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Josef Bordat schreibt am 11. Juli:
Papst Franziskus hat in Bolivien bei einem Treffen mit Vertretern indigener Völker für die “Eroberungszüge in der Kolonialzeit” (Tagesschau) um Entschuldigung gebeten, die “ein dunkles Kapitel der katholischen Kirche” (nochmal Tagesschau) gewesen seien.
Wörtlich sagte der Heilige Vater: “Ich sage Ihnen mit Bedauern: Im Namen Gottes sind viele und schwere Sünden gegen die Ureinwohner Amerikas begangen worden. Wie Johannes Paul II. bitte ich, dass die Kirche ‘vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht'”.
So wichtig es ist, sich als Europäer der blutigen Kolonialgeschichte in Lateinamerika bewusst zu sein, so fraglich ist die Kennzeichnung dieser als “Geschichte der Kirche”.
War die Kirche wirklich die treibende Kraft der Conquista im 16. Jahrhundert?
Auch in Sachen Conquista ist es der historischen Redlichkeit geschuldet, staatliches und kirchliches Handeln, militärische Eroberung und christliche Mission nicht einfach in einen Topf zu werfen. Zwar ist die militärische Flankierung von Missionstätigkeit – zum Schutz der Missionare – im 16. Jahrhundert diskutiert und im Ergebnis befürwortet worden, aber dennoch nicht in der Weise, dass man nun Militärs und Missionare in eins setzen könnte.
Leider geschieht das immer noch viel zu oft. Etwa dann, wenn dem damaligen Papst unterstellt wird, die Conquista von Rom aus initiiert zu haben, da er mit der Schenkungsbulle Inter cetera (1493) kurz nach der Entdeckung Amerikas (1492) die Grundlage für die Eroberung im 16. Jahrhundert gelegt habe. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Bulle – wie auch andere Verlautbarungen des Heiligen Stuhls – kaum Einfluss auf die Realpolitik der beiden Renaissance-Supermächte Spanien und Portugal hatte. Die portugiesische und auch die spanische Krone – Reyes Católicos hin oder her – verfuhren nach eigenem Gutdünken, fernab vom Vatikan – und die Conquistadores waren ohnehin außerhalb des Einflusses der Krone. Das ist deshalb erwähnenswert, weil in Fragen der Kolonialisierung oft „die Kirche“ als eigentliche Triebkraft erscheint und allzu gerne für Verbrechen im Kontext derselben verantwortlich gemacht wird. Tatsächlich war es aber so, dass der Vatikan lediglich bestehende Verträge bestätigte. Die Rolle des Papstes und „der Kirche“ in der Kolonialpolitik der Eroberungsjahrzehnte wird also oft ganz erheblich überschätzt.
Spanien und Portugal scherten sich in ihren Verhandlungen wenig um vorher erlassene Bullen des Heiligen Stuhls. So erfolgte die erste Aufteilung der Einflusssphäre zwischen beiden Länder bereits im Vertrag von Alcáçovas (1479), nach dem die Kanarischen Inseln an Spanien gingen, obgleich sie gemäß der Bulle Romanus pontifex (1455) Papst Nikolaus’ V. eigentlich in die portugiesische Hemisphäre fielen. Den Vertrag von Alcáçovas hat Papst Sixtus IV. anschließend bloß noch besiegeln können, nämlich mit der Bulle Aeterni regis (1481).
Der Vertrag von Alcáçovas war nach der Entdeckung Amerikas (1492) obsolet geworden und wurde durch den Vertrag von Tordesillas (1494) aufgehoben – ungeachtet der inzwischen erlassenen Bulle Inter cetera (1493). Beim Vertrag von Tordesillas handelt es sich um ein bilaterales Abkommen zwischen Spanien und Portugal, mit dem die beiden Seemächte eine Korrektur der Demarkationslinie vornahmen, die Papst Alexander VI. in Inter cetera festgesetzt hatte. Die Demarkationslinie wurde mit dem Vertrag von Tordesillas um rund acht Grad oder 270 Meilen nach Westen verschoben, so dass Brasilien fortan zur Einflusssphäre Portugals gehörte, was dann auch erklärt, warum in Lateinamerika hauptsächlich spanisch, in Brasilien aber portugiesisch gesprochen wird. Die im Kontext von Tordesillas fragliche „Schenkungs- bzw. Teilungsbulle“ Inter cetera spielte in den bilateralen Beziehungen zwischen Spanien und Portugal keine Rolle: „Die Diplomatie ging einfach über Inter cetera hinweg. Die Verhandlungen zwischen Madrid und Lissabon liefen weiter als sei nichts geschehen“ (Klaus Schatz: Von der europäischen Christenheit zur Weltkirche. Durchblicke durch die Missionsgeschichte der Neuzeit. Frankfurt a. M. 1983, S. 13). Nur so ist überhaupt zu erklären, dass man einfach mal die Teilungsbedingungen änderte.
Im übrigen wirkte die Bulle auch nicht in das Verhältnis Spaniens zu Frankreich hinein, das nicht qua Inter cetera zum Verzicht auf Ansprüche im überseeischen Raum bewegt werden konnte, sondern mit territorialen Zugeständnissen zu entsprechender Neutralität verpflichtet werden musste. So waren die Spanier bereit, Mailand an Frankreich abzutreten, wenn dieses im Gegenzug auf Kolonien in Amerika verzichtete. Hätte Spanien nicht mit der Bulle als verbindlichem Druckmittel gewuchert, wenn das möglich, wenn also diese Bulle rechtsverbindlich in den internationalen Beziehungen gewesen wäre? Warum Gebiete abtreten, wenn man Rechtsmittel hat, die verbindlich sind? In Wirklichkeit hatte die Bulle Inter cetera aber keine rechtliche Bindungskraft, die auch nur annähernd mit der völkerrechtlicher Verträge mithalten konnte.
Auch fühlte sich Spaniens Katholisches Königspaar Isabel und Ferdinand an keine päpstliche Verlautbarung gebunden, mit der portugiesische Herrschaftsansprüche legitimiert werden sollten. Auf die „Schenkungsbulle“ Romanus pontifex (1455), die keinen Passus zur Teilung enthielt, sondern mit der Papst Nikolaus V. lediglich Afrika an die Portugiesen „verschenkte“, folgte nicht etwa zähneknirschendes Stillschweigen, sondern eine ernste Auseinandersetzung mit zahlreichen Gebietskonflikten, die erst mit dem Vertrag von Alcáçovas (1479) endete, der – wie bereits erwähnt – erstmals eine Interessenabgrenzung (Gebietsteilung) zwischen Spanien und Portugal enthielt, jenseits des Vatikan-Votums.
Spanien und Portugal fühlten sich also nicht an irgendwelche „Verteilungs- und Schenkungsbullen“ gebunden, sondern haben immer eigene Verträge geschlossen, die z. T. den päpstlichen Vorstellungen widersprachen. So geschehen im Vertrag von Alcáçovas, so geschehen im Vertrag von Tordesillas. Zu diesem hatte der Vatikan, der in Kolonialfragen zwischen Spanien und Portugal nachvollzog und nicht etwa das Tempo bestimmte, zwar ausdrücklich geraten, aber nicht um „seine“ Vorstellungen aus vorab erlassenen Bullen umgesetzt zu sehen, sondern allein aus Sorge um den bedrohten Frieden. Im Ergebnis bedeutet das: Spanien und Portugal ließen sich vom Papst am Ende des 15. Jahrhunderts nichts (mehr) sagen; die Kirche stand in der Machtpolitik außen vor.
Die Conquista war mithin ein staatliches Projekt. Es ging um die politische Macht, die militärische Stärke und die wirtschaftliche Blüte Spaniens und Portugals. Die Grausamkeiten der Eroberer heute der Kirche und ihren Missionaren anzulasten, verfängt nicht, wenn man die dargelegten rechtlichen Grundlagen bedenkt. Geradezu absurd wird der Vorwurf, wenn man berücksichtigt, dass es vor allem die Missionare aus dem Predigerorden waren, die gegen die Politik der Eroberer protestierten, dass es die Missionare der Gesellschaft Jesu waren, die Schutzzonen deklarierten (ein Schritt, der ebenfalls an weltlichen Machtinteressen scheiterte) und dass es Dominikaner und Jesuiten waren, die Universitäten gründeten und deren Angehörige sich für die autochthone Kultur interessierten.
Das sollte Papst Franziskus – gerade als Jesuit – nicht vergessen. Bei aller Demut.
https://jobo72.wordpress.com/
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