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Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (Papst Pius XI.)

in Enzykliken 06.06.2014 07:28
von MariaMagdalena (gelöscht)
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Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (Papst Pius XI.)

Papst Pius XI.
vom 14. März 1937
an die Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands und die anderen Oberhirten,

die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben,

über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich



Der Text findet sich in: AAS 39 (1937) 145-167; Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfal-

tung, hg. von A.F. Utz und B. v. Galen, Aachen 1976, II 167-219. Zur leichteren Orientierung wurden den

einzelnen Absätzen der Enzyklika nachträglich Nummern vorangestellt. Die Abkürzungen der biblischen

Schriften wurde an die heutige Zitierweise gemäß den Loccumer Richtlinien angepaßt.



Ehrwürdige Brüder!

Gruß und Apostolischen Segen!



1. Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg

der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekenne-

rinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Chri-

stus und dem Reiche Gottes gebracht hat.

2. Diese Unsere Sorge ist nicht vermindert worden durch das, was die Uns an Unserem Krankenlager besu-

chenden Vertreter des hochwürdigsten Episkopates wahrheits- und pflichtgemäß berichtet haben. Neben

viel Tröstlichem und Erhebendem aus dem Bekennerkampf ihrer Gläubigen haben sie bei aller Liebe zu Volk

und Vaterland und bei allem Bestreben nach abgewogenem Urteil auch unendlich viel Herbes und Schlim-

mes nicht übergehen können. Nachdem Wir ihre Darlegungen vernommen, durften Wir in innigem Dank

gegen Gott mit dem Apostel der Liebe sprechen: „Eine größere Freude habe ich nicht, als wenn ich höre:

meine Kinder wandeln in der Wahrheit“[1]. Der unserem verantwortungsvollen apostolischen Amt ziemende

Freimut und der Wille, Euch und der gesamten christlichen Welt die Wirklichkeit in ihrer ganzen Schwere vor

Augen zu stellen, fordern von Uns aber auch, daß Wir hinzufügen: eine größere Sorge, ein herberes Hirten-

leid haben Wir nicht, als wenn Wir hören: viele verlassen den Weg der Wahrheit.[2]

3. Als Wir, Ehrwürdige Brüder, im Sommer 1933 die Uns von der Reichsregierung in Anknüpfung an einen

jahrealten früheren Entwurf angetragenen Konkordatsverhandlungen aufnahmen und zu Euer aller Befriedi-

gung mit einer feierlichen Vereinbarung abschließen ließen, leitete Uns die pflichtgemäße Sorge um die

Freiheit der kirchlichen Heilsmission in Deutschland und um das Heil der ihr anvertrauten Seelen – zugleich

aber auch der aufrichtige Wunsch, der friedlichen Weiterentwicklung und Wohlfahrt des deutschen Volkes

einen wesentlichen Dienst zu leisten.

4. Trotz mancher schwerer Bedenken haben Wir daher Uns damals den Entschluß abgerungen, Unsere

Zustimmung nicht zu versagen. Wir wollten Unsern treuen Söhnen und Töchtern in Deutschland im Rahmen

des Menschenmöglichen die Spannungen und Leiden ersparen, die andernfalls unter den damaligen Ver-

hältnissen mit Gewißheit zu erwarten gewesen wären. Wir wollten allen durch die Tat beweisen, daß Wir,

einzig Christus suchend und das, was Christi ist, niemandem die Friedenshand der Mutterkirche verweigern,

der sie nicht selbst zurückstößt.

5. Wenn der von Uns in lauterer Absicht in die deutsche Erde gesenkte Friedensbaum nicht die Früchte ge-

zeitigt hat, die Wir im Interesse Eures Volkes ersehnten, dann wird niemand in der weiten Welt, der Augen

hat, zu sehen, und Ohren, zu hören, heute noch sagen können, die Schuld liege auf Seiten der Kirche und

ihres Oberhauptes. Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die Verantwortlichkeiten. Er

enthüllt Machenschaften, die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf. In die

Furchen, in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu pflanzen bemüht waren, streuten andere – wie der

„inimicus homo“ der Heiligen Schrift[3] – die Unkrautkeime des Mißtrauens, des Unfriedens, des Hasses, der

Verunglimpfung, der heimlichen und offenen, aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln arbeiten-

den grundsätzlichen Feindschaft gegen Christus und Seine Kirche. Ihnen, und nur ihnen, sowie ihren stillen

und lauten Schildhaltern fällt die Verantwortung dafür zu, daß statt des Regenbogens des Friedens am Hori-

zont Deutschlands die Wetterwolke zersetzender Religionskämpfe sichtbar ist.



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6. Wir sind, Ehrwürdige Brüder, nicht müde geworden, den verantwortlichen Lenkern der Geschicke Eures

Landes die Folgen darzustellen, die aus dem Gewährenlassen oder gar aus der Begünstigung solcher Strö-

mungen sich zwangsweise ergeben müßten. Wir haben alles getan, um die Heiligkeit des feierlich gegebe-

nen Wortes, die Unverbrüchlichkeit der freiwillig eingegangenen Verpflichtungen zu verteidigen gegen Theo-

rien und Praktiken, die – falls amtlich gebilligt – alles Vertrauen töten und jedes auch in Zukunft gegebene

Wort innerlich entwerten müßten. Wenn einmal die Zeit gekommen sein wird, diese Unsere Bemühungen vor

den Augen der Welt offen zu legen, werden alle Gutgesinnten wissen, wo sie die Friedenswahrer und wo die

Friedensstörer zu suchen haben. Jeder, dessen Geist sich noch einen Rest von Wahrheitsempfinden, des-

sen Herz sich noch einen Schatten von Gerechtigkeitsgefühl bewahrt hat, wird dann zugeben müssen, daß

in diesen schweren und ereignisvollen Jahren der Nachkonkordatszeit jedes Unserer Worte und jede Unse-

rer Handlungen unter dem Gesetz der Vereinbarungstreue standen. Er wird aber auch mit Befremden und

innerster Ablehnung feststellen müssen, wie von der anderen Seite die Vertragsumdeutung, die Vertrags-

umgehung, die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder öffentliche Vertragsverletzung zum

ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht wurden.

7. Die von Uns trotz allem bezeigte Mäßigung war nicht eingegeben von Erwägungen irdischer Nützlichkeit

oder gar unziemlicher Schwäche, sondern lediglich von dem Willen, mit dem Unkraut nicht etwa wertvolles

Wachstum auszureißen; von der Absicht, nicht eher öffentlich zu urteilen, als bis die Geister für die Unent-

rinnbarkeit dieses Urteils reif geworden wären; von der Entschlossenheit, die Vertragstreue anderer nicht

eher endgültig zu verneinen, als bis die eiserne Sprache der Wirklichkeit die Hüllen gesprengt hätte, in die

eine planmäßige Tarnung den Angriff gegen die Kirche zu hüllen verstanden hatte und versteht. Auch heute

noch, wo der offene Kampf gegen die konkordatgeschützte Bekenntnisschule und wo die vernichtete Ab-

stimmungsfreiheit der katholischen Erziehungsberechtigten auf einem besonders wesentlichen Lebensgebiet

der Kirche den erschütternden Ernst der Lage und die beispiellose Gewissensnot gläubiger Christen kenn-

zeichnen, rät Uns die Vatersorge um das Heil der Seelen, die etwa noch vorhandenen, wenn auch geringen

Aussichten auf Rückkehr zur Vertragstreue und zu verantwortbarer Verständigung nicht unberücksichtigt zu

lassen. Den Bitten des hochwürdigsten Episkopates folgend werden Wir auch weiterhin nicht müde werden,

bei den Lenkern Eures Volkes Sachwalter des verletzten Rechtes zu sein und Uns – unbekümmert um den

Erfolg oder Mißerfolg des Tages – lediglich Unserem Gewissen und Unserer Hirtenmission gehorchend einer

Geisteshaltung zu widersetzen, die verbrieftes Recht durch offene oder verhüllte Gewalt zu erdrosseln sucht.

8. Der Zweck des gegenwärtigen Schreibens aber, Ehrwürdige Brüder, ist ein anderer. Wie Ihr Uns an Unse-

rem Krankenlager liebevoll Besuch abgestattet habt, so wenden Wir Uns an Euch und durch Euch an die

katholischen Gläubigen Deutschlands, die – wie alle leidenden und bedrängten Kinder – dem Herzen des

gemeinsamen Vaters besonders nahe stehen. In dieser Stunde, wo ihr Glaube im Feuer der Trübsal und der

versteckten und offenen Verfolgung als echtes Gold erprobt wird, wo sie von tausend Formen organisierter

religiöser Unfreiheit umgeben sind, wo der Mangel an wahrheitsgetreuer Unterrichtung und normaler Vertei-

digungsmöglichkeit schwer auf ihnen lastet, haben sie ein doppeltes Recht auf ein Wort der Wahrheit und

der seelischen Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das inhaltsschwere Heilandswort gerichtet

war: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine Brüder“.[4]



Reiner Gottesglaube



9. Habet acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der Gottesglaube, die erste und unersetzbare Grundlage

jeder Religion, in deutschen Landen rein und unverfälscht erhalten bleibe. Gottgläubig ist nicht, wer das Wort

Gottes rednerisch gebraucht, sondern nur, wer mit diesem hehren Wort den wahren und würdigen Gottes-

begriff verbindet.

10. Wer in pantheistischer Verschwommenheit Gott mit dem WeltalI gleich setzt, Gott in der Welt verweltlicht

und die Welt in Gott vergöttlicht, gehört nicht zu den Gottgläubigen.

11. Wer nach angeblich altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung das düstere unpersönliche Schicksal an

die Stelle des persönlichen Gottes rückt, leugnet Gottes Weisheit und Vorsehung, die „kraftvoll und gütig von

einem Ende der Welt zum anderen waltet“[5] und alles zum guten Ende leitet. Ein solcher kann nicht bean-

spruchen, zu den Gottgläubigen gerechnet zu werden.

12. Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder

andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen

wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie

zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und

fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottes-

glauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.



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13. Habet acht, Ehrwürdige Brüder, auf den in Rede und Schrift zunehmenden Mißbrauch, den dreimal heili-

gen Gottesnamen anzuwenden als sinnleere Etikette für irgend ein mehr oder minder willkürliches Gebilde

menschlichen Suchens und Sehnens. Wirkt unter Euren Gläubigen dahin, daß sie solcher Verirrung mit der

wachsamen Ablehnung begegnen, die sie verdient. Unser Gott ist der persönliche, übermenschliche, all-

mächtige, unendlich vollkommene Gott, Einer in der Dreiheit der Personen, dreipersönlich in der Einheit des

göttlichen Wesens, der Schöpfer alles Geschaffenen, der Herr und König und letzte Vollender der Weltge-

schichte, der keine Götter neben sich duldet noch dulden kann.

14. Dieser Gott hat in souveräner Fassung Seine Gebote gegeben. Sie gelten unabhängig von Zeit und

Raum, von Land und Rasse. So wie Gottes Sonne über allem leuchtet, was Menschenantlitz trägt, so kennt

auch Sein Gesetz keine Vorrechte und Ausnahmen. Regierende und Regierte, Gekrönte und Ungekrönte,

Hoch und Niedrig, Reich und Arm stehen gleichermaßen unter Seinem Wort. Aus der Totalität Seiner Schöp-

ferrechte fließt seinsgemäß die Totalität Seines Gehorsamsanspruchs an die Einzelnen und an alle Arten

von Gemeinschaften. Dieser Gehorsamsanspruch erfaßt alle Lebensbereiche, in denen sittliche Fragen die

Auseinandersetzung mit dem Gottesgesetz fordern und damit die Einordnung wandelbarer Menschensat-

zung in das Gefüge der unwandelbaren Gottessatzung.

15. Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von einer nationalen

Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den König und

Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer[6], in die

Grenze eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.

16. Die Bischöfe der Kirche Christi, aufgestellt „für das, was sich auf Gott bezieht“[7], müssen darüber wa-

chen, daß solche verderblichen Irrtümer, denen noch verderblichere Praktiken auf dem Fuße zu folgen pfle-

gen, innerhalb der Gläubigen nicht Boden fassen. Ihre heilige Amtspflicht ist es, soviel an ihnen liegt, alles

zu tun, damit die Gebote Gottes als verpflichtende Grundlage des sittlich geordneten privaten und öffentli-

chen Lebens beachtet und befolgt werden; daß die Majestätsrechte Gottes, der Name und das Wort Gottes

nicht verunehrt werden[8]; daß die Gotteslästerungen – in Wort und Schrift und Bild, zeitweise zahlreich wie

der Sand am Meere – zum Schweigen gebracht werden; daß dem trotzenden Prometheusgeist der Gottes-

verneiner, Gottesverächter und Gotteshasser gegenüber das Sühnegebet der Gläubigen nie erlahme, das

wie Rauchwerk Stunde um Stunde zum Allerhöchsten emporsteigt und Seine strafende Hand aufhält.

17. Wir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern und all den Gläubigen, die in der Verteidigung der

Majestätsrechte Gottes gegen ein angrifflüsternes, von einflußreicher Seite leider vielfach begünstigtes Neu-

heidentum ihre Christenpflicht erfüllt haben und erfüllen. Dieser Dank ist doppelt innig und mit anerkennen-

der Bewunderung für diejenigen verknüpft, die in Ausübung dieser ihrer Pflicht gewürdigt wurden, um Gottes

willen irdische Opfer und irdisches Leid auf sich nehmen zu dürfen.



Reiner Christusglaube



18. Kein Gottesglaube wird sich auf die Dauer rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird

vom Glauben an Christus. „Niemand kennt den Sohn außer dem Vater, und niemand kennt den Vater außer

dem Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will.“[9] „Das ist das ewige Leben, daß sie Dich erkennen, den

allein wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesus Christus.“[10] Es darf also niemand sagen: Ich bin gott-

gläubig, das ist mir Religion genug. Des Heilands Wort hat für Ausflüchte dieser Art keinen Platz. „Wer den

Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater.“[11]

19. In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, ist die Fülle der göttlichen Offenbarung er-

schienen. „Auf vielerlei Art und in verschiedenen Formen hat Gott einst zu den Vätern durch die Propheten

gesprochen. In der Fülle der Zeiten hat Er zu uns durch den Sohn geredet.“[12] Die heiligen Bücher des

Alten Bundes sind ganz Gottes Wort, ein organischer Teil Seiner Offenbarung. Der stufenweisen Entfaltung

der Offenbarung entsprechend liegt auf ihnen noch der Dämmer der Vorbereitungszeit auf den vollen Son-

nentag der Erlösung. Wie es bei Geschichts- und Gesetzbüchern nicht anders sein kann, sind sie in man-

chen Einzelheiten ein Spiegelbild menschlicher Unvollkommenheit, Schwäche und Sünde. Neben unendlich

vielem Hohen und Edlen erzählen sie auch von der Veräußerlichung und Verweltlichung, die in dem die Of-

fenbarung und die Verheißungen Gottes tragenden alttestamentlichen Bundesvolk immer wieder hervorbra-

chen. Für jedes nicht durch Vorurteil und Leidenschaft geblendete Auge leuchtet jedoch aus dem menschli-

chen Versagen, von dem die biblische Geschichte berichtet, um so strahlender das Gotteslicht der über alle

Fehde und Sünde letztlich triumphierenden Heilsführung hervor. Gerade auf solchem, oft düsterem Hinter-

grund wächst die Heilspädagogik des Ewigen in Perspektiven hinein, die wegweisend, warnend, erschüt-

ternd, erhebend und beglückend zugleich sind. Nur Blindheit und Hochmut können ihre Augen vor den heils-

erzieherischen Schätzen verschließen, die das Alte Testament birgt. Wer die biblische Geschichte und die

Lehrweisheit des Alten Bundes aus Kirche und Schule verbannt sehen will, lästert das Wort Gottes, lästert

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den Heilsplan des Allmächtigen, macht enges und beschränktes Menschendenken zum Richter über göttli-

che Geschichtsplanung. Er verneint den Glauben an den wirklichen, im Fleische erschienenen Christus, der

die menschliche Natur aus dem Volke annahm, das ihn ans Kreuz schlagen sollte. Er steht verständnislos

vor dem Weltdrama des Gottessohnes, welcher der Meintat seiner Kreuziger die hohepriesterliche Gottestat

des Erlösertodes entgegensetzte und damit den Alten Bund in dem Neuen Bunde seine Erfüllung, sein Ende

und seine Überhöhung finden ließ.

20. Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhepunkt der Offenbarung ist endgültig, ist verpflichtend für

immer. Diese Offenbarung kennt keine Nachträge durch Menschenhand, kennt erst recht keinen Ersatz und

keine Ablösung durch die willkürlichen „Offenbarungen“, die gewisse Wortführer der Gegenwart aus dem

sogenannten Mythus von Blut und Rasse herleiten wollen. Seitdem Christus der Gesalbte das Werk der

Erlösung vollbracht, die Herrschaft der Sünde gebrochen und uns die Gnade verdient hat, Kinder Gottes zu

werden – seitdem ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie selig

werden können, als der Name Jesus.[13] Kein Mensch – möge auch alles Wissen, alles Können, alle äußer-

liche Macht der Erde in ihm verkörpert sein – kann einen anderen Grund legen als den, der in Christus be-

reits gelegt ist.[14] Wer in sakrilegischer Verkennung der zwischen Gott und Geschöpf, zwischen dem Gott-

menschen und den Menschenkindern klaffenden Wesensunterschiede irgend einen Sterblichen, und wäre er

der Größte aller Zeiten, neben Christus zu stellen wagt, oder gar über Ihn und gegen Ihn, der muß sich sa-

gen lassen, daß er ein Wahnprophet ist, auf den das Schriftwort erschütternde Anwendung findet: „Der im

Himmel wohnt, lachet ihrer“[15].



Reiner Kirchenglaube



21. Der Christusglaube wird sich nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt und umhegt

wird vom Glauben an die Kirche, „die Säule und Grundfeste der Wahrheit“.[16] Christus selbst, Gott hochge-

lobt in Ewigkeit, hat diese Säule des Glaubens aufgerichtet. Sein Gebot, die Kirche zu hören[17],aus den

Worten und Geboten der Kirche Seine eigenen Worte und Gebote herauszuhören[18], gilt für die Menschen

aller Zeiten und Zonen. Die von dem Erlöser gestiftete Kirche ist eine – für alle Völker und Nationen. Unter

ihrem Kuppelbau, der wie Gottes Firmament die ganze Erde überwölbt, ist Platz und Heimat für alle Völker

und Sprachen, ist Raum für die Entfaltung aller von Gott dem Schöpfer und Erlöser in die Einzelnen und in

die Volksgemeinschaften hineingelegten besonderen Eigenschaften, Vorzüge, Aufgaben und Berufungen.

Das Mutterherz der Kirche ist weit und groß genug, um in der gottgemäßen Entfaltung solcher Eigenarten

und Eigengaben mehr den Reichtum der Mannigfaltigkeit zu sehen als die Gefahr von Absonderungen. Sie

freut sich des geistigen Hochstands der Einzelnen und der Völker. Sie sieht in ihren echten Leistungen mit

Mutterfreude und Mutterstolz Erziehungsfrüchte und Fortschritte, die sie segnet und fördert, wo immer sie es

im Gewissen kann. Aber sie weiß auch, daß dieser Freiheit Grenzen gezogen sind durch die Majestät des

Gottesgebotes, das diese Kirche in allem Wesenhaften als untrennbare Einheit gewollt und gegründet hat.

Wer an diese Einheit und Untrennbarkeit rührt, nimmt der Braut Christi eines der Diademe, mit denen Gott

selbst sie gekrönt hat. Er unterwirft ihren auf ewigen Fundamenten ruhenden Gottesbau der Überprüfung

und Umgestaltung durch Baumeister, denen der Vater im Himmel keine Bauvollmacht erteilt hat.

22. Die göttliche Sendung der Kirche, die unter Menschen wirkt und durch Menschen wirken muß, mag

schmerzlich verdunkelt werden durch das Menschlich-Allzumenschliche, das zuzeiten immer und immer

wieder als Unkraut unter dem Weizen des Gottesreiches durchwuchert. Wer des Heilands Wort über die

Ärgernisse und die Ärgernisgeber kennt, weiß, wie die Kirche und wie jeder Einzelne über das zu urteilen

hat, was Sünde war und Sünde ist. Wer aber über diesen verurteilenswerten Abweichungen zwischen Glau-

ben und Leben, zwischen Wort und Tat, zwischen äußerer Haltung und innerer Gesinnung bei Einzelnen –

und wären es ihrer auch viele – die Unsumme von echtem Tugendstreben, von Opfersinn, von Bruderliebe,

von heldenhaftem Heiligkeitsdrang vergißt oder gar wissentlich verschweigt, der enthüllt eine bedauernswer-

te Blindheit und Ungerechtigkeit. Wenn dann vollends erkennbar wird, daß er den harten Maßstab, den er an

die gehaßte Kirche anlegt, in demselben Augenblick vergißt, wo es sich um Gemeinschaften anderer Art

handelt, die ihm aus Gefühl oder Interesse nahestehen, dann offenbart er sich in seinem angeblich verletz-

ten Reinlichkeitsgefühl als verwandt mit denen, die nach des Heilands schneidendem Wort über den Splitter

im Auge des Bruders den Balken im eigenen Auge übersehen. So wenig rein aber auch die Absicht derer

ist, die aus der Beschäftigung mit dem Menschlichen in der Kirche einen Beruf, vielfach sogar ein niedriges

Geschäft machen, und obgleich die in Gott ruhende Gewalt des kirchlichen Amtsträgers nicht abhängig ist

von seiner menschlichen und sittlichen Höhe, so ist doch keine Zeitepoche, kein Einzelner, keine Gemein-

schaft frei von der Pflicht ehrlicher Gewissenserforschung, unerbittlicher Läuterung, durchgreifender Erneue-

rung in Gesinnung und Tat. In Unserer Enzyklika über das Priestertum, in Unseren Sendschreiben über die

Katholische Aktion haben Wir mit beschwörender Eindringlichkeit auf die heilige Pflicht aller Angehörigen der

Kirche, und allen voran der Angehörigen des Priester- und Ordensstandes und des Laienapostolats hinge-

wiesen, Glaube und Lebensführung in die von Gottes Gesetz geforderte, von der Kirche mit nimmermüdem

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Nachdruck verlangte Übereinstimmung zu bringen. Und auch heute wiederholen Wir mit tiefem Ernst: es

genügt nicht, zur Kirche Christi zu zähle; man muß auch lebendiges Glied dieser Kirche sein – im Geiste und

in der Wahrheit. Und das sind nur die, die in der Gnade des Herrn stehen und unausgesetzt in Seiner Ge-

genwart wandeln – in Unschuld oder in aufrichtiger und tätiger Buße. Wenn der Völkerapostel, das „Gefäß

der Auserwählung“, seinen Leib unter der Zuchtrute der Abtötung hielt, um nicht, nachdem er anderen ge-

predigt, selbst verworfen zu werden[19], kann es dann für die übrigen, in deren Händen die Wahrung und

Mehrung des Reiches Gottes gelegt ist, einen anderen Weg geben als den der innigsten Verbindung von

Apostolat und Selbstheiligung? Nur so wird der Menschheit von heute und in erster Linie den Widersachern

der Kirche gezeigt, daß das Salz der Erde, daß der Sauerteig des Christentums nicht schal geworden, son-

dern fähig und bereit ist, den in Zweifel und Irrtum, in Gleichgültigkeit und geistiger Ratlosigkeit, in Glau-

bensmüdigkeit und Gottesferne befangenen Menschen der Gegenwart die seelische Erneuerung und Ver-

jüngung zu bringen, deren sie – ob eingestanden oder geleugnet – dringender bedürfen als je zuvor. Eine

sich in allen ihren Gliedern auf sich selbst besinnende, jede Veräußerlichung und Verweltlichung abstreifen-

de, mit den Geboten Gottes und der Kirche ernst machende, in Gottesliebe und tätiger Nächstenliebe sich

bewährende Christenheit wird der im tiefsten Grunde kranken, nach Halt und Wegweisung suchenden Welt

Vorbild und Führerin sein können und müssen, wenn nicht unsagbares Unglück, wenn nicht ein alle Vorstel-

lung hinter sich lassender Niedergang hereinbrechen soll.

23. Jede wahre und dauernde Reform ging letzten Endes vom Heiligtum aus; von Menschen, die von der

Liebe zu Gott und dem Nächsten entflammt und getrieben waren. Aus ihrer großmütigen Bereitschaft her-

aus, auf jeden Ruf Gottes zu hören und ihn zunächst in sich selbst zu verwirklichen, sind sie in Demut und

mit der Selbstsicherheit von Berufenen zu Leuchten und Erneuerern ihrer Zeit herangewachsen. Wo der

Reformeifer nicht aus dem reinen Schoß persönlicher Lauterkeit geboren wurde, sondern Ausdruck und

Ausbruch leidenschaftlicher Anwandlungen war, hat er verwirrt, statt zu klären; niedergerissen, statt aufzu-

bauen; ist er nicht selten der Ausgangspunkt für Irrwege gewesen, die verhängnisvoller waren als die Schä-

den, die man zu bessern beabsichtigte oder vorgab. Gewiß – Gottes Geist weht, wo Er will[20]. Er kann Sich

aus Steinen Wegbereiter Seiner Absichten erwecken[21]. Er wählt die Werkzeuge Seines Willens nach ei-

genen Plänen und nicht nach denen der Menschen. Aber Er, der die Kirche gegründet und sie im Pfingst-

sturm ins Dasein gerufen hat, Er sprengt nicht das Grundgefüge der von Ihm selbst gewollten Heilsstiftung.

Wer vom Geiste Gottes getrieben ist, hat von selbst die gebührende innere und äußere Haltung gegenüber

der Kirche, der Edelfrucht am Baume des Kreuzes, dem Pfingstgeschenk des Gottesgeistes an die füh-

rungsbedürftige Welt.

24. In Euren Gegenden, Ehrwürdige Brüder, werden in immer stärkerem Chor Stimmen laut, die zum Austritt

aus der Kirche aufrufen. Unter den Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stellung den

Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und die damit verbundene Treulosigkeit gegen

Christus den König eine besonders überzeugende und verdienstvolle Form des Treubekenntnisses zu dem

gegenwärtigen Staate darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen,

Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue

der Katholiken und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der

ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches Mitgefühl und tiefstes Mitleid

begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen. Aber – hier

ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung oder Untergang geht, und wo infolge-

dessen dem Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn der Ver-

sucher oder Unterdrücker an ihn herantritt mit dem Judasansinnen des Kirchenaustrittes, dann kann er ihm

nur – auch um den Preis schwerer irdischer Opfer – das Heilandswort entgegenhalten: „Weiche von mir,

Satan, denn es steht geschrieben: den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen.“[22] Zu

der Kirche aber wird er sprechen: Du meine Mutter von den Tagen meiner Kindheit an, mein Trost im Leben,

meine Fürbitterin im Sterben – mir soll die Zunge am Gaumen kleben, wenn ich – irdischen Lockungen oder

Drohungen weichend – an meinem Taufgelübde zum Verräter würde. Solchen aber, die vermeinen, sie

könnten mit äußerlichem Kirchenaustritt das innere Treuverhältnis zur Kirche verbinden, möge des Heilands

Wort ernste Warnung sein: „Wer Mich vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater

verleugnen, der im Himmel ist.“[23]



Reiner Glaube an den Primat



25. Der Kirchenglaube wird nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an

den Primat des Bischofs von Rom. In dem gleichen Augenblick, wo Petrus, allen Aposteln und Jüngern vor-

an, den Glauben an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, bekannte, war die seinen Glauben und sein

Bekenntnis belohnende Antwort Christi das Wort von dem Bau seiner Kirche, der einen Kirche, und zwar auf

Petrus dem Felsen[24]. Der Glaube an Christus, an die Kirche, an den Primat stehen also miteinander in

einem geheiligten Zusammenhang. Echte und legale Autorität ist überall ein Band der Einheit, eine Quelle

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der Kraft, eine Gewähr gegen Zerfall und Splitterung, eine Bürgschaft der Zukunft; im höchsten und hehrsten

Sinne da, wo, wie einzig bei der Kirche, solcher Autorität die Gnadenführung des Heiligen Geistes, Sein

unüberwindlicher Beistand verheißen ist. Wenn Leute, die nicht einmal im Glauben an Christus einig sind,

euch das Wunsch- und Lockbild einer deutschen Nationalkirche vorhalten, so wisset: sie ist nichts als eine

Verneinung der einen Kirche Christi, ein offenkundiger Abfall von dem an die ganze Welt gerichteten Missi-

onsbefehl, dem nur eine Weltkirche genügen und nachleben kann. Der geschichtliche Weg anderer Natio-

nalkirchen, ihre geistige Erstarrung, ihre Umklammerung oder Knechtung durch irdische Gewalten zeigen

die hoffnungslose Unfruchtbarkeit, der jeder vom lebendigen Weinstock der Kirche sich abtrennende Reb-

zweig mit unentrinnbarer Sicherheit anheimfällt. Wer solchen Fehlentwicklungen daher gleich von den ersten

Anfängen an sein wachsames und unerbittliches Nein entgegensetzt, dient nicht nur der Reinheit seines

Christenglaubens, sondern auch der Gesundheit und Lebenskraft seines Volkes.



Keine Umdeutung heiliger Worte und Begriffe



26. Ein besonders wachsames Auge, Ehrwürdige Brüder, werdet Ihr haben müssen, wenn religiöse Grund-

begriffe ihres Wesensinhaltes beraubt und in einem profanen Sinne umgedeutet werden.

27. Offenbarung im christlichen Sinn ist das Wort Gottes an die Menschen. Dieses gleiche Wort zu gebrau-

chen für die „Einflüsterungen“ von Blut und Rasse, für die Ausstrahlungen der Geschichte eines Volkes ist in

jedem Fall verwirrend. Solch falsche Münze verdient nicht, in den Sprachschatz eines gläubigen Christen

überzugehen.

28. Glauben ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart hat und durch die Kirche zu glau-

ben vorstellt: „die feste Überzeugung vom Unsichtbaren“[25]. Das freudige und stolze Vertrauen auf die Zu-

kunft seines Volkes, das jedem teuer ist, bedeutet etwas ganz anderes als der Glaube im religiösen Sinne.

Das eine gegen das andere auszuspielen, das eine durch das andere ersetzen wollen und daraufhin verlan-

gen, von dem überzeugten Christen als „gläubig“ anerkannt zu werden, ist ein leeres Spiel mit Worten oder

bewußte Grenzverwischung oder Schlimmeres.

29. Unsterblichkeit im christlichen Sinn ist das Fortleben des Menschen nach dem irdischen Tode als per-

sönliches Einzelwesen – zum ewigen Lohn oder zur ewigen Strafe. Wer mit dem Worte Unsterblichkeit

nichts anderes bezeichnen will als das kollektive Mitfortleben im Weiterbestand seines Volkes für eine unbe-

stimmt lange Zukunft im Diesseits, der verkehrt und verfälscht eine der Grundwahrheiten des christlichen

Glaubens, rührt an die Fundamente jeder religiösen, eine sittliche Weltordnung fordernden Weltanschauung.

Wenn er nicht Christ sein will, sollte er wenigstens darauf verzichten, den Wortschatz seines Unglaubens

aus christlichem Begriffsgut zu bereichern.

30. Erbsünde ist die erbliche, wenn auch nicht persönliche Schuld der Nachkommen Adams, die in ihm ge-

sündigt haben[26], Verlust der Gnade und damit des ewigen Lebens, mit dem Hang zum Bösen, den jeder

durch Gnade, Buße, Kampf, sittliches Streben zurückdrängen und überwinden muß. Das Leiden und Ster-

ben des Gottessohnes hat die Welt vom Erbfluch der Sünde und des Todes erlöst. Der Glaube an diese

Wahrheiten, denen heute in Eurem Vaterlande der billige Spott der Christusgegner gilt, gehört zum unver-

äußerlichen Bestand der christlichen Religion.

31. Das Kreuz Christi, mag auch schon sein bloßer Name vielen eine Torheit und ein Ärgernis geworden

sein[27], es bleibt für den Christen das geheiligte Zeichen der Erlösung, die Standarte sittlicher Größe und

Kraft. In seinem Schatten leben wir. In seinem Kusse sterben wir. Auf unserem Grabe soll es stehen als

Künder unseres Glaubens, als Zeuge unserer dem ewigen Licht zugewandten Hoffnung.

32. Demut im Geiste des Evangeliums und Gebet um Gottes Gnadenhilfe sind mit Selbstachtung, Selbstver-

trauen und heldischem Sinn wohl vereinbar. Die Kirche Christi, die zu allen Zeiten bis in die jüngste Gegen-

wart herein mehr Bekenner und freiwillige Blutzeugen zählt als irgendwelche andere Gesinnungsgemein-

schaft, hat nicht nötig, von solcher Seite Belehrungen über Heldengesinnung und Heldenleistung entgegen-

zunehmen. In seinem seichten Gerede über christliche Demut als Selbstentwürdigung und unheldische Hal-

tung spottet der widerliche Hochmut dieser Neuerer seiner selbst.

33. Gnade im uneigentlichen Sinne mag alles genannt werden, was dem Geschöpf vom Schöpfer zukommt.

Gnade im eigentlichen und christlichen Sinne des Wortes umfaßt jedoch die übernatürlichen Erweise göttli-

cher Liebe, die Huld und das Wirken Gottes, durch das Er den Menschen zu jener innersten Lebensgemein-

schaft mit Sich erhebt, die das Neue Testament Gotteskindschaft nennt. „Seht, wie große Liebe uns der

Vater erwiesen hat. Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es auch.“[28] Die Ablehnung dieser übernatürli-

chen Gnadenerhebung aus angeblich deutscher Wesensart heraus ist Irrtum, eine offene Kampfansage an

eine Kernwahrheit des Christentums. Die Gleichsetzung der übernatürlichen Gnade mit den Gaben der Na-

tur ist Eingriff in den durch die Religion geschaffenen und geweihten Wortschatz. Die Hirten und Hüter des

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Volkes Gottes werden gut daran tun, diesem Raub am Heiligtum und dieser Arbeit an der Verwirrung der

Geister mit Wachsamkeit entgegenzuwirken.



Sittenlehre und sittliche Ordnung



34. Auf dem wahren und rein bewahrten Gottesglauben ruht die Sittlichkeit der Menschheit. Alle Versuche,

die Sittenlehre und sittliche Ordnung vom Felsenboden des Glaubens abzuheben und auf dem wehenden

Flugsand menschlicher Normen aufzubauen, führen früher oder später Einzelne und Gemeinschaften in

moralischen Niedergang. Der Tor, der in seinem Herzen spricht, es gibt keinen Gott, wird Wege der sittlichen

Verdorbenheit wandeln.[29] Die Zahl solcher Toren, die heute sich unterfangen, Sittlichkeit und Religion zu

trennen, ist Legion geworden. Sie sehen nicht oder wollen nicht sehen, daß mit der Verbannung des be-

kenntnismäßigen, d. h. klar und bestimmt gefaßten Christentums aus Unterricht und Erziehung, aus der

Mitgestaltung des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens Wege der geistigen Verarmung und des Nie-

dergangs beschritten werden. Keine Zwangsgewalt des Staates, keine rein irdischen, wenn auch in sich

edlen und hohen Ideale, werden auf die Dauer imstande sein, die aus dem Gottes- und dem Christusglau-

ben kommenden letzten und entscheidenden Antriebe zu ersetzen. Nimmt man dem zu höchsten Opfern,

zur Hingabe des kleinen Ich an das Gemeinwohl Aufgerufenen den sittlichen Rückhalt aus dem Ewigen und

Göttlichen, aus dem aufrichtenden und tröstenden Glauben an den Vergelter alles Guten und Ahnder alles

Bösen – dann wird für Ungezählte das Endergebnis nicht sein die Bejahung der Pflicht, sondern die Flucht

vor ihr. Die gewissenhafte Beobachtung der zehn Gebote Gottes und der Kirchengebote, welch letztere

nichts anderes sind als Ausführungsbestimmungen zu den Normen des Evangeliums, ist für jeden Einzel-

menschen eine unvergleichliche Schule planvoller Selbstzucht, sittlicher Ertüchtigung und Charakterfor-

mung. Eine Schule, die viel verlangt, aber nicht zuviel. Der gütige Gott, der als Gesetzgeber spricht: „Du

sollst“, gibt in Seiner Gnade auch das Können und Vollbringen. Sittlichkeitsbildende Kräfte von so starker

Tiefenwirkung ungenützt lassen oder ihnen den Weg in die Bezirke der Volkserziehung gar bewußt zu ver-

sperren, ist unverantwortliche Mitwirkung an der religiösen Unterernährung der Volksgemeinschaft. Die Aus-

lieferung der Sittenlehre an subjektive, mit den Zeitströmungen wechselnde Menschenmeinung, statt ihrer

Verankerung im heiligen Willen des ewigen Gottes, in Seinen Geboten, öffnet zersetzenden Kräften Tür und

Tor. Die hiermit eingeleitete Preisgabe der ewigen Richtlinien einer objektiven Sittenlehre zur Schulung der

Gewissen, zur Veredlung aller Lebensbereiche und Lebensordnungen ist eine Sünde an der Zukunft des

Volkes, deren bittere Früchte die kommenden Geschlechter werden kosten müssen.



Anerkennung des Naturrechts



35. Im verhängnisvollen Zug der Zeit liegt es, wie die Sittenlehre, so auch die Grundlagen des Rechtslebens

und der Rechtspflege vom wahren Gottesglauben und von den geoffenbarten Gottesgeboten mehr und mehr

abzulösen. Wir denken hier besonders an das sogenannte Naturrecht, das vom Finger des Schöpfers selbst

in die Tafeln des Menschenherzens geschrieben wurde[30] und von der gesunden, durch Sünde und Lei-

denschaft nicht verblendeten Vernunft von diesen Tafeln abgelesen werden kann. An den Geboten dieses

Naturrechts kann jedes positive Recht, von welchem Gesetzgeber es auch kommen mag, auf seinen sittli-

chen Gehalt, damit auf seine sittliche Befehlsmacht und Gewissensverpflichtung nachgeprüft werden.

Menschliche Gesetze, die mit dem Naturrecht in unlösbarem Widerspruch stehen, kranken an einem Ge-

burtsfehler, den kein Zwangsmittel, keine äußere Machtentfaltung sanieren kann. Mit diesem Maßstab muß

auch der Grundsatz: „Recht ist, was dem Volke nützt“, gemessen werden, wenn man unterstellt, daß sittlich

Unerlaubtes nie dem wahren Wohle des Volkes zu dienen vermag. Indes hat schon das alte Heidentum

erkannt, daß der Satz, um völlig richtig zu sein, eigentlich umgekehrt werden und lauten muß: „Nie ist etwas

nützlich, wenn es nicht gleichzeitig sittlich gut ist. Und nicht weil nützlich, ist es sittlich gut, sondern weil sitt-

lich gut, ist es auch nützlich.“[31] Von dieser Sittenregel losgelöst, würde jener Grundsatz im zwischenstaat-

lichen Leben den ewigen Kriegszustand zwischen den verschiedenen Nationen bedeuten. Im innerstaatli-

chen Leben verkennt er, Nützlichkeits- und Rechtserwägungen miteinander verquickend, die grundlegende

Tatsache, daß der Mensch als Persönlichkeit gottgegebene Rechte besitzt, die jedem auf ihre Leugnung,

Aufhebung oder Brachlegung abzielenden Eingriff vonseiten der Gemeinschaft entzogen bleiben müssen.

Die Mißachtung dieser Wahrheit übersieht, daß das wahre Gemeinwohl letztlich bestimmt und erkannt wird

aus der Natur des Menschen mit ihrem harmonischen Ausgleich zwischen persönlichem Recht und sozialer

Bindung, sowie aus dem durch die gleiche Menschennatur bestimmten Zweck der Gemeinschaft. Die Ge-

meinschaft ist vom Schöpfer gewollt als Mittel zur vollen Entfaltung der individuellen und sozialen Anlagen,

die der Einzelmensch, gebend und nehmend, zu seinem und aller anderen Wohl auszuwerten hat. Auch

jene umfassenderen und höheren Werte, die nicht vom Einzelnen, sondern nur von der Gemeinschaft ver-

wirklicht werden können, sind vom Schöpfer letzten Endes des Menschen halber gewollt, zu seiner natürli-

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chen und übernatürlichen Entfaltung und Vollendung. Ein Abweichen von dieser Ordnung rüttelt an den

Tragpfeilern, auf denen die Gemeinschaft ruht, und gefährdet damit Ruhe, Sicherheit, ja Bestand der Ge-

meinschaft selbst.

36. Der gläubige Mensch hat ein unverlierbares Recht, seinen Glauben zu bekennen und in den ihm gemä-

ßen Formen zu betätigen. Gesetze, die das Bekenntnis und die Betätigung dieses Glaubens unterdrücken

oder erschweren, stehen im Widerspruch mit einem Naturgesetz.

37. Gewissenhafte, ihrer erzieherischen Pflicht bewußte Eltern haben ein erstes und ursprüngliches Recht,

die Erziehung der ihnen von Gott geschenkten Kinder im Geiste des wahren Glaubens und in Übereinstim-

mung mit seinen Grundsätzen und Vorschriften zu bestimmen. Gesetze oder andere Maßnahmen, die die-

sen naturrechtlich gegebenen Elternwillen in Schulfragen ausschalten oder durch Drohung und Zwang un-

wirksam machen, stehen im Widerspruch zum Naturrecht und sind im tiefsten und letzten Kern unsittlich.

38. Die Kirche, die berufene Hüterin und Auslegerin des göttlichen Naturrechts, kann daher gar nicht anders,

als die im Zustand notorischer Unfreiheit erfolgten Schuleinschreibungen der jüngsten Vergangenheit als ein

Zwangsprodukt zu erklären, dem jeglicher Rechtscharakter abgeht.



An die Jugend



39. Als Stellvertreter dessen, der im Evangelium zu einem Jungmann gesprochen hat: „Willst du zum Leben

eingehen, so halte die Gebote“[32], richten Wir ein besonders väterliches Wort an die Jugend.

40. Von tausend Zungen wird heute vor euren Ohren ein Evangelium verkündet, das nicht vom Vater im

Himmel geoffenbart ist. Tausend Federn schreiben im Dienst eines Scheinchristentums, das nicht das Chri-

stentum Christi ist. Druckerpresse und Radio überschütten euch Tag für Tag mit Erzeugnissen glaubens-

und kirchenfeindlichen Inhalts und greifen rücksichtslos und ehrfurchtslos an, was euch hehr und heilig sein

muß.

41. Wir wissen, daß viele, viele von euch um der Treue zu Glauben und Kirche, um der Zugehörigkeit zu

kirchlichen, im Konkordat geschützten Vereinigungen willen düstere Zeiten der Verkennung, der Beargwöh-

nung, der Schmähung, der Verneinung eurer vaterländischen Treue, vielfacher Schädigung im beruflichen

und gesellschaftlichen Leben ertragen mußten und müssen. Es ist uns nicht unbekannt, wie mancher unge-

nannte Soldat Christi in euren Reihen steht, der trauernden Herzens, aber erhobenen Hauptes sein Schick-

sal trägt und Trost findet allein in dem Gedanken, für den Namen Jesu Schmach zu leiden.[33]

42. Heute, wo neue Gefahren drohen und neue Spannungen, sagen Wir dieser Jugend: „Wenn jemand euch

ein anderes Evangelium verkünden wollte als jenes, das ihr empfangen habt“ auf den Knien einer frommen

Mutter, von den Lippen eines gläubigen Vaters, aus dem Unterricht eines seinem Gotte und seiner Kirche

treuen Erziehers – „der sei ausgeschlossen.“[34] Wenn der Staat eine Staatsjugend gründet, die Pflichtorga-

nisation für alle sein soll, dann ist es, unbeschadet der Rechte der kirchlichen Vereinigungen, selbstver-

ständlicher und unveräußerlicher Rechtsanspruch der Jungmannen selbst und ihrer für sie vor Gott verant-

wortlichen Eltern, zu fordern, daß diese Pflichtorganisation von all den Betätigungen christentums- und kir-

chenfeindlichen Geistes gesäubert werde, die bis in die jüngste Vergangenheit, ja bis in die Gegenwart her-

ein die gläubigen Eltern in unlösbare Gewissenskonflikte zwingen, da sie dem Staat nicht geben können,

was im Namen des Staates verlangt wird, ohne Gott zu rauben, was Gottes ist.

43. Niemand denkt daran, der Jugend Deutschlands Steine in den Weg zu legen, der sie zur Verwirklichung

wahrer Volksgemeinschaft führen soll, zur Pflege edler Freiheitsliebe, zu unverbrüchlicher Treue gegen das

Vaterland. Wogegen Wir uns wenden und Uns wenden müssen, ist der gewollte und planmäßig geschürte

Gegensatz, den man zwischen diesen Erziehungszielen und den religiösen aufreißt. Und darum rufen Wir

dieser Jugend zu: Singt Eure Freiheitslieder, aber vergeßt über ihnen nicht die Freiheit der Kinder Gottes!

Laßt den Adel dieser unersetzbaren Freiheit nicht hinschwinden in den Sklavenketten der Sünde und Sin-

nenlust! Wer das Lied der Treue zum irdischen Vaterland singt, darf nicht in Untreue an seinem Gott, an

seiner Kirche, an seinem ewigen Vaterland zum Überläufer und Verräter werden. Man redet zu euch viel von

heldischer Größe, in bewußtem und unwahrem Gegensatz zur Demut und Geduld des Evangeliums. Warum

verschweigt man euch, daß es auch ein Heldentum gibt im sittlichen Kampf? Daß die Bewahrung der Rein-

heit des Tauftages eine heldische Tat darstellt, die im religiösen und im natürlichen Bereich der verdienten

Wertung sicher sein sollte? Man redet euch viel vor von menschlichen Schwächen in der Geschichte der

Kirche. Warum verschweigt man euch die Großtaten, die ihren Weg durch die Jahrhunderte begleiten, die

Heiligen, die sie hervorbrachte, den Segen, der aus der lebendigen Verbindung zwischen dieser Kirche und

eurem Volke für die abendländische Kulturwelt floß? Man redet zu euch viel von sportlichen Übungen. Mit

Maß und Ziel betrieben, bedeutet die körperliche Ertüchtigung eine Wohltat für die Jugend. Ihrem Betäti-

gungsraum wird jetzt aber vielfach ein Umfang gegeben, der weder der harmonischen Gesamtausbildung

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von Körper und Geist, noch der gebührenden Pflege des Familienlebens, noch dem Gebot der Sonntagshei-

ligung Rechnung trägt. Mit einer an Nichtachtung grenzenden Gleichgültigkeit werden dem Tag des Herrn so

seine Weihe und Sammlung genommen, wie sie bester deutscher Überlieferung entsprechen. Wir erwarten

vertrauensvoll von der gläubigen katholischen Jugend, daß sie in der schwierigen Umwelt der staatlichen

Pflichtorganisationen ihr Recht auf christliche Sonntagsheiligung nachdrücklich geltend macht, daß sie über

der Ertüchtigung des Leibes ihre unsterbliche Seele nicht vergißt, daß sie sich nicht vom Bösen überwinden

läßt, vielmehr durch das Gute das Böse zu überwinden trachtet[35]; daß ihr höchster und heiligster Ehrgeiz

der bleibt, in der Rennbahn des ewigen Lebens den Siegeskranz zu erringen.[36]



An die Priester und Ordensleute



44. Ein besonderes Wort der Anerkennung, der Aufmunterung, der Mahnung richten Wir an die Priester

Deutschlands, denen in Unterordnung unter ihre Bischöfe in schwerer Zeit und unter harten Umständen die

Aufgabe obliegt, der Herde Christi die rechten Wege zu weisen in Lehre und Beispiel, in täglicher Hingabe,

in apostolischer Geduld. Werdet nicht müde, geliebte Söhne und Mitteilhaber an den heiligen Geheimnissen,

dem ewigen Hohenpriester Jesus Christus zu folgen in Seiner Samariterliebe und Samaritersorge. Bewährt

euch Tag für Tag in makellosem Wandel vor Gott, in unablässiger Selbstzucht und Selbstvervollkommnung,

in erbarmender Liebe zu allen euch Anvertrauten, insbesondere zu den Gefährdeten, den Schwachen und

Schwankenden. Seid die Führer der Treuen, die Stütze der Strauchelnden, die Lehrer der Zweifelnden, die

Tröster der Trauernden, die uneigennützigen Helfer und Berater aller. Die Prüfungen und Leiden, durch die

euer Volk in der Nachkriegszeit hindurchgeschritten ist, sind nicht spurlos an seiner Seele vorübergegangen.

Sie haben Spannungen und Bitterkeiten hinterlassen, die erst langsam ausheilen können, deren echte

Überwindung nur möglich sein wird im Geiste uneigennütziger und tätiger Liebe. Diese Liebe, die das unent-

behrliche Rüstzeug des Apostels ist, zumal in der aufgewühlten und haßverzehrten Welt der Gegenwart,

wünschen und erflehen Wir euch vom Herrn in überreichem Maße. Die apostolische Liebe wird Euch viele

unverdiente Bitterkeiten, wenn nicht vergessen, so doch verzeihen lassen, die auf euren Priester- und Seel-

sorgspfaden heute zahlreicher sind als je zuvor. Diese verstehende und erbarmende Liebe zu den Irrenden,

ja selbst zu den Schmähenden bedeutet allerdings nicht und kann nicht bedeuten irgendwelchen Verzicht

auf die Verkündigung, die Geltendmachung, die mutige Verteidigung der Wahrheit und ihre freimütige An-

wendung auf die euch umgebende Wirklichkeit. Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Prie-

sters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit, und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und

Widerlegung des Irrtums, gleich in welcher Form, in welcher Verkleidung, in welcher Schminke er einher-

schreiten mag. Der Verzicht hierauf wäre nicht nur ein Verrat an Gott und eurem heiligen Beruf; er wäre

auch eine Sünde an der Wohlfahrt Eures Volkes und Vaterlandes. All denen, die ihren Bischöfen die bei der

Weihe versprochene Treue gehalten, all denen, die wegen Ausübung ihrer Hirtenpflicht Leid und Verfolgung

tragen mußten und müssen, folgt – für manche bis in die Kerkerzelle und das Konzentrationslager hinein –

der Dank und die Anerkennung des Vaters der Christenheit.

45. Den katholischen Ordensleuten beiderlei Geschlechts gilt ebenfalls Unser väterlicher Dank, verbunden

mit inniger Anteilnahme an dem Geschick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von ihnen aus

segensreicher und liebgewordener Berufsarbeit herausgerissen hat. Wenn einzelne gefehlt und sich ihres

Berufes unwürdig erwiesen haben, so mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen nicht die

Verdienste der gewaltigen Überzahl, die in Uneigennützigkeit und freiwilliger Armut bemüht waren, ihrem

Gott und ihrem Volk mit Hingabe zu dienen. Der Eifer, die Treue, das Tugendstreben, die tätige Nächsten-

liebe und Hilfsbereitschaft der in Seelsorge, Krankendienst und Schule wirkenden Orden sind und bleiben

ein ruhmwürdiger Beitrag zur privaten und öffentlichen Wohlfahrt, denen zweifellos eine spätere, ruhigere

Zeit mehr Gerechtigkeit wird widerfahren lassen als die aufgewühlte Gegenwart. Wir haben das Vertrauen

zu den Leitern der Ordensgenossenschaften, daß sie die Schwierigkeiten und Prüfungen zum Anlaß neh-

men, um durch verdoppelten Eifer, vertieftes Gebetsleben, heiligen Berufsernst und echt klösterliche Zucht

von dem Allmächtigen neuen Segen und neue Fruchtbarkeit auf ihre schwere Arbeit herabzurufen.



An die Getreuen aus dem Laienstande



46. Vor Unserem Auge steht die unübersehbare große Schar treuer Söhne und Töchter, denen das Leid der

Kirche in Deutschland und ihr eigenes Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache Gottes, nichts

von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe und

Priester, nichts von ihrer freudigen Bereitschaft, auch in Zukunft, komme, was da wolle, dem treu zu bleiben,

was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe erworben haben. Ihnen allen senden wir aus ge-

rührtem Herzen Unsern Vatergruß.

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#2

RE: Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (Papst Pius XI.)

in Enzykliken 06.06.2014 07:28
von MariaMagdalena (gelöscht)
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47. Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher

Opfer Christus die Treue hielten und sich nicht bereit fanden die Rechte preiszugeben, die ein feierliches

Abkommen der Kirche ihnen nach Treu und Glauben gewährleistet hatte.

48. Ein besonders inniger Gruß ergeht an die katholischen Eltern. Ihre gottgegebenen Erzieherrechte und

Erzieherpflichten stehen gerade im gegenwärtigen Augenblick im Mittelpunkt eines Kampfes, wie er schick-

salsvoller kaum gedacht werden kann. Die Kirche Christi kann nicht erst anfangen zu trauern und zu klagen,

wenn die Altäre verwüstet werden, wenn sakrilegische Hände die Gotteshäuser in Rauch und Flammen auf-

gehen lassen. Wenn man versucht, den Tabernakel der durch die Taufe geweihten Kinderseele durch eine

christusfeindliche Erziehung zu entweihen, wenn aus diesem lebendigen Tempel Gottes die ewige Lampe

des Christusglaubens herausgerissen und an ihre Statt das Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt werden

soll, der mit dem Glauben des Kreuzes nichts mehr zu tun hat, dann ist die geistige Tempelschändung nahe,

dann wird es für jeden bekennenden Christen Pflicht, seine Verantwortung von der der Gegenseite klar zu

scheiden, sein Gewissen von jeder schuldhaften Mitwirkung an solchem Verhängnis und Verderbnis freizu-

halten. Und je mehr die Gegner sich bemühen, ihre dunklen Absichten abzustreiten und zu beschönigen, um

so mehr ist wachsames Mißtrauen am Platze und mißtrauische, durch bittere Erfahrung aufgerüttelte Wach-

samkeit. Die formelle Aufrechthaltung eines, zudem von Unberufenen kontrollierten und gefesselten Religi-

onsunterrichts im Rahmen einer Schule, die in andern Gesinnungsfächern planmäßig und gehässig dersel-

ben Religion entgegenarbeitet, kann niemals einen Rechtfertigungsgrund abgeben, um einer solchen, religi-

ös zersetzenden Schulart die freiwillige Billigung eines gläubigen Christen einzutragen. Wir wissen, geliebte

katholische Christen, daß von einer solchen Freiwilligkeit bei euch nicht die Rede sein kann. Wir wissen, daß

eine freie und geheime Abstimmung unter euch gleichbedeutend wäre mit einem überwältigenden Plebiszit

für die Bekenntnisschule. Und deshalb werden Wir auch in Zukunft nicht müde werden, den verantwortlichen

Stellen die Rechtswidrigkeit der bisherigen Zwangsmaßnahmen, die Pflichtmäßigkeit der Zulassung einer

freien Willensbildung freimütig vorzuhalten. Inzwischen vergeßt es nicht: Von dem gottgewollten Band der

Verantwortung, das euch mit euren Kindern verknüpft, kann keine irdische Gewalt euch lösen. Niemand von

denen, die euch heute in euren Erzieherrechten bedrängen und euch von euren Erzieherpflichten abzulösen

vorgeben, wird an eurer Statt dem Ewigen Richter antworten können, wenn Er an euch die Frage richtet: Wo

sind die, die ich dir gegeben? – Möge jeder von euch antworten können: „Keinen von denen, die Du mir ge-

geben hast, habe ich verloren“[37].

49. Ehrwürdige Brüder! Wir sind gewiß, daß die Worte, die Wir in entscheidungsvoller Stunde an Euch und

durch Euch an die Katholiken des Deutschen Reiches richten, in den Herzen und in den Taten Unserer treu-

en Kinder das Echo finden werden, daß der liebenden Sorge des gemeinsamen Vaters entspricht. Wenn Wir

etwas mit besonderer Inbrunst vom Herrn erflehen, dann ist es dies: daß Unsere Worte auch das Ohr und

das Herz solcher erreichen und zum Nachdenken stimmen, die bereits begonnen haben, sich von den Loc-

kungen und Drohungen derer einfangen zu lassen, die gegen Christus und Sein heiliges Evangelium stehen.

50. Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage der Wahrheit und zugleich der

Liebe. Weder wollten Wir durch unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden an der mangelnden Aufklä-

rung, noch durch unnötige Strenge an der Herzensverhärtung irgend eines von denen, die Unserer Hirten-

verantwortung unterstehen und denen Unsere Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie zurzeit Wege

des Irrtums und des Fremdseins wandeln. Mögen manche von ihnen, sich den Gepflogenheiten ihrer neuen

Umgebung anpassend, für das verlassene Vaterhaus und den Vater selbst nur Worte der Untreue, des Un-

danks oder gar der Unbill haben, mögen sie vergessen, was sie hinter sich geworfen haben – der Tag wird

kommen, wo das Grauen der Gottesferne und der seelischen Verwahrlosung über diesen heute verlorenen

Söhnen zusammenschlagen, wo das Heimweh sie zurücktreiben wird zu dem „Gott, der ihre Jugend erfreu-

te“[38], und zu der Kirche, deren Mutterhand sie den Weg zum himmlischen Vater gelehrt hat. Diese Stunde

zu beschleunigen, ist der Gegenstand Unserer unaufhörlichen Gebete.

51. So wie andere Zeiten der Kirche wird auch diese der Vorbote neuen Aufstiegs und innerer Läuterung

sein, wenn der Bekennerwille und die Leidensbereitschaft der Getreuen Christi groß genug sind, um der

physischen Gewalt der Kirchenbedränger die Unbedingtheit eines innigen Glaubens, die Unverwüstlichkeit

einer ewigkeitssicheren Hoffnung, die bezwingende Allgewalt einer tatstarken Liebe entgegenzustellen. Die

heilige Fasten- und Osterzeit, die Verinnerlichung durch Buße predigt und des Christen Blick mehr noch als

sonst auf das Kreuz, zugleich aber auch auf die Herrlichkeit des Auferstandenen richtet, sei für alle und je-

den von euch freudig begrüßter und eifrig genutzter Anlaß, Sinn und Seele mit dem Helden-, dem Dulder-,

dem Siegergeist zu erfüllen, der vom Kreuze Christi ausstrahlt. Dann, das sind Wir gewiß, werden die Feinde

der Kirche, die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, daß sie zu früh gejubelt und zu voreilig nach

der Grabschaufel gegriffen haben. Dann wird der Tag kommen, wo an Stelle verfrühter Siegeslieder der

Christusfeinde aus dem Herzen und von den Lippen der Christustreuen das Te Deum der Befreiung zum

Himmel steigen darf; ein Te Deum des Dankes an den Allerhöchsten; ein Te Deum der Freude darüber, daß

das deutsche Volk auch in seinen heute irrenden Gliedern den Weg religiöser Heimkehr beschritten hat, daß

es in leidgeläutertem Glauben sein Knie wieder beugt vor dem König der Zeit und Ewigkeit Jesus Christus,

und daß es sich anschickt, im Kampf gegen die Verneiner und Vernichter des christlichen Abendlandes, in

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Harmonie mit allen Gutgesinnten anderer Völker, den Beruf zu erfüllen, den die Pläne des Ewigen ihm zu-

weisen.

52. Er, der Herz und Nieren durchforscht[39], ist Unser Zeuge, daß Wir keinen innigeren Wunsch haben als

die Wiederherstellung eines wahren Friedens zwischen Kirche und Staat in Deutschland. Wenn aber – ohne

unsere Schuld – der Friede nicht sein soll, dann wird die Kirche Gottes ihre Rechte und Freiheiten verteidi-

gen im Namen des Allmächtigen, dessen Arm auch heute nicht verkürzt ist. Im Vertrauen auf Ihn „hören wir

nicht auf zu beten und zu rufen“[40] für euch, die Kinder der Kirche, daß die Tage der Trübsal abgekürzt und

ihr treu erfunden werdet am Tage der Prüfung; und auch für die Verfolger und Bedränger: der Vater alles

Lichtes und aller Erbarmung möge ihnen eine Damaskusstunde der Erkenntnis schenken, für sich und alle

die vielen, die mit ihnen geirrt haben und irren.

53. Mit diesem Flehgebet im Herzen und auf den Lippen erteilen Wir als Unterpfand göttlicher Hilfe, als Bei-

stand in Euren schweren und verantwortungsvollen Entschließungen, als Stärkung im Kampf, als Trost im

Leid Euch, den bischöflichen Hirten Eures treuen Volkes, den Priestern und Ordensleuten, den Laienapo-

steln der Katholischen Aktion und allen, allen Euren Diözesanen, nicht zuletzt den Kranken und Gefange-

nen, in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen.



Gegeben im Vatikan, am Passionssonntag, den 14. März 1937.

Pius PP. XI.



[1] 3 Joh 4,4. [19] 1 Kor 9,27. [37] Joh 18,9.

[2] Vgl. 2 Petr 2,2. [20] Joh 3,8. [38] Ps 42,4.

[3] Mt 13, 25. [21] Mt 3,9; Lk 3,8. [39] Ps 7,10.

[4] Lk 22,32. [22] Mt 4,10; Lk 4,8. [40] Kol 1,9.

[5] Weish 8,1. [23] Lk 12,9.

[6] Jes 40,15. [24] Mt 16,18.

[7] Hebr 5,1. [25] Hebr 11,1.

[8] Tit 2,5. [26] Röm 5,12.

[9] Mt 11,27. [27] 1 Kor 1,23.

[10] Joh 17,3. [28] 1 Joh 3,1.

[11] 1 Joh 2,23. [29] Ps 13,1.

[12] Hebr 1,1-2. [30] Röm 2,14-15.

[13] Apg 4,12. [31] Cicero de officiis 3, 30.

[14] 1 Kor 3,11. [32] Mt 19,17.

[15] Ps 2,4. [33] Apg 5,41.

[16] 1 Tim 3,15. [34] Gal 1,9.

[17] Mt 18,17. [35] Röm 12,21.

[18] Lk 10,16. [36] 1 Kor 9,24-25.

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