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Inquisition

in Vorträge 27.01.2015 20:34
von Hemma • 589 Beiträge

eine Betrachtung von Josef Bordat

Dass ein Begriff desto bekannter ist, je häufiger er im Diskurs auftaucht, gilt nicht immer. Inquisition etwa ist ein Begriff, von dem man nichts wissen muss, um ihn zitieren zu können, etwa dann, wenn islamistischer Terror die Meinung Anderer gewaltsam zu bekämpfen versucht und man in einer Diskussion darüber zu verstehen geben möchte, die Katholischen Kirche sei im Grunde genauso wie Boko Haram oder Al Kaida. Zumindest gewesen. Wegen der Inquisition.

Die Inquisition bekämpfte die andere Meinung aber gerade nicht durch Terror und Gewalt, sondern prozessual (inquisitio bedeutet „Untersuchung“). Das Inquisitionsverfahren stellte damals (im 13. Jahrhundert) einen juristischen Fortschritt gegenüber dem vorherrschenden Akkusationsverfahren dar, weil erstmals eine unabhängige obrigkeitliche Anklageinstanz eingeführt wurde, eine frühe Form der Staatsanwaltschaft. Die Anklage wurde damit auf Begründetheit geprüft und nicht – wie im bisherigen Akkusationsverfahren – alles zugelassen, auch willkürliche Beschuldigungen der Parteien. Das ist für unser heutiges Strafprozessrecht der entscheidende Fortschritt. In Gestalt der Nebenklage hat die Akkusation zwar überlebt – maßgebend für das Verfahren ist jedoch die Inquisition (Untersuchung durch Beweisaufnahme und Zeugenbefragung) der Sache unter Leitung der Staatsanwaltschaft.

Dass die historischen Inquisitionsverfahren aus heutiger moralischer und rechtlicher Sicht nicht gut waren, hat vor allem zwei Gründe: erstens, weil dabei ein Todesurteil herauskommen konnte, und zweitens, weil bei der Beweisaufnahme gefoltert wurde. Aber man darf historische Institutionen eben nicht ahistorisch betrachten, wenn man ihnen gerecht werden will. Oft entsteht der Eindruck, dass man der Institution Inquisitionsverfahren aber gar nicht gerecht werden will, weil und solange man damit der Katholischen Kirche heute ungerechte Vorhaltungen machen kann, gegen die sich kaum jemand zu wehren wagt.

Und das, obwohl das Inquisitionsverfahren zwar der Idee nach kirchenpolitischen Ursprungs, in der Praxis jedoch schon bald kein kirchenrechtlicher Sonderweg mehr war.
Weltliche Gerichte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit übernahmen das Inquisitionsverfahren sehr schnell und waren – gerade auch im Vergleich zu den Kirchengerichten – nicht gerade zimperlich: Die weltliche Spanische Inquisition führte von Ende des 15. bis Anfang des 18. Jahrhunderts etwa 50.000 Prozesse und verhängte etwa 6.000 Todesurteile. Die meisten davon wurden nur symbolisch vollstreckt, was allerdings nicht an der Gnade der Henker lag, sondern daran, dass man das Urteil in Abwesenheit gefällt hatte.
Die kirchliche Römische Inquisition ließ in dieser Zeit „nur“ 97 Menschen hinrichten, darunter Giordano Bruno. Das ist schlimm und beschämend, selbst wenn Hinrichtungen in die Zeit passen, auch wegen – aus heutiger Sicht – geringfügiger Vergehen: Allein in der Stadt Nürnberg wurden etwa im gleichen Zeitraum zehnmal so viele Menschen hingerichtet, die meisten davon wegen Diebstahl und Raub (534).

Doch das Töten von Menschen, die eine andere Meinung vertreten, ist keineswegs mit dem faktischen Untergang der kirchlichen und staatlichen Inquisitionsverfahren im 18. Jahrhundert beendet. Wenn man bedenkt, dass im Sommer 1794 von den Jakobinern unter Maximilian Robespierre im Namen einer garantiert religionsreinen „Tugend der Vernunft“ etwa 50.000 Menschen hingerichtet wurden, nehmen sich die 97 Opfer von rund zweieinhalb Jahrhunderten Römischer Inquisition plötzlich recht bescheiden aus.

Dass die Verfolgung von Ketzern und Häretikern aus heutiger theologischer Sicht nicht richtig war, ist aber ebenso unbestritten wie die Kritik am Verfahren (Folter) und an der Härte der Urteile (Todesstrafe). Die andere Meinung gilt es in Achtung zur Kenntnis zu nehmen und mit Rücksicht zu bekämpfen – mit Argumenten, Erfahrungen und Einsichten, im gemeinsamen Ringen um die Wahrheit, was das Zugeständnis an die andere Meinung einschließt, dass es auch ihr letztlich um die Wahrheit geht.

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zuletzt bearbeitet 27.01.2015 20:39 | nach oben springen


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