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Ex-Papst über kirchlichen Missbrauch: "Ich habe nie versucht, diese Dinge zu beschönigen"

in Vorträge 01.10.2013 22:21
von blasius (gelöscht)
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Von Annette Langer






DPA
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. und sein Nachfolger Franziskus im März

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat sich erstmals nach seinem Rücktritt zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief setzt er sich mit einem namhaften italienischen Atheisten auseinander - auch über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
Rom - Zum ersten Mal seit seinem historischen Rücktritt vom Amt hat Joseph Ratzinger sein selbstauferlegtes Schweigen gebrochen. In einem elf Seiten langen Brief wendet er sich an den Mathematiker und Wissenschaftshistoriker Piergiorgio Odifreddi - einen namhaften italienischen Atheisten, der sich in seinen Publikationen kritisch mit Religion und Kirche auseinandergesetzt hat.

Im Jahr 2011 veröffentlichte Odifreddi ein Buch mit dem Titel "Warum wir keine Christen sein können (und schon gar keine Katholiken)" Dann wandte sich der Logiker mit dem Brief "Lieber Papst, ich schreibe Dir" direkt an Benedikt XVI. - der ihm nun mit reichlich Verspätung darauf antwortete.

Zu Beginn tritt Ratzinger Odifreddis Vorwurf entgegen, die Theologie sei keine Wissenschaft sondern Science Fiction. "Das Wesentliche ist, dass man eine nachprüfbare Methode anwendet, Gutdünken ausschließt und Rationalität garantiert", schreibt der Ex-Papst und fügt fast scherzhaft hinzu: "Sie sollten zumindest anerkennen, dass im Bereich der Geschichte und des philosophischen Gedankens die Theologie doch nachhaltige Resultate erzielt hat."

Was Odifreddi über Jesus Christus schreibe, sei seines wissenschaftlichen Ranges nicht würdig, urteilt Ratzinger. Dass man nichts Verifizierbares über die historische Figur wisse, sei nicht wahr, schreibt er und empfiehlt Fachliteratur zum Thema.
"Alles Mögliche tun, damit sich solche Fälle nicht wiederholen"
Wenig humorvoll reagiert Ratzinger auf die kritischen Positionen des Mathematikers in Sachen katholische Moral. "Das, was Sie zum moralischen Missbrauch von Minderjährigen durch Priester sagen, kann ich - wie Sie wissen - nur mit tiefer Bestürzung zur Kenntnis nehmen. Ich habe nie versucht, diese Dinge zu beschönigen."

Moralischer Missbrauch? Mit Sicherheit. Aber auch körperlicher, sexueller, sehr konkreter Missbrauch und Misshandlungen, die erst ab Mitte der neunziger Jahre sukzessive an die Öffentlichkeit drangen. In mehr als 25 Bistümern soll es deutschlandweit zu Übergriffen gekommen sein. Auch in Irland, den USA und Großbritannien sowie vielen anderen Ländern der Welt kam es zu massivem Missbrauch.
Der SPIEGEL berichtete 2010 von Vorwürfen gegen Kardinal Ratzinger, der sich Anfang der achtziger Jahre in seiner Funktion als Erzbischof in München nicht ausreichend darum gekümmert haben soll, einen mutmaßlichen Kinderschänder aus der Kinder- und Jugendseelsorge zu entfernen.

Vertreter von Missbrauchsopfern bemängeln seit jeher, Ratzinger habe es an Engagement fehlen lassen, wenn es darum ging, die Verbrechen aufzuarbeiten und Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Dass die "Macht des Bösen so weit in die innere Welt des Glaubens vordringen konnte", ist für Ratzinger auch heute noch "eine Qual, die wir auf der einen Seite ertragen müssen, zur selben Zeit aber auch alles Mögliche tun müssen, damit sich solche Fälle nicht wiederholen."

Es sei ein schwacher Trost, dass Soziologen zu dem Schluss gekommen seien, die Zahl der Priester, die solche Verbrechen begangen hätten, sei nicht größer als die der Täter in anderen Berufen. "In jedem Fall sollte man aber diese Abweichung nicht ostentativ als Schmutz darstellen, der spezifisch ist für den Katholizismus."
Papstaktion im Doppelpack?

Im Kern sagt Ratzinger damit nichts Neues. Beobachter witterten unverzüglich eine konzertierte Aktion - einen Öffentlichkeitsvorstoß als Teil einer Missionierungskampagne, die der aktuelle und der emeritierte Papst, die Tür an Tür im Vatikan wohnen, angeblich gemeinsam anstoßen wollen.

Papst Franziskus hatte sich erst vor knapp zwei Wochen mit einem offenen Brief an den italienischen Journalisten und Ex-Abgeordneten der Sozialistischen Partei, Eugenio Scalfari, gewandt. Auch Franziskus ließ sich darin auf philosophische Grundsatzfragen ein, zum Beispiel die Frage, ob Gott auch jenen vergibt, die nicht an ihn glauben (Ja).
Vatikan-Sprecher Federico Lombardi dementierte umgehend. Es sei purer Zufall, dass beide Päpste kurz hintereinander im Briefwechsel mit namhaften Atheisten gestanden hätten. Es habe keine Zusammenarbeit gegeben.

Der ganz dem Logos verschriebene Odifreddi fühlte sich laut einem Blog-Eintrag auf der Webseite der "Repubblica" geehrt von der intellektuellen Zuwendung des Ex-Papstes. "Dass er mir antworten könne und sogar meinen Brief ausführlich kommentieren würde, habe ich nicht zu hoffen gewagt." Beide Parteien hätten mitnichten versucht, sich gegenseitig zu bekehren. "Wir sind fast in allem anderer Meinung, aber vereint in mindestens einem Ziel: Der Suche nach der Wahrheit."
Odifreddi hatte einst sein ganz persönliches Glaubensbekenntnis formuliert. Darin heißt es: "Ich glaube an einen einzigen Gott, die Natur, allmächtige Mutter, Schöpferin des Himmels und der Erde, aller Dinge, sichtbar oder unsichtbar. (...) Ich glaube an den Geist, der Herr ist und Bewusstheit gibt über das Leben. "

Ratzinger scheint das nicht in seinen theologischen Grundfesten erschüttert zu haben. Am Ende entschuldigt sich der emeritierte Papst für seine harsche Kritik an Odifreddi, dankt ihm für den offenen Dialog und wünscht weiter viel Erfolg bei der Arbeit.
Aus:

http://www.spiegel.de/panorama/gesellsch...i-a-924314.html

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