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Auszug:
Vom heiligen Josef
Vom heiligen Josef kann man keine Taten erzählen, die viel Lärm machen in der Welt oder die in der Welt ein glitzerndes Aussehen haben.
Auch können wir von ihm keine hohen Erscheinungen, Weissagungen künftiger Dinge oder Wunderwerke erwarten.
Der heilige Josef hat gern Werke verrichtet, die Gott ihm vorlegte. Gott verlangte von ihm eben keine Werke, die in den Augen der Welt glänzen, sondern ganz alltägliche, teils verborgene Werke.
Und Josef hörte auf Gott.
Als Josef schläft, steigt ein Engel zu ihm herab. Im Schlaf deutet er ihm den Willen Gottes. „Steh auf“, sagt er zu dem Schlafenden, „steh auf und nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir es sage. Denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“ Ein Befehl Gottes, der gleichsam schrecklich und seltsam ist. Wurde Josefs Glaube erschüttert? „Wie stimmt dieser Befehl mit dem Wort überein, das der Engel über die künftige Größe des meiner Sorge anvertrauten Kindes gesagt hat? In diesem Kind soll die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnen, und vor den Nachstellungen eines Tyrannen soll es nicht sicher sein? Hat denn der Himmel keinen Donner mehr, das Haupt des rasenden Herodes zu zerschmettern, um mit dem Leben des Wüterichs ein Ende zu machen? Wo ist der Würgeengel, damit er Schrecken und Tod unter die ausgeschickten Mörder verbreite? Kann nicht die Wiege dieses Kindes mit einer undurchdringlichen Wolke umhüllt sein? Können nicht die Feinde mit Feuer vom Himmel aufgezehrt werden? Hat doch Gott durch solche Mittel seine Diener beschützt, und der eigene Sohn soll fliehen wie ein normaler Mensch, dem seine Feinde nachjagen?“ Solche Unruhe könnte durch den Befehl zu fliehen in Josef ausgelöst werden. Zudem soll er ausgerechnet nach Ägypten fliehen, in das Land, wo seine Väter in der strengsten Gefangenschaft litten, in ein Land, welches den wahren Gott missachtet und vor Kälbern die Knie beugt, in ein Land, dessen König vielleicht nicht menschlicher als Herodes in der Heimat ist. Auch was die Zeit betrifft kann Josef Angst bekommen. „Bleib“, sagt ihm der warnende Engel, „bleib in Ägypten, also im Elend, und kehre nicht zurück bis ich es dir sage.“ Dieser Trost, um das Ende der Not zu wissen, auch er ist dem Pflegevater Jesu vorenthalten. Außerdem war ihm der Engel im Schlaf erschienen! „War es nicht ein Traum? War es Einbildung? Ist die Phantasie mit mir durchgegangen?“
Der heilige Josef aber ließ sich nicht irremachen, er dachte nicht einmal daran. Vernunft und Nachdenken waren bei ihm Gott geopfert, der durch seinen Engel mit ihm geredet hatte. Kaum hat der Schlafende den Befehl gehört, so weckt ihn sein gehorsames Herz, er verlässt sein Nachtlager, ruft Maria, erklärt ihr den Willen des Herrn, und beide machen sich sofort reisefertig. Kein Aufschub! Kein vernünftiges Überlegen! Kein Beratschlagen findet bei ihnen Platz! Sie nehmen ihr himmlisches Geschenk, das Jesuskind, und brechen noch in der Nacht auf in Richtung Ägypten. Schauen wir die fliehenden Eltern an: ohne Vorrat, ohne Führer, ohne Mittel und anderes Gepäck, bloß mit ihrer Armut überladen, von einer Wüste in die andere wandernd, und durch die Gegenwart ihres Kindes die gruseligsten Orte heiligend, sehen wir sie. Wechselweise tragen sie das Jesuskind, das Glück, das Heil der Welt. Sie tragen den, der eines Tages sagen wird: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ Wir sehen sie, wie sie nach tausend Beschwernissen der Reise, wie Übeltäter in einem fremden Land ankommen, hier eine Zuflucht zu suchen, die sie in Bethlehem, in ihrem Vaterland, nicht finden konnten. Hier erwarteten sie nun in aller Ruhe die nächste Nachricht des Engels. Es ist fast schon ein blinder Gehorsam dem Herrn gegenüber, den wir beim heiligen Josef beobachten können.
Wie ist nun unser Herz beschaffen? Richtet es sich nach dem Willen Gottes? Nimmt es seine Gebote freudig auf? Und ist unser Herz so eilig, diese schnellstmöglich zu erfüllen? Wären wir doch so schnell beim Erfüllen der kleinsten Gebote, wie Josef es bei den schwersten war!
Es ist ein Gesetz der Welt sein Ansehen zu verteidigen, und viele verteidigen es bis auf ihr Blut. Es ist ein Gesetz der Welt für den Wohlstand zu leben, und viele unterstützen das mit ungeheurem Aufwand. Die Welt befiehlt, und viele überwinden alle Hürden! Gott befiehlt, und wir machen Einwendungen, wir überlegen, ob wir gehorchen wollen. Und wenn wir uns auch seinen Geboten unterwerfen, wenn wir seinen Willen tun, so geschieht es doch öfters wegen unseres zeitlichen Nutzens, wegen einer vorbeirauschenden Ehre. Das menschliche Ansehen treibt uns an, treibt uns weit mehr zu der Beobachtung der Gebote, als der Wille Gottes selbst.
Nein, so war der Gehorsam des heiligen Josef nicht. Sein Gehorsam war ein reiner Gehorsam, rein in der Absicht. Er hat nicht sich selbst, sondern er hat Gott allein, Gottes Willen, Gottes Ehre gesucht.
Er hätte nur wenige Worte sprechen brauchen und er hätte sich beim Volk höchstes Ansehen erworben. Er hätte nur sagen brauchen: „Mein Kind ist der Messias und ich bin sein Pflegevater.“ Diese wenigen Worte hätte es gekostet und er hätte ein königliches Ansehen gehabt. Allein der heilige Josef, der Gemahl der demütigsten Jungfrau, der Nährvater des erniedrigten Gottes, schweigt, er schweigt dreißig Jahre. Jerusalem kennt ihn nicht, es weiß nichts von ihm. Nazareth kennt ihn zwar, aber auch nur als einen Handwerker, der zu tun hat, wenn er sich und seiner Familie das Leben erhalten will.
So uneigennützig war das Herz des heiligen Josef. So wenig hat er sich, hat er seine eigene Ehre, seinen Nutzen gesucht. Gott allein hatte er vor Augen. Gottes Geboten und Befehlen allein wollte er gehorchen. Wenn Gott sprach, hat Josef gehört.
Matthias Hergert