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Die Natur des Glaubens

in Diskussionsplattform (2) 24.08.2013 21:03
von Kristina (gelöscht)
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Die Natur des Glaubens

Es gibt kein Wort unserer religiösen Sprache, das in unseren Tagen so inbrünstig geliebt und doch oft so vollkommen entwertet wird, ja sogar entwürdigt wird, wie das Wort Glaube. Der Glaube an Dogmen wird vielfach leidenschaftlich abgelehnt, ebenso der Glaube an Gottes Offenbarung, wenn man darunter die christliche Offenbarung versteht. Man will lieber in religiösen Dingen nichts wissen, als sich von Gott belehren lassen. So verliert der Glaube seinen Adel. Er sinkt herab zu einem bloßen Ahnen einer höheren Welt oder zu einem blinden Gefühl, das unter dem Druck des Lebensdurstes mit Hilfe der Phantasie sich schützende, tröstende und helfende Mächte schafft, um im Lebenskampfe oder im Ringen um ein höheres Menschentum nicht unterzugehen. Ja oft verliert das Wort jeden Zusammenhang mit Gott und der Gotteswelt. Man glaubt an den Fortschritt der Menschheit oder wenigstens einzelner Menschenrassen. Man glaubt, daß ein goldenes Zeitalter auf der Erde erscheinen werde, wo Friede nach innen und außen herrscht, weil die Gerechtigkeit und Liebe gesiegt haben.

1. Der Glaube im christlichen Sinne ist zunächst ein Fürwahrhalten alles dessen, was Gott geoffenbart hat und uns die Kirche zu glauben vorstellt, gehört also ins Reich der Erkenntnis, Privatoffenbarungen gehören nicht zum Gegenstand des Glaubens, auch dann nicht, wenn die Kirche sie gebilligt oder gelobt hat. Die Kirche urteilt nicht über ihren göttlichen Ursprung, aber sie erlaubt ihre Verbreitung, wenn sie nichts gegen den Glauben enthalten, oder empfiehlt sie, wenn sie der Erbauung dienen können.

Im Glauben des Katholiken hat auch die Kirche ihre Stelle; sie hat die Aufgabe, die göttliche Offenbarung zu verkündigen. Es gibt Theologen, die die unfehlbare Vorlage der Kirche für jeden Glaubensakt für unerläßlich halten. Soll der Glaube göttlich sein, dann muß er es in jeder Hinsicht sein: von Gott offenbart, von Gottes Wahrhaftigkeit garantiert, unter Gottes Beistand von der Kirche vorgetragen, von Gott in der Seele gnadenhaft begründet. Stellt man sich auf diesen Standpunkt, dann können nur jene Wahrheiten geglaubt werden, die die Kirche zu glauben vorgestellt hat; alle nicht vorgelegten Inhalte der Heiligen Schrift nimmt der Katholik in der allgemeinen Formel (eingeschlossener Glaube) an: Ich glaube alles, was Gott geoffenbart hat. Es gibt freilich Theologen, die die Vorlage durch die Kirche nicht für unbedingt notwendig halten. Auch Lehren, die durch die Forschungsarbeit der Theologen als göttliche Offenbarung nachgewiesen sind, könnten in diesem Falle geglaubt werden. Ich halte diese Lehre für falsch und gefährlich. Döllinger lehnte das Vatikanische Dogma über den Papst ab, weil ihm, wie er sagte, durch seine Forschungsarbeit das Gegenteil der Kirchenlehre zur Gewißheit geworden sei. Auch die angebliche Erleuchtung jedes einzelnen durch den Heiligen Geist kann die Vorlage durch die Kirche nicht ersetzen, weil sich schwer feststellen läßt, ob der Heilige Geist oder ein Irrgeist wirksam ist.

2. Der Glaube ist vielmehr als Erkenntnis, er ist auch Sache des Willens. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Jedes echte Wissen beruht auf klarer Einsicht in den Sachverhalt. Die Wahrheiten des Glaubens aber werden auf das Zeugnis Gottes hin angenommen, trotzdem sie unbegreiflich und geheimnisvoll sind. So ist der Glaube kein artreines Erkennen. Er bedeutet eine Bereicherung des Verstandes nur nach der inhaltliches Seite hin, da der Mensch Erkenntnisse gewinnt, die über dem natürlich-findbaren Wissen liegen. Er gibt dem Geiste aber nicht die von ihm geforderte Gewißheit, daß die Sache so sein muß, wie der Glaube sie lehrt, daß sie gar nicht anders sein kann. Deshalb vergleicht Bonaventura den Glauben, soweit es sich um Wahrheitsgewinnung handelt, mit dem Stammeln des Kindes. Die mittelalterlichen Theologen lehrten allgemein, daß der Glaube unter dem Wissen stehe, aber über der bloßen Meinung. Wegen diese Unvollkommenheit verschwindet er in der Ewigkeit und geht in das Schauen über. Wenn deshalb das Glauben auch dem Verstande nicht natürlich ist, so ist es dem Menschen in seiner Ganzheit um so natürlicher. Der Mensch hat eine Glaubensanlage, die auf seiner Gottförmigkeit beruht. Sie ist das Organ, das ihn befähigt, die Spuren des Göttlichen überall zu entdecken. Die Seele des Menschen sucht Gott und findet ihn als ihren Schöpfer und Herrn, als ihr höchstes und letztes Glück. Deshalb ist sie bereit, ihm in Glaube, Hoffnung und Liebe anzuhangen. Der Glaube ist kein bitteres Muß, kein Opfer des Verstandes, kein ängstliches Fliehen vor der ewigen Verdammnis, sondern die frohe Hingabe des ganzen Menschen, seines Verstandes und seiner Seele, all seiner Hoffnung und Sehnsucht an Gott. Er ist das Petrusbekenntnis: "Du hast Worte des ewigen Lebens."

3. Daß der Glaube ohne Gottes Gnade nicht möglich ist, hat die Kirche wiederholt erklärt, auf dem Vatikanischen Konzil (D. 1798). Dabei betont sie ausdrücklich, daß die Gnade nicht nur zum Leben aus dem Glauben notwendig ist, sondern auch schon zu seiner Annahme. Die Gnade ist schon wirksam, wenn in der Seele sich die fromme Sehnsucht regt, Gott gläubig anhangen zu dürfen. Die Heilige Schrift spricht dieses geheimnisvolles Walten Gottes in der Seele deutlich aus. Das erste Glaubensbekenntnis an den Messias begleitet Christus mit den Worten: "Das hat dir nicht Fleisch und Blut geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist" (Matth. 16,17). Nach Christi Wort kommt niemand zum christlichen Glauben, wenn der Vater ihn nicht zieht (Joh. 6,44). Das göttliche Ziehen ist kein gewaltsames Zerren, sondern ein frommes Sehnen, das Gott in der Seele weckt. Paulus nennt den Glauben eine Gnade (Phil. 1,29). Der Purpurhändlerin Lydia öffnet Gott das Herz für die gläubige Annahme der apostolischen Predigt (Apg. 16,14). Es ist unmöglich, alle Züge des göttlichen Waltens, von denen die Schriften des Neuen Testamentes beim Bekehrungserlebnis der ersten Christen sprechen, zur Darstellung zu bringen. Die heiligen Schriftsteller werden nicht müde, die Neubekehrten zum Gebete aufzufordern, damit auch andere zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim. 2 ff.). Ja, für Christus selbst ist es ein rührendes Gebetsanliegen, für Petrus zu beten, daß sein Glaube nicht wanke (Luk. 22,32), und für alle Apostel und Gläubigen, daß Gott sie in der Wahrheit erhalte und heilige (Joh. 17,9 ff.).

4. Der Glaube ist also eine schöpferische Tat Gottes, nach dem Konzil von Trient (D. 801) der Anfang des neuen Lebens aus Gott. Fundament und Wurzel des christlichen Lebens. Auf dem Fundamente ruht das Gebäude; Sein oder Nichtsein des Gebäudes hängt von der Festigkeit des Fundamentes ab. Durch die Wuzel erhält die Pflanze ihre Nahrung. So ist der Glaube auch die Wurzel, aus der das christliche Denken und Fühlen, Wollen und Handeln seine Kraft empfängt. Abfall vom Glauben oder freiwillige Glaubenszweifel sind seelische Krankheitserscheinungen; auch religiöse Gleichgültigkeit ist Sünde. Wenn Gott sich offenbart, ist es nicht in das Belieben des Menschen gestellt, ob er ihn hören will oder nicht. Er darf nicht sagen: Behalte die reine Wahrheit für dich; ich schätze nur das ewige Forschen nach Wahrheit, selbst wenn ich nie die Wahrheit finden werde.

5. Man hat die Frage aufgeworfen, ob der Glaubensabfall eines Katholiken überhaupt möglich sei ohne schwere Schuld. Das Vatikanische Konzil erklärt (D. 1794): "Der allmächtige Gott stärkt diejenigen, die er aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat, damit sie den Glauben bewahren; er verläßt keinen, wenn er nicht verlassen wird." An einer anderen Stelle: "Jene, die den Glauben unter Anleitung des kirchlichen Lehramtes empfangen haben, können niemals einen gerechten Grund haben, ihren Glauben zu wechseln oder in Zweifel zu ziehen" (D. 1793). Das Konzil spricht nur von wohlunterrichteten Katholiken und will nach der gewöhnlichen Erklärung lehren, daß es keine Gründe zum Abfall gibt, die in sich berechtigt sind und jeder Prüfung standhalten können. Doch ist es möglich, daß Vorurteile das Urteil so trüben, daß sich der Mensch für berechtigt hält, der Kirche den Rücken zu kehren. Viele Theologen sprechen keinen Abgefallenen von schwerer Schuld frei; denn Gott verläßt keinen, der ihn nicht zuerst verläßt. Andere aber urteilen milder. Die Loslösung von dem Glauben kann sich ganz allmählich und in ganz kleinen Schritten vollziehen, bis einmal die letzte Katastrophe über den Menschen hereinbricht, die nicht mehr jene Freiheit in der Seele vorfindet, die zu einer Todsünde verlangt wird. Wir stehen hier an der Grenze unseres Wissens, wir wollen nicht richten, sondern beten, daß Gott unseren Glauben stärken möge, allen Gefährdeten seinen Schutz, allen Gestrandeten die Rückkehr in die Heimat des Glaubens schenken möge. Die Kirche gibt uns in den großen Fürbitten, die sie am Karfreitag unter dem Kreuze verrichtet, ein ewig gültiges Muster für ein solches Herzensgebet um die Gnade des Glaubens, das wir oft in tiefer Andacht verrichten sollen.

(entnommen aus: Die Lehre der Kirche, von Professor Dr. Johannes Peter Junglas, Imprimatur 1936)

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