Sollte die Behauptung stimmen, dass der heilige Ludger aus dem Geschlecht der Grafen von Galen stammt, so hätten in der nahezu zwölfhundertjährigen Geschichte des Bistums Münster drei Männer aus dieser berühmten Adelsfamilie die Herde Christi im Münsterland mit Macht und Kraft geleitet. Ludger, der erste Bischof von Münster überhaupt, eröffnet die Dreierreihe. Der zweite ist Bischof Christoph Bernhard von Galen, der gleich nach dem Dreißigjährigen Krieg segensvoll in Münster wirkte, und der letzte von den dreien ist Kardinal Klemens August von Galen, der in unserer Zeit als der bekannte Löwe von Münster zu weltgeschichtlicher Größe emporstieg.
Ludger wurde um das Jahr 744 in Nordfriesland als Sohn vornehmer Eltern geboren. Der Großvater hieß Wursing und der Vater Thiatgrim. Wursing hatte vor dem Friesenkönig Radbod flüchten müssen und in der Fremde bei den Franken den christlichen Glauben angenommen. Als er in die Heimat zurückkehren konnte, war er mit seiner Familie eine Stütze für die Glaubensboten, und Willibrord und Bonifatius gingen in seinem Haus ein und aus.
Es lässt sich denken, dass der Umgang mit den genannten heiligen Männern auf den jungen Ludger nicht ohne Einfluss blieb. Auch er wollte wie sie Missionar unter den Heiden werden. In England holte er sich die Ausbildung für den geistlichen Stand. Sieben Jahre wirkte er dann mit sichtlichem Erfolg zu Dokkum, wo Bonifatius kurz zuvor von den Friesen erschlagen worden war. Vom Blut des Martyrers befruchtet, ging die Saat des Evangeliums herrlich auf, bis der Sachsenherzog Widukind, damals noch Heide, das Land mit Mord und Brand überzog, die Gotteshäuser in Asche legte, die Gläubigen tötete oder vertrieb und jedes Samenkorn des Christentums zertrat.
Das waren bittere Tage für den seeleneifrigen Missionar, aber den Mut verlor er deswegen nicht. Weil er indessen vorderhand in Friesland nichts ausrichten konnte, wallfahrtete er nach Rom und hielt sich einige Jahre in dem berühmten Kloster auf dem Cassinoberg auf, ohne selbst Mönch zu werden, denn er wollte sich nicht binden und frei sein, wenn die Umstände die Wiederaufnahme der Bekehrungsarbeit unter den Heiden ermöglichen sollten. Tatsächlich brauchte er gar nicht lange zu warten. Denn bald danach nahm Herzog Widukind den christlichen Glauben an. Da hielt es Ludger keine Stunde mehr im schönen Italien aus. Frohen Mutes nahm er wieder den Wanderstab zur Hand und kehrte heim. Es war aber damals gerade der Bischof von Trier gestorben, und Kaiser Karl der Große hätte es gern gesehen, dass Ludger den verwaisten Bischofsstuhl einnähme. Dieser lehnte jedoch bescheiden ab, indem er halb im Ernst und halb im Scherz sagte: „Herr Kaiser, das musst du doch verstehen, dass ein alter Missionar kein Sitzfleisch hat.“ Da lachte Karl und ließ Ludger ziehen.
So kam der Heilige in den geliebten Norden zurück, gründete hart an der Stammesgrenze zwischen Franken und Sachsen zu Werden an der Ruhr ein Kloster für die Ausbildung von Missionaren und erbaute mitten im Heidenland zu Münster in Westfalen einen Dom. Auch anderswo erstanden Gotteshäuser und Schulen, und langsam wurde das Land christlich. Nicht Karl der Große hat die Sachsen christlich gemacht, wie es die Geschichte behauptet. Nein, Karl der Große hat durch überlegene Waffengewalt den Sachsen nur den Nacken gebogen, aber ihre Herzen hat einzig Ludger besiegt durch Milde, Güte und Liebe. Welch ein Segen von diesem Missionar ausgegangen ist, ersieht man daraus, dass das westfälische Münsterland heute noch katholisch ist und es wohl auch bleiben wird, denn wenn die Sachsen etwas aus Überzeugung annehmen, halten sie daran fest bis zum Weltuntergang.
Nachdem Ludger, der Missionar ohne Sitzfleisch, zwischen Münster und Werden auf allen Wegen und Stegen, landauf und landab, kreuz und quer jahrelang als eifriger Missionar umhergewandert war, ließ er sich gegen Ende des Lebens endlich auch die Bischofsweihe erteilen, und so ist er als der erste heilige Bischof von Münster und als der erfolgreiche Apostel der Sachsen in die Geschichte eingegangen.
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