name des Mannes, der ein Spanier war und im 16. Jahrhundert lebte.
Als Alfons noch Kind war, kniete er oft vor dem Marienaltar seiner Pfarrkirche zu Segovia. Der feurige Spanierjunge hatte die liebe Mutter Gottes so gern, dass er aus jugendlichem Unverstand einmal das kühne Wort wagte und sagte: „Maria, ich liebe dich mehr, als du mich lieben kannst.“ So sprach Alfons, aber gleich antwortete ihm die Mutter Gottes und entgegnete: „Junge, das kannst du unmöglich, denn ich liebe dich weit mehr, als du überhaupt lieben kannst.“
Einige Jahre ging Alfons auf die höhere Schule. Ob er ein guter Schüler war, weiß man heute nicht mehr, weil alle Zeugnisse verlorengingen. Wie mancher Junge und wie manches Mädchen wären froh, wenn auch ihre Zeugnisse glücklich verlorengingen! Allerdings ist diese Freude eine verdächtige Freude, und besser ist es schon, wenn man nicht zu denen gehört, die sich über verlorene Zeugnisse freuen.
Es ist also unbekannt, ob Alfons Rodriguez zu den Ersten oder zu den Letzten der Klasse gehörte, wohl aber weiß man, dass er mit dem Lernen vor der Zeit Schluss machte. Es starb nämlich der Vater, und da musste er das elterliche Geschäft übernehmen und Reis und Mais und Kaffee und Kakao und Tabak und Teigwaren und Butter, Eier, Wurst, Schmalz und hundert andere Dinge an die Kunden verkaufen, gramm- und pfundweise, wie es die Leute wünschten.
Mit den Jahren kam der schmucke Kaufmann Alfons Rodriguez ins heiratsfähige Alter, und da heiratete er ein Mädchen aus der Nachbarschaft, Maria Suarez mit Namen. Dürfen denn die Heiligen auch heiraten? Warum denn nicht? Die Ehe hat Gott bereits bei der Erschaffung der Welt im Paradies eingesetzt, und der Heiland hat sie zur Würde eines Sakramentes erhoben, und weil sich die Eheleute nach göttlichem Willen in Liebe und Treue und durch ein rechtschaffenes Leben gegenseitig heiligen sollen, sind schon viele Männer und Frauen durch die Ehe heilig geworden.
Alfons Rodriguez heiratete also Maria Suarez, und dann kamen bald auch die Kinder, die wie helle Kerzen der Eltern Herz und Heim erleuchteten, und das Geschäft blühte und warf guten Gewinn ab, und zum Reichtum gesellte sich Ansehen, und aus allen Fenstern des Hauses lachte froh das Glück hinaus in die Welt.
Dann kam das Unglück. Das Geschäft ging zurück, die Gattin und die Kinder starben, und alles geschah gleichsam über Nacht, so schnall ging es zu. In jenen Tagen legte Gott den reichen und angesehenen Kaufmann Alfons Rodriguez auf die Waage, um zu prüfen, ob er nur ein Stäubchen sei oder ob er Gewicht und Gehalt habe.
Gott sei Dank, Alfons Rodriguez hatte Gewicht und Gehalt. Kein Schicksalsschlag konnte den christlich denkenden Mann verbittern. Auch im Unglück hielt er dem Herrgott die Treue, und festen Schrittes trug er das Kreuz, das ihm auferlegt wurde. Zum Lohn für den christlichen Edelmut, den Alfons Rodriguez zur Zeit der Prüfung an den Tag legte, öffnete ihm Gott weit die Augen für die Nichtigkeit der Erdendinge. Bald darauf trat der Vierzigjährige in den Jesuitenorden als Laienbruder ein. Fast fünfzig Lebensjahre waren ihm noch beschieden, fünfzig gnadenvolle Jahre, in denen er durch die Übung aller klösterlichen Tugenden zum Heiligen heranreifte. Pförtner war er. Neben der Haustür hatte er sein Zimmer, und wenn es läutete, so öffnete er und fragte die Leute liebevoll nach dem Begehr und half allen mit Rat und Tat und war vorzüglich den Armen gut, und was er da an Brot und Suppe und Kleidern und Schuhen verteilt hat, weiß heute keiner mehr, aber es ist viel gewesen. Die Engel haben es aufgeschrieben, und als Bruder Alfons am 31. Oktober 1617 starb, war er reich an Verdiensten, von denen er in alle Ewigkeit noch zehren wird.
Liebe Grüße, Blasius