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Kaiser Joseph II. und sein Reformsystem “Josephinismus”

in Wort- und Begrifferklärungen 15.02.2020 08:42
von Blasius • 3.822 Beiträge



1 Kaiser Joseph II. und sein Reformsystem “Josephinismus”
1.1 Charakter und Ideenwelt von Joseph II.
1.2 Seine Wahl zum König
1.3 Seine Reisen unter dem Namen Graf von Falkenstein
1.4 Joseph II. setzt seine Pläne als Kaiser um
1.5 Das System des Josephinismus beginnt
1.6 Aufklärung und Unglaube bereits unter Maria Theresia
1.6.1 Französischer Unglaube beim Hofadel
1.6.2 Der Einfluss von Jansenismus und Gallikanismus
1.6.3 Die febronianische Neuerungspartei dehnt ihren Einfluss aus
1.7 Die Bischöfe versagen in der Verteidigung kirchlicher Rechte

Charakter und Ideenwelt von Joseph II.
Joseph II., römisch-deutscher Kaiser aus dem Hause Habsburg-Lothringen, war der älteste Sohn des Herzogs Franz Stephan von Lothringen, welcher sich 1736 mit der Erzherzogin und späteren Kaiserin Maria Theresia von Österreich vermählt hatte, 1737 Großherzog von Toskana und 1740 Mitregent seiner Gemahlin in Österreich, Ungarn und Böhmen geworden war. Joseph wurde am 13. März 1741 zu Wien geboren; seine Taufpaten waren Papst Benedikt XIV. und König August II. von Polen. Die Erziehung des Prinzen war eine durchaus verfehlte; sein flüchtiges Naturell, sein früh entwickelter Starrsinn, seine Spottsucht und Anmaßung wurden nicht zurück gedrängt, sondern groß gezogen. Schon mit vier Jahren zeigte der Prinz solchen Eigensinn, daß er die Nahrung verweigerte, wenn er nicht erhielt, was er wünschte. Die Kaiserin geriet auf das unglückliche Mittel, durch einen Bauchredner hinter der Tapete den Knaben mit einer Stimme aus der Geisterwelt bedrohen zu lassen; die spätere Einsicht in diese Komödie legte den Grund zu manchen Zweifeln in religiösen Dingen. Die Stelle eines Hofmeister bei ihm übertrug die Kaiserin aus Dankbarkeit gegen die Ungarn dem Grafen und späteren Fürsten Batthyanyi. Dieser tapfere Soldat, welcher leider nichts von Erziehung verstand, suchte den Starrsinn seines Zöglings durch militärische Disziplin zu brechen, vermehrte aber nur das Übel; Joseph fühlte sich als Kronprinz und trotzte jeder Gewaltmaßregel. Bis zu seinem zehnten Jahr musste den Prinzen der Jesuit Bittermann unterrichten, und zwar nicht bloß in Religion und Latein, sondern auch, was den Knaben besonders langweilte, in Mathematik, Geometrie und Kriegsbaukunst. Dann folgte der alte Pedant Bartenstein, welcher ein historisches Unterrichtsbuch in 15 Folianten für den Prinzen zusammen schrieb. Man wird kaum irren, wenn man annimmt, daß dem flüchtigen und phantasievollen Knaben bei solcher Methode durch Bittermann die Religionslehre samt den Jesuiten und durch Bartenstein nicht nur die Geschichte, sondern auch der ganze historische Boden auf Lebenszeit verleidet wurde. Batthyanyi aber war ein Feind der Wissenschaft und ließ oft die Unterrichtsstunden ausfallen, um seinen Zögling ins Ballhaus oder in die Reitschule zu führen.

Nur ein Lehrer gewann später Einfluss auf ihn, der Professor des Naturrechtes an der Wiener Universität, Freiherr von Martini. Dieser begeisterte den Prinzen für die revolutionären Ideen der französischen Ökonomisten. Martini leitete alle Rechtsbegriffe vom sogenannten Naturzustand des Menschen ab und erfüllte allmählich seinen Schüler mit Geringschätzung für alles Herkommen und alles historisch Gewordene, für jedes Vorrecht einzelner Klassen und für korporative Selbständigkeit im Staat. Joseph nahm in sich die Vorstellung auf, daß nur ein einziger uneingeschränkter Herrscherwille das Werk der Reform im Sinne der Humanität und der allgemeinen Volkswohlfahrt vollbringen werde. Diese Überzeugung wurde gekräftigt durch den Einfluss der beiden einzigen Autoritäten, welche jene Zeit kannte, durch die Schriften Voltaire`s und durch das Beispiel Friedrichs II. von Preußen. Während der österreichische und der preußische Adler mit abwechselndem Glück ihre Stärke auf den Schlachtfeldern maßen, weckte der Kriegsruhm Friedrichs in dem feurigen Jüngling eine Eifersucht, welche ihn im späteren Alter zum unbedingten Verehrer und sklavischen Nachahmer des Königs machten. Er wünschte anfänglich nichts sehnlicher, als die Waffen ergreifen zu dürfen, allein die Mutter wehrte es ihm aus Furcht, der Krieg möge in ihm Gleichgültigkeit gegen die Pflichten eines friedliebenden Regenten erzeugen. Dafür suchte ihn die Kaiserin allmählich in die Beteiligung an Staatsgeschäften einzuführen; im Jahre 1761 erhielt er Sitz und Stimme im neu gegründeten Staatsrat.

Im Jahr vorher hatte er sich mit Isabella von Parma verheiratet; als aber diese glückliche Ehe schon 1763 durch den Tod gelöst wurde, bot er mehr aus Politik als aus Neigung seine Hand der Tochter Karl Albrechts von Bayern (Kaisers Karl VII.), um durch sie einstens Erbe der Allodialgüter ihres Bruders zu werden. Diese Hoffnung schlug fehl; Joseph lebte mit Maria Josephine unzufrieden und unglücklich, und als 1767 auch diese Gemahlin ohne Nachkommen starb, gingen die Ansprüche auf das Erbe des Kurfürsten Max Joseph verloren, ein Umstand, der später die für Österreichs Machtstellung unglücklichen Wirren in der bayerischen Erbfolge zur Folge hatte.

Seine Wahl zum König

In einem geheimen Artikel des Hubertsburger Friedens vom Februar 1763 hatte Preußen dem ältesten Sohn der Kaiserin seine Stimme für die Wahl zum römisch-deutschenKönig versprochen. Joseph kam mit seinem Vater nach Frankfurt, wurde dort am 27. März 1764 zum König gewählt und am 3. April feierlich gekrönt. Im folgenden Jahr starb der Vater unerwartet am Schlagfluss. Joseph nahm nun den Titel Kaiser an, und wie sein Vater Mitregent in den Königreichen und den Erbstaaten der Kaiserin gewesen, so berief jetzt Maria Theresia ihren Sohn zu demselben Amt, jedoch mit dem auch 1740 gemachten Vorbehalt, daß sie keineswegs ihre persönliche Oberherrlichkeit über alle Staaten aufgebe. Nur das Militärwesen wurde dem jungen Kaiser ganz überlassen. Seiner absolutistischen Natur sagte die straffe Zentralisierung der Armee durchaus zu, und er versuchte diese auf die ganze Regierung zu übertragen; alle Fäden sollten von ihm ausgehen und in seiner Hand zurück kehren; er wollte Alles wissen, Alles leiten, Alles anordnen. Die Devise des Kaisers war Verbesserung der Gesetzgebung, Förderung des Ackerbaus, des Handels und der Industrie, Beschützung des Volkes gegen die Unterdrückung seitens eines mächtigen Adels; aber diese lobenswerten Pläne wurden in einer Weise ins Werk gesetzt, welche nicht zum Guten führen konnte. Maria Theresia versuchte den überstürzenden Drang des Sohnes zu mäßigen. Hieraus entwickelte sich eine immer wachsende Spannung zwischen Mutter und Sohn. Ein großerTeil der Korrespondenz wurde von Joseph selbst vernichtet, aber schon Andeutungen in dem noch erhaltenen französischen Briefwechsel (herausgegeben von Arneth) lassen das unerquickliche Verhältnis kund werden, und in den höchst vertraulichen Briefen, welche die Kaiserin an ihre Freundin, Marquise D`Herzelle richtete (herausgegeben von Kervyn, Brüssel 1868), offenbaren sich die Schmerzen und Tränen einer tief betrübten und schwer verletzten Mutter. Das Missbehagen des Kaisers über die Hindernisse, die er fand, steigerte sich so sehr, daß er 1774 die Kaiserin bat, ihn seiner Stellung als Mitregenten gänzlich zu entheben.

Seine Reisen unter dem Namen Graf von Falkenstein
Da seine Mutter nicht darauf einging, suchte er durch ausgedehnte Reisen sich zu zerstreuen. Unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein besuchte er die verschiedenen Kronländer und durchzog 1769 Italien. Von politischer Bedeutung waren seine Reisen nach Schlesien und nach Frankreich. Schon 1766 war eine Zusammenkunft mit Friedrich von Preußen verabredet, aber durch die Kaiserin verhindert worden. Seitdem aber hatten sich die politischen Verhältnisse geändert; das Wachsen der russischen Macht gegen Osten machte eine Annäherung zwischen Österreich und Preußen wünschenswert. Die Zusammenkunft fand daher zu Neisse im August 1769 statt. Joseph erwiderte die Freundschafts-Bezeugungen des Königs mit der Versicherung, daß Österreich auf den schlesischen Besitz aufrichtig verzichtet habe. Eine zweite Zusammenkunft erfolgte 1770 im Lager zu Neustadt in Mähren. Hier wurde über die Vermittlung in der russisch-türkischen Frage unterhandelt, als deren letztes Resultat die Teilung Polens erschien, obwohl man an sie bei dieser Zusammenkunft noch nicht gedacht zu haben scheint. Später, weil eine Österreich ungünstige Änderung in der französischen Politik vor sich gegangen war, entschloss sich der Kaiser zu einer Reise nach Paris, woselbst er wiederum als Graf von Falkenstein am 18. April 1777 ankam. Hier prunkte er eigentlich mit seiner Prunklosigkeit und Einfachheit, indem er überall den stärksten Kontrast zur Üppigkeit des Hofes an den Zag zu legen suchte; selbst der Putz seiner königlichen Schwester Marie Antoinette entging seiner Bekrittelung nicht. Auf der anderen Seite zeigte er sich als den Mann von höherem wissenschaftlichem Interesse und strebsamer Bildung, indem er alle öffentlichen Anstalten ohne Unterschied sich zeigen ließ und zugleich persönliche Bekanntschaft mit bedeutenden Männern und Frauen zu machen suchte. Friedrich von Preußen konnte es Joseph kaum verzeihen, daß er bei dieser Gelegenheit an Fernay vorüber reiste, ohne 2den alten Patriarchen der Philosophie“, Voltaire, zu besuchen; gewiß hat er übrigens den Grund dieser Negligenz richtig gefunden, wenn er glaubte, „daß eine gewisse, sehr wenig philosophische Dame Theresia ihrem Sohn verboten habe, den Patriarchen der Toleranz zu besuchen.“ Dafür besuchte Joseph auf seiner Durchreise durch Bern den großen Dichter Haller; in Genf machte er Bekanntschaft mit Saussure, in Waldshut mit Lavater. Indes schien für ihn die Zeit heran zu nahen, wo die ganze Fülle der Regierungsgewalt in seine Hände übergehen sollte. Maria Theresa, die schon längere Zeit kränkelte, starb am 29. November 1780, nachdem sie auf dem Todbett ihrem Sohn noch Unterweisungen in der Staatskunst gegeben und ihn gebeten hatte, niemals von der Religion seiner Väter abzulassen. Dies Ereignis traf den Kaiser nicht unvorbereitet; längst waren seine Pläne entworfen, und es hatte nur an der Möglichkeit gefehlt, sie ungehindert durchführen zu können.

Joseph II. setzt seine Pläne als Kaiser um

Nicht ohne ernste Spannung sah man in Europa den ersten Schritten des Kaisers entgegen, und selbst Friedrich rief aus: „Maria Theresia ist nicht mehr, eine neue Ordnung der Dinge beginnt!“ Dieses Wort hatte für die österreichischen Erblande seine volle Richtigkeit. Der Kaiser hatte sich als bestimmtes und klares Ziel vorgesetzt, aus den verschiedenen Teilen der österreichischen Monarchie einen großen Staat zu schaffen, der nach innen gleichförmig, nach außen unabhängig wäre. Dieser Plan, sollte er ausgeführt werden, schloss eine Menge Revolutionen in sich, denn derselbe enthielt eine Kriegserklärung gegen Jahrhunderte lang verbriefte Rechte der Provinzen., gegen jede selbständige Bewegung und Entwicklung, gegen Sprache und Sitte seiner Untertanen. Joseph, ganz in jener absolutistischen Anschauungsweise befangen, wonach er sich als unumschränkten Beamten des Staates betrachtete, fand in diesem Streben so wenig eine gewalttätige Unternehmung, daß er es vielmehr für die Pflicht des Regenten hielt, wohl erworbene Rechte und Landeskonstitutionen unbeachtet zu lassen, wenn ihm eine Reform zur Durchführung des Staatszweckes notwendig schien. Dieser Absolutismus, der, möge er nun vom Thron oder vom „souveränen“ Volk ausgehen, sich am wenigsten mit den kirchlichen Institutionen verträgt, wies dem Kaiser auch ganz notwendig eine Stellung der Kirche gegenüber an, vermöge deren er sich zum kirchlichen Reformator für berechtigt hielt.

Das System des Josephinismus beginnt
Der Streben, die Kirche so viel als möglich von ihrem Oberhaupt zu isolieren und sie dafür dem Staat unterzuordnen, führte jenes staatskirchenrechtliche System ins Leben, das unter dem Namen „Josephinismus“ die österreichische Kirche bis auf die Gegenwart unter die strengste bürokratische Bevormundung gestellt und auch in anderen Staaten getreue Nachahmung gefunden hat. Längst war es aber auch die sogenannte Aufklärungspartei, sowohl in als außer Deutschland, welche ihre größte Hoffnung in diesem Stück auf den jungen Kaiser setzte. Dieselbe Partei, die in Frankreich das Gift des Unglaubens durch die höheren Stände hindurch bis in die niedrigsten Schichten des Volkes zu verbreiten wußte, hatte auch in Deutschland Anhänger gewonnen und betrachtete namentlich den Kaiser als ihren getreuen Adepten. Auf welche Weise diese Partei den Kaiser in ihren Bestrebungen hinein zu ziehen suchte, beweist namentlich eine schon sechs Jahre vor dem Regierungsantritt Josephs im Jahre 1774 zu Lausanne erschienene Schrift von Lanjuinais, einem ehemaligen Benediktiner, später aber Lehrer an einer reformierten Erziehungsanstalt in der Schweiz, unter dem Titel: Le monarque accompli ou prodiges de bonté, … Vergleicht man den Inhalt dieser Schrift, namentlich den Teil, welcher das Verhältnis des Regenten zur Religion und Kirche bespricht, mit dem, was wenige Jahre nachher Punkt für Punkt ins Werk gesetzt wurde, so möchte man in derselben den Schlüssel zu dem ganzen Reformbestreben Josephs auf kirchlichem Gebiet gefunden zu haben glauben. –

Aufklärung und Unglaube bereits unter Maria Theresia
Französischer Unglaube beim Hofadel
Übrigens war die Ordnung der Dinge, welche mit dem Regierungsantritt Josephs in Österreich für die Kirche eintrat, keineswegs ganz neu; sie war bereits unter Maria Theresia zu Grunde gelegt und zu ziemlich großem Fortschritt gediehen. Unter dieser Regentin, die persönlich eine fromme Frau war, griff französische Bildung und damit auch der französische Unglaube beim Hofadel immer mehr um sich; besonders war es der Minister und Ratgeber der Kaiserin, Wenzel Graf von Kaunitz, der den Ideen der französischen Philosophie huldigte. Sodann kamen auch aus den Niederlanden hohe Beamte an den Hof, die, jansenistisch gesinnt, zugleich den ganzen Hass dieser Partei gegen die Kirche mitbrachten. Wie Frankreich in allem Übrigen Muster und Vorbild war, so suchte man dasselbe auch darin nachzuahmen, daß man die Grundsätze des Gallikanismus zur Geltung zu bringen suchte und die wesentlichsten Rechte des kirchlichen Oberhauptes zu Gunsten der Staatsgewalt zu beschränken anfing. Der Angriff kehrte sich zunächst gegen diejenigen, welche die festesten und sichersten Stützen der kirchlichen Ordnung waren, gegen die Jesuiten.

Der Einfluss von Jansenismus und Gallikanismus
Ein im Jahre 1752 von der Regierung bekannt gemachter Studienplan beschränkte schon in wichtigen Punkten die Wirksamkeit der Geistlichkeit auf den Lehrstühlen. Bald darauf zog die Regierung die Zensur selbst über theologische Werke an sich und begünstigte entschieden die gallikanische Richtung. Den päpstlichen Legaten wehrte sie die Visitation der österreichische Bistümer (1749). Um die Jesuiten die höchste Ungnade fühlen zu lassen, verloren sie ihre Stellen als Beichtväter bei Hof, was allgemeines Aufsehen erregte. Im Jahre 1759 entzog man ihnen vollends die Direktion der philosophischen und theologischen Fakultät an der Wiener Universität, und an ihre Stelle traten ihre Gegner, der Domherr Simon von Stock, der Leibarzt van Swieten und der Kanonikus Simen. Ähnliches geschah in den Provinzen. So blieb den Jesuiten nur mehr ein Einfluss auf die niederen Schulen, und auch von diesen hätte man sie gerne entfernt, wenn nicht einerseits die persönliche Neigung der Kaiserin und andererseits der Mangel an passenden Lehrern eine vollständige Ausschließung des Ordens unmöglich gemacht hätte. Bei Ernennung zu Bistümern sah es die Hofpartei auf Männer ab, welche in ihrem Sinn wirken sollten. Solchen Bestrebungen musste das Werk von Febronius (1763) als äußerst willkommen und vortrefflich erscheinen. Konnte man dasselbe auch nicht in den Schulen einführen, so wußte man doch wenigstens den freien Umlauf desselben im Buchhandel durchzusetzen. Das Werk fand reißenden Abgang, und um sein Glück im geistlichen Stand zu machen, musste man Febronianer sein. Erst nach der feierlichen Zensurierung des febronianischen Werkes durch den heiligen Stuhl wagte es die österreichische Regierung nicht mehr, dasselbe offen in Schutz zu nehmen. Dafür erschien nun das Kompendium des kanonischen Rechts von Stephan Rautenstrauch, das ganz im febronianischen Geist geschrieben war. Bei dem Klerus fand dieses Werk eine ungünstige Aufnahme; um so dankbarer aber war dafür die Regierung. Rautenstrauch wurde Abt des Klosters Brzevnov bei Prag, Referent über die geistlichen Studien und Hofrat, und war von nun an eine Hauptperson bei allen Neuerungen des Josephs II. –

Die febronianische Neuerungspartei dehnt ihren Einfluss aus
Die Neuerungspartei war es daran gelegen, sich einen tüchtigen Nachwuchs heran zu bilden; deshalb wurden auf Antrag Gerhards van Swieten an allen hohen Schulen des Staates Lehrstühle des Naturrechts und der politischen Wissenschaften errichtet. Von diesen Lehrstühlen herab wurden die widersprechendsten Grundsätze vorgetragen; auf der einen Seite der krasseste Radikalismus, der alle Standesvorrechte als Usurpationen erklärte und dem Naturrecht eine absolute Geltung über das positive Recht einräumte, auf der anderen Seite dagegen die größte Verehrung für den Polizeistaat, den man als Musterstaat anpries. Als Ideal der Staatsweisheit erschien eine gute Polizei, eine große Population und viel Industrie. Den Zöglingen, welche aus diesen schulen hervor gingen, durfte es um einen für sie geeigneten Posten nicht bange sein. Auf den Rat des Professors von Sonnenfels, der ein Hauptvertreter dieser staatswissenschaftlichen Weisheit war, nahm nun auch die Regierung das ganze Volksschulwesen in die Hand, und es wurden zur Bildung der Volkslehrer sogenannte Normalschulen errichtet, durch welche man den Geist der Regierung unter die Volksmassen zu verbreiten suchte. Selbst der Katechismus wurde zu einem Gegenstand, welchem die Regierung ihre Aufmerksamkeit schenken zu müssen glaubte. Der längst im Gebrauch gewesene Katechismus von Canisius paßte nun nicht mehr; er sollte durch einen andern ersetzt werden, der den Prälaten Ignaz Felbiger zum Verfasser hatte. Weil aber auch dieser Katechismus noch zu spezifisch katholisch war, wurde auf Grundlage desselben ein anderer ausgearbeitet; derselbe ward den Bischöfen mit der Weisung zugesendet, ihn durch einen Hirtenbrief dem Klerus und dem Volk zu empfehlen. Ein im Dezember 1774 von der Kaiserin erlassenes Patent verordnete, daß in jedem Pfarrbezirk eine Schule sein sollte, auf welche der Kirche außer der Erteilung des Religions-Unterrichtes kein weiterer Einfluss gestattet war. Die Aufsicht über dieselben führte ein von der Regierung bestellter Schul-Oberaufseher und dehnte sie auch auf den Geistlichen aus, sofern er Religionslehrer war. Die Wissenschaft ruhte nicht, um als Bundesgenossin den Unternehmungen der Regierung den geeigneten Vorschub zu leisten und denselben den Schein von Berechtigung zu verleihen. Die Werke von Febronius und Rautenstrauch verstießen doch zu offen gegen die kirchliche Verfassung, als daß man dieselben hätte offen den Lehrvorträgen zu Grunde legen können. Weit günstiger waren hierzu die 1774 in vier Bänden erschienenen Vorlesungen über das kanonische Recht von Riegger, der den Gallikanismus in einer milderen und gemäßigteren Form darzustellen und mit vorsichtigem Rückhalt den Neuerungen der Regierung das Wort zu reden wußte. Nach diesem Werk musste zufolge der allgemeinen Gesetze, welche für die bischöflichen und Klosterschulen schon seit 1764 die Lehrbücher der Universitäten vorgeschrieben hatte, überall das Kirchenrecht vorgetragen werden. Fast gleichzeitig erschien eine sogenannte Synopse, welche die Grundsätze der gallikanischen Deklaration von 1682, nur mehr entwickelt, enthielt. Dieselbe war eine offizielle Zusammenstellung der kirchenrechtlichen Grundsätze, die in den kaiserlichen Erbländern Geltung hatten. Bei Disputationen durften nur Sätze aus der Synopse gewählt werden. Übrigens war immer noch durch die Persönlichkeit der Kaiserin, welche freilich dem Treiben ihrer Ratgeber nicht auf den Grund zu sehen vermochte, den Neuerungen eine angemessen Schranke gesetzt.

Die Bischöfe versagen in der Verteidigung kirchlicher Rechte
Dies war der Stand der Dinge in Österreich, als die Regierung durch den Tod seiner Mutter in die Hände Josephs überging. Er selbst hatte an diesen Vorgängen schon tätigen Anteil genommen und musste sich um so mehr zum konsequenten Weiterschreiten aufgelegt fühlen, je weniger ihm von Seiten derer, welche dazu berufen waren, von den Bischöfen, Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden. Einige derselben, wie Graf Herberstein, Bischof von Laibach, und die Erzbischöfe Graf Trautson und Graf Migazzi waren sogar Beförderer der Neuerung. Letzterer jedoch zog sich schon früh zurück und wurde später ein Haupt der kirchlich gesinnten Partei. Die andern Bischöfe aber, welche größtenteils aus dem Hofadel gewählt waren, besaßen, wenn sie auch die Neuerungen nicht gerne sahen, doch nicht die notwendige Befähigung, nicht die Wissenschaft, um ihre Rechte und die Sache der Kirche verteidigen zu können. Sie verließen sich auf die Person der Kaiserin und sahen in der ganzen Bewegung nur die Wirkung vorüber gehender Hofränke, welche durch andere Hofränke unwirksam gemacht werden müssten. Der Wink eines Ministers, sie möchten sich in Hinsicht auf Ratschläge an Männer halten, welche in dem geläuterten Kirchenrecht bewandert wären, genügte, sie allen Schein vermeiden zu lassen, der sie um die Hofgunst hätte bringen können. Doch das bisher Geschehene war im Verhältnis zu dem, was jetzt erst kommen sollte, nur ein schwacher Anfang. Einige hundert der Reihe nach erschienene Hofdekrete sollten praktisch machen, was bisher bloß in Kompendien enthalten und auf Lehrstühlen vorgetragen wurde. –

aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1845 – Sp. 1852


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